Rüge unzureichender Sachaufklärung
Übergehen eines Beweisantrages
Rechtskundig vertretener Beteiligter
Gründe:
I
Der Kläger macht einen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - geltend. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17.5.2010; Urteil des Landessozialgerichts
[LSG] Berlin-Brandenburg vom 17.7.2014).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich
die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin K . Das LSG habe verfahrensfehlerhaft gehandelt,
weil es dem von ihm zuletzt mit Schriftsatz vom 11.7.2014 gestellten Antrag, ein weiteres gerichtliches Sachverständigengutachten
einzuholen, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Es habe dagegen die Auffassung vertreten, die medizinischen Fragestellungen
seien durch das Gutachten des Sachverständigen M vom 31.5.2012 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 24.9.2012 ausreichend
geklärt. Den in diesem Zusammenhang gestellten Antrag, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, habe
das LSG zurückgewiesen (Beschluss vom 2.8.2012), und das Urteil auf ein Gutachten gestützt, das ihn diffamiere sowie unsachlich
in seinen Rechten verletze. Das LSG habe ihm ferner ein rechtsstaatliches Verfahren verwehrt und seinen Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden
sei. Die Anwesenheit des Sachverständigen sei aber als zwingend notwendig anzusehen gewesen, weil den Beteiligten die Möglichkeit
hätte eingeräumt werden müssen, den Sachverständigen zu dem Gutachten unmittelbar und gezielt zu befragen, dies insbesondere
deshalb, weil sich das LSG bei der Entscheidungsfindung die Ausführungen des Sachverständigen zu eigen gemacht habe. Auf diesem
Verfahrensfehler beruhe das Urteil mithin. Der Rechtssache komme schließlich grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich die Frage
stelle, inwieweit ein gerichtliches Sachverständigengutachten die Menschenrechte aus Art 6 Abs 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu respektieren habe. Daran fehle es vorliegend; durch die Bezugnahme auf das ihn, den Kläger, diskriminierende Gutachten
im Urteil des LSG sei seine Menschenwürde in Ausformung des Persönlichkeitsrechts unzulässig verletzt worden.
II
Die Beschwerde ist unzulässig; denn der Kläger hat weder die geltend gemachten Verfahrensmängel (§
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) in der gebotenen Weise bezeichnet noch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter
gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 SGG entscheiden.
Die Beschwerde genügt den Begründungserfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht, soweit der Kläger die unzureichende Sachaufklärung durch das LSG (§
103 SGG) rügt. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zwar zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nach Halbsatz 2 der Regelung aber auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Im Hinblick auf §
160 Abs
2 Nr
3 2. Halbsatz
SGG muss die Beschwerdebegründung insoweit zunächst einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen
Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, bezeichnen, sodann die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Basis
bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände,
die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, darlegen und die voraussichtlichen Ergebnisse der unterbliebenen Beweiserhebung
angeben; schließlich wäre zu schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich unterlassenen Beweisaufnahme
beruhen könne, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt
aus zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen ist der Kläger nicht gerecht geworden.
Vorliegend hat der Kläger schon nicht vorgetragen, dass er den schriftsätzlich gestellten Antrag vom 11.7.2014, auf den er
sich in der Beschwerdebegründung bezieht, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 17.7.2014 ausdrücklich aufrechterhalten
hat. Das Übergehen eines Beweisantrags iS des §
160 Abs
2 Nr
3 2. Halbsatz
SGG liegt aber zumindest bei rechtskundig vertretenen Beteiligten nur dann vor, wenn der Beweisantrag in der abschließenden mündlichen
Verhandlung zu einem Zeitpunkt gestellt bzw wiederholt wurde, in dem feststand, dass das LSG von sich aus keine Ermittlungen
mehr durchführen würde. Wird ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt,
so gilt er bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten als erledigt (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 6 mwN). Wegen aller weiteren Punkte hätte es zudem des klägerseitigen Vortrags bedurft, welche Ansprüche im Einzelnen
er überhaupt verfolgt und über welchen Sachverhalt vorliegend zu entscheiden war. Erst dann wäre das Revisionsgericht in die
Lage versetzt zu prüfen, ob nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des
LSG erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestand.
Die Beschwerdebegründung lässt schon eine Darstellung des zur Entscheidung stehenden Sachverhalts vermissen; eine inhaltliche
Auseinandersetzung mit der Begründung des LSG fehlt. Der Kläger behauptet lediglich, das LSG hätte dem vorliegenden Sachverständigengutachten
nicht folgen dürfen. Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, Streitgegenstand und Sachverhalt selbst den Akten zu entnehmen.
Auch mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art
103 Grundgesetz; §
62 SGG) müssen nicht nur die genauen Umstände des geltend gemachten Verstoßes bezeichnet, also schlüssig dargelegt, werden. Da die
Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl §
202 SGG iVm §
547 Zivilprozessordnung [ZPO]), ist zudem der Vortrag erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen Rechtsansicht
- auf dem Gehörsverstoß beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36). Wie bereits dargelegt, fehlen indes jeglicher Vortrag zum Sach- und Streitstand sowie eine Auseinandersetzung mit der Begründung
des LSG, sodass auch den Darlegungserfordernissen insoweit nicht im Ansatz Genüge getan ist.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
- ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung
dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte
Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer deshalb eine konkrete
Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie
grundsätzlich auch deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.
Schon eine Frage hat der Kläger nicht ausreichend deutlich formuliert. Er macht lediglich geltend, dass die behaupteten, aus
seiner Sicht besonders schwerwiegenden Verletzungen von Verfahrensgrundrechten durch das LSG zur grundsätzlichen Bedeutung
der Sache führen würden. Welche Fragen rechtsgrundsätzlicher Art sich insoweit stellen sollten, wird aus seinem Vortrag nicht
deutlich. Die Frage, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat, eröffnet die Revision jedoch nicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 SGG, §
114 ZPO), ist dem Kläger auch keine PKH zu bewilligen; damit entfällt gleichzeitig die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§
121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 Abs
1 SGG.