Versehentliche Zahlung an den Vermieter - Rückzahlungsanspruch für das Jobcenter

08.02.2018 opener

Bislang war die Frage umstritten, ob ein Jobcenter, welches für einen Leistungsberechtigten nach dem SGB II versehentlich Mietzahlungen noch direkt an den Vermieter überweist, obwohl das Mietverhältnis bereits beendet war, selbst im Rahmen eines Rückforderungsanspruches gegenüber dem Vermieter vorgehen kann oder sich der Anspruch des Jobcenters gegen den Leistungsberechtigten - also den Mieter und Empfänger der Sozialleistungen nach dem SGB II – richtet und die zu Unrecht gezahlten Mieten somit vom Mieter zurückzuerstatten sind.

Umstrittene Rechtsfrage geklärt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 31.1.2018 - VIII ZR 39/17 (siehe Pressemitteilung des BGH zur Nummer 22/2018 vom 31.1.2018) klargestellt, dass dem Jobcenter - zumindest in dem Fall, in dem ein Vermieter Kenntnis davon hatte, dass er aufgrund der Beendigung des Mietvertrages keinen weiteren Mietzinsanspruch mehr gegen den Mieter hat - ein Rückforderungsanspruch unmittelbar gegenüber dem Vermieter zusteht.

Sachverhalt

Der Mieter der Beklagten stand im Leistungsbezug nach dem SGB II. Im Rahmen des Leistungsbezuges wurden die Kosten der Unterkunft im Einverständnis und auf Antrag des Mieters vom Jobcenter direkt an die Vermieter gezahlt. Zum 31. Juli endete das Mietverhältnis. Das Mietzeitende wurde durch die Mieter dem Jobcenter am 24. Juli angezeigt. Zugleich wurde durch die Mieter beim Jobcenter ein Mietvertrag über eine neue Wohnung eingereicht.

In Kenntnis des Mietzeitendes ergingen – versehentlich – noch die Mietzinszahlung in Höhe von 860 € für den Monat August an die Vermieter, welche trotz Aufforderung durch das Jobcenter die Überzahlungen nicht zurückzahlten.

Amts- und Landgerichtsurteil

Erstinstanzlich wurde die Klage des Jobcenters auf Rückzahlung der zu Unrecht geleisteten Miete für den Monat August in Höhe von 860 € durch das Amtsgericht abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass die Direktüberweisung der Miete vom Jobcenter an die Vermieter keine Auswirkung auf die Rückabwicklung nach § 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB habe. Die Rückabwicklung habe innerhalb der bestehenden Leistungsbeziehungen zu erfolgen. Ein direkter Rückforderungsanspruch des Jobcenters gegenüber den Vermietern wurde somit abgelehnt.

Im Rahmen der Berufungsinstanz wurde das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage wurde stattgegeben. Das Landgericht hat die Revision zugelassen.

Urteil des Bundesgerichtshofes

Mit Urteil des Bundesgerichtshofes vom 31.1.2018, Az. VIII ZR 39/17, wurde die Revision zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof spricht dem Jobcenter einen unmittelbaren Rückforderungsanspruch hinsichtlich zu Unrecht gezahlter Mieten gegenüber dem Vermieter zu.

Ein solcher Anspruch bestehe zumindest dann, wenn ein Jobcenter Sozialleistungen, die dem Mieter zustehen, gemäß § 22 Abs. 7 SGB II unmittelbar an den Vermieter überweist und der Vermieter bei Erhalt der Zahlung auch wusste, dass der Mietzins ihm wegen der Beendigung des Mietvertrages nicht (mehr) zustehe.

Wesentlichen Entscheidungsgründe

Begründet wird der Rückzahlungsanspruch des Jobcenter gegenüber den Vermietern damit, dass nach Ansicht des Bundesgerichtshofes die Mieter aufgrund ihres Antrages gem. 22 Abs. 7 S. 1 SGB II dem Jobcenter lediglich die Anweisung erteilt haben, die ihnen zustehenden Kosten der Unterkunft – also die Miete - direkt an den Vermieter zu zahlen. Damit haben die Vermieter grundsätzlich Leistungen nicht vom Jobcenter sondern vom Mieter erhalten

Diese Anweisung nach § 22 Abs. 7 S.1 SGB II zur direkten Auszahlung des Mietzinses an die Vermieter sei für den Monat August durch Vorlage des neuen Mietvertrages gegenüber dem Jobcenter (zumindest konkludent) widerrufen worden. Dies führe dazu, dass die Rückabwicklung der zu Unrecht gezahlten Miete für August nicht innerhalb der bestehenden Leistungsbeziehungen (Vermieter - Mieter und Mieter- Jobcenter) nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB erfolgen könne.

Insbesondere aber, weil die Vermieter wussten, dass ihnen der Mietzins für August nicht zustand, folgerte der Bundesgerichtshof, dass es an einer Leistung der Mieter als Vertragspartner fehle. Insofern haben die Vermieter in sonstiger Weise die Mietzahlungen durch das Jobcenter ohne rechtlichen Grund erlangt. Damit stehe dem Jobcenter ausnahmsweise ein unmittelbarer und direkter Anspruch nach § 812 Abs. 1 S.1 Alt.2 BGB (Nichtleistungskondiktion) auf Rückzahlung der versehentlich gezahlten Miete gegen die Vermieter zu.

Fazit

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist zu begrüßen. Sie führt zur Rechtsklarheit und löst das Spannungsverhältnis im Falle von unberechtigten Mietzahlungen zwischen Jobcenter, Vermieter und Mieter auf. Die Entscheidung ist auch sozialpolitisch zu begrüßen, da somit der nach den SGB II leistungsberechtigte Mieter Schutz vor Rückzahlungsansprüchen findet.

Den Grundsicherungsträgern ist anzuraten, vor Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen gegenüber Vermietern wegen unberechtigter Mietzahlungen konkret zu prüfen, ob die Mieter ihren Antrag nach §22 Abs. 7 SGB II – gegebenenfalls konkludent - widerrufen haben und ob der Vermieter Kenntnis von der ihm nicht zustehenden Mietzahlung haben konnte.

Autor: Rechtsanwalt Jörg Neunaber (Kanzlei VHN - von Häfen & Neunaber, Delmenhorst)

Anlass: Urteil des Bundesgerichtshofes

Bislang war es umstritten, ob ein Jobcenter, das für einen Alg II-Leistungsberechtigten versehentlich die Miete an den Vermieter überweist, obwohl das Mietverhältnis bereits beendet war, direkt gegen den Vermieter auf Rückzahlung vorgehen oder sich an den SGB II-Leistungsberechtigten halten muss. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu dieser Rechtsfrage nun mit Urteil vom 31.1.2018 - VIII ZR 39/17 - entschieden.

Rubrik:

Schlagwörter: Kosten der Unterkunft, Mietzahlung, Rückzahlungsanspruch, § 22 Abs. 7 SGB II