Gründe:
I. Die klagende Stadt (Sozialhilfeträger) begehrt von der beklagten AOK die Erstattung von Kosten einer Bestattung, die sie
anläßlich des Todes des am 16. November 1986 geborenen und am 2. Februar 1991 verstorbenen Kindes A.- M. (A.M.) übernommen
hat. Dieser war der Sohn des W.M., der am 24. Juni 1989 mit seiner Familie aus der damaligen UdSSR in die Bundesrepublik Deutschland
ausgesiedelt ist und zur Zeit des Todes seines Sohnes aufgrund des Bezugs von Unterhaltsgeld Mitglied der Beklagten war. W.M.
ist Inhaber des Vertriebenenausweises.
Mit Schreiben vom 12. März 1991 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr das Sterbegeld für A.M. zu zahlen, weil sie
die Bestattungskosten im Rahmen der Sozialhilfe im wesentlichen übernommen habe. Die Voraussetzungen für das Sterbegeld seien
erfüllt; es genüge, daß das verstorbene Kind am 1. Januar 1989 über seinen damals in der UdSSR beschäftigten und krankenversicherten
Vater mitversichert gewesen sei. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, daß § 58 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB V) eine am 1. Januar 1989 im Bundesgebiet bestehende Versicherung verlange; Versicherungszeiten nach § 90 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) zählten nicht als Versicherungszeiten i.S. des § 58
SGB V (Bescheid vom 11. April 1991; Widerspruchsbescheid vom 6. August 1991).
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht (SG) stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide
verurteilt, an die Klägerin 1.050,00 DM zu zahlen (Urteil vom 17. Februar 1992). Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen
und die Revision zugelassen (Urteil des Landessozialgerichts [LSG] vom 22. April 1993). In den Gründen der Entscheidung ist
im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch aus § 104 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) auf Erstattung der von ihr nach § 15 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) übernommenen Bestattungskosten in Höhe des nach § 59
SGB V beim Tode eines Familienversicherten zu zahlenden Sterbegeldes von 1.050,00 DM. Die hierzu ergangenen Bescheide der Beklagten
seien. schon deshalb aufzuheben gewesen, weil über Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander nicht hoheitlich
zu entscheiden sei. Nach § 104
SGB X, der hier allein in Betracht komme, sei die beklagte Krankenkasse der Klägerin erstattungspflichtig, weil diese als nachrangig
verpflichtete Leistungsträgerin (§ 2 Abs. 2
BSHG) Sozialleistungen erbracht habe und der Berechtigte vorrangig gegen die Krankenkasse einen Anspruch aus § 58
SGB V gehabt habe. "Berechtigter" sei nicht der klagende Sozialhilfeträger selbst, sondern der Kindesvater. Denn nach § 58 Satz 2
SGB V werde das Sterbegeld an denjenigen gezahlt, der die Bestattungskosten trage; das sei - wie früher nach § 203 Satz 1 der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) a.F. - der "Besorger der Bestattung", d.h. hier der zur Besorgung verpflichtete Kindesvater. Weil diesem die Kostentragung
nicht habe zugemutet werden können, seien die erforderlichen Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger übernommen worden.
