Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)

22.05.2014 opener

Den Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) – besser bekannt als „Rentenpaket“ zur „abschlagsfreien Rente mit 63“, und zur „Mütterrente“ hat die Bundesregierung am 25.03.2014 ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht (BT-Drs 18/909 = BR-Drs 25/14).

In den Erläuterungen dazu heißt es, Ziel des Gesetzentwurfes sei es, eine abschlagsfreie Rente ab 63 Jahre für bestimmte Altersjahrgänge einzuführen, die anrechenbaren Kindererziehungszeiten für Mütter und Väter vor 1992 geborener Kinder auszuweiten, eine Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten zu erreichen und die jährlichen Aufwendungen für Leistungen zu Teilhabe an die demografische Entwicklung anzupassen.

Der Problemfall: Die Rente mit 63

Schon am Freitag, den 23.05.2014 soll das Rentenpaket im Deutschen Bundestag verabschiedet werden; am 01.07.2014 soll es in Kraft treten. Doch bisher weiß niemand, wie die Regelungen zur abschlagfreien Rente mit 63 im Einzelnen aussehen sollen. Immer wieder tauchen neue Fragen auf (www.heute.de vom 18.05.2014). Danach kann die Rente mit 63 gar nicht so umgesetzt werden, wie der Gesetzentwurf es vorsieht. Das Problem besteht darin, dass kurze Zeiten der Arbeitslosigkeit bei den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, also der 45 Beitragsjahre, mitzählen sollen. Wie kurz bzw. wie lang diese Zeiten sein dürfen, ist unklar. Viele schwerer wiegt jedoch das folgende Problem: Die Rentenversicherung kann aufgrund der bei ihr gespeicherten Daten nicht zwischen kurzen Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Arbeitslosengeldbezug und längeren Arbeitslosigkeitszeiten mit Bezug von Arbeitslosenhilfe unterscheiden. Das gilt jedenfalls für den Zeitraum vor 2001, der bei der Rückrechnung für 45 Jahre selbstverständlich mitzählt. Die Bundesagentur für Arbeit hat diese Daten längst gelöscht. Viele Rentenbewerber werden ebenfalls keine aussagekräftigen Unterlagen über diese Zeiten besitzen. Nun heißt es zu dem mit glühend heißer Nadel gestrickten Gesetzentwurf, es werde über ein Modell zur Glaubhaftmachung solcher Zeiten mittels eidesstattlicher Versicherung nachgedacht. Erfahrungsgemäß führt eine solche Lösung zu einer Vielzahl von gerichtlichen Verfahren, die dann die Sozialgerichtsbarkeit treffen werden.

Die EU-Kommission wird laut Pressemeldungen der Bundesregierung im Rahmen ihrer länderspezifischen „Empfehlung“ eine baldige Korrektur oder einen Ausgleich der neuen Rentenleistungen nahelegen. Hintergrund für die offizielle Kritik ist der Euro-Plus-Pakt, den insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durchgesetzt hatte. Darin wird unter anderem eine langfristige Tragfähigkeit der Rentensysteme verlangt. Ein Brüsseler Spitzenbeamter wird zitiert, die neuen Anreize, bereits mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente zu gehen, seien ein glatter Verstoß gegen die im Pakt verankerte „Anpassung des Rentensystems an die nationale demografische Situation“. Die Euro-Länder hätten sich zur „Angleichung des tatsächlichen Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung“ sowie zur „Begrenzung von  Vorruhestandsregelungen“ verpflichtet. Stattdessen müsse Deutschland die gezielten „Anreize für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer“ verbessern (www.focus-online.de).

Um einer befürchteten Frühverrentungswelle vorzubeugen, soll ein sog. „rollierender Stichtag“ eingeführt werden. Danach bleiben bei den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente mit 63 Arbeitslosigkeitszeiten während der letzten zwei Jahre vor dem Renteneintrittsalter unberücksichtigt bei der Erfüllung der Voraussetzungen.

Wer 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, kann mit 63 Jahren ohne Abzüge in den Ruhestand gehen. Für ab 1953 Geborene steigt die Altersgrenze mit jedem Jahrgang um zwei Monate. Für den Jahrgang 1964 liegt sie somit bei 65 Jahren.

Der neueste Stand (21.05.2014) im Einigungsprozess von CDU/CSU und SPD lautet wie folgt:

1. Zeiten der Arbeitslosigkeit werden bei den Anspruchsvoraussetzungen für die Rente mit 63 unbegrenzt als Beitragsjahre mitgezählt, wenn Anspruch auf das reguläre Arbeitslosengeld I bestand. Aber Arbeitslosigkeit in den letzten beiden Jahren vor dem Renteneintritt wird nicht berücksichtigt, dafür soll es einen "rollierenden Stichtag" geben. Dieser verhindert, dass Arbeitnehmer mit 61 Jahren aufhören zu arbeiten, dann zwei Jahre Arbeitslosengeld I beziehen, um anschließend in die Rente mit 63 zu gehen - es sei denn, der Arbeitsplatz geht wegen der Pleite des Arbeitgebers oder wegen der Betriebsaufgabe verloren. Diese Maßnahme soll Frühverrentungen vermeiden.

