Voraussetzungen für die Annahme von Mittellosigkeit des Betreuten
Entscheidungsgründe:
I.
Die Beteiligte zu 1. war bis zum 23. Juni 2003 die Betreuerin des Betroffenen. Am 23. Juni 2003 hob das Amtsgericht die Betreuung
wegen Wegfalls ihrer Voraussetzungen auf.
Die Beteiligte zu 1. hat beantragt, für ihre Betreuungstätigkeit in der Zeit vom 1. Februar 2002 bis zum 28. Februar 2003
eine Vergütung in Höhe von 1.150,72 EURO und für ihre Betreuungstätigkeit in der Zeit vom 28. Februar 2003 bis zum 20. Mai
2003 eine Vergütung in Höhe von 224,75 EURO gegen die Staatskasse festzusetzen. Das Amtsgericht hat die Vergütungen mit Beschlüssen
vom 13. Mai 2003 und 1. September 2003 zwar in beantragter Höhe, aber abweichend von den Anträgen der Beteiligten zu 1. gegen
den Betroffenen festgesetzt. Auf die dagegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1. hat das Landgericht
die angefochtenen Beschlüsse des Amtsgerichts mit Beschluss vom 7. Oktober 2003 geändert und die Vergütungen gegen die Staatskasse
festgesetzt. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungen
des Amts- und Landgerichts wird auf die Beschlüsse vom 13. Mai 2003 (Bl. 126 f d.A.), 1. September 2003 (Bl. 143 f d.A.) und
7. Oktober 2003 (Bl. 155 - 161 d. A.) Bezug genommen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Beteiligte zu 2. form-
und fristgerecht sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
II.
Die vom Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 27 Abs. 1, 29 FGG zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung beruht (§§
27 Abs. 1 FGG,
546 ZPO).
Die Erstbeschwerden waren allerdings zulässig. Die nach § 20 FGG erforderliche Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1. war gegeben. Die angefochtenen Beschlüsse beeinträchtigten jeweils
Rechte der Beteiligten zu 1., weil ihr dadurch die von ihr geltend gemachten Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse aberkannt
worden sind. Das Amtsgericht hat zwar zugleich Vergütungen gegen den Betroffenen festgesetzt. Dabei handelt es sich jedoch
rechtlich um andere Ansprüche, weil sie anders als die von der Beteiligten zu 1. geltend gemachten Ansprüche nicht gegen die
Staatskasse, sondern gegen den Betroffenen selbst gerichtet sind (vgl. §§
1908 i Abs.
1, 1836 a, 1836 e Abs. 1 Satz 1
BGB).
Die bisherigen Ermittlungen rechtfertigen jedoch nicht die Annahme, dass die Beteiligte zu 1. die begehrten Vergütungen nach
den §§
1908 i Abs.
1, 1836 a
BGB aus der Staatskasse verlangen kann. Voraussetzung dafür wäre, dass der Betroffene mittellos im Sinne der §§
1908 i Abs.
1,
1836 d BGB ist. Es ist jedoch noch nicht hinreichend geklärt, ob der Betroffene die Vergütungsansprüche der Beteiligten zu 1. mit seinem
nach den §§
1908 i Abs.
1,
1836 c Nr.
