Sozialrecht an den Universitäten stärken!

25.11.2016 opener

Drohende Verschlechterung der universitären sozialrechtlichen Ausbildung

Den Verlust sozialrechtlicher Lehrstühle an den Universitäten beobachtet der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. seit Jahren mit Sorge. Nun droht eine weitere Schwächung des Sozialrechts in der juristischen Ausbildung. Auf der Justizministerkonferenz am 17. November 2016 wurden Pläne bekannt, die Schwerpunktbereichsprüfung im Ersten Juristischen Examen nur noch mit 20% statt 30% in die Gesamtnote einfließen zu lassen. Zudem sollen die vorgesehenen Semesterwochenstunden im Schwerpunktbereich von derzeit 16 auf 10 bis 14 herabgesetzt werden. Diese Pläne lehnt der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. entschieden ab. Eine Umsetzung dieser Pläne hätte eine gravierende Verschlechterung der sozialrechtlichen Ausbildung zur Folge. Das Sozialrecht wird an den Universitäten fast ausschließlich im Schwerpunktstudium behandelt. Würde dessen Gewichtung gemindert, käme es auch zu einer Kürzung sozialrechtlicher Lehrinhalte. Die Lehre könnte der überragenden Bedeutung des Sozialrechts für die Gesellschaft, Wirtschaft und die juristische Praxis nicht mehr gerecht werden.

Gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Sozialrechts

Die Wirtschaftskrise konnte in Deutschland nur dank eines funktionierenden Sozialrechts gut bewältigt werden. Allein die Etats für Arbeit, Soziales und Gesundheit werden 2017 fast die Hälfte des Bundeshaushalts umfassen. Die Sozialausgaben in Deutschland insgesamt liegen bei annähernd 900 Mrd. Euro, was rund 30 % des Bruttonationaleinkommens entspricht. Im Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten 5,2 Mio. Menschen; hinzu kommen zig-tausende Beschäftigte der Sozialversicherungsträger und der öffentlichen Verwaltung. Kaum ein Mensch in Deutschland unterliegt nicht der Kranken- und Pflege-, der Renten-, Arbeitslosen- oder Unfallversicherung. Die Sozialgerichtsbarkeit ist der zweitgrößte Gerichtszweig Deutschlands.

Ausstrahlung des Sozialrechts in alle anderen Fachgebiete

Spätestens seit Einführung des SGB II (Hartz IV) kommt kaum eine Anwaltskanzlei mehr ohne sozialrechtliche Kompetenz aus: Egal, ob im Wirtschaft-, Steuer-, Arbeits- oder Familienrecht, stets müssen Anwältinnen und Anwälte auch die sozialrechtlichen Folgen der auf dem jeweiligen Fachgebiet gewählten Gestaltungen im Auge haben. Mit den großen Zukunftsthemen, wie Wandel der Arbeitswelt, Sicherung der Renten, demografischer Wandel, Inklusion und Migration, steigt der Bedarf an sozialrechtlicher Regulierung und Rechtsanwendung. Damit wird auch die Nachfrage nach gerade im Sozialrecht gut ausgebildeten Juristinnen und Juristen nicht nur in der Sozialgerichtsbarkeit, der Sozialverwaltung und den rechtsberatenden Berufen weiter stark zunehmen. Die Komplexität der Materie wie auch die notwendigen interdisziplinären Kompetenzen verlangen, dass das Sozialrecht ganz selbstverständlich Teil des universitären Studiums der Rechtswissenschaften ist, dort gestärkt und keinesfalls geschwächt wird.

Bedeutung des Schwerpunktstudiums für die Fortentwicklung des Sozialrechts

Die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft werfen neue soziale und damit vor allem auch sozialrechtliche Fragen auf. Das universitäre Schwerpunktstudium gibt Gelegenheit, die Methoden zu vermitteln, um in der Praxis des Sozialrechts zeitgemäße Antworten geben zu können. Das Schwerpunktstudium bietet die Chance, anhand spezieller sozialrechtlicher Materien die rechtswissenschaftliche und methodische Vertiefung zu leisten, die auch in der Praxis benötigt wird, aber bei einem auf den Pflichtfachkanon reduzierten Stoff nicht stattfindet. Ohne die Vertiefungsmöglichkeit in den Schwerpunktbereichen beschränkt sich das Universitätsstudium auf examensrelevantes Überblickswissen mit geringem wissenschaftlichem Anspruch. Gerade dieser Anspruch macht aber das Wesen eines Studiums aus.

Vor diesem Hintergrund weist der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. darauf hin, dass im Zuge des juristischen Schwerpunktstudiums an den Fakultäten gerade auch im Bereich des Sozialrechts wichtige Profilierungen stattgefunden haben. Auf den Schwerpunkten aufbauende Masterstudiengänge mit sozialrechtlichen Inhalten tragen zur Fortentwicklung des Sozialrechts, aber auch zur Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Deutschland bei. Das Sozialrecht muss sich deshalb mindestens im bisherigen Umfang in der Schwerpunktausbildung behaupten. Zugleich muss sich das erhöhte Engagement der Studierenden in der von ihnen gewählten Spezialisierung in der Prüfung und in der Examensnote angemessen niederschlagen. Wer die Bedeutung der Schwerpunktbereiche mindert, nimmt entscheidende wissenschaftliche Elemente aus der Juristenausbildung heraus.

Autor: Deutscher Sozialgerichtstag e.V.

Anlass: Pläne der Justizministerkonferenz

Nach den Plänen der Justizministerkonferenz vom 17. November 2016 soll die Schwerpunktprüfung im Ersten Juristischen Examen nur noch mit 20 % in die Gesamtnote einfließen. Dadurch droht eine enorme Verschlechterung der sozialrechtlichen Ausbildung. Denn das gesamtgesellschaftlich relevante Sozialrecht wird an den Universitäten derzeit fast ausschließlich im Schwerpunktstudium gelehrt.

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Schlagwörter: Sozialrecht in der Ausbildung, Justizministerkonferenz, Jurastudium, Schwerpunktprüfung