Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. begrüßt die Klarstellung des BVerfG zu den Kosten der Unterkunft. Dringender Reformbedarf besteht aber weiterhin!

19.11.2017 opener

 

Seit Bestehen der Hartz-IV-Gesetzgebung, also seit Inkrafttreten im Jahr 2005, führt die Frage, welche Kosten der Unterkunft für Leistungsberechtigte angemessen sind zu zahlreichen Verwaltungs- und Klageverfahren.

Ein „Dauerbrenner“ in der Praxis

Derzeit sind etwa 20 % aller Gerichtsverfahren – also ca. 70.000 – von den Kosten der Unterkunft bestimmt. Neben den finanziellen Belastungen ergeben sich hieraus insbesondere für die Betroffenen selbst erhebliche Beeinträchtigungen, da sie nicht wissen, ob sie in der Wohnung verbleiben können. Hintergrund der Streitigkeiten ist, dass nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Eine konkrete Regelung, welche Kosten als angemessen anzusehen sind, existiert nicht.

Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)

Nun hat das BVerfG durch klarstellende Hinweise in zwei Entscheidungen den Blick auf die faktisch-rechtlichen Probleme der bestehenden Regelungen geschärft. Der Gesetzgeber durfte sich zwar, so das BVerfG, darauf beschränken, die Deckung eines existenzsichernden Bedarfs durch den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit zu gewährleisten, um so der Vielfältigkeit der Lebenssachverhalte gerecht zu werden. Das schließt aber eine weitere Konkretisierung des Leistungsanspruchs oder eine andere Methode zur Bestimmung der Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht aus.

Neue Impulse für die Praxis

„Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. begrüßt diese notwendig gewesene Klarstellung ausdrücklich“, so die die Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstages e.V., Monika Paulat. Dies setze die richtigen Rahmenbedingungen, unter denen die inzwischen von der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister und -ministerinnen der Länder eingesetzte Arbeitsgruppe ihrem Auftrag nachkommen kann, eine den Leistungsanspruch und die Berechnungsmethode der Kosten der Unterkunft konkretisierende Regelung zu erarbeiten.

„Leider konnte aber im zu entscheidenden Fall nicht das gesamte Spektrum der Probleme der §§ 22 ff SGB II aufgezeigt werden, da er im städtischen Raum spielte. Ebenso wie in der Rechtsprechung des BSG fanden folglich die Probleme des ländlichen Raums keine Berücksichtigung. Gerade in diesem Bereich müssen aber Lösungen gefunden werden. Die Arbeit an der Konkretisierung der Regelung zu den Kosten der Unterkunft kann beginnen“, so die Präsidentin weiter.

Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. wird sich weiter mit seiner Expertise im weiteren Reformprozess, auch im Rahmen der Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, gern einbringen. „Auf der Basis der Ausführungen des BVerfG in den Beschlüssen vom 6. und 10. Oktober 2017 wird, das sehe ich ganz optimistisch, dann endlich das Thema "Kosten der Unterkunft" durch eine transparente und praxistaugliche Lösung dauerhaft von der Tagesordnung der Rechtsanwendung genommen werden können, dies vor allem aber im Interesse der betroffenen Menschen", so die Präsidentin.

Hintergrund:

Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. ist ein interdisziplinärer Fachverband und beteiligt sich auf allen Gebieten des Sozialrechts an der rechtspolitischen Debatte. Zu diesem Zweck veranstaltet er alle zwei Jahre einen öffentlichen Kongress, den „Deutschen Sozialgerichtstag“. Zwischen den Sozialgerichtstagen verfolgt er sein Ziel durch die Veranstaltung von Workshops und die Begleitung von Gesetzgebungsverfahren.

Er wirkt als Sachverständiger bei Anhörungen des Deutschen Bundestags und in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit. Zu diesem Zweck bestehen verschiedene Fach-Kommissionen. Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. ist keine berufsständische Vertretung, sondern ein Forum für alle, die dem Sozialrecht beruflich verbunden sind. Zu seinen Mitgliedern gehören neben Anwälten und Richtern auch Rentenberater, Verwaltungsmitarbeiter, Ärzte, Pflegesachverständige sowie Vertreter aus Verbänden und Politik. Die Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstag e.V., Monika Paulat, war bis Ende 2013 Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.

Autor: Pressestelle des DSGT e.V. (Jörg Neunaber)

Anlass: Entscheidungen des BVerfG

Die Streitigkeiten hinsichtlich der "angemessenen" Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind ein Dauerbrenner in der grundsicherungsrechtlichen Praxis. Die diesbezüglichen klarstellenden Entscheidungen des BVerfG setzten die richtigen Rahmenbedingungen für die Erarbeitung einer konkretisierenden Regelung hinsichtlich des Leistungsanspruchs und der Berechnungsmethode.

Rubrik:

Schlagwörter: Kosten der Unterkunft, Grundsicherung, Angemessenheit, konkretisierende Regelung