Verfassungsmäßigkeit der Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer Direktversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aus der Kapitalzahlung einer Direktlebensversicherung Beiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung zu zahlen hat.
Der Arbeitgeber des 1941 geborenen Klägers schloss im August 1987 zu dessen Gunsten eine Kapitallebensversicherung ab. Die
Beiträge zahlte zunächst er und ab September 2001 der Kläger. Seit April 2002 bezieht der Kläger eine Altersrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung und ist bei der beklagten Krankenkasse pflichtversichert. Zum 1.9.2004 wurde ihm aus der Lebensversicherung
eine einmalige Kapitalleistung in Höhe von 43.068,90 Euro ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 7.9.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Betrag von 358,91 Euro monatlich, der sich bei Verteilung
der Auszahlungssumme der Versicherungsleistung auf 120 Monate ergebe, der Beitragspflicht in der Krankenversicherung mit einem
Beitragssatz von 13,7 % unterliege, und setzte den vom Kläger ab Oktober 2004 aus dieser Kapitalleistung zu zahlenden monatlichen
Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 49,17 Euro fest. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom
24.11.2004 zurück. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 11.4.2005 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und zur
Begründung seines Urteils vom 24.1.2006 im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe zutreffend die Beiträge aus der Kapitalzahlung
der Direktlebensversicherung gefordert, weil diese eine betriebliche Altersversorgung sei, auf die nach §§ 226 Abs 1 Satz
1 Nr
3,
229 Abs
1 Satz 1 Nr
5 und Satz 3
SGB V Beiträge zu erheben seien. Diese Beitragspflicht sei verfassungsgemäß.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung des §
229 Abs
1 Satz 1 Nr
5 und Satz 3
SGB V sowie der Art
2 Abs
1, Art
3 Abs
1 und Art
20 Abs
3 GG. Eine Kapitalzahlung aus einer vom Arbeitgeber im Rahmen von Gruppenversicherungsverträgen abgeschlossenen Direktlebensversicherung
sei keine beitragspflichtige betriebliche Altersversorgung. Dies gelte insbesondere dann, wenn eine andere betriebliche Altersversorgung
bereits bestanden und nicht der Arbeitgeber, sondern der Beschäftigte die Beiträge getragen habe sowie wenn durch den Gruppenversicherungsvertrag
nur Beitrags- und Steuervorteile hätten vermittelt werden sollen. Von Anfang an als einmalige Kapitalauszahlung vereinbarte
Lebensversicherungen seien nicht vergleichbar mit regelmäßig wiederkehrenden, den laufenden Lebensunterhalt sicherstellenden
Renten. Auch würden doppelte Beiträge erhoben, wenn die Lebensversicherung aus bereits verbeitragten Einkünften finanziert
worden sei. Es sei systemwidrig, Beiträge auf ausschließlich durch den Arbeitnehmer finanzierte Kapitallebensversicherungen
bei einem Gruppenversicherungsvertrag zu erheben, während Leistungen aus einer rein privaten Altersvorsorge beitragsfrei blieben.
Versicherte, die die Direktlebensversicherung durch eigene Beiträge finanziert hätten, würden unter Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen
allgemeinen Gleichheitssatz mit Versicherten gleich behandelt, deren Arbeitgeber die Beiträge getragen habe. Die Erhebung
von Beiträgen aus Kapitalzahlungen aus Direktlebensversicherungen ohne Übergangsregelung verletze auch rechtsstaatliche Vertrauensschutzgrundsätze,
weil die Versicherten beim Abschluss der Versicherung auf die Beitragsfreiheit vertraut und finanzielle Dispositionen getroffen
hätten und nun auf die rückwirkende Regelung nicht reagieren könnten.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.4.2005 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.1.2006 und den
Bescheid der Beklagten vom 7.9.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Bescheid vom 7.9.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004
aufgehoben, soweit darin Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festgesetzt worden waren.
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 7.9.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24.11.2004 Krankenversicherungsbeiträge festgesetzt hat, hat das LSG zu Recht die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Die Beklagte ist berechtigt, gemäß §
229 Abs
1 Satz 3
SGB V iVm §
248 Satz 1
SGB V, jeweils in der seit dem 1.1.2004 geltenden Fassung, von dem in der gesetzlichen Krankenversicherung als Rentner pflichtversicherten
Kläger ab Oktober 2004 Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz aus der einmaligen Kapitalzahlung der Direktlebensversicherung
zu verlangen, die eine Zahlung der betrieblichen Altersversorgung war.
1. Zu entscheiden war nur noch über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 7.9.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24.11.2004, soweit er die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen regelt. Soweit die Beklagte in diesem Bescheid auch
Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festgesetzt hatte, hat sie ihn in der mündlichen Verhandlung am 12.12.2007 aufgehoben.
2. Der Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung der versicherungspflichtigen Rentner ist nach §
237 SGB V neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Satz 1 Nr 1) auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren
Einnahmen (Satz 1 Nr 2) zugrunde zu legen. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), gegen deren Berücksichtigung
für die Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge versicherungspflichtiger Rentner verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen
(vgl Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 6.12.1988, 2 BvL 18/84, BVerfGE 79, 223 ff = SozR 2200 § 180 Nr 46 S 194 ff), gelten Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung
der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden (§
237 Satz 2, §
229 Abs
1 Satz 1 Nr
5 SGB V).
a) Zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung iS von §
229 Abs
1 Satz 1 Nr
5 SGB V gehören auch Renten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung iS des §
1 Abs
2 des
Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 (BGBl I 3610 -
BetrAVG) gezahlt werden, wie der Senat bereits entschieden hat. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche
Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der
Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind.
Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen
im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers
aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Unerheblich
ist, ob der Abschluss nach Auffassung der Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerrechtlich anerkannten und begünstigten
Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung erfolgt. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der
Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige
Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart
der Direktversicherung gegeben (vgl Urteile des Senats vom 26.3.1996, 12 RK 21/95, SozR 3-2500 § 229 Nr 13 S 66 ff, vom 13.9.2006, B 12 KR 17/06 R, ErsK 2006, 400 f, B 12 KR 1/06 R, SGb 2006, 659 f, B 12 KR 5/06 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 4, sowie vom 25.4.2007, B 12 KR 25/05 R, SuP 2007, 653 ff, und B 12 KR 26/05 R, USK 2007-6).
b) Leistungen aus der Direktversicherung iS des §
1 Abs
2 BetrAVG verlieren ihren Charakter als Versorgungsbezug nicht deshalb, weil sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers
bzw des Bezugsberechtigten beruhen. Sie bleiben auch dann im vollen Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung,
wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit die Beiträge allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen werden. Dies
hat der Senat ebenfalls bereits entschieden, ohne nach den Gründen der Beendigung zu differenzieren (vgl Urteile des Senats
vom 6.2.1992, 12 RK 37/91, BSGE 70, 105, 108 f = SozR 3-2500 § 229 Nr 1 S 4 ff, sowie vom 26.3.1996, vom 13.9.2006 und 25.4.2007, aaO).
Der Senat hat die gesetzliche Regelung auch hinsichtlich der Höhe der beitragspflichtigen Rentenleistung bei der Begründung
der Beitragspflicht von Renten und den Renten vergleichbaren Bezügen seit jeher so verstanden, dass nicht auf den nachweisbaren
Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben abzustellen, sondern typisierend anzuknüpfen ist. Die gesetzliche Regelung unterwirft
mit den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungsbezügen iS von §
229 Abs
1 Satz 1
SGB V grundsätzlich Bezüge von Institutionen und aus anderen Sicherungssystemen der Beitragspflicht, bei denen in der Regel ein
Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu diesem System und einer Erwerbstätigkeit besteht. An dieser sog institutionellen
Abgrenzung, die sich allein daran orientiert, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt
wird, und Modalitäten des individuellen Rechtserwerbs unberücksichtigt lässt, hält der Senat fest (vgl zuletzt Urteile des
Senats vom 25.4.2007, aaO). Sie vermeidet auch die praktische Schwierigkeit, Zahlungen in einen beitragsfreien und einen beitragspflichtigen
Teil aufspalten zu müssen (vgl Urteil des Senat vom 6.2.1992, 12 RK 37/91, SozR 3-2500 § 229 Nr 1 S 5 f).
c) Der Senat hat darüber hinaus entschieden, dass gemäß §
229 Abs
1 Satz 3
SGB V (idF des am 1.1.2004 in Kraft getretenen Art 1 Nr 143 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GMG] vom 14.11.2003, BGBl I 2190, vgl Art 37
Abs 1 GMG) nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen auch aus als Direktversicherungen abgeschlossenen Lebensversicherungen
selbst dann zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind, wenn sie bisher nicht beitragspflichtig waren. Liegt der "Versicherungsfall",
nämlich der vereinbarte Auszahlungstermin, nach dem 31.12.2003 und entsteht der Anspruch auf eine bereits ursprünglich oder
vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbarte nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung mit diesem Zeitpunkt, unterliegt
sie nach §
229 Abs
1 Satz 3 Regelung 2
SGB V nun der Beitragspflicht (vgl zuletzt Urteile des Senats vom 25.4.2007 mwN, aaO).
3. a) Bei den Einnahmen des Klägers aus dem Lebensversicherungsvertrag handelt es sich damit um einen einmalig gezahlten Versorgungsbezug
aus der betrieblichen Altersversorgung. Nach den Feststellungen des LSG war der Vertrag als Direktversicherung von dem ehemaligen
Arbeitgeber zugunsten des Klägers abgeschlossen worden. Er diente im Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Auszahlung in dem Jahr,
in dem der Kläger das 63. Lebensjahr vollendete, seiner Altersversorgung.
b) Zutreffend hat die Beklagte für die Errechnung des zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrags 1/120 der Kapitalzahlung gemäß
§
229 Abs
1 Satz 3
SGB V zugrunde gelegt und berücksichtigt, dass der Grenzbetrag gemäß §
226 Abs
2 SGB V überschritten wurde, der 2004 120,75 Euro betrug. Die Beklagte war auch berechtigt, von dem allein zur Tragung und in Ermangelung
einer zuständigen Zahlstelle iS von §
256 Abs
1 SGB V zur Zahlung entsprechender Beiträge verpflichteten Kläger (vgl §§
250 Abs
1 Nr
1,
252 Satz 1
SGB V) Krankenversicherungsbeiträge nach dem sich aus §
248 Satz 1
SGB V in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung des Art 1 Nr 148 Buchst a GMG ergebenden vollen Beitragssatz (vgl insofern Urteile des Senats vom 24.8.2005, B 12 KR 29/04 R, SozR 4-2500 § 248 Nr 1, sowie vom 10.5.2006, B 12 KR 6/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 7, und B 12 KR 5/05 R, USK 2006-25) zu erheben.
4. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 13.9.2006 und 25.4.2007 (aaO) ausgeführt, aus welchen Gründen er nicht davon überzeugt
ist, dass die seit dem 1.1.2004 geltende uneingeschränkte Beitragspflicht von als einmalige Kapitalzahlung geleisteten Versorgungsbezügen
gegen Verfassungsrecht verstößt. Er hat auch darauf hingewiesen, dass im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung
kein Grundsatz existiert, demzufolge vom Versicherten mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen finanzierte
Versorgungsbezüge der Beitragspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem vollen Beitragssatz unterworfen werden
dürfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.