Versicherungspflicht eines selbständigen Musiklehrers in der gesetzlichen Rentenversicherung
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 als selbstständig tätiger
Lehrer in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war.
Der 1967 geborene Kläger war in der Zeit ab Januar 2000 ua als Instrumentallehrer bei der Musikschule B. eV selbstständig
tätig. Im Anschluss an eine dort durchgeführte Betriebsprüfung gab der beklagte Rentenversicherungsträger den Vorgang an die
beigeladene Künstlersozialkasse (KSK) ab. Mit Bescheid vom 24.6.2003 stellte die KSK fest, dass der Kläger nicht nach dem
Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) versicherungspflichtig sei, weil die Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach Auswertung der ihr vorliegenden Unterlagen
nicht erfüllt seien, und gab den Vorgang an die Beklagte zurück. Der Kläger erhob hiergegen mit Eingang am 23.7.2003 Widerspruch.
Mit Bescheid vom 15.10.2003 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung
nach §
2 Satz 1 Nr 1 bis 3
SGB VI ab 1.1.2000 fest und forderte Regelbeiträge. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit Bescheid vom 6.9.2004 stellte
die KSK unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24.6.2003 fest, dass der Kläger zum Personenkreis der selbstständigen Künstler
und Publizisten im Sinne des KSVG gehöre und ab 23.7.2003 ua in der Rentenversicherung versicherungspflichtig sei, und forderte ihrerseits Beiträge. Daraufhin
nahm die Beklagte ihren Bescheid vom 15.10.2003 mit Bescheid vom 30.9.2004 insoweit zurück, als darin Rentenversicherungsbeiträge
über den 22.7.2003 hinaus gefordert worden waren und ab 1.1.2003 der volle Regelbeitrag zugrunde gelegt worden war. Zur Begründung
gab sie an, die Versicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI werde erst ab 23.7.2003 aufgrund der positiven Entscheidung der KSK durch die vorrangige Versicherungspflicht nach dem KSVG verdrängt. Soweit dem Widerspruch des Klägers dadurch nicht abgeholfen wurde, wies ihn die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 30.3.2005 unter Hinweis darauf zurück, dass er aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit als Musiklehrer ab 1.1.2000 jedenfalls
bis zum 22.7.2003 nach §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI der Rentenversicherungspflicht unterliege.
Der Kläger hat Klage erhoben, soweit die Beklagte seine Rentenversicherungspflicht vor dem 23.7.2003 festgestellt hat. Mit
Urteil vom 2.12.2005 hat das Sozialgericht Mainz (SG) der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 30.9.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005
aufgehoben. Mit Urteil vom 17.1.2007 hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des SG zurückgewiesen. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung bestehe in der Zeit vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003
keine Rentenversicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI, weil diese für Lehrer wie den Kläger, die zu dem vom KSVG erfassten Personenkreis gehörten, durch die Regelung des §
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI in Verbindung mit dem KSVG verdrängt werde. Die Versicherungspflicht selbstständiger Künstler sei dort abschließend geregelt und gehe als spezieller
Versicherungspflichttatbestand demjenigen für selbstständige Lehrer vor. Das gelte auch, soweit die Versicherungspflicht nach
dem KSVG faktisch erst später vollzogen werde, weil sie nach § 8 KSVG nicht schon mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit, sondern erst mit dem Eingang der Meldung oder der Bescheiderteilung
durch die KSK beginne. Für diese Auslegung sprächen die Systematik des §
2 SGB VI und die Entstehungsgeschichte.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI. Die Auffassung des LSG, wonach eine nur dem Grunde nach, aber real nicht existierende Versicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI die tatsächlich eingetretene Versicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI vollständig verdränge und diese Vorschrift auf Lehrer, die dem Künstlerbegriff unterfallen, überhaupt keine Anwendung finde,
treffe nicht zu. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI lasse sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Gesetzessystematik entnehmen. Für den Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum
22.7.2003 habe hier eine Konkurrenzsituation zwischen beiden Versicherungspflichttatbeständen nicht bestanden, sodass eine
solche auch nicht habe aufgelöst werden müssen. Der Kläger habe in diesem Zeitraum ausschließlich die Voraussetzungen der
Versicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI erfüllt. Auch spreche die Entstehungsgeschichte gegen die Auffassung des LSG. Würde dieser gefolgt, wäre die zu treffende
Altersvorsorge bei einer bestimmten Gruppe von Lehrern trotz unterstellter Schutzbedürftigkeit allein in deren Hände gelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.1.2007 sowie das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.12.2005
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auf ihn als Künstler, der auch Schüler unterrichte, sei der Lehrerbegriff
des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI nicht anwendbar. Würde der Auffassung der Beklagten gefolgt, würde die vorzeitige Versicherungspflicht einer ganzen Berufsgruppe
neu definiert. Künstler, die auch lehren, könnten das ihnen eigentlich zugestandene Recht auf Wahlfreiheit nicht mehr verwirklichen,
sondern würden zwangsweise und zu schlechteren Bedingungen in die gesetzliche Rentenversicherung integriert. Meldeten sie
sich bei der KSK gar nicht oder zu spät, ziehe das auch sonst weder Sanktionen noch eine rückwirkende Beitragserhebung nach
sich.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
II. Die zulässige Revision der Beklagten erweist sich im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung
der Sache an das LSG als begründet. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen derzeit für eine abschließende
Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers als selbstständig tätiger Lehrer in der gesetzlichen Rentenversicherung
nicht aus.