Deshalb habe das SG den Sozialhilfeträger mit Recht auf den Erstattungsanspruch nach § 104
SGB X verwiesen, anstatt ihm einen unmittelbaren Zugriff auf das Sterbegeld nach § 58
SGB V zuzubilligen; denn die Regelungen über die Beziehungen der Versicherungsträger zueinander seien insoweit erschöpfend und
schlössen die Anwendung sonstiger Vorschriften aus, die in erster Linie die Beziehungen zu den Versicherten regelten. Der
Antrag der Klägerin habe sich insoweit nicht in der Feststellung einer dem Berechtigten zustehenden Sozialleistung nach §
91a
BSHG erschöpft, sondern sei auch auf Erstattung dieser Sozialleistung gerichtet gewesen und auch rechtzeitig geltend gemacht worden
(§ 111
SGB X). Dem berechtigten Kindesvater habe auch ein Anspruch aus § 58
SGB V zugestanden. Zwar sei er bzw. sein mitversichertes Kind am 1. Januar 1989 nicht i.S. von § 58 Satz 1
SGB V versichert gewesen. Denn darunter könne nur eine Versicherung im Geltungsbereich des
SGB V verstanden werden. Gleichwohl sei A.M. als Kind des Inhabers eines Ausweises für Vertriebene einem am 1. Januar 1989 in der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Berechtigten nach § 90 Abs. 1
BVFG gleichgestellt. Diese Gleichstellung erfolge nicht nur, wenn und soweit der Gesetzgeber "das Nähere" nach Maßgabe des § 90 Abs. 3
BVFG durch ein Bundesgesetz (wie etwa durch das Fremdrentengesetz [FRG]) selbst geregelt habe. § 90 Abs. 1
BVFG gelte vielmehr im Bereich der GKV unmittelbar, wie das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach entschieden habe (Hinweis auf BSGE
39, 162 und 56, 39). Soweit der Gesetzgeber inzwischen im Hinblick auf § 58
SGB V die Gleichstellung einer in der früheren DDR am 1. Januar 1989 bestehenden Versicherung ausdrücklich angeordnet habe, könne
dies nur als deklaratorisch betrachtet werden. Die Grundsätze der verfassungskonformen Auslegung in Verbindung mit dem Gleichheitssatz
ließen jedenfalls nicht den Schluß zu, daß der Gesetzgeber nunmehr habe anordnen wollen, daß neben der Zugehörigkeit zur GKV
am 1. Januar 1989 nur eine Versicherung in der früheren DDR geeignet sei, den Sterbegeldanspruch mitzubegründen. Schließlich
habe der Gesetzgeber mit dem Gesundheits-Reformgesetz (GRG) und dem durch dieses Gesetz eingefügten § 90b
BVFG selbst zu erkennen gegeben, daß er Vertriebene nicht vom Sterbegeld habe gänzlich ausschließen wollen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 90
BVFG. Diese Regelung mache eine Gleichstellung ausländischer Versicherungszeiten mit deutschen Versicherungszeiten davon abhängig,
daß diesbezüglich eine "nähere Regelung" i.S. des § 90 Abs. 3
BVFG ergehe, die aber im Bereich der GKV für § 58
SGB V fehle. Soweit das LSG im Anschluß an die frühere Rechtsprechung des BSG § 90 Abs. 1
BVFG im Rahmen der Krankenversicherung für unmittelbar anwendbar ansehe, sei der Regelungsinhalt dieser Vorschrift verkannt; denn
diese Rechtsprechung könne aufgrund der inzwischen auf dem Gebiet der GKV herbeigeführten Rechtsänderungen keinen Bestand
mehr haben. So sei mit Art. 25 § 3 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts-
und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR vom 25. Juni 1990 (BGBl II, 518) die Gleichstellung im Hinblick auf § 58
SGB V für eine Versicherung in der DDR am 1. Januar 1989 ausdrücklich angeordnet worden, so daß dieser Regelung nicht nur deklaratorische,
sondern konstitutive Bedeutung beigemessen werden müsse. Soweit später eine allgemeine Umsetzung der Gleichstellungsklausel
durch Bundesgesetz erfolgt sei (§
309 Abs.
5
SGB V i.d.F. des Gesundheitsstrukturgesetzes [GSG]), könne hinsichtlich der Motive des Gesetzgebers nichts anderes gelten, als dies auch bei der Änderung des § 54 Abs. 1 Satz 3
SGB V durch das GSG zum Ausdruck gebracht worden sei. Dort habe der Gesetzgeber ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß § 90 Abs. 1
BVFG lediglich einen "Programmsatz" enthalte, zu dessen Verbindlichkeit es erst noch der Umsetzung durch Bundesgesetz gemäß §
90 Abs. 3
BVFG bedürfe. Ein allgemeiner Rückgriff auf § 90 Abs. 1
BVFG verbiete sich daher. Dafür spreche auch, daß der Gesetzgeber den § 90
BVFG mit Wirkung vom 1. Januar 1993 ersatzlos gestrichen habe. Dies mache nur deshalb Sinn, weil § 90
BVFG nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich Programmsatz gewesen sei und die insoweit für eine Gleichstellung der Vertriebenen
und Flüchtlinge gebotene Umsetzung durch Bundesgesetz angesichts der herbeigeführten Rechtsänderungen als abgeschlossen betrachtet
worden sei.
