Kurzbericht der Kommission SGB V auf dem 8. DSGT am 3.11.2022 »Das Für und Wider einer Beteiligung an Krankenhausbehandlungskosten bei eigenverantwortlicher Mitverursachung – Muss eine alte Debatte neu geführt werden?«

08.11.2022 opener

Grundgedanke ist, dass derjenige, der einen vermeidbaren Versicherungsfall bewusst – und somit rechtsmissbräuchlich – herbeiführt, sich nicht zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft schadlos halten soll.

Grundsätzlich übernehmen Krankenkassen nach dem Sozialstaatsgedanken notwendige Leistungen ohne Rücksicht auf die Krankheitsursache. Der Gesetzgeber macht jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz für den Fall, dass sich Einzelne unsolidarisch verhalten, dennoch aber Leistungen der Solidargemeinschaft verlangen. In § 52 SGB V sind Leistungsbeschränkungen bei Selbstverschulden definiert. Hier werden teilweise Leistungsausschlüsse bei vorsätzlicher Verursachung einer Krankheit sowie bei medizinisch nicht indizierten Operationen wie Brustvergrößerungen, Tätowierungen oder Piercings geregelt.

Die Frage ist vorliegend, um Herrn Schlegels Überlegungen aus dem Pressegespräch des BSG aus Anfang dieses Jahres aufzunehmen, ob nicht auch weitere Handlungen aufgenommen werden müssten, die ebenfalls zu einer Leistungsbeschränkung führen. Herr Schlegel nennt hier Menschen, die nicht gegen SARS-COV-2 geimpft und schwer an COVID-19 erkrankt sind. Er sieht es als zulässig an, ungeimpfte mit schwerem Verlauf je nach Einkommen und Vermögen maßvoll an den Kosten solcher Behandlungen zu beteiligen.

Bis Ende 2021 sind rund 267.000 COVID-19-Patienten in Krankenhäusern behandelt worden. Durchschnittlich lagen die Behandlungskosten bei 3.700 Euro. Wird aber eine Beatmung notwendig, entstehen je nach Dauer 60.000 bis 200.000 Euro Kosten, ohne spätere Folgebehandlungen, wie zum Beispiel bei Long COVID. Für 200.000 Euro müsste ein Durchschnittsverdiener und sein Arbeitgeber 34 Jahre lang Krankenkassenbeiträge zahlen.

Dies diskutierten Frau Prof. Ursula Engelen-Kefer, Vizepräsidentin des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) und Frau Professorin Frauke Brosius-Gersdorf, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht, Sozial- und Bildungsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. Frau Brosius-Gersdorf stellte die rechtlichen Grundlagen dar und bestätigte in ausführlicher Herleitung die grundsätzliche Möglichkeit, entsprechende weitere Ausnahmen zu regeln und auch Nichtgeimpfte an den Kosten solcher Behandlungen finanziell zu beteiligen.

Frau Prof. Engelen-Kefer stellte sich vehement gegen die Erweiterung und Kostenbeteiligung. Sie sieht eine Entsolidarisierung der Gesellschaft. Sie stellte Gegenthesen auf, verwies auf erhebliche Gerichts- und Massenverfahren aufgrund der Streitaffinität der zahlreichen ungeimpften Menschen, ohne damit Risikogruppen und Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen können, zu meinen.

Mit der Erweiterung des Kreises der Gruppen stellt sich die Frage, ob auch gefährliche Sportarten wie Bungee-Jumping oder Ski fahren, darunter gefasst werden können und sollen - Was ist mit Alkoholkonsum und Übergewicht, Rauchen sowie der Genuss von Suchtmitteln usw.? Die Frage nach der Grenzziehung wird in der Kommission kontrovers diskutiert. Es wird die Gefahr gesehen, dass die Gesellschaft entsolidarisiert wird, was im Gegensatz zu den gesetzlichen Grundgedanken im Sozialgesetzbuch steht. Im Vordergrund sollen die Prävention und die Förderung von vernünftigen Verhalten stehen. Ein großer Teil der Bevölkerung verhält sich bereits solidarisch und die Solidargemeinschaft muss abweichendes Verhalten im Einzelfall aushalten.

Unter den Teilnehmern entstand eine über zwei Stunden andauernde rege und streitige Diskussion, die sowohl in die eine wie auch die andere Richtung ging, wobei immer auch die Argumente der Gegenseite geteilt werden konnten. Schlussendlich entwickelte sich aus einem anfänglichen Gefühl der Ablehnung der Aufnahme der Nichtgeimpften in die Regelung von § 52 SGB V eine doch eher allgemeine Ablehnung. Klar abgelehnt wurde, dass die Kostenübernahme den Nichtgeimpften „weh tun soll“, wie Prof. Schlegel es dargestellt hat, da es hier nicht darum geht, den Krankenkassen eine Einnahmequelle zu verschaffen, und das Gesetz von einer maßvollen, genauer gesagt „angemessenen Höhe“ der Kostenbeteiligung spricht.

Absolut einig waren sich die Teilnehmer, dass eine Impfpflicht notwendig und sinnvoll ist und damit das Problem, über eine Kostenbeteiligung zu sprechen, obsolet wären.

 

Autor: RiLSG Jörn Hökendorf, Pressesprecher des DSGT e.V.

Anlass: Kommission SGB V auf dem 8. DSGT

Grundsätzlich übernehmen Krankenkassen nach dem Sozialstaatsgedanken notwendige Leistungen ohne Rücksicht auf die Krankheitsursache. Der Gesetzgeber macht jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz für den Fall, dass sich Einzelne unsolidarisch verhalten, dennoch aber Leistungen der Solidargemeinschaft verlangen. In § 52 SGB V sind Leistungsbeschränkungen bei Selbstverschulden definiert. Die Frage war vorliegend, ob nicht auch weitere Handlungen aufgenommen werden müssten, die ebenfalls zu einer Leistungsbeschränkung führen.

Rubrik:

Schlagwörter: Mitverursachung, Gesetzliche Krankenversicherung, Notwendige Leistungen, Selbstverschulden