1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist auch der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2003, mit dem die Rentenversicherungspflicht
des Klägers ab dem 1.1.2000 festgestellt wurde. Das Begehren des Klägers ist dahin auszulegen, dass auch dieser Bescheid mit
angefochten ist, soweit er nicht während des Widerspruchsverfahrens durch den Bescheid vom 30.9.2004 abgeändert und die Versicherungspflicht
auf die Zeit bis zum 22.7.2003 beschränkt wurde.
2. Nach §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI sind selbstständig tätige Lehrer und Erzieher in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie im
Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Der Kläger war
ausgehend von den hierzu im angegriffenen Urteil getroffenen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§
163 SGG), im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 Instrumentallehrer an einer Musikschule und insoweit
als selbstständiger Lehrer in diesem Sinne tätig (dazu unten a). Ob er bei dieser Sachlage der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung nach §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI unterlag, kann jedoch derzeit nicht abschließend geklärt werden. Das Berufungsgericht wird hierzu insbesondere noch positiv
festzustellen haben, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die Grenzen einer nur geringfügigen Tätigkeit (vgl §
5 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB VI) überschritten hat. Darüber hinaus erfordert der gesetzliche Tatbestand - auch wenn dies im konkreten Zusammenhang eher fernliegend
erscheinen mag - eine Aussage zu der negativen Voraussetzung, dass kein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt
wurde.
Die Anwendung des Versicherungspflichttatbestandes des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI ist im Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 nicht deshalb ausgeschlossen, weil für den Kläger in der Rentenversicherung
ab 23.7.2003 Versicherungspflicht nach dem KSVG bestand. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung folgt dies nicht aus dem Wortlaut des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI (dazu a). Eine solche Folge ergibt sich auch nicht daraus, dass der in §
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI in Bezug genommene Versicherungspflichttatbestand nach dem KSVG (im Folgenden einfach: Versicherungspflichttatbestand des §
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI) als lex specialis den Versicherungspflichttatbestand des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI für dessen Anwendungsbereich (und die hieran anknüpfenden ungünstigeren Beitragsregelungen) verdrängt (dazu b). Dieses Ergebnis
ist nicht, wie der Kläger meint, unangemessen (dazu c).
a) Wie der Senat vor allem in seinem Urteil vom 22.6.2005 (B 12 RA 6/04 R, SozR 4-2600 § 2 Nr 1 RdNr 6 ff) dargelegt und begründet hat, sind die Voraussetzungen einer Tätigkeit als Lehrer im hier
allein maßgeblichen sozialversicherungsrechtlichen Sinn des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI bereits dann erfüllt, wenn im konkreten Fall eine spezielle Fähigkeit durch praktischen Unterricht vermittelt wird. Die wegen
der vermuteten sozialen Schutzbedürftigkeit der Betroffenen angeordnete Versicherungspflicht ist, entgegen der vom Kläger
vertretenen Auffassung, weder davon abhängig, ob eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, noch ob es ein
etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild des (selbstständigen) Lehrers gibt, noch kommt es darauf an, ob die
Erwerbstätigkeit innerhalb eines eigenen Betriebes ausgeübt wird (Urteil vom 22.6.2005, aaO, RdNr 6 ff, mwN aus der früheren
Rechtsprechung). Dies steht in der Tradition der bisherigen Rechtsentwicklung, die neben dem Umstand, dass sich die Versicherungspflicht
praktisch von Anfang an auch auf selbstständige Lehrer erstreckte, insbesondere erkennen lässt, dass mit der sukzessiven Ausdehnung
der Versicherungspflicht auch die anfänglich noch gesehene Notwendigkeit entfallen ist, die ursprünglich auch als Privilegierung
verstandene Einbeziehung des Personenkreises der Lehrer durch besondere Qualitätsanforderungen an die ausgeübte Tätigkeit
zu rechtfertigen (Urteil vom 22.6.2005, aaO, RdNr 7).