Dies werde vom LSG übersehen, wenn es meine, daß der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 90b
BVFG durch das GRG selbst erneut zu erkennen gegeben habe, daß es Vertriebene vom Sterbegeld nicht habe gänzlich ausschließen wollen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. April 1993 und des Sozialgerichts Köln vom 17.
Februar 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Der Senat konnte gemäß §
126 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) nach Aktenlage entscheiden, weil beide Beteiligte, die im Termin weder erschienen noch vertreten waren, in der Ladung auf
diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die beklagte Krankenkasse dem klagenden Sozialhilfeträger die von ihm nach § 15
BSHG übernommenen Bestattungskosten in Höhe des gesetzlichen Sterbegeldes - 1.050,00 DM - zu erstatten hat. Als Anspruchsgrundlage
für die Erstattung kommt hier allein § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht, dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Klägerin hat als grundsätzlich nachrangig verpflichteter Träger (§
2 Abs. 2
BSHG) Sozialleistungen erbracht, indem sie die Kosten der Bestattung des am 2. Februar 1991 verstorbenen Kindes A.M. nach § 15
BSHG im wesentlichen übernommen hat. Sie kann daher von der beklagten Krankenkasse Erstattung verlangen, wenn und soweit der Berechtigte
vorrangig gegen diese einen Anspruch hatte und wenn die Klägerin bei rechtzeitiger Erfüllung dieses Anspruchs selbst nicht
zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.
"Berechtigte" i.S. des § 104
SGB X sind die Eltern des Kindes, denn sie konnten von der Beklagten die Zahlung des Sterbegeldes verlangen. Nach dem hier maßgeblichen,
seit dem 1. Januar 1989 geltenden § 58
SGB V wird das Sterbegeld an denjenigen gezahlt, der die Bestattungskosten "trägt" (Satz 2). Ob damit, wovon das LSG ausgegangen
ist, der "Besorger" der Bestattung i.S. des § 203
RVO a.F. gemeint ist, oder ob dieser Begriff etwas anderes bedeutet (vgl. dazu Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 58
SGB V, Rz 26, Stand: Juli 1989; Höfler in KassKomm, § 58
SGB V, Rz 9 m.w.N.), kann hier offenbleiben. Ebenfalls kann offenbleiben, ob nach dem Sinn der Vorschrift zur Entgegennahme des
Sterbegeldes in erster Linie derjenige berechtigt sein soll, der die Kosten der Beerdigung tatsächlich wirtschaftlich getragen
hat, sei es durch Zahlung, sei es durch Eingehen einer entsprechenden rechtlichen Verpflichtung (so Peters, aaO., Rz 27).
Sind - wie im vorliegenden Fall - die Bestattungskosten vom Sozialhilfeträger bestritten worden, ist Anspruchsberechtigter
i.S. des § 58
SGB V nicht etwa der Sozialhilfeträger selbst, sondern derjenige, der die Kosten kraft bürgerlich-rechtlicher Verpflichtung trägt,
d.h. zu tragen hat. Das ergibt sich aus § 15
BSHG. Danach sind die erforderlichen Kosten der Bestattung vom Sozialhilfeträger "zu übernehmen", soweit dem "Verpflichteten"
nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Verpflichtete i.S. dieser Regelung sind grundsätzlich nur die im Rahmen
des Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) Verpflichteten, nämlich in erster Linie der Erbe des Verstorbenen, der nach §
1968
BGB die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers trägt. Soweit vom Erben die Beerdigungskosten nicht zu erlangen sind,
haften die Unterhaltsverpflichteten (§§ 1360a Abs.