2 BGB, 88 BSHG einzusetzenden Vermögen erfüllen kann.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Betroffene zum Zeitpunkt der Einleitung des Betreuungsverfahrens noch über
ein Vermögen in Höhe von fast 300.000,00 DM verfügt. Dieses Vermögen hätte der Betroffene einzusetzen, wenn er darüber noch
verfügte. Das haben Amts- und Landgericht unter Verstoß gegen § 12 FGG nicht hinreichend aufgeklärt. Nach dem Akteninhalt ist bislang lediglich der Betroffene zum Verbleib des Vermögens befragt
worden. Seine Angaben dazu begegnen jedoch erheblichen Bedenken. Der Betroffene hat gegenüber der Beteiligten zu 1. angegeben:
Seine Eltern hätten ihm das Geld für Notfälle zur Verfügung gestellt; er habe es zwischenzeitlich an seine Eltern zurückgezahlt
(Bl. 23 d.A.). Während seiner Anhörung durch die Betreuungsbehörde am 17. April 2000 hat er dagegen erklärt: Die Gelder seien
ihm "so nach und nach" leihweise von Verwandten zur Verfügung gestellt worden, da er eigentlich vorgehabt habe, sich "mit
einem Buchhandel oder so" selbständig zu machen; dann sei ihm jedoch seine Erkrankung dazwischen gekommen, und er habe das
alles nicht geschafft; deshalb habe er die Gelder jetzt an seine Verwandten zurückgezahlt (Bl. 26 d.A.). Diese Angaben sind
schwerlich miteinander in Einklang zu bringen. Gegen ihre Richtigkeit spricht im Übrigen auch, dass der Betroffene im Frühjahr
2002 offenbar in der Lage war, ein Hausgrundstück in Lübeck zu kaufen (Bl. 90, 110 f d.A.). Den Kaufpreis will der Betroffene
zwar wiederum von seinen Eltern erhalten haben. Es fragt sich jedoch, weshalb er die ursprünglich in seinem Besitz befindlichen
fast 300.000,00 DM dann überhaupt jemals an seine Eltern zurückgezahlt haben sollte. Bedenken gegen die Sachdarstellung des
Betroffenen ergeben sich ferner daraus, dass er im Februar 2001 über Bargeld in Höhe von 3.400,00 DM verfügt hat, dessen Herkunft
die Beteiligte zu 1. nicht in Erfahrung bringen konnte (Bl. 56 f, 62 R.d.A.). Außerdem hat der Betroffene gegenüber der Beteiligten
zu 1. erklärt, er habe einem Herrn T. einen "größeren Geldbetrag" geliehen (Bl. 56 d.A.). Auch dessen Herkunft ist ungeklärt.
Bei dieser Sachlage liegen genügende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betroffene entgegen seinen Angaben über erhebliches
Vermögen verfügt. Eine weitere Sachaufklärung ist deshalb gemäß § 12 FGG geboten (zur Anwendbarkeit des § 12 FGG bei der Prüfung der Mittellosigkeit vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 1994 - 2 W 161/93, BtPrax 1994, 139; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Auflage, § 56 g FGG Rn. 24). Nach dem Akteninhalt besteht zumindest Veranlassung, Auskünfte der Eltern des Betroffenen über seine Vermögensverhältnisse
und die angeblichen Zahlungsvorgänge einzuholen (§§ 56 g Abs. 2 Satz 1 FGG,
118 Abs.
2 Satz 2
ZPO).
Es ist ferner noch nicht ausreichend geklärt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Betroffene seine Eigentumswohnung
in der S.- Straße einzusetzen hat (§§
1908 i Abs.
1,
1836 c Nr.
2 BGB, 88 BSHG).
Nach dem bisherigen Akteninhalt kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Eigentumswohnung um Schonvermögen
im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG handelt. Voraussetzung dafür wäre, dass der Betroffene diese Wohnung - zumindest auch - selbst bewohnt oder wieder bewohnen
will. Daran fehlt es jedoch nach dem bisherigen Akteninhalt. Die gegenteilige Annahme des Landgerichts beruht auf einer rechtsfehlerhaften
Würdigung der tatsächlichen Umstände. Deshalb ist der Senat an diese Würdigung nicht gebunden (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 27 Rn. 42 ff). Das Landgericht hat aufgrund der Berichte der Beteiligten zu 1. und der Betreuungsbehörde angenommen, die Eigentumswohnung
sei durchaus als "eigene Wohnung" des Betroffenen gedacht; der Betroffene habe dort jedoch krankheitsbedingt phasenweise nicht
wohnen können. Nach dem vom Landgericht zitierten Bericht der Betreuungsbehörde vom 17. April 2000 (Bl. 25 - 27 d.A.) hat
der Betroffene im Frühjahr 2000 in seiner Eigentumswohnung gelebt und erklärt, er fange an, sich dort wieder einigermaßen
wohl zu fühlen. Dabei hat das Landgericht jedoch nicht berücksichtigt, dass der Betroffene - soweit ersichtlich - zumindest
seit dem Herbst 2000 (also immerhin schon etwa 3 Jahre lang) nicht mehr in dieser Wohnung gewohnt hat (Bl. 45 d.A.) und dass
er nach eigenen Angaben auch nicht mehr darin leben will (Bl. 54 d.A.). Der Betroffene hat mehrfach erklärt, er wolle diese
Wohnung vermieten oder verkaufen (Bl. 54, 57, 121, 153 d.A.). Er hat die Wohnung in der Vergangenheit auch bereits vermietet
(Bl. 74 d.A.). Bei dieser Sachlage liegen zumindest zurzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Betroffene seine
Eigentumswohnung jemals wieder selbst bewohnen will oder wird.