Der an einen solchen weiten Begriff des Lehrers im rentenversicherungsrechtlichen Sinn anknüpfende Versicherungspflichttatbestand
des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI ist nicht dahingehend eingeschränkt, dass er solche selbstständig tätigen Lehrer nicht erfasst, die iS des § 2 Satz 1 KSVG als selbstständige Künstler Musik (darstellende oder bildende Kunst) lehren. Eine solche Eingrenzung ergibt sich nicht aus
dem Wortlaut der Vorschrift. Sie folgt auch nicht im Wege systematischer Auslegung aus dem Gesetzeszusammenhang, in den §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI gestellt ist. Dass die Rentenversicherungspflicht selbstständiger Lehrer in §
2 SGB VI im Kontext mit derjenigen lehrender Künstler (§
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI iVm dem KSVG) geregelt ist, gibt für die Bestimmung des Lehrerbegriffs in §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI nichts her. Eine Einschränkung des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI kann schließlich nicht auf die Regelungsabsicht oder Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers gestützt werden. Mit
seinem Inkrafttreten am 1.1.1992 hat §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI die Regelung des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht selbstständiger Lehrer und Erzieher in § 2 Abs 1 Nr 3 AVG sachlich unverändert fortgeführt (vgl hierzu und zur historischen Entwicklung allgemein Urteil vom 22.6.2005, aaO, RdNr 7
ff, 13). Von der Anwendung dieser (Vorgänger)Regelung waren selbstständige Lehrer seit dem Inkrafttreten des KSVG am 1.1.1983 nicht stets dann ausgenommen, wenn sie dem Künstlerbegriff des KSVG unterfielen.
Weil für Kulturschaffende allgemein ein erhöhtes soziales Schutzbedürfnis angenommen wurde, wurde mit dem KSVG ua die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf alle selbstständigen Künstler und Publizisten ausgedehnt,
soweit sie nicht schon anderweitig kraft Gesetzes sozial gesichert waren (vgl BT-Drucks 9/26 S 16). Selbstständige Lehrer,
Erzieher und Musiker, die in ihrem Betrieb keine Angestellten beschäftigten, waren seit Jahrzehnten - zuletzt nach § 2 Abs 1 Nr 3 AVG - in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert (vgl Urteil vom 20.4.1994, 3/12 RK 14/92, SozR 3-5425 § 2 Nr 1 S 4). Gleiches galt nach § 2 Abs 1 Nr 4 AVG für selbstständige Artisten. Mit dem KSVG wurde § 2 Abs 1 Nr 3 AVG in der Weise geändert, dass die Worte "selbständige Lehrer, Erzieher und Musiker" durch die Worte "selbständige Lehrer und
Erzieher" ersetzt wurden (§ 50 Nr 1 Buchst a KSVG). In § 2 Abs 1 Nr 4 AVG wurde die Formulierung "selbständige Artisten" gegen die Fassung "selbständige Künstler und Publizisten nach Maßgabe des
Künstlersozialversicherungsgesetzes" ausgetauscht (§ 50 Nr 1 Buchst b KSVG). Zur Begründung dieser Änderungen wurde darauf hingewiesen, dass die besondere Nennung der Musiker und Artisten nach dem
Vorbild der früheren Nummern 3 und 4 des § 2 Abs 1 AVG entbehrlich sei, weil die Versicherungspflicht aller selbstständigen Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung der
Angestellten nunmehr unter Bezugnahme auf das KSVG in § 2 Abs 1 Nr 4 AVG neuer Fassung geregelt sei (vgl BT-Drucks 9/26 S 24). Dass damit eine Eingrenzung des Kreises der ehedem nach § 2 Abs 1 Nr 3 AVG pflichtversicherten selbstständigen Lehrer verbunden sein sollte, ist nicht ersichtlich. Das KSVG und dessen Begründung geben keinen Anlass zu der Annahme, dass selbstständige Lehrer, die iS des KSVG als selbstständige Künstler Musik (darstellende oder bildende Kunst) lehrten, nicht (mehr) zu dem von § 2 Abs 1 Nr 3 AVG erfassten Personenkreis gehören sollten. Mit dem KSVG ist gegenüber der bis dahin nur in geringem Umfang bestehenden Versicherungspflicht von selbstständigen Künstlern im Wesentlichen
eine Erweiterung (vgl Urteil vom 20.4.1994, aaO, S 5) und nur in einem Fall eine Einschränkung eingetreten, letzteres, soweit