3 und
1615 Abs.
2
BGB). Nach §
1615 Abs.
2
BGB hat in Fällen des Todes des Unterhaltsberechtigten der Verpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung
nicht von den Erben zu erlangen ist. Als Erben und zugleich Unterhaltsverpflichtete i.S. der vorgenannten Bestimmungen und
damit als Träger der Bestattungskosten i.S. von § 58
SGB V i.V.m. § 15
BSHG kommen daher im vorliegenden Fall nur die Eltern des Kindes in Betracht.
Konnte den Eltern die Kostentragung nicht zugemutet werden und hat deshalb der Sozialhilfeträger die Kosten übernommen, so
hat dieser - wie das LSG zutreffend entschieden hat - keinen unmittelbaren Anspruch auf Auszahlung des Sterbegeldes nach §
58
SGB V. Er kann vielmehr - wahlweise - einen Erstattungsanspruch nach § 104
SGB X geltend machen oder nach § 91a
BSHG die Feststellung der Sozialleistung betreiben, was allerdings nicht bedeutet, daß er damit an die Stelle des Hilfesuchenden
tritt, um dessen Ansprüche auf Sozialleistungen für sich durchzusetzen; der Hilfesuchende bleibt vielmehr materiell Berechtigter
und der Sozialhilfeträger ist nur berechtigt, das Fremdrecht i.S. einer Prozeßstandschaft im eigenen Namen zu verfolgen (st.Rspr.
vgl. BSG SozR 3-5910 § 91a Nr. 1 m.w.N.). Ob der Sozialhilfeträger auch beide Wege nebeneinander verfolgen darf (so Schellhorn/Jirasek/Seipp,
Komm zum BSHG, 14. Aufl, § 91a Rz 7, 8 unter Bezugnahme auf BSGE 16, 44, 46), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. An einem Rechtsschutzbedürfnis für eine selbständige, auf § 91a
BSHG gestützte Klage auf Feststellung des Sterbegeldes könnte es bei einer Sachlage wie der vorliegenden, in der es nicht um die
Sicherung des Nachrangs der Sozialhilfe für künftig entstehende Leistungsansprüche geht, jedenfalls deshalb fehlen, weil im
Rahmen der gleichzeitig erhobenen Erstattungsklage ohnehin geprüft werden muß, ob der Berechtigte einen Anspruch auf Sterbegeld
gegen die Beklagte hatte, mithin der Weg über § 91a
BSHG seine selbständige Bedeutung verlieren könnte. In diesem Sinne läßt sich aber die Auslegung des LSG verstehen, daß sich der
Antrag der Klägerin nicht - wie zunächst im Verwaltungsverfahren angenommen - in der Feststellung des dem Berechtigten zustehenden
Sterbegeldanspruchs erschöpft habe, sondern im Hinblick auf die bereits übernommenen Kosten der Bestattung von vornherein
bereits auf die Erstattung gerichtet und auch rechtzeitig angemeldet gewesen sei (§ 111
SGB X). Aus dieser Sicht hat das LSG die - auf der Grundlage des § 91a
BSHG - ergangenen Bescheide, die einen Sterbegeldanspruch verneint haben, zu Recht aufgehoben, weil aufgrund des weitergehenden
Erstattungsanspruchs die Grundlage für eine gesonderte Feststellung nach § 91a
BSHG entfallen war.
Der Erstattungsanspruch ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Klägerin ihre Leistung unabhängig von der Leistungspflicht
des anderen Trägers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Das ist im Verhältnis von § 15
BSHG zu § 58
SGB V nicht der Fall. Denn bezüglich der Frage, ob und inwieweit im Rahmen des § 15
BSHG den hierzu Verpflichteten die Kostentragung zugemutet werden kann, ist auch ein ihnen zur Verfügung stehendes Sterbegeld
heranzuziehen (Jehle, ZfF 1966, 34, 35; Sachse, ZfF 1989, 129 f). Das Sterbegeld nach § 58
SGB V ist nach Wortlaut und Zweck dieser Regelung ein Zuschuß zu den Beerdigungskosten und begründet daher einen Erstattungsanspruch
des Sozialhilfeträgers in Höhe des nach § 59
SGB V zustehenden Sterbegeldes (1.050,00 DM), wenn der Sozialhilfeträger - wie hier - höhere Beerdigungskosten übernommen hat.