2. Wer längere Zeit keinen Job hatte, darf nur bis zu fünf Jahre seiner Arbeitslosigkeit bei der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren anrechnen. Dazu müssen 45 Beitragsjahre nachgewiesen werden.

3. Die Koalition will eine sogenannte Flexirente einführen, bei der Menschen künftig auch über das Rentenalter hinaus weiter beschäftigt werden können. Arbeitnehmern soll erleichtert werden, über das Erreichen der Regelaltersgrenze von derzeit 65 Jahren und drei Monaten hinaus zu arbeiten. Bei Einvernehmen mit seinem Arbeitgeber kann er vor dem Rentenbeginn den Ruhestand hinausschieben. Arbeitgeber müssen dann aber weiter Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zahlen. Eine Arbeitsgruppe soll in den kommenden Monaten weitergehende Erleichterungen prüfen. Sie soll auch prüfen, ob es dabei bleibt, dass Hartz-IV-Empfänger gegen ihren Willen in Rente geschickt werden können.

4. Zeiten der freiwilligen Beitragszahlung sollen berücksichtigt werden. Die letzten beiden Jahre vor dem Eintritt in die Rente zählen hier jedoch nicht. Zudem ist eine Voraussetzung, dass 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt wurden. Dies betrifft vor allem Handwerker, die sich selbstständig gemacht hätten, hieß es.

Unberührt davon bleiben die an dem Rentenpaket geäußerten Kritikpunkte. Danach wird nur eine kleine Gruppe in der Gesellschaft durch die Regelungen begünstigt. Insbesondere jüngere Versicherte, aber auch Erwerbsgeminderte müssen dafür zahlen ohne jemals einen eigenen Anspruch auf Frühverrentung mit abschlagsfreier Rente zu erwerben. Für Bestandsrentner wird das Rentenniveau noch stärker sinken als bisher schon vorgesehen. Der drohende Facharbeitermangel wird verschärft. damit soll sich im zweiten Halbjahr eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die über eine Flexirente nachdenkt. In Skandinavien gibt es die Flexirente bereits. In Schweden können sich Arbeitnehmer schon mit 61 Jahren aufs Altenteil zurückziehen. Oder aber sie können über die gesetzliche Altersgrenze von 65 Jahren hinaus länger arbeiten bis 67. In Norwegen gilt seit 2011 sogar ein Alterskorridor von 62 bis 75 Jahre. Wer in Schweden mit 61 Jahren in Rente geht, bekommt allerdings 28 Prozent weniger Rente, als wenn er bis 65 gearbeitet hätte (FAZ vom 12.05.2014).

Bei der Rente mit 63 sollen nach bisherigem Sachstand folgende Zeiten mitzählen

  • Zeiten mit Pflichtbeiträgen aus Beschäftigung,
  • Zeiten der geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung (anteilige Berücksichtigung),
  • Zeiten mit Pflichtbeiträgen aus selbstständiger Tätigkeit,
  • Zeiten der Wehr- oder Zivildienstpflicht,
  • Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege von Angehörigen,
  • Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes,
  • Zeiten, in denen Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld I, Teilarbeitslosengeld, Leistungen bei Krankheit (zum Beispiel Krankengeld, Verletztengeld) oder Übergangsgeld bezogen wurden,
  • Zeiten des Bezugs von Leistungen bei beruflicher Weiterbildung,
  • Zeiten des Bezugs von Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld und Winterausfallgeld,
  • Zeiten des Bezugs von Insolvenzgeld und Konkursausfallgeld (Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers),
  • Ersatzzeiten.

Nicht berücksichtigt werden bestimmte Anrechnungszeiten (zum Beispiel wegen eines

Schul-, Fachschul- oder Hochschulbesuchs), Zeiten der freiwilligen Versicherung, Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II, Zurechnungszeiten und zusätzliche Wartezeitmonate aufgrund eines Versorgungsausgleichs oder Rentensplittings.

Anhebung der Altersgrenze:

Wer 63 Jahre oder älter ist und bislang noch keine Altersrente bekommt, soll nach dem Gesetzentwurf ab 1. Juli 2014 die Altersrente für besonders langjährig Versicherte abschlagsfrei erhalten können, soweit die sonstigen Voraussetzungen für diese Altersrente erfüllt sind. Für ab 1953 geborene Versicherte wird die Altersgrenze von 63 Jahren schrittweise um zwei Monate pro Jahr auf 65 Jahre angehoben.

Für die Jahrgänge ab 1964 beträgt die Altersgrenze für diese Rentenart dann 65 Jahre.

