Sozialrecht in der Ausbildung stärken - keine Schwächung des universitären Schwerpunktbereichs-Studiums

25.11.2017 opener

Auf der Justizministerkonferenz am 9. November 2017 wurde beschlossen, den Umfang des Schwerpunktbereichs-Studiums zu begrenzen. Hierzu sollen die Semesterwochenstunden und der Anteil der Prüfungsleistungen im Schwerpunktbereich an der Gesamtnote im Ersten Juristischen Examen herabgesetzt werden. Diese Pläne lehnt der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. aus folgenden Gründen entschieden ab.

Gesellschaftliche Bedeutung des Sozialrechts

Das Sozialrecht betrifft alle Bewohnerinnen und Bewohner Deutschlands von der Geburt bis zum Tod. Kaum ein Mensch in Deutschland unterliegt nicht der Kranken- und Pflege-, der Renten-, Arbeitslosen- oder Unfallversicherung. Die Sozialgerichtsbarkeit ist der zweitgrößte Gerichtszweig Deutschlands. Die Wirtschaftskrise konnte hierzulande nur dank eines funktionierenden Sozialrechts gut bewältigt werden.

Allein die Etats für Arbeit, Soziales und Gesundheit umfassen 2017 fast die Hälfte des Bundeshaushalts. Die Sozialausgaben in Deutschland insgesamt liegen bei annähernd 900 Mrd. Euro, was rund 30 % des Bruttonationaleinkommens entspricht. Im Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten 5,2 Mio. Menschen; hinzu kommen zigtausende Beschäftigte der Sozialversicherungsträger und der öffentlichen Verwaltung.

Wenig Sozialrecht in der juristischen Ausbildung

Spätestens seit Einführung des SGB II (Hartz IV) kommt kaum eine Anwaltskanzlei mehr ohne sozialrechtliche Kompetenz aus: Egal, ob im Wirtschaft-, Steuer-, Arbeits- oder Familienrecht, stets müssen Anwältinnen und Anwälte auch die sozialrechtlichen Folgen der auf dem jeweiligen Fachgebiet gewählten Gestaltungen im Auge haben. Dennoch spielt das Sozialrecht in der Juristenausbildung nur eine untergeordnete Rolle. Den Verlust sozialrechtlicher Lehrstühle an den Universitäten beobachtet der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. seit Jahren mit Sorge. Nun droht durch die beschlossene Begrenzung des Umfangs des Schwerpunktbereichs-Studiums eine weitere Schwächung des Sozialrechts in der juristischen Ausbildung.

Drohende Verschlechterung der sozialrechtlichen Ausbildung

Eine Umsetzung der Pläne der Justizministerkonferenz hätte eine gravierende Verschlechterung der sozialrechtlichen Ausbildung zur Folge. Das Sozialrecht wird an den Universitäten fast ausschließlich im Schwerpunktstudium behandelt. Würde dessen Gewichtung gemindert, käme es auch zu einer Kürzung sozialrechtlicher Lehrinhalte. Die Lehre könnte der überragenden Bedeutung des Sozialrechts für die Gesellschaft, Wirtschaft und die juristische Praxis nicht mehr gerecht werden.

Sozialrechtsjuristinnen/-en werden dringend gebraucht

Mit den großen Zukunftsthemen, wie Wandel der Arbeitswelt, Sicherung der Renten, demografischer Wandel, Inklusion und Migration, steigt der Bedarf an sozialrechtlicher Regulierung und Rechtsanwendung. Damit wird auch die Nachfrage nach gerade im Sozialrecht gut ausgebildeten Juristinnen und Juristen nicht nur in der Sozialgerichtsbarkeit, der Sozialverwaltung und den rechtsberatenden Berufen weiter stark zunehmen. Die Komplexität der Materie wie auch die notwendigen interdisziplinären Kompetenzen verlangen, dass das Sozialrecht ganz selbstverständlich Teil des universitären Studiums der Rechtswissenschaften ist, dort gestärkt und keinesfalls geschwächt wird.

HINTERGRUND

Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. ist ein interdisziplinärer Fachverband, der sich u.a. der einheitlichen Rechtsanwendung auf dem Gebiet des Sozialrechts und der wissenschaftlichen und sozialpolitischen Entwicklung des Sozialrechts widmet. Zu diesem Zweck veranstaltet er alle zwei Jahre einen öffentlichen Kongress, den „Deutschen Sozialgerichtstag“. Der 7. Deutsche Sozialgerichtstag findet am 27. und 28. September 2018 in Potsdam statt.

Zwischen den Sozialgerichtstagen verfolgt der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. sein Ziel durch die Veranstaltung von Workshops und die Begleitung von Gesetzgebungsverfahren. Er wirkt als Sachverständiger bei Anhörungen des Deutschen Bundestags und in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit. Zu diesem Zweck bestehen verschiedene Fach-Kommissionen.

Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. ist keine berufsständische Vertretung, sondern ein Forum für alle, die dem Sozialrecht beruflich verbunden sind. Zu seinen Mitgliedern gehören Richterinnen und Richter, ehrenamtliche Richterinnen und Richter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Rentenberaterinnen und Rentenberater, Verfahrensbevollmächtigte von Verbänden, Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, Medizinische Sachverständige, Angehörige der Rechtswissenschaft und Entscheidungsträger aus der Gesetzgebung. Die Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstag e.V. Monika Paulat war bis Ende 2013 Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.

Autor: Pressestelle des DSGT e.V. (Jörg Neunaber)

Anlass: Beschluss der Justizministerkonferenz

Die enorme gesellschaftliche Bedeutung des Sozialrechts in Deutschland erfordert eine gute juristische Ausbildung aller Akteure in diesem Bereich. Die bisher schon kaum genügende Ausbildung an den juristischen Fakultäten droht noch weiter ins Abseits zu geraten, falls die Pläne der Justizministerkonferenz umgesetzt werden. Dabei erfordern die großen Zukunftsthemen nicht weniger, sondern mehr gut ausgebildete Sozialrechtsjuristinnen/-en.

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Schlagwörter: Juristische Ausbildung, sozialrechtliche Lehrinhalte, Schwerpunktbereichs-Studium, Justizministerkonferenz