Daß den Eltern des A.M. - als Berechtigten i.S. von § 104
SGB X - vorrangig ein Anspruch auf Sterbegeld gegen die Beklagte zustand, hat der erkennende Senat in Übereinstimmung mit dem LSG
bejaht. Die Voraussetzungen des § 58
SGB V sind entgegen der Ansicht der Beklagten erfüllt. Danach wird beim Tod eines Versicherten ein Zuschuß zu den Bestattungskosten
(Sterbegeld) gezahlt, wenn der Verstorbene am 1. Januar 1989 versichert war (Satz 1). Bei seinem Tode war das Kind A.M. über
die Mitgliedschaft seines Vaters (aufgrund des Bezuges von Unterhaltsgeld gemäß § 155 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes [AFG]) bei der beklagten Krankenkasse nach §
10
SGB V familienversichert. Eine entsprechende Versicherung am 1. Januar 1989 hat indessen nicht bestanden, weil die Familie erst
am 24. Juni 1989 aus der damaligen UdSSR in die BRD ausgesiedelt ist. Daß unter einer "Versicherung" i.S. des § 58 Satz 1
SGB V nach Sinn und Zweck dieser Regelung grundsätzlich nur eine Zugehörigkeit zur GKV im Geltungsbereich des
SGB V verstanden werden kann, steht außer Streit und wird auch von der Klägerin nicht mehr in Abrede gestellt (vgl. dazu BSGE 39,
162, 164 = SozR 2200 § 200a Nr. 1). Streitig ist allein, ob der Verstorbene gemäß § 90 Abs. 1
BVFG als Vertriebener (bzw. als gleichgestelltes Kind eines Vertriebenen; vgl. § 7
BVFG) einem im Bundesgebiet Berechtigten, d.h. einem am 1. Januar 1989 in der GKV Versicherten, gleichgestellt war. Auch das hat
der erkennende Senat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen bejaht (aA Zipperer in Maaßen/ Schermer/Wiegand/Zipperer,
SGB V, GKV-Komm, § 58 Rz 3).
Dem steht der Vorbehalt in § 90 Abs. 3
BVFG, wonach "das Nähere ein Bundesgesetz regelt", nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG enthält § 90 Abs. 1
BVFG nicht nur einen Auftrag an den Gesetzgeber, sondern regelt die Rechtsstellung der Vertriebenen unmittelbar. So galt z.B.
eine in den Vertreibungsgebieten ausgeübte Beschäftigung gemäß § 90 Abs. 1
BVFG in der Arbeitslosenversicherung als eine versicherungspflichtige Beschäftigung i.S. des Bundesrechts, wenn sie hier versicherungspflichtig
gewesen wäre (BSGE 4, 102, 104; 4, 108, 110; 10, 103, 105 = SozR Nr. 5 zu § 85 AVAVG und Nr. 11 zu § 87 AVAVG). Auch konnten
Vertriebene die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 lit. a
RVO dadurch erfüllen, daß sie im Vertreibungsgebiet im erforderlichen Umfang krankenversichert waren (BSGE 56, 39 = SozR 2200 § 165 Nr. 72). Ebenso hat das BSG hinsichtlich der Vorversicherungszeit für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld
entschieden (BSGE 39, 162, 164 = SozR 2200 § 200a Nr. 2). Diese Auslegung ist mit der Entstehungsgeschichte des § 90
BVFG sowie mit dem Fehlen abschließender spezialgesetzlicher Regelungen begründet worden, die einen Rückgriff auf § 90 Abs. 1
BVFG hätten ausschließen können. Ein solcher Rückgriff ist erst dann ausgeschlossen, wenn und sobald eine nähere Regelung i.S.
des § 90 Abs. 3
BVFG vorliegt.