Nach dem bisherigen Akteninhalt lässt sich auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass es dem Betroffenen
unzumutbar wäre, seine Eigentumswohnung zu verkaufen (§§
1908 i Abs.
1,
1836 c Nr.
2 BGB, 88 Abs. 3 BSHG) und dass der Verkauf nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen könnte. Der Betroffene hat in der Vergangenheit selbst
mehrfach seine Verkaufsabsicht geäußert. Wenn er diese Absicht nach wie vor hätte, wäre es ihm grundsätzlich zumutbar, den
geplanten Verkauf sofort durchzuführen, um die Vergütungsansprüche der Beteiligten zu 1. erfüllen zu können. Etwas anderes
hätte allenfalls dann zu gelten, wenn die Eigentumswohnung so hoch belastet wäre, dass mit einem nennenswerten Verkaufserlös
für den Betroffenen nicht zu rechnen wäre. Auch das bedarf indessen der weiteren Aufklärung.
Wenn der Betroffene seine Verkaufspläne dagegen aufgegeben hätte, könnte es ihm im Hinblick auf die relativ geringen Vergütungsansprüche
der Beteiligten unter Umständen unzumutbar sein, die Eigentumswohnung zu verkaufen, weil dann eventuell als milderes Mittel
eine Vermietung der Wohnung in Betracht käme (§§
1908 i Abs.
1,
1836 c Nr.
2 BGB, 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG). Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Mieteinnahmen zusammen mit den weiteren Einkünften des Betroffenen ein einzusetzendes
Einkommen (§§
1908 i Abs.
1,
1836 c Nr.
1 BGB) ergeben. Das bedarf ebenfalls der weiteren Aufklärung. Wenn der Betroffene die Vergütungen der Beteiligten zu 1. danach
nur in Raten aufbringen kann, wäre eine Mittellosigkeit nach den §§
1908 i Abs.
1,
1836 d Nr.
1 BGB zu bejahen.
Wenn der Betroffene dagegen nicht über einzusetzendes Einkommen verfügen sollte und er auch nicht zu einer freiwilligen Veräußerung
seiner Eigentumswohnung bereit wäre, müsste die Beteiligte ihre Vergütungsansprüche notfalls im Wege der zwangsweisen Verwertung
der Eigentumswohnung realisieren. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, dass dies der Beteiligten zu 1. im
Hinblick auf den damit verbundenen Zeit- und Arbeitsaufwand und die Höhe ihrer Vergütungsansprüche in jedem Falle unzumutbar
wäre. Nach der gesetzlichen Risikoverteilung haben die Berufsbetreuer ihre Vergütungsansprüche gegen vermögende Betroffene
vielmehr grundsätzlich auf eigene Rechung durchzusetzen. Etwas anderes kann allenfalls ausnahmsweise dann gelten, wenn sich
ihre Ansprüche nicht in angemessener Zeit realisieren lassen (BayObLG FamRZ 2002, 416, 417). Ausreichende Anhaltspunkte dafür sind im vorliegenden Fall jedoch bislang nicht ersichtlich. Sie ergeben sich nach
der gesetzlichen Wertung (§§
1836 c Nr. 2
BGB, 88 BSHG) insbesondere nicht schon allein aus dem Umstand, dass die Beteiligte zu 1. ihre Vergütungsansprüche möglicherweise nur im
Wege der zwangsweisen Verwertung der Eigentumswohnung des Betroffenen durchsetzen kann.
Die nach den vorstehenden Ausführungen noch erforderlichen Ermittlungen kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht
selbst vornehmen. Deshalb war die Sache zur weiteren Aufklärung zurückzuverweisen. Da beide Vorinstanzen keine ausreichenden
Feststellungen zur Frage der Mittellosigkeit getroffen haben, erscheint eine Zurückverweisung an das Amtsgericht als sachgerecht.
Wenn sich ergeben sollte, dass die Frage der Mittellosigkeit nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand geklärt werden kann,
bestünde gemäß § 56 g Abs. 2 Satz 2 FGG die Möglichkeit, auf weitere Ermittlungen zu verzichten, die Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse festzusetzen und von
einem Rückgriff gegen den Betroffenen abzusehen.