"Pflegesatzvereinbarung"; Rechtsnatur einer Pflegesatzvereinbarung
Tatbestand:
Der Kläger betrieb bis zum 3. Januar 1985 ein privates Pflegeheim in E., in dem suchtkranke Personen untergebracht und betreut
wurden.
Der Beklagte, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist ein überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Im Heim des Klägers
wurden regelmäßig Sozialhilfeempfänger aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten untergebracht und versorgt. Die Kostenabrechnung
erfolgte nach Pflegesätzen, die zwischen den Parteien auf der Basis von Selbstkostennachweisen des Klägers vereinbart worden
waren.
Mit Schreiben vom 30. April 1982 und 14. Mai 1982 kündigte der Beklagte die letzte Pflegesatzvereinbarung zum 30. Juni 1982
mit der Begründung, die wirklichen Personalkosten im Heim des Klägers seien niedriger als von diesem angegeben. Ab 1. Juli
1982 zahlte er statt des zuletzt vereinbarten Pflegesatzes von 71, 20 DM Heimkosten nur noch auf der Grundlage eines Pflegesatzes
von 49,85 DM.
Der Kläger hält die Kündigung der Pflegesatzvereinbarung für unwirksam. Mit der Klage in Höhe von 496.521,30 DM nebst Zinsen
hat er den Unterschiedsbetrag an Pflegekosten für die Zeit vom 1. Juli 1982 bis November 1984 eingeklagt, der sich bei Zugrundelegung
eines Pflegesatzes von 71, 20 DM statt des vom Beklagten anerkannten Satzes von 49,85 DM errechnet. Der Beklagte hat mit seiner
Widerklage vom Kläger die Rückzahlung zuviel gezahlter Kosten in Höhe von 158.129,82 DM nebst Zinsen verlangt.
Die Vorinstanzen haben die Kündigung des Pflegesatzes von 71, 20 DM durch den Beklagten für wirksam erachtet und die Heimkosten
aufgrund der vom Kläger während des Verfahrens vorgelegten Selbstkostennachweise neu berechnet. Das Landgericht hat der Klage
in Höhe von 263.581,60 DM nebst Zinsen und der Widerklage in Höhe von 8.776,34 DM nebst Zinsen stattgegeben. Dagegen haben
beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat dem Kläger 279.691,49 DM nebst Zinsen zugesprochen und ihn auf
die Widerklage des Beklagten lediglich zur Zahlung von 5.902,89 DM nebst Zinsen verurteilt.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Klagebegehren weiter und begehrt die vollständige Abweisung der Widerklage.
Hilfsweise beantragt er, den Rechtsstreit über die Klage an das Verwaltungsgericht Köln zu verweisen.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision. Hilfsweise beantragt er, den Rechtsstreit über die Widerklage an das
Verwaltungsgericht Köln zu verweisen.
Entscheidungsgründe:
.
Die Revision führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen, soweit über die Klage und die Widerklage noch nicht rechtskräftig
entschieden ist. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nicht gegeben. Zuständig für die Entscheidung sind die Verwaltungsgerichte.
Auf die im Revisionsrechtszug gestellten und auch dort noch zulässigen Hilfsanträge der Parteien (BGH, Urt. v. 3.5.1984 -
III ZR 174/82, FamRZ 1984, 781, 783; BGH, Urt. v. 8.3.1990 I ZR 6O/85 und I ZR 116/85) ist der Rechtsstreit gemäß §
