Sozialhilferecht: Überleitung des Anspruchs des Schenkers auf Rückgewähr einer [Grundstücks-] Schenkung
Tatbestand:
Der Kläger erhielt von seiner Tante, Frau J., durch notariellen Vertrag von ... 1985 das ihr gehörende, von ihr und ihrem
Ehemann, Herrn J., bewohnte Einfamilienhaus ohne Belastungen und gegen Einräumung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs
zugunsten beider Eheleute.
Herr J. wurde wegen seiner schweren Pflegebedürftigkeit 1986 in ein Altenheim aufgenommen und verblieb dort bis zu seinem
Tode im Jahre 1987. Der Beklagte übernahm die Heimpflegekosten und leitete einen Schenkungsrückforderungsanspruch der Frau
J. gegen den Kläger aus den §§ 528 und 529 wegen der im Jahre 1985 erfolgten Übertragung des Hausgrundstückes auf sich über.
Widerspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger das Eigentum an dem
Hausgrundstück durch notariellen Vertrag wieder auf seine Tante übertragen. Auf die Klage des Beklagten hat das Landgericht
den Kläger zur Zahlung der Heimkosten verurteilt. Über die hierüber vom Kläger eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden.
Die Berufung des Klägers im Überleitungs-Rechtsstreit hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Die Überleitungsanzeige ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 90 Abs. 1 BSHG.
Hat ein Hilfeempfänger oder haben Personen nach § 28 BSHG für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne von §
12 BGB I ist, kann der Träger der Sozialhilfe gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, daß dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Obwohl der Beklagte nicht der Tante des Klägers, sondern nur ihrem Ehemann Hilfe zur Pflege bewilligt hat, durfte er einen
Anspruch der Tante gegenüber ihrem Neffen überleiten. § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der hier maßgeblichen, seit dem 1.1.1982 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur
vom 22.12.1981, BGBl I S. 1523, S. 1535, sieht ausdrücklich vor, daß nicht nur ein Anspruch des Hilfesuchenden selbst, sondern auch ein Anspruch von Personen nach
§ 28 BSHG übergeleitet werden kann. Zu diesen Personen zählt im Verhältnis zur Anspruchsberechtigten, der Tante des Klägers, dessen
nicht getrennt lebender Ehegatte. Die Eheleute lebten während des Aufenthaltes des Herrn J. in dem Altenheim in ehelicher
Lebensgemeinschaft.
Es ist zwar denkbar, daß infolge einer schweren Krankheit eines Ehegatten, die zu dessen Unterbringung in einem Pflegeheim
führt, die eheliche Lebensgemeinschaft beendet wird. Dies hängt jedoch jeweils von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles
ab. Die Tatsache der Unterbringung in einem Heim allein reicht für die Bejahung eines Getrenntlebens im Sinne des § 28 BSHG nicht aus, selbst wenn die Unterbringung nicht nur vorübergehend ist, sondern sich über Jahre erstreckt. Für die Annahme
eines Getrenntlebens mit der Folge, daß dann für den hilfebedürftigen Ehegatten das Einkommen und vermögen des anderen Ehegatten
nicht mehr einzusetzen ist, müssen vielmehr weitere tatsächliche Umstände hinzutreten.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 30.8.1982 -- 8 A 710/81 --, ZfSG/SGB 1983, 519;
Urteil vom 21.2.1984 -- 8 A 1536/83 --.
Eine dahingehende Veränderung der ehelichen Beziehungen war hier vor und während der Zeit der Heimunterbringung des Herrn
J. nicht eingetreten. Die eheliche Lebensgemeinschaft war zwar wegen der Schwere der Krankheit des Ehemannes, die seinen ständigen
Aufenthalt im Altenheim erforderte, notgedrungen weitgehenden Beschränkungen unterworfen. Auch dies reicht jedoch nach dem
allgemeinen Verständnis der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu der Annahme aus, daß sie demnach beendet worden sei. Umstände,
aus denen sich herleiten ließe, daß die eheliche Lebensgemeinschaft in dem auch bei einer solchen Sachlage noch möglichen
Rahmen nicht mehr fortgeführt, sondern seitens der Tante des Klägers aufgehoben worden war, sind jedoch nicht ersichtlich
und auch von den Beteiligten nicht vorgetragen worden.
Die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige hängt auch nicht vom Bestehen des übergeleiteten Anspruches ab. Es ist grundsätzlich
nicht Sache der Verwaltungsgerichte, Bestehen und Höhe dieses Anspruches nachzuprüfen. Zwar mag es zur Fehlerhaftigkeit einer
Überleitungsanzeige führen, wenn der übergeleitete Anspruch in Form einer "Negativ-Evidenz" offensichtlich nicht besteht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.5.1990 -- 5 C 63.88 --, BVerwGE 85, 136, 138, 139 = FEVS 39, 441, 443; OVG NW, Urteil vom 12.12.1985 -- 8 A 286/84 --, FEVS 37, 158, 159; Urteil vom 22.6.1989 -- 8 A 329/87 --, FEVS 39, 29, 35.
Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es ist vielmehr möglich, daß die Tante des Klägers diesem gegenüber einen
Schenkungsrückforderungsanspruch aus §
528 BGB hat. Dieser Anspruch ist auf Geld gerichtet, wenn Gegenstand der Schenkung ein Grundstück ist, dessen Wert den Unterhaltsbedarf
des Schenkers übersteigt.
