Kurzbericht der Kommission SGB XII/AsylbLG beim 8. DSGT am 3.11.2022

12.11.2022 opener

  • Hilfe zur Pflege in der Pandemie – Alternativen zu abgeschotteten Pflegeeinrichtungen?
  • Geflüchtete ukrainische Frührentner – Einordnung in das Sozialleistungssystem
  • Grenzen der Solidarität – aktuelle verfassungsrechtliche Fragen des Asylbewerberleistungsrechts

Die Tagung der Kommission SGB XII und AsylbLG begann zusammen mit der Kommission SGB XI zum Thema „Hilfe zur Pflege in der Pandemie – Alternativen zu abgeschotteten Pflegeeinrichtungen?“. Herr Wallrafen von der Social-Holding der Stadt Mönchengladbach GmbH zeigte hierzu Möglichkeiten auf, die in den dortigen Einrichtungen durchgeführt wurden. So wurden bereits kurz nach Beginn der Pandemie Container angeschafft, die vor die Einrichtungen gestellt wurden. In der Mitte des jeweiligen Containers befand sich eine Plexiglasscheibe, so dass Bewohner und Besucher sich ohne Ansteckungsrisiko sehen und austauschen konnten. Zudem wurden für die Bewohner Tablets angeschafft und ihnen Accounts bei Skype eingerichtet, wodurch auch ohne Besuch die Möglichkeit bestand, in diesen schwierigen Zeiten Kontakt mit den Angehörigen zu halten.

Herr Seidl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, und Herr Greiser, Richter am Sozialgericht Osnabrück, befassten sich mit aktuellen verfassungsrechtlichen Fragen im Asylbewerberleistungsrecht. Dabei untersuchte Herr Greiser die Seite der Bedarfsbemessung, während sich Herr Seidl auf die Leistungskürzungen konzentrierte. Die aktuellen verfassungsrechtlichen Probleme der Bedarfsbemessung wurden anhand zweier Vorlagebeschlüsse des SG Düsseldorf (S 17 AY 21/20) und des LSG Niedersachsen-Bremen (L 8 AY 21/19) dargestellt. Ersterer betrifft die Regelsatzbemessung in Aufnahmeeinrichtungen, in denen – völlig unabhängig vom Verhältnis der Personen zueinander – seit dem 1.9.2019 nur noch der sog. „Partnerregelsatz“ in Höhe von 90 % des Eckregelsatzes gewährt wird. Der Gesetzgeber hält wegen des gemeinsamen Wohnens Einsparungen für „möglich und zumutbar“ (BT-Drucks. 19/10052, 24). Hier teilt der DSGT die verfassungsrechtlichen Bedenken des Vorlagebeschlusses. Die vom Gesetzgeber angenommenen Synergieeffekte sind weder empirisch nachgewiesen noch anderweitig plausibel. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob eine geringere Regelbedarfsbemessung bei noch unsicherer Bleibeperspektive mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar ist. Hier hält der DSGT eine geringere Bedarfsbemessung dem Grunde nach für nicht ausgeschlossen, zweifelt aber am Umfang der geringeren Leistungsgewährung (in Regelbedarfsstufe 1 ca. 80 EUR). Zur Sanktionsnorm des § 1a AsylbLG stellte Herr Seidl die verfassungsrechtlichen Probleme, die sich sowohl auf Tatbestands-, als auch der Rechtsfolgenseite stellen, dar. Bereits auf Tatbestandsebene problematisch sind die Sanktionstatbestände, die repressiv auf ein vergangenes Verhalten abstellen, insbesondere wenn an diesem nichts mehr geändert werden kann. Darüber hinaus beinhaltet § 1a AsylbLG Minderungstatbestände im Anwendungsbereich der Aufnahme-Richtlinie, die nicht von den in Art. 20 Aufnahme-Richtlinie vorgesehenen Möglichkeiten für Leistungskürzungen gedeckt sind. Auf der Rechtsfolgenseite ist zu kritisieren, dass der soziokulturelle Teil des Existenzminimums stets entfällt. Das BVerfG geht von einer Unteilbarkeit des Grundrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG aus und hat dies auch jüngst im Kontext der Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG a.F. bekräftigt.

Frau Prof. Dr. Frings von der Hochschule Niederrhein beschäftigte sich schließlich mit der Einordnung von geflüchteten ukrainischen Frührentnern. Das SGB II sieht in § 7 Abs. 4 SGB II einen Leistungsausschluss für Personen, die eine ausländische Rente wegen Alters beziehen, vor. Dieser Ausschluss wirft dann Fragen auf, wenn der Renteneintritt nach der ausländischen Leistung deutlich vor dem hierzulande üblichen Renteneintritt liegt. Damit der Ausschluss eingreift, muss die ausländische Rente mit der deutschen Altersrente vergleichbar sein. Sie muss an eine bestimmte Altersgrenze gebunden sein und allgemein den Lebensstandard sicherstellen. In der Ukraine ist unter bestimmten Voraussetzungen ein Renteneintritt mit 60 Jahren möglich, für Angehörige staatstragender und systemrelevanter Bereiche auch bereits ab dem 50. Lebensjahr. Die Referentin plädierte für eine Ergänzung des § 7 Abs. 4 SGB II dahingehend, dass nur solche Personen vom SGB II ausgeschlossen werden, die dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sind. So bekämen u.a. geflüchtete ukrainische Frührentner bis dahin auch Unterstützung durch die aktiven Leistungen nach dem SGB II. Gleichzeitig könnte der Leistungsbezug nach dem Vierten Kapitel bereits ab dem 63. Lebensjahr ermöglicht und dadurch die Nahtlosigkeit zum SGB II u.a. auch für langjährig Versicherte hergestellt werden.

 

Autor: RiLSG Jörn Hökendorf, Pressesprecher DSGT e.V.

Anlass: Kommission SGB XII/AsylbLG beim 8. DSGT

Die Tagung der Kommission SGB XII und AsylbLG begann zusammen mit der Kommission SGB XI zum Thema „Hilfe zur Pflege in der Pandemie – Alternativen zu abgeschotteten Pflegeeinrichtungen?“. Herr Wallrafen von der Social-Holding der Stadt Mönchengladbach GmbH zeigte hierzu Möglichkeiten auf, die in den dortigen Einrichtungen durchgeführt wurden. Herr Seidl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, und Herr Greiser, Richter am Sozialgericht Osnabrück, befassten sich mit aktuellen verfassungsrechtlichen Fragen im Asylbewerberleistungsrecht. Die aktuellen verfassungsrechtlichen Probleme der Bedarfsbemessung wurden anhand zweier Vorlagebeschlüsse des SG Düsseldorf (S 17 AY 21/20) und des LSG Niedersachsen-Bremen (L 8 AY 21/19) dargestellt.

Rubrik:

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsrecht, Verfassungsmäßigkeit der Leistungen, Pandiemie in der Pflege