Musiker, die nicht Lehrer waren, nicht mehr nach dem AVG versicherungspflichtig wurden. Dies bedeutet indes nicht, dass Musiklehrer, die unter den weiten Lehrerbegriff des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG fielen, von der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift generell ausgenommen werden sollten. Ein Rückschritt hinter den
sozialen Schutzstandard dieser schon bisher kraft Gesetzes sozial Gesicherten sollte nicht erfolgen. Eine solche Auslegung
der Vorschriften des KSVG widerspräche dem mit diesem Gesetz verfolgten Ziel, im Hinblick auf das erkannte erhöhte soziale Schutzbedürfnis Kulturschaffender
deren soziale Absicherung zu verbessern. Soweit also selbstständige Lehrer, die als selbstständige Künstler Musik (darstellende
oder bildende Kunst) lehrten, vor Inkrafttreten des KSVG in der Renten- und Krankenversicherung pflichtversichert und damit im Vergleich mit anderen Künstlern sozial besser geschützt
waren, sollte dieser Schutz fortgeschrieben werden und sollten diese Lehrer grundsätzlich weiterhin der Rentenversicherungspflicht
nach § 2 Abs 1 Nr 3 AVG unterliegen. Gegen diese Auffassung lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, jedenfalls bei Schaffung der Übergangsvorschrift
des § 53 KSVG aus Anlass der Einführung dieses Gesetzes am 1.1.1983 sei der historische Gesetzgeber - ersichtlich - davon ausgegangen,
mit dem Inkrafttreten des KSVG könnten lehrende Künstler nur (noch) nach Maßgabe des KSVG rentenversicherungspflichtig werden. Andernfalls hätte die Übergangsregelung keinen Sinn. § 53 KSVG ordnete an, dass selbstständige Künstler und Publizisten iS des § 2 KSVG, die bis dahin nach den Vorschriften des AVG versichert waren, abweichend von § 2 Abs 4 AVG ohne Feststellung der KSK nach dem KSVG in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig waren. Zutreffend hat die Revision dargelegt, dass die
aus § 53 KSVG und seiner Begründung (vgl BT-Drucks 9/26 S 25) gezogene Schlussfolgerung, selbstständige Lehrer, die als selbstständige
Künstler Musik (darstellende oder bildende Kunst) lehrten, seien nach der Rechtsänderung nicht (mehr) von der Regelung des
§ 2 Abs 1 Nr 3 AVG erfasst gewesen, nicht zwingend ist. Soweit durch diese Übergangsvorschrift nach der Gesetzesbegründung eine "Unterbrechung
der Rentenversicherung" verhindert werden sollte, betraf sie ursprünglich versicherungspflichtige Künstler, die aufgrund der
mit der Einführung des KSVG verbundenen Änderungen nur (noch) dem für selbstständige Künstler nach § 2 Abs 1 Nr 4 AVG geltenden Versicherungspflichttatbestand unterfallen konnten (etwa selbstständige Musiker und Artisten). Diese Künstler sollten
unabhängig vom Zeitpunkt der Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG (vgl § 2 Abs 4 AVG) ohne Unterbrechung in der Rentenversicherung weiter versichert sein. Für bereits vor dem 1.1.1983 versicherungspflichtige,
als selbstständige Künstler tätige selbstständige Lehrer entfaltete die Vorschrift des § 53 KSVG demgegenüber insoweit Bedeutung, als sie die infolge des Zusammentreffens der Versicherungspflichttatbestände des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG und des § 2 Abs 1 Nr 4 AVG entstandene Konkurrenz durch Anordnung des Vorrangs der für die Betroffenen günstigeren Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 4 AVG auflöste. In diesem Sinne hat der 3. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 20.7.1994 (3/12 RK 18/92, SozR 3-5425 § 1 Nr 2 S 4) zutreffend ausgeführt, dass die für diese Personengruppe bis dahin geltende Versicherungspflicht
mit dem Inkrafttreten des KSVG "entfallen" ist. Warum sich aus § 53 KSVG und seiner Begründung eine Aussage dahingehend ergeben soll, auch solche lehrenden Künstler, die ihre selbstständige Tätigkeit
erst nach dem Inkrafttreten des KSVG aufgenommen hatten und für die § 2 Abs 4 AVG deshalb nicht nach Maßgabe des § 53 KSVG suspendiert war, seien von der Regelung des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG auszunehmen, ist nicht nachvollziehbar.