Wichtig:

a) Ein bereits vor Inkrafttreten der Neuregelungen gestellter Rentenantrag auf Rente nach bisherigem Recht kann zurückgenommen werden, solange über die beantragte Rente noch kein bindender Rentenbescheid erteilt worden ist. Bindend ist ein Rentenbescheid dann, wenn er – zum Beispiel wegen Ablauf der Widerspruchsfrist – nicht mehr angefochten werden kann.

b) Arbeitnehmer, die bereits die Voraussetzungen für eine Altersrente erfüllen, sind nicht verpflichtet, diese auch in Anspruch zu nehmen. Sie können vorbehaltlich tarifvertraglicher oder anderer arbeitsrechtlicher Einschränkungen weiterarbeiten.

c) Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze müssen die Hinzuverdienstgrenzen beachtet werden. Das gilt auch für die Rente mit 63. Die Regelaltersgrenze steigt an von 65 auf 67 Jahre (derzeit 65 + 3 Monate).

Quelle: www.Deutsche Rentenversicherung.de

Die Mütterrente

Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, sollen für die Erziehung jedes Kindes ab 01.07.2014 einen zusätzlichen Entgeltpunkt erhalten. Daraus folgt eine Erhöhung der Monatsrente von 28,14 Euro pro Kind im Westen und 25,74 Euro pro Kind im Osten. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und ggf. Steuern werden von dem erhöhten Rentenbetrag ausgehend berechnet. Soweit die Daten dem Rentenversicherungsträger bekannt sind muss die Rentenempfängerin nichts tun. Die Rente wird nach Inkrafttreten des Gesetzes von Amts wegen neu berechnet (www.Deutsche Rentenversicherung.de).

Beginnt die Rente erst ab 01.07.2014, so können zusätzlich 12 Monate pro Kind als Versicherungszeiten berücksichtigt werden, maximal 24 Kalendermonate. Das ist wichtig für diejenigen, die bisher die allgemeine Wartezeit nicht erfüllen.

Die Erwerbsminderungsrenten

Die Zurechnungszeit wird um zwei Jahre - von 60 auf 62 Jahre - verlängert. Erwerbsgeminderte werden dann so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen zwei Jahre länger als bisher gearbeitet hätten. Von dieser Verbesserung profitieren Rentenzugänge ab dem 1. Juli 2014 in die Erwerbsminderungsrente im Alter von unter 62 Jahren. Für die Höhe der Erwerbsminderungsrente ist mitentscheidend, wie der Verdienst ermittelt wird, der für die Zurechnungszeit fortgeschrieben wird. Bislang wird die Zurechnungszeit auf Grundlage des Durchschnittsverdiensts während des gesamten Erwerbslebens bis zum Eintritt der Erwerbsminderung bewertet. Künftig wird geprüft, ob gegebenenfalls die letzten vier Jahre bis zum Eintritt der Erwerbsminderung diese Bewertung negativ beeinflussen, etwa weil in dieser Zeit wegen Einschränkungen bereits Einkommenseinbußen zu verzeichnen waren. Das ist häufig der Fall, etwa weil die Menschen in dieser Zeit schon häufig krank waren, oder krankheitsbedingt nicht mehr so viel bzw. gar nicht mehr arbeiten konnten. Mindern die letzten vier Jahre bis zum Eintritt der Erwerbsminderung die Ansprüche, fallen sie künftig aus der Berechnung heraus. Diese so genannte „Günstigerprüfung“ führt die Deutsche Rentenversicherung durch. Das Ergebnis ist immer das für den Erwerbsminderungsrentner positivere (www.rentenpaket.de).

Das Reha-Budget

Die Mittel, die der Rentenversicherung jährlich für Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation zur Verfügung stehen werden als Reha-Budget bezeichnet. Das Reha-Budget wird jährlich neu festgesetzt und dabei bislang nur an voraussichtliche Entwicklung der Bruttolöhne- und Gehälter je Arbeitnehmer angepasst. Mit dem Rentenpaket wird das Reha-Budget wird an die Bevölkerungsentwicklung angepasst. Rückwirkend zum 1.1. 2014 wird das jährliche Reha-Budget dadurch um rund 100 Millionen Euro erhöht. Diese zusätzliche Erhöhung steigt auf bis zu 233 Millionen Euro im Jahr 2017. Nach 2017 wird die zusätzliche Erhöhung des Reha-Budgets schrittweise wieder abgebaut, bis die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gegangen sind.

Autor: Hans-Peter Jung

Anlass: Gesetzgebungsverfahren

Ziel des Gesetzentwurfes ist es, eine abschlagsfreie Rente ab 63 Jahre für bestimmte Altersjahrgänge einzuführen, die anrechenbaren Kindererziehungszeiten für Mütter und Väter vor 1992 geborener Kinder auszuweiten, eine Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten zu erreichen und die jährlichen Aufwendungen für Leistungen zu Teilhabe an die demografische Entwicklung anzupassen. Doch bisher weiß niemand, wie die Regelungen zur abschlagfreien Rente mit 63 im Einzelnen aussehen sollen. Immer wieder tauchen neue Fragen auf.

Rubrik:

Schlagwörter: Rente mit 63, Mütterrente, Erwerbsminderungsrente, Reha-Budget