17 Abs.
3
GVG a.F. an das Verwaltungsgericht Köln zu verweisen.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, Pflegesatzvereinbarungen nach § 93 Abs. 2
BSHG seien dem Privatrecht zuzuordnen. Vertragsgegenstand sei die vom Beklagten zugesagte Übernahme der Erfüllung von Verbindlichkeiten,
die Sozialhilfeempfänger durch privatrechtliche Heimverträge im Sinne des §
4
HeimG mit dem Kläger begründet hätten; die Übernahme einer Schuld aus einem vom Sozialhilfeempfänger mit dem Heimträger geschlossenen
bürgerlich-rechtlichen Beherbergungs- und Pflegevertrag sei ein privatrechtliches Rechtsgeschäft. Zwar diene die Pflegesatzvereinbarung
auch der Erfüllung der dem Beklagten obliegenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, den Sozialhilfeberechtigten die ihnen
gesetzlich zustehende Heimunterbringung zu verschaffen. Aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Verpflichtung folge
aber nicht, daß auch die vom Beklagten zu ihrer Erfüllung eingegangenen Rechtsverhältnisse ebenfalls öffentlich-rechtlicher
Natur seien. Die von den Trägern der Sozialhilfe zur Erfüllung der Sozialhilfeverpflichtung abgeschlossenen Beschaffungsverträge
seien vielmehr von dem öffentlich-rechtlichen Sozialhilfeverhältnis zu trennen. Der öffentlichrechtliche Charakter der Beziehung
zwischen Sozialhilfeträger und Leistungsempfänger führe trotz der Doppelfunktion, die der Pflegesatzvereinbarung für das Verhältnis
zwischen Sozialhilfeträger und Leistungsempfänger einerseits sowie zwischen Sozialhilfeträger und Heimträger andererseits
zukomme, nicht dazu, auch die zuletzt genannte Beziehung dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die Zuweisung zum öffentlichen
Recht rechtfertige sich auch nicht aus der Tatsache, daß die Pflegesatzvereinbarung von öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
überlagert werde und der Träger hoheitlicher Gewalt in seiner Entschließungsfreiheit durch öffentlichrechtliche Vorschriften
beschränkt sei. Die Überlagerung durch öffentliches Recht erschöpfe sich in der Anwendung haushaltsrechtlicher Grundsätze,
nämlich dem Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel. An diese Grundsätze sei die öffentliche
Hand bei Beschaffungsgeschäften stets gebunden; aus § 93 Abs. 2
BSHG ergäben sich in dieser Hinsicht keine Besonderheiten.
II. Dieser Beurteilung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Kostenübernahmevereinbarungen nach § 93 Abs. 2
BSHG sind öffentlich-rechtliche Verträge.
1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlichrechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung
des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. GmS-OGB BGHZ
97, 312, 313, 314 - Orthopädische Hilfsmittel m.w.N.; GmS-OGB BGHZ 102, 28O, 283 - Rollstühle; GmS-OGB BGHZ 108, 284, 286, 287; BGH, Urt. v. 12.3.1991 - KZR 26/89, BGH WuW/E 2707 - Einzelkostenerstattung). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander
in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger der hoheitlichen Gewalt der besonderen,
ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient, oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen
Regelungen unterstellt. Aus einem Gleichordnungsverhältnis kann allerdings noch nicht ohne weiteres auf eine bürgerlich-rechtliche
Streitigkeit geschlossen werden, weil auch dem öffentlichen Recht eine gleichgeordnete Beziehung zwischen Berechtigtem und
Verpflichtetem nicht fremd ist. So liegt es im Wesen auch des öffentlich-rechtlichen - Vertrages, daß sich die Vertragsparteien
grundsätzlich gleichberechtigt gegenüberstehen. Für die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag
kommt es daher auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand
dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (vgl. GmS-OGB BGHZ 97, 312, 314 - Orthopädische Hilfsmittel m.w.N.). Über diese Zuordnung des Vertragsgegenstandes entscheidet, ob die Vertragsabmachungen
mit ihrem Schwerpunkt öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende
Gepräge gibt (GSZ BGHZ 67, 81, 88 Auto-Analyzer; BVerwGE 42, 331, 333; BGH, Urt. v. 9.12.1982 - III ZR 56/81, MDR 1983, 827; BGH, Urt. v. 3.5.1984 - III ZR 174/82, FamRZ 1984, 781 ff. = LM Nr. 162 zu §
13
GVG, BGH, Urt. v. 25.6.1991 - KZR 19/90 - Urteilsumdruck S. 7).
2. Die im Streitfall zu entscheidende Frage, ob sogenannte Pflegesatzvereinbarungen dem öffentlichen oder dem privaten Recht
zuzuordnen sind, ist in Rechtsprechung und Schrifttum auch nach der gesetzlichen Neufassung des § 93 Abs. 2
BSHG durch Artikel 26 des Haushaltbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1532, 1563) umstritten. Sie werden überwiegend als öffentlich-rechtliche
Verträge angesehen (KG, Urt. v. 24.4.1985 - Kart. U 15/85, OLG WuW/E 3646, 3648 - Pflegeheim; OVG Bremen, Urt. v. 23.10.1984 1 BA 16/84, FEVS 34, 272, 274 = ZfSH/SGB 1985, 511; OVG Lüneburg, Urt. v. 28.2.1985 - 4 B 143/83, FEVS 35, 473, 474; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.10.1984 - 4 B 63/84, FEVS 34, 64 ff.; OVG Lüneburg, Urt. v. 5.10.1987 - 9 A 9/87, NJW 1988, 1341; OVG Hamburg, Urt. v. 12.9.1980 - Bf I 9/79, ZfF 1982, 59 ff. = FEVS 31, 404, 407; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 12.6.1991 - Az. 4 OVG A 25/86; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.11.1988 - 6 S 2157/88, VerwRdsch. 1990, 32; vgl. auch BGH, Urt. v. 3.5.1984 - III ZR 174/82, LM Nr. 162 zu §
13
GVG = FamRZ 1984, 781 ff. = MDR 1985, 125 [zu § 84 JWG]; BVerwGE 37, 133 ff. zu § 121
BSHG; Ehlers, NJW 1990, 80O, 804; Gitter/Schmitt,
HeimG § 4 Rdn. V 2 a; Gottschick/Giese, BSHG 9. Aufl. § 93 Rdn. 8.1; Knopp/Fichtner, BSHG 6. Aufl. § 93 Rdn. 8.3 a.E.; Lenz, ZfSH/SGB 1986, 162 ff., 203, 208; Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG § 93 Rdn. 19; Schmitt, ZfSH/SGB 1985, 157, 164; Schulte/Trenk/Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 2. Aufl., § 93 Rdn. 5; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, 1990 S. 439 ff.).
Teilweise werden Pflegesatzvereinbarungen als bürgerlich-rechtliche Verträge dem Zivilrecht zugeordnet
(VG Berlin, Beschl. v. 5.1.1990 - Az. 14 A 454.89; VG Arnsberg, Urt. v. 2.10.1987 - Az. 5 K 1652/86; LG Köln, Urt. v. 9.2.1988 - Az. 31 O (Kart) 335/83; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG 13. Aufl. § 93 Rdn. 15 (zweifelnd); v. Trott zu Solz, Die Kostenübernahme- und Pflegesatzvereinbarung in Heimen, 1989 S. 10 ff.; derselbe
in NDV 1984, 243, 250; Hübner, Das Rechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Einrichtungsträger nach dem Bundessozialhilfegesetz, 1986 S. 23 ff.).
3. Pflegesatzvereinbarungen im Sinne von § 93 Abs. 2
BSHG sind öffentlich-rechtliche Verträge. Demgemäß ist auch das Rückabwicklungsverhältnis (Widerklage) dem öffentlichen Recht
zugeordnet.
a) Der Träger der Sozialhilfe schließt die Vereinbarung mit einem Heimträger in Erfüllung einer Pflicht, die ihm gegenüber
dem Sozialhilfeberechtigten obliegt; diese Pflicht ist öffentlich-rechtlicher Natur. Sie folgt aus öffentlichrechtlichen Vorschriften,
nämlich den §§ 11, 4 und 3
BSHG. Wird dem Hilfebedürftigen Hilfe durch Heimunterbringung in der Einrichtung eines Dritten gewährt, dann schuldet der Träger
der Sozialhilfe dem Sozialhilfeberechtigten die Erstattung der für eine angemessene Unterbringung notwendigen Kosten, soweit
der Sozialhilfeempfänger sie nicht selbst aufbringen kann (vgl. Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht,
S. 439 Ziff. 3 a) oder andere, insbesondere Angehörige, für sie eintreten (§ 2
BSHG). Die Entscheidung des Sozialhilfeträgers, dem Hilfebedürftigen Sozialhilfe zu gewähren, geschieht durch Verwaltungsakt im
Sinn des § 31
SGB X (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp aaO. § 4 Rdn. 18; Knopp/Fichtner aaO. § 4 Rdn. 10 a; Gottschick/Giese aaO. § 4 Rdn. 6.3), in dem sowohl über den Umfang der Hilfsbedürftigkeit unter Berücksichtigung
der Eigenmittel des Hilfeempfängers (§§ 2, 11
BSHG) als auch über die Art der zu gewährenden Hilfe entschieden wird.
b) Das allein würde aber noch nicht dazu führen, auch die Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Heimträger
(und damit die Pflegesatzvereinbarung zwischen diesen) dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Denn ein Hoheitsträger, der gegenüber
einer Person zur Gewährung bestimmter Leistungen öffentlich-rechtlich verpflichtet ist, kann sich den Gegenstand der Leistung
durch einen mit einem Dritten geschlossenen sogenannten Beschaffungsvertrag verschaffen, um ihn jener Person zur Verfügung
zu stellen, oder er kann durch einen solchen Beschaffungsvertrag sicherstellen, daß der Dritte die Leistung direkt an jene
Person erbringt. Auf diese Weise erfüllt der Hoheitsträger, wie zu a) bereits gesagt, die ihm gegenüber jener Person obliegende
öffentlich-rechtliche Pflicht zur Leistungsgewährung. Von diesem öffentlich-rechtlichen Verhältnis ist das Verhältnis zwischen
den Parteien des Beschaffungsvertrages zu unterscheiden. Dieses Rechtsverhältnis und damit die Beschaffungsverträge können
bürgerlich-rechtlicher Natur sein. So sind im Bereich der Sozialversicherung Beschaffungsverträge zwischen den gesetzlichen
Krankenkassen und den Leistungserbringern von Heil- und Hilfsmitteln (§§
125,
127
SGB V), Beschaffungsverträge zur Versorgung von sozialversicherten Patienten mit häuslicher Pflegehilfe, häuslicher Pflege und
Haushaltshilfe (§
132 Abs.
1 Satz 2
SGB V) und Verträge über die Versorgung mit Krankentransportleistungen (§
133 Abs.
1 Satz 1
SGB V) bürgerlich-rechtliche Verträge
(GmS-OGB BGHZ 97, 312 ff. - Orthopädische Hilfsmittel; BGHZ 36, 91 ff. - Gummistrümpfe; BGH, Urt. v. 8.5.1990 - KZR 21/89, BGH WuW/E 2665 ff. - physikalisch-therapeutische Behandlung; BGH, Urt. v. 12.3.1991 - KZR 26/89, BGH WuW/E 2707 - Einzelkostenerstattung; BGH, Urt. v. 25.6.1991 KZR 19/90; vgl. auch GmS-OGB BGHZ 102, 280 ff. - Rollstühle; GSZ BGHZ 67, 81 ff. - Auto-Analyzer; GSZ BGHZ 66, 230 ff. - Studentenversicherung; BGHZ 82, 375 ff. - Brillen-Selbstabgabestellen).
Eine Einordnung des hier zur Beurteilung stehenden Rechtsverhältnisses unter die privatrechtlichen Beschaffungsverträge würde
aber dem Wesen der Rechtsbeziehungen zwischen Sozialhilfeträger und Heimträger nicht gerecht. Denn es geht hier nicht um den
Zugriff des Trägers der Sozialhilfe auf einem durch Angebot und Nachfrage regulierten freien Markt, auf dem er sich die zur
Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung benötigte Leistung durch einen privatrechtlichen Vertrag beschafft.
Abgesehen davon, daß im Bereich von Sozialhilfeeinrichtungen kein durch Angebot und Nachfrage regulierter Markt besteht, so
daß die Wettbewerbsmechanismen eines freien Markts hier versagen (vgl. Wannagat, ZfSH/SGB 1985, 337, 338), waren und sind die Rechtsbeziehungen zwischen den öffentlich-rechtlichen Trägern der Sozialhilfe und den privaten
Trägern von Sozialhilfeeinrichtungen stets auf eine Zusammenarbeit bei der Bewältigung der gemeinsamen Aufgabe angelegt, Hilfsbedürftige
unterzubringen und zu versorgen (vgl. Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, S. 428 m.N.). Das beruht darauf,
daß die Sozialhilfe zwar eine Aufgabe des Staates ist, daß der Staat aber diese Hilfe weder organisatorisch noch finanziell
in ausreichendem Maß allein leisten kann. Es bedarf dazu vielmehr der gemeinsamen Bemühung und Zusammenarbeit zwischen dem
Staat und den freien Trägern von Sozialhilfeeinrichtungen. Dieses hergebrachte und bewährte Zusammenwirken soll durch die
Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes gefördert und gefestigt werden (vgl. BVerfGE 22, 180, 200 ff.).
Das tritt besonders deutlich hervor, wenn der Heimträger ein Verband der freien Wohlfahrtspflege (§ 10 Abs. 2
BSHG) ist. § 10 Abs. 3
BSHG verpflichtet die Sozialhilfeträger, die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe
angemessen zu unterstützen und mit diesen Verbänden zum Wohle des Hilfesuchenden zusammenzuarbeiten, wobei sie deren Selbständigkeit
in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben zu achten haben (§
17 Abs.
3 Satz 1 und
2, §
28 Abs.
2 Satz 2
SGB I, § 10 Abs. 2
BSHG). Wird die Hilfe im Einzelfall durch die freie Wohlfahrtspflege gewährleistet, sollen die Träger der Sozialhilfe von der
Durchführung eigener Maßnahmen absehen (§ 10 Abs. 4
BSHG). Sind geeignete Einrichtungen der Träger der freien Wohlfahrtspflege vorhanden oder können solche Einrichtungen ausgebaut
oder geschaffen werden, so sollen die Träger der Sozialhilfe eigene Einrichtungen nicht neu errichten (§ 93 Abs. 1
BSHG). Endlich ist den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege beim Abschluß von Vereinbarungen über die Höhe der vom Träger der
Sozialhilfe zu übernehmenden Kosten (§ 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG) ein gesetzlicher Vorrang gegenüber anderen Heimträgern eingeräumt: sind sowohl Einrichtungen von Trägern der freien Wohlfahrtspflege
als auch Einrichtungen anderer Träger vorhanden, die zur Gewährung von Sozialhilfe in gleichem Maße geeignet sind, soll der
Träger der Sozialhilfe Kostenübernahmevereinbarungen nach § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG vorrangig mit Einrichtungsträgern der freien Wohlfahrtsverbände abschließen (§ 93 Abs. 2 Satz 3 BSHG).
Diese gesetzlichen Regelungen zeigen, daß es beim Abschluß von Pflegesatzvereinbarungen nicht um die "Beschaffung von Heimplätzen"
durch den Hoheitsträger auf einem "Markt für Sozialhilfeeinrichtungen", sondern um ein Zusammenwirken der öffentlichen Hand
und der Verbände der freien Wohlfahrtspflege bei der sozialen Hilfstätigkeit geht. Das schließt den Gesichtspunkt ein, daß
der Staat die Verbände der freien Wohlfahrtspflege bei der von ihnen selbständig und in eigener Verantwortung im Zusammenwirken
mit dem Staat geleisteten Tätigkeit angemessen unterstützt. Dabei gehen die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes im
Grundsatz davon aus, daß der Staat sich auf die Gewährung von Geldleistungen beschränken und eigene Sozialhilfeeinrichtungen
nur betreiben soll, soweit diese Aufgabe nicht von den in § 10 Abs. 2
BSHG genannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege bewältigt werden kann (§ 10 Abs. 4
BSHG). Auch mit dem Abschluß von Pflegesatzvereinbarungen erfüllt der Träger der Sozialhilfe die ihm in § 10 Abs. 3 Satz 2 BSHG auferlegte Pflicht zur angemessenen Unterstützung der Verbände der freien Wohlfahrtspflege in ihrer eigenverantwortlichen
Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe (OVG Hamburg, Urt. v. 12.9.1980 - Bf I 9/79, FEVS 31, 404, 411 ff.).
Aus alledem folgt, daß Pflegesatzvereinbarungen zwischen Sozialhilfeträgern und Verbänden der freien Wohlfahrtspflege über
die Höhe der zu übernehmenden Kosten der Heimunterbringung öffentlich-rechtliche Verträge sind. Im gleichen Sinn hat der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofes Kostenerstattungsvereinbarungen zwischen Trägern der freien Jugendhilfe und öffentlichen
Kostenträgern nach § 84 JWG beurteilt (BGH, Urt. v.03.05.1984 - III ZR 174/82, FamRZ 1984, 781 ff.), wobei er auf die Parallele zum Bundessozialhilfegesetz hingewiesen hat.
Es ist nicht gerechtfertigt, bei der Beurteilung der rechtlichen Natur von Pflegesatzvereinbarungen danach zu unterscheiden,
ob sie mit Verbänden der freien Wohlfahrtspflege im Sinne von § 10 Abs. 2
BSHG oder mit anderen Trägern abgeschlossen werden. Auch die zuletzt genannten Vereinbarungen sind in die öffentlich-rechtliche
Prägung miteingeschlossen.
4. Da der ordentliche Rechtsweg nicht gegeben ist, ist der Rechtsstreit über die Klage und die Widerklage, soweit noch keine
Rechtskraft eingetreten ist, an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Köln zu verweisen. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit im Sinne des §
40 Abs.
1 Satz 1
VwGO. Eine Zuweisung an einen anderen Rechtsweg ist nicht gegeben; insbesondere liegt keine Angelegenheit nach §
51
SGG vor.
5. Über die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz wird das Verwaltungsgericht zu befinden haben, über die bereits feststehenden
Kosten der Berufung und der Revision konnte der Senat entscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.1984 III ZR 174/82, FamRZ 1984, 781, 784; BGHZ 22, 65, 71; BGHZ 12, 52, 70 ff.; BGHZ 11, 44, 57 ff.; BGH, Urt. v. 8.3.1990 I ZR 116/85 und I ZR 6O/85). Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 6/7 und dem Beklagten zu 1/7 auferlegt; die Kosten
des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Kostenentscheidung beruht auf §
92 Abs.
1 und §
97 Abs.
1
ZPO.