Eine Einschränkung des Lehrerbegriffs in §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI kann auch nicht damit begründet werden, der Gesetzgeber habe später - etwa mit dem Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes
vom 20.12.1988 (BGBl I 2606), durch das das KSVG im Wesentlichen seine heutige Gestalt erhalten hat, oder mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom
18.12.1989 (BGBl I 2261), durch das das
SGB VI in das Sozialgesetzbuch eingefügt wurde - eine dahingehende Entscheidung getroffen. Sowohl nach seinem Wortlaut als auch
bei systematischer oder historischer Auslegung hat das Änderungsgesetz zum KSVG den Anwendungsbereich des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG nicht angetastet. Auch mit der Ersetzung des § 2 Abs 1 Nr 3 AVG durch dessen Nachfolgevorschrift §
2 Satz 1 Nr
1 SGB VI ab 1.1.1992 ist eine Eingrenzung des Kreises versicherungspflichtiger selbstständig tätiger Lehrer nicht einhergegangen.
Soweit in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass die Vorschriften des KSVG - anders als diejenigen des Handwerkerversicherungsgesetzes und des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter - nicht
in die Bestimmungen des
SGB VI über den versicherten Personenkreis integriert worden seien, lassen sich hieraus Argumente für eine den Wortlaut des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI einschränkende Interpretation nicht gewinnen. Die Einarbeitung der Vorschriften des KSVG in das
SGB VI ist lediglich deshalb unterblieben, weil deren Integration eine entsprechende Erweiterung des
SGB IV vorausgesetzt hätte, die im Rahmen der Rentenreform nicht vorgenommen werden konnte (vgl BT-Drucks 11/4124 S 148).
b) Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung steht der Anwendung des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI in dieser weiten Auslegung im Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 auch nicht eine - irgendwie geartete - Vorrangregelung
zugunsten des §
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI entgegen. Zutreffend hat die Revision ausgeführt, dass für die streitgegenständliche Zeit eine Konkurrenz im Sinne eines
Zusammentreffens beider Versicherungspflichttatbestände nicht bestand, sodass nicht entschieden werden muss, welcher der an
den jeweiligen Versicherungspflichttatbestand geknüpften Rechtsfolgen (mit ihren unterschiedlichen Auswirkungen im Beitragsrecht)
der Vorrang einzuräumen ist. Der Senat kann daher offen lassen, ob eine Konkurrenz beider Versicherungspflichttatbestände
in Anwendung der lex specialis-Regelung aufzulösen wäre, sodann ob, wie das LSG und Teile des Schrifttums (vgl Grintsch in
Kreikebohm,
SGB VI, 2. Aufl 2003, §
2 RdNr 3, 18; wohl auch Gürtner in Kasseler Komm, Stand September 2007, §
2 SGB VI RdNr 43, und Fichte in Hauck/Noftz,
SGB VI, Stand Oktober 2007, K §
2 RdNr 119 f) meinen, der Versicherungspflichttatbestand des §
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI als Spezialregelung eingestuft werden müsste, ob - angesichts des Fehlens gesetzlicher Kriterien - für die Beurteilung als
Spezialfall das Prinzip des günstigsten sozialen Schutzes der Maßstab wäre und welche Konsequenzen eine - angenommene - Spezialität
des §
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI hätte, etwa ob sie zur Verdrängung des allgemeineren Versicherungspflichttatbestandes führen würde.
Der Senat braucht diese Fragen nicht zu beantworten, weil in der Zeit vom 1.1.2000 bis zum 22.7.2003 nur der Versicherungspflichttatbestand
des §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI erfüllt war. Die Rentenversicherungspflicht des Klägers nach dem KSVG begann entsprechend der bindenden Feststellung der KSK in deren Bescheid vom 6.9.2004 erst mit dem 23.7.2003. Soweit die
Vorinstanzen hierzu ausgeführt haben, eine Konkurrenz beider Versicherungspflichttatbestände liege schon dann vor, wenn selbstständig
tätige Lehrer nur unter die Legaldefinition des § 2 Satz 1 KSVG fielen und die Versicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr 5
SGB VI, ohne bereits "vollzogen" zu werden, jedenfalls "dem Grunde nach" bestehe, greift dieser Einwand nicht durch. Solange der
selbstständige Künstler und Publizisten betreffende Versicherungspflichttatbestand nicht hinsichtlich all seiner Tatbestandsvoraussetzungen
erfüllt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein und derselbe Sachverhalt auch von diesem - und damit von mehreren
Versicherungspflichttatbeständen - "erfasst" wird. Insoweit fehlt es an der Voraussetzung einer Rechtsnormenkonkurrenz.