Der erkennende Senat sieht keinen zwingenden Grund, von dieser ständigen Rechtsprechung, deren Gründe auch für die im Rahmen
des § 58
SGB V geforderte Versicherung am 1. Januar 1989 gelten, abzugehen. Entgegen der Ansicht der Revision bieten insbesondere die inzwischen
auf dem Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung getroffenen Gleichstellungsregelungen keinen zwingenden Grund für die
Annahme, daß auf § 90 Abs. 1
BVFG nicht mehr zurückgegriffen werden dürfe. Wie der 12. Senat inzwischen entschieden hat (Urteil vom 29. September 1994 - 12 RK 67/93 -), wird § 90 Abs. 1
BVFG insbesondere nicht dadurch verdrängt, daß im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands für die Bürger der
ehemaligen DDR Gleichstellungsregelungen wie etwa §
309 Abs.
2 und Abs.
5
SGB V getroffen worden sind (eingefügt durch Anl. I Kap. VIII Sachgebiet G Abschn II Nr. 1 des Einigungsvertrages vom 31. August
1990, BGBl II 889 i.V.m. Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990, BGBl II 885 bzw. durch Art. 6 Nr. 5
des Renten-Überleitungsgesetzes [RÜG] vom 25. Juli 1991, BGBl I 1606). Da sich diese Regelungen nicht nur auf Vertriebene
oder Sowjetzonenflüchtlinge, sondern auf alle in der ehemaligen DDR Sozialversicherten beziehen, liegt in ihnen schon deshalb
keine abschließende bundesgesetzliche Regelung i.S. des § 90 Abs. 3
BVFG. Es handelt sich vielmehr um die Einlösung einer in der Anl. V Abschn VI Nr. 5 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-,
Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (BGBl II 537) gegebenen Zusage, die zum Vertriebenenrecht keinen Bezug hat.
Aus dem gleichen Grund kann sich die Beklagte auch nicht auf Art. 25 § 3 des Gesetzes zum Vertrag vom 18. Mai 1990 (aaO.)
vom 25. Juni 1990 (BGBl II 518) berufen, soweit er anordnet, daß beim Tod eines Versicherten Sterbegeld nach § 58
SGB V auch dann gezahlt wird, wenn der Verstorbene am 1. Januar 1989 in der Sozialversicherung der DDR versichert war. Auch hier
liegt der wesentliche Regelungsgehalt darin, allen in der DDR am 1. Januar 1989 krankenversicherten Personen die Gleichstellung
hinsichtlich des Sterbegeldes zu vermitteln, ohne dabei in irgendeiner Weise die Gleichstellung der Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge
einzuschränken.
Auch soweit es zwischenzeitlich bezüglich der Erfüllung der Vorversicherungszeit bei Schwerpflegebedürftigkeit eine besondere
Gleichstellungsvorschrift für Vertriebene gab (§ 54 Abs. 1 Satz 3
SGB V i.d.F. des Art. 1 Nr. 27 des GSG vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266; aufgehoben durch Art. 4 Nr. 4 des Pflege-Versicherungsgesetzes [PflegeVG] vom 26. Mai 1994, BGBl I 1014), ergibt sich nichts anderes. Diese Regelung wurde erst mit Wirkung vom 1. Januar 1993 an
eingeführt, so daß aus ihr eine Änderung des Anwendungsbereichs des § 90 Abs. 1
BVFG für die davorliegende Zeit nicht hergeleitet werden kann. Allerdings ist in der Gesetzesbegründung ausgeführt, daß ohne §
54 Abs. 1 Satz 3
SGB V die nach § 90 Abs. 1
BVFG zur Gleichstellung von Vertriebenen erforderliche bundesgesetzliche Regelung fehle (BT-Drucks 12/3608 S. 82 zu § 54). Wie
der 12. Senat des BSG (aaO.) zutreffend ausgeführt hat, ist dieser Begründung, mit der der Gesetzgeber von einem anderen Verständnis
des § 90 Abs. 1
BVFG als das BSG auszugehen scheint, eine entscheidende Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 90 Abs. 1
BVFG nicht beizumessen. Falls mit dieser Äußerung die bisherige, über Jahrzehnte gefestigte Rechtsprechung des BSG hätte rückwirkend
korrigiert werden sollen, hätte dies deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Es fehlt jedoch jeder Hinweis auf diese
Rechtsprechung. Im übrigen spricht die Aufhebung des § 90
BVFG durch Art. 1 Nr. 30 lit. b des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes ([KfbG] vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2094) gegen den Willen zu einer
rückwirkenden Korrektur, weil sie nicht mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern erst mit Wirkung zum 1. Januar 1993 erfolgt
ist. Die Einführung des § 54 Abs. 1 Satz 3
SGB V und gleichzeitige Aufhebung des § 90 Abs. 1
BVFG kann insoweit unschwer als Ersetzung einer allgemeinen durch eine besondere Gleichstellungsvorschrift angesehen werden.
