Freistellung von den Kosten einer hyperbaren Sauerstofftherapie
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin leidet an Diabetes mellitus Typ II. Sie ist mit ihrem Begehren
auf Freistellung von den Kosten einer hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO) iH von 10.905,58 Euro zur Behandlung eines diabetischen Fußsyndroms bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg
geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Die Behandlung der Klägerin mittels HBO habe zu keiner Zeit die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses erfüllt. Die Ausschöpfung der Standardtherapien sei ausweislich
des vom SG eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens (P1) nicht nachgewiesen. Ein Anspruch aufgrund der Genehmigungsfiktion
gemäß §
13 Abs
3a Satz 6
SGB V scheitere daran, dass die Klägerin bereits im Zeitpunkt der Antragstellung auf die Durchführung der Behandlung im Druckzentrum
festgelegt gewesen sei (Beschluss vom 27.7.2022).
Mit ihrer anwaltlich eingelegten Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss
und beantragt, ihr dafür Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Rechtsanwalts Krapp, Wiesbaden, zu gewähren.
II
Die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen (dazu 1.), die Beschwerde der Klägerin ist zu verwerfen (dazu 2.).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten. Nach §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §§
114,
121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Die von der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg. Nach Durchsicht der Akten fehlen auch unter Würdigung ihres Vorbringens Anhaltspunkte dafür, dass sie einen der
in §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Die Klägerin hat in der Beschwerdebegründung auch keine Zulassungsgründe
vorgetragen, aus denen sich eine hinreichende Erfolgsaussicht ergeben könnte.
a) Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG; vgl zu den Voraussetzungen eines Freistellungsanspruchs in Bezug auf eine HBO auf der Grundlage eines <damaligen> Systemversagens BSG vom 7.5.2013 - B 1 KR 44/12 R - BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29). Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend bewusst von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
b) Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Revisionszulassung
rechtfertigende Verfahrensfehler bezeichnen könnte (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Danach ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist.
aa) Eine erfolgreiche Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG) erfordert, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt
und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (stRspr; vgl nur BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Es muss insbesondere ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer Beweisantrag bezeichnet werden können, dem
das LSG nicht gefolgt ist (stRspr; vgl zB BSG vom 16.5.2019 - B 13 R 222/18 B - juris RdNr 12 mwN). Hierfür ist nichts ersichtlich.
Die im gesamten Verfahren durchgehend anwaltlich vertretene Klägerin ist dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten sowie den vom SG und vom LSG eingeholten ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen P1 jeweils - mit Stellungnahmen des von ihr beauftragten
Privatgutachters P2 - inhaltlich entgegengetreten; einen Beweisantrag hat sie jedoch nicht gestellt. Im Rahmen der Anhörung
zur Entscheidung des LSG durch Beschluss nach §
153 Abs
4 Satz 2
SGG hat sich die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 25.5.2022 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich
einverstanden erklärt, ohne einen weiteren Ermittlungsbedarf deutlich zu machen.
bb) Für die Darlegung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör iS von §
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich gemacht werden, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder
überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr; vgl zB BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293, 295 f = SozR 1100 Art 103 Nr 5; BSG vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - juris RdNr 18). Das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht regelmäßig nur dazu, die Ausführungen von Prozessbeteiligten
zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Ein Gericht muss sich dagegen nicht ausdrücklich
mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, wenn sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass es das Vorbringen
auch ohne explizite Erwähnung für unerheblich gehalten hat (vgl BSG vom 12.12.2011 - B 13 R 411/10 B - juris RdNr 22; BSG vom 14.7.2017 - B 1 KR 95/16 B - juris RdNr 6).
Soweit die Klägerin vorträgt, das LSG habe das Sachverständigengutachten der P1 verwertet, obwohl sie in ihrem Schriftsatz
vom 7.12.2021 dessen Mängel herausgearbeitet habe, ist nicht ersichtlich, inwiefern es auf die von der Klägerin bemängelten
Punkte (Anamneseerhebung, Gewichtsreduzierung, Eigenschaft als Raucherin) bei der Entscheidung des LSG angekommen sein sollte,
sodass das LSG auch nicht verpflichtet war, hierauf gesondert einzugehen. Zudem hat das LSG zu dem Schriftsatz der Klägerin
nochmals eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen eingeholt, was dafür spricht, dass es ihre Ausführungen zur Kenntnis
genommen und berücksichtigt hat.
cc) Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das LSG unter Verstoß gegen §
153 Abs
4 SGG durch Beschluss über die Berufung der Klägerin entschieden hat. Insbesondere hat das LSG die Klägerin hierzu angehört. Von
dieser Möglichkeit hat die Klägerin auch Gebrauch gemacht und sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich
einverstanden erklärt.
dd) Soweit die Klägerin mit ihrer Beschwerdebegründung rügt, das Sachverständigengutachten der P1 sei - ua mangels Anamneseerhebung
und wegen Zugrundelegung falscher Tatsachen - mangelhaft gewesen und hätte der Entscheidung des LSG deshalb nicht zugrunde
gelegt werden dürfen (sondern stattdessen das von der Klägerin selbst vorgelegte Privatgutachten des P2), greift sie im Kern
die Beweiswürdigung des LSG an, um die inhaltliche Unrichtigkeit des LSG-Beschlusses in ihrem Einzelfall geltend zu machen.
Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl BSG vom 17.7.2020 - B 1 KR 34/19 B - juris RdNr 6 mwN). Denn eine Verfahrensrüge kann nicht auf den Verfahrensmangel einer Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
2. Die unabhängig von der PKH-Bewilligung erhobene Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe (vgl dazu 1.b).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.