c) Die vom Senat vertretene Auffassung ist nicht, wie der Kläger meint, im weiteren Sinne "unsachgerecht" oder "stellt Sinn
und Zweck des KSVG grundsätzlich in Frage".
Zutreffend hat die Revision dargelegt, dass der für den Kläger als lehrenden Künstler geforderte soziale Schutz, solange der
für Künstler eigens geschaffene Versicherungspflichttatbestand (noch) nicht erfüllt sei, am besten durch die Rentenversicherungspflicht
nach §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI gewährleistet werde. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass - im Übrigen nicht versicherungspflichtigen - selbstständigen
Künstlern und Publizisten bei Annahme eines in jeder Hinsicht "abschließenden" Charakters des KSVG auch die Möglichkeit einer Antragspflichtversicherung nach §
4 Abs
2 SGB VI genommen wäre.
Soweit der Kläger gegen das hier gefundene Ergebnis anführt, die prägende Besonderheit der Künstlersozialversicherung, die
in der Möglichkeit freier Entscheidung für die gesetzliche Rentenversicherung bzw im "Recht auf Wahlfreiheit" sowie darin
bestehe, dass eine späte oder keine Meldung ohne Sanktionen bleibe, gehe verloren, greift dieser Einwand nicht durch. Zunächst
besteht ein Wahlrecht in dem vom Kläger verstandenen Sinne nicht; denn nach § 11 KSVG war er zur Meldung verpflichtet. Im Übrigen wird das mit dem KSVG geschaffene Privileg selbstständiger Künstler und Publizisten, etwa im Beitragsrecht, für selbstständige Künstler, die Musik
(darstellende oder bildende Kunst) lehren, nicht beseitigt. Es bleibt diesen unbenommen, sich zeitgleich mit der Aufnahme
ihrer selbstständigen Tätigkeit bei der KSK zu melden und ihre Aufnahme in die KSK zu betreiben. Soweit in diesem Zusammenhang
von dem Kläger auch hervorgehoben wird, auf diese Weise werde die "vorzeitige Versicherungspflicht einer ganzen Berufsgruppe"
angeordnet, liegt darin keine (sozialpolitische) Fehlentwicklung. Zwar hat der Gesetzgeber eine solche "vorzeitige Versicherungspflicht"
nicht im Kontext des KSVG geregelt. Sie ergibt sich jedoch aus §
2 Satz 1 Nr 1
SGB VI, der selbstständig tätige Lehrer ohne Rücksicht auf den Inhalt ihrer Lehrtätigkeit der Rentenversicherungspflicht unterwirft.
Damit verbleibt es, wie die Revision mit Recht betont hat, auch nach der Einführung des KSVG bei der schon in der Vergangenheit getroffenen grundsätzlichen Entscheidung, dass die Altersvorsorge selbstständig tätiger
Lehrer nicht in deren "Belieben" steht.
Der Auffassung des Senats kann vom Kläger schließlich nicht entgegengehalten werden, dass infolge dessen schon die gelegentliche
Erteilung einer Unterrichtsstunde zu einer "massiven Statusänderung" in der gesetzlichen Rentenversicherung führe. Im Hinblick
auf die dem Gesetzgeber zugestandene, verfassungsrechtlich unbedenkliche Typisierungs- und Generalisierungsbefugnis ist dem
Sozialversicherungsrecht und gerade auch dem - tätigkeitsbezogenen - Recht der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung
eine Anknüpfung an bestimmte Tätigkeitsmerkmale nicht fremd. Vielmehr begegnete umgekehrt gerade die Differenzierung nach
dem Schwerpunkt einer Tätigkeit, wie sie der Kläger befürwortet, verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Herausnahme lehrender
Künstler aus dem Anwendungsbereich des §
2 Satz 1 Nr
1 SGB VI könnte im Hinblick auf Art
3 Abs
1 GG kaum gerechtfertigt werden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des Berufungsgerichts vorbehalten.