Schließlich stellt im vorliegenden Zusammenhang auch § 90b
BVFG keine nähere Regelung i.S. des § 90 Abs. 3
BVFG dar, die einen Rückgriff auf § 90 Abs. 1
BVFG ausschlösse. Denn diese durch das GRG eingefügte Regelung über die Gewährung von Leistungen bei Krankheit an nicht versicherte Vertriebene, die in bestimmtem Umfang
Leistungen wie Versicherte in der GKV erhalten (u.a. auch Sterbegeld bei während dieses Leistungsbezugs eingetretenen Todesfällen;
vgl. § 90b Abs. 1 Satz 2 BVFG), hat nur subsidiären Charakter (§ 90b Abs. 3 Satz 2 BVFG). Auf eine Leistung nach § 90b Abs. 1
BVFG besteht kein Anspruch, wenn der Berechtigte hierauf einen Anspruch nach anderen gesetzlichen Vorschriften, also als Versicherter
nach § 58
SGB V i.V.m. § 90 Abs. 1
BVFG, hat.
Hat § 90 Abs. 1
BVFG jedenfalls für Todesfälle, die - wie hier - in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1989 und dem 1. Januar 1993 eingetreten sind,
unmittelbar weitergegolten, so stand den Eltern des A.M. Sterbegeld zu, weil A.M. einem am 1. Januar 1989 in der GKV versicherten
Berechtigten gleichstand. Das LSG hat aufgrund des in Bezug genommenen, von der Beklagten als unstreitig zugestandenen tatsächlichen
Vorbringens der Klägerin angenommen, daß der Verstorbene am 1. Januar 1989 über seinen damals in der UdSSR krankenversicherten
Vater in gleicher Weise mitversichert war, wie es in Deutschland der Fall gewesen wäre. Dem ist die Beklagte auch im Revisionsverfahren
nicht entgegengetreten, so daß die Auslegung des Rechts des Herkunftslandes nach §
162
SGG, §
202
SGG i.V.m. § 562 der Zivilprozeßordnung für den Senat verbindlich ist (st.Rspr., vgl. BSG SozR 3-5050 § 15 Nr. 5).
Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
4 Satz 1
SGG. §
193 Abs.
4 Satz 2
SGG in der hier anwendbaren, durch Art. 15 Nr. 2
GSG mit Wirkung ab 1. Januar 1993 eingefügten Fassung, wonach ausnahmsweise eine Kostenerstattung auch für Körperschaften des
öffentlichen Rechts in Betracht kommt, findet vorliegend keine Anwendung, weil es sich nicht um eine Streitigkeit i.S. des
§ 116 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung handelt. Erfaßt sind damit nur Streitigkeiten aus dem Kassenarztrecht
i.S. von §
51 Abs.
2 Satz 1
SGG, Verfahren gegen oberste Bundes- oder Landesbehörden nach dem
SGB V und gegen Entscheidungen einer Landesbehörde nach §
122 Abs.
4 Satz 2
SGB V.