Gründe:
1898 geborene Großmutter des Klägers lebte von Mai 1985 bis zu ihrem Tode 1988 in einem Alten- und Pflegeheim und erhielt
zunächst vom Beklagten und später vom Beigeladenen Hilfe zur Pflege durch Übernahme von Heimkosten. Bis zu ihrer Heimaufnahme
wohnte sie auf einem Hausgrundstück des Klägers. Dieses Grundstück hatten sie und ihr (1978 verstorbener) Ehemann dem Kläger
1975 mit notariellem Vertrag im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Der Kläger hatte seinen Großeltern in diesem
Vertrag ein "lebenslängliches unentgeltliches Altenteilsrecht", bestehend aus einem "Hege- und Pflegerecht in alten und kranken
Tagen" sowie einem Wohnungsrecht auf dem Grundstück, gewährt.
Der Beigeladene zeigte dem Kläger mit Bescheiden vom 13. November 1985 und vom 5. Februar 1986 an, daß er den nach dem Wechsel
in das Alten- und Pflegeheim an die Stelle der Altenteilsverpflichtung getretenen Anspruch der Großmutter gegen den Kläger
auf eine Geldrente namens des Beklagten auf diesen überleite. Die dagegen eingelegten Widersprüche des Klägers wies der Beklagte
für den Leistungszeitraum bis zum 31. Dezember 1985 mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1986 zurück, ohne Ermessenserwägungen
gegenüber dem Kläger anzustellen.
Der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht - u.a. wegen fehlender Ermessensausübung seitens des
Beklagten - stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das - - Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert
und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Die Überleitungsbescheide erfüllten die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1
BSHG. Gegenstand der Überleitung sei der vermeintliche Anspruch der Hilfeempfängerin (Großmutter) auf eine Geldrente nach § 16 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Nds. AGBGB. Für die auf den Leistungszeitraum bis zum 31. Dezember 1985 beschränkte Überleitung sei der Beklagte sachlich zuständig
gewesen. Der Beklagte habe dem Kläger gegenüber auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Bei der Überleitung von Ansprüchen,
die nicht Unterhaltsansprüche zivilrechtlicher Art oder ähnliche Ansprüche seien, habe der Sozialhilfeträger Ermessenserwägungen
nur im Verhältnis zum Hilfeempfänger, nicht aber gegenüber dem Drittschuldner anzustellen. § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG räume dem Drittschuldner kein Recht auf eine ermessensfehlerfreie Überleitungsentscheidung des Sozialhilfeträgers ein.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Er erhebt Verfahrensrügen und
rügt die Verletzung von § 90 und § 91
BSHG.
Der Beklagte und der Beigeladene verteidigen das Berufungsurteil.
II. Die Revision des Klägers führt zum Erfolg.
Unbegründet ist allerdings die mit der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe den Grundsatz der Gewährung rechtlichen
Gehörs und die Garantie des gesetzlichen Richters verletzt, indem es sein Urteil teilweise unter Bezugnahme auf eigene frühere
Urteile und teilweise in wörtlicher Wiedergabe einer eigenen früheren Entscheidung begründet habe. Diese Form der Urteilsbegründung
ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Das stellt auch die Revision nicht grundsätzlich in Frage. Die Rüge des Klägers
zielt vielmehr darauf, daß die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und zum Teil wörtlich wiedergegebenen Entscheidungen
zu einer mit seinem Fall nicht vergleichbaren, anderen Sach- und Rechtslage ergangen seien. Damit erhebt der Kläger aber keine
Verfahrensrüge, sondern den Vorwurf der fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts.
Die Revision ist begründet. Denn die Auffassung des Berufungsgerichts, die angefochtenen Überleitungsbescheide erfüllten alle
Anforderungen des § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG, verletzt Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1
VwGO). Die Bescheide des Beklagten genügen nicht dem in § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG enthaltenen Anspruch des Klägers auf fehlerfreie Ausübung des Überleitungsermessens. Das Berufungsgericht hätte daher die
Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen müssen.
Zu Recht ist die Vorinstanz von der Klagebefugnis (§
42 Abs.
2
VwGO) des Klägers ausgegangen. Denn die Überleitungsanzeige, die den Übergang eines Anspruchs auf den Sozialhilfeträger bewirken
soll, greift als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt in das zwischen dem Drittschuldner und dem Hilfeempfänger bestehende
Rechtsverhältnis ein (BVerwGE 90, 245 [246]). Die Überleitungsanzeige entfaltet daher Rechtswirkung gegenüber dem Hilfeempfänger und dem Drittschuldner. Nach §
42 Abs.
2
VwGO ist klagebefugt, wer - wie hier der Kläger unter Berufung auf die §§ 90, 91
BSHG - geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch die Klage für unbegründet gehalten. Die Anfechtungsklage eines Drittschuldners
ist erfolgreich, wenn die an ihn ergangene Überleitungsanzeige rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (§
113 Abs.
1 Satz 1 und §
114
VwGO). Maßstab für die Rechtmäßigkeit jeder Überleitung sind die Vorschriften in § 90 Abs. 1 Satz 1 und 3
BSHG. Sie enthalten nicht nur eine Überleitungsermächtigung, sondern setzen der Überleitung auch Grenzen. Auf die Beachtung dieser
Grenzen kann sich auch der Drittschuldner berufen, der Adressat einer Überleitungsanzeige ist. Denn mit der Überleitung wird
der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1
BSHG) gegenüber dem Hilfeempfänger und dem Drittschuldner durchgesetzt. In der Überleitungsanzeige konkretisiert der Sozialhilfeträger
die Person des Drittschuldners und den gegen ihn - gerichteten Anspruch, der übergeleitet werden soll. Den damit verbundenen
Eingriff des Sozialhilfeträgers in die Rechtsbeziehung zum Hilfeempfänger braucht der Drittschuldner nur hinzunehmen, wenn
die gesetzlichen Überleitungsvoraussetzungen in § 90 Abs. 1 Satz 1 und 3
BSHG erfüllt sind und das dem Sozialhilfeträger eröffnete Ermessen im Verhältnis zum Drittschuldner fehlerfrei ausgeübt worden
ist.
Soweit der Kläger mit der Revision geltend macht, die angefochtenen Bescheide des Beklagten seien schon deshalb rechtswidrig,
weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überleitung durch den Beklagten nicht erfüllt seien, greifen seine Einwände
allerdings nicht durch.
Die Rüge des Klägers, mit Wirkung ab 1. Januar 1986 sei der Beigeladene anstelle des Beklagten für die Überleitung von Altenteilsansprüchen
seiner hilfebedürftigen Großmutter sachlich zuständig geworden, betrifft die Auslegung und Anwendung von Landesrecht, auf
das die Revision nicht gestützt werden kann (§
137 Abs.
1
VwGO). Das Berufungsgericht hat die Zuständigkeitsvorschrift in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nds. AGBSHG in der Fassung von Art. I Nr. 2 des Änderungsgesetzes vom 3. Februar 1986 (GVBl. S. 17) sowie die Übergangsvorschrift in
Art. VI Abs. 2 dieses Änderungsgesetzes dahin ausgelegt und angewendet, daß der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe
über den 31. Dezember 1985 hinaus für die Überleitung des hier umstrittenen Altenteilsanspruchs sachlich zuständig geblieben
ist, soweit sie den Leistungszeitraum bis zum Ablauf des Jahres 1985 erfaßt. ln seinem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte
die Überleitung des Altenteilsanspruchs der Höhe nach auf die Sozialhilfeleistungen beschränkt, die er der Großmutter des
Klägers bis zum 31. Dezember 1985 erbracht