Kurzbericht der Kommission SGB VI beim 8. DSGT am 3.11.2022 – »Erwerbsminderung: Absicherung im Mehr-Säulen-System und gelingende Teilhabe am Arbeitsleben«

08.11.2022 opener

Aufgrund kurzfristiger Verhinderungen hatten die Kommissionsmitglieder nur einen Inputbeitrag. Herr Christoph Schell, Deutsche Rentenversicherung Bund, führte aus, dass es sich beim Kreis der Erwerbsminderungs-Rentnerinnen und Rentner um einen besonders mit Risiken belasteten Kreis von Erwerbstätigen handele. Sie haben ein hohes Armutsrisiko und ein hohes Sterberisiko. Ähnliche Risiken haben Geringverdiener, Erwerbslose und Erwerbstätige mit einem niedrigen Bildungsstand. In der gesetzlichen Rentenversicherung kam es ab 2014 zu sinkenden Zahlbeträgen in der Erwerbsminderungsrente. Dadurch wurde der Gesetzgeber zur Handlung veranlasst. Die Verlängerung der Zurechnungszeiten führte zu einer ersten Anhebung der Zahlbeträge. Nunmehr wird mit pauschalen Zurechnungen für die Bestandsrenten ausgeglichen: aus den Jahren 2001 bis 2014 um 7,5% und ab 2014 um 4,5% - Umsetzung im Jahre 2024.

Der Referent stellte klar, dass das Sicherungsniveau der Erwerbsminderungsrente im 3-Säulen-Modell nicht ausreichend sei. Hier setzt sich nämlich das geringe Einkommen der Risikogruppe im Berufsleben in der späteren Rente fort, denn diese Gruppe ist gerade nicht durch die betriebliche oder private Altersvorsorge hinreichend gesichert.

Im Anschluss diskutierte die Kommission die Befunde und suchte nach Verbesserungsvorschlägen. Besonders wichtig ist hierbei die Feststellung, dass der Bezug der Erwerbsminderungsrente, also die Erwerbsminderung bzw. der gesundheitlich bedingte Mangel an entsprechenden Erwerbsmöglichkeiten, keine freiwillige Entscheidung der Rentenbezieherinnen und -bezieher ist.

Im gesamten Verfahren ist zu beachten, dass die Versicherten im Mittelpunkt stehen sollten und die notwendigen Entscheidungen die Unfreiwilligkeit berücksichtigen, insbesondere Abgrenzungsprobleme der einzelnen Sicherungssysteme sollen nicht die Betroffenen belasten. Hierfür sollte über gemeinsame Servicestellen der Sozialversicherung nachgedacht werden, um den Trägern die Möglichkeit zu geben, intern die Zuständigkeit zu klären.

Der Charakter der Erwerbsminderungsrente, welche häufig dem Endstadium des Erwerbslebens gleichgesetzt wird, muss überdacht werden. Es sollte vielmehr als ein Aktivierungs-Instrument begriffen werden. Im Zusammenhang mit der Begutachtung wäre es ratsam, eine zeitnahe Aktivierung innerhalb von 6 Monaten beginnen zu lassen, um eine erfolgreiche Reintegration erreichen zu können. Hierbei könnte auch ein Fallmanagement hilfreich sein, wie es bereits in anderen Sozialgesetzbüchern normiert ist, zum Beispiel im zukünftigen § 30 SGB XIV. Voraussetzung für einen Erfolg ist die noch oder wieder vorhandene Arbeitsmotivation ernster zu nehmen als bisher. Vor dem Hintergrund, dass die Befristung der Erwerbsminderungsrenten bisher nicht dazu führte, dass die Rückkehr in den Arbeitsmarkt befördert werden konnte, könnte die Befristung in der Zukunft entfallen, weil es eine andere Sichtweise auf die Potentiale von Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner wäre. Eine Möglichkeit wäre hierfür, die Anreize zur Arbeitsaufnahme und der Bewertung der Erwerbsfähigkeit nach einen Rehabilitationsverfahren streng zu trennen. Bei den Überlegungen sollte auf positive Erfahrungen aus anderen Ländern zurückgegriffen werden. In Schweden zum Beispiel bleibt auch bei einer Wiederaufnahme der Arbeit ein Teil der Zahlungen aufgrund der Erwerbsminderungsrente weiter bestehen.

Mit Blick auf das 3-Säulen-Modell müssen zwei wichtige Aspekte berücksichtigt werden.

1. Das Armutsrisiko der Bezieher eine Erwerbsminderungsrente besteht auch in der 2. und 3. Säule, da es dort bisher von dieser Gruppe nicht ausgeglichen werden kann, obwohl der Ausgleich gerade die Aufgabe der weiteren Säulen ist.

2. Grundsätzlich sollte die derzeitige Lage des Fachkräftemangels genutzt werden, um die betriebliche Altersvorsorge weiter zu propagieren. Die Arbeitgeber hätten gute Argumente, wenn sie in diesem Rahmen eine private betriebliche Absicherung gegen dieses Risiko anbieten, um Fachkräfte zu gewinnen bzw. an den Betrieb zu binden.

Die privatwirtschaftlich organisierte Vorsorge ist immer noch am jeweiligen Risiko der Arbeitnehmer orientiert. Diese Zuschreibungen müssten in Bezug auf die Erwerbsminderungsrente überdacht werden, weil sie im Prinzip für die spezifischen Gruppen zum Ausschlusskriterium werden. Das würde aber nichts weniger bedeuten, als die Bedingungen der privaten Versicherungen denen der gesetzlichen Rentenversicherung anzugleichen, was sicher keine leicht umzusetzende Forderung ist. Im Ergebnis bedeutet es, die 2. und 3. Säule auch mit solidarischen Ausgleichselementen zu versehen. Eine kollektive Regelung könnte dieses koordinieren.

Als allgemeine Anforderung hat die Kommission besprochen, dass die Behördensprache so weit vereinfacht werden sollte, dass die Abfragen von Laien auch ohne besondere Beratungsleistung verstanden werden können.

 

Autor: RiLSG Jörn Hökendorf, Pressesprecher DSGT e.V.

Anlass: Kommission SGB VI beim 8. DSGT

Herr Christoph Schell, Deutsche Rentenversicherung Bund, führte aus, dass es sich beim Kreis der Erwerbsminderungs-Rentnerinnen und Rentner um einen besonders mit Risiken belasteten Kreis von Erwerbstätigen handele. Sie haben ein hohes Armutsrisiko und ein hohes Sterberisiko. Ähnliche Risiken haben Geringverdiener, Erwerbslose und Erwerbstätige mit einem niedrigen Bildungsstand. Der Referent stellte klar, dass das Sicherungsniveau der Erwerbsminderungsrente im 3-Säulen-Modell nicht ausreichend sei. Hier setzt sich nämlich das geringe Einkommen der Risikogruppe im Berufsleben in der späteren Rente fort, denn diese Gruppe ist gerade nicht durch die betriebliche oder private Altersvorsorge hinreichend gesichert. Im Anschluss diskutierte die Kommission die Befunde und suchte nach Verbesserungsvorschlägen.

Rubrik:

Schlagwörter: Erwerbsminderungsrente, private Altersvorsorge, betriebliche Altersvorsorge, 3-Säulen-Modell, Risikogruppe, Sicherungsniveau