Vgl. BGH, Urteil vom 29.3.1985 -- 5 ZR 107/84 --, BGHZ 94, 141 = NJW 1985, 2419, vgl. Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluß vom 18. Juli 1985 - 4 B 52/84 - FEVS 36, 16.
So liegt der Fall hier. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Verpflichtung des Klägers gegenüber seiner Tante zur
Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des jeweiligen Unterhaltsbedarfs für die Zeit der Heimunterbringung des Herrn J. tatsächlich
bestanden hat, ist im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht zu entscheiden. Diese Entscheidung muß vielmehr
im zivilgerichtlichen Verfahren getroffen werden. Dort ist auch zu prüfen, wie es sich rechtlich auf den Bestand des übergeleiteten
Schenkungsrückforderungsanspruchs auswirkt, daß der Kläger seiner Tante das Eigentum an dem Grundstück zurückübertragen hat.
Unbeschadet des Umstandes, daß die Rückübereignung erst während des Berufungsverfahrens mithin nach dem für die Beurteilung
der Sach- und Rechtslage im Rahmen einer Anfechtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides erfolgt
ist und schon aus diesem Grunde unbeachtlich sein könnte, ist jedenfalls der Schenkungsrückforderungsanspruch aus §
528 BGB nicht schon deshalb offensichtlich unbegründet, weil die Tante des Klägers wieder Eigentümerin des Grundstückes geworden
ist. Welche Auswirkungen die Rückübertragung des Eigentums auf Entstehung und Fortbestand des übergeleiteten Anspruchs für
die Zeit der Hilfegewährung an Herrn J. hatte, muß vielmehr der Prüfung im zivilgerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben.
Das weitere Vorbringen des Klägers, daß seine Tante im Rahmen der Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Ehemann die Kosten seiner
Heimunterbringung nicht habe aufbringen können, weil das Grundstück als kleines Hausgrundstück zu ihrem Schonvermögen im Sinne
des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG gehört und sie über weiteres einsetzbares Einkommen und Vermögen nicht verfügt habe, geht schon deshalb fehl, weil die Tante
des Klägers im Zeitpunkt der Unterbringung ihres Ehemannes und bis zu dessen Tode -- für diese Zeit wird ein Anspruch übergeleitet
-- gerade nicht Eigentümerin des Grundstückes war. Sie war zu dieser Zeit Gläubigerin des Schenkungsrückforderungsanspruchs
nach §
528 BGB. Dieser Anspruch lautete auch nicht etwa auf Rückübereignung des Grundbesitzes mit der etwaigen Folge, daß das Grundstück
-- unterstellt, es hätte tatsächlich den Anforderungen des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG entsprochen -- in den Händen der Tante des Klägers wieder ein "kleines Hausgrundstück" gewesen wäre. Vielmehr ging der Anspruch
nur auf monatliche Zahlung von Geld in Höhe der der Tante des Klägers für die Unterbringung ihres Ehemannes monatlich entstehenden
Kosten.
Vgl. BGH, Urteil vom 29.3.1985 -- 5 ZR 107/84 --, aaO; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.4.1982 -- 8 A 25/80 --; OVG Lüneburg, Urteil vom 11.2.1987 -- 4 A 114/86 --, FEVS 38, 410, 411; Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.12.1988 -- 142.9 -- G --
134/88 --, NDV 1989, 69.
Aus diesen Gründen verstößt die Überleitungsanzeige des Beklagten auch nicht gegen § 90 Abs. 1 Satz 3 BSHG. Denn nach dieser Vorschrift darf der Übergang des Anspruches u.a. nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung
des anderen die Hilfe nicht gewährt worden wäre. Die Leistung des Klägers hätte, wie dargelegt, nicht in der Rückübereignung
eines Grundstücks, das in den Händen der Ehefrau des Hilfebedürftigen wieder nicht zu berücksichtigendes Schonvermögen gewesen
wäre, sondern in monatlichen Geldleistungen bestanden, die als Einkommen hätten eingesetzt werden müssen.
Auf den vom Kläger gerügten Verstoß gegen § 91 BSHG kommt es nicht an. Diese Vorschrift enthält eine Sonderregelung für den Fall der Überleitung eines bürgerlich-rechtlichen
Unterhaltsanspruches.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 19.12.1986 -- 5 B 72.86 --, ZfSH/SGB 1987, 260, 261; Urteil vom 21.9.1989 -- 5 C 15.86 --, aaO; OVG Lüneburg, Urteil vom 11.2.1987 -- 4 A 114/86 --, aaO.
Im vorliegenden Fall soll ein Schenkungsrückforderungsanspruch aus §
528 BGB übergeleitet werden. Dieser Anspruch hat auch dann seinen Grund nicht in einer Unterhaltsverpflichtung, wenn der Beschenkte
zum Kreis der nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen gehört.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 16.6.1987 -- 5 B 38.87 --, Buchholz 436.0, § 91 BSHG Nr. 13; OVG Lüneburg, Urteil vom 11.2.1987 -- 4 A 114/86 --, aaO.
Da somit im vorliegenden Fall § 91 BSHG keine Anwendung findet, steht der angefochtenen Überleitungsanzeige nicht entgegen, daß der Kläger mit seiner Tante nur im
zweiten Grade verwandt war. Auch waren zugunsten des Klägers weder die Vorschriften über den Einsatz des Einkommens und Vermögens
nach dem Vierten Abschnitt des BSHG (§ 91 Abs. 1 Satz 2 iVm § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG) noch das Vorliegen einer Härte (§ 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BSHG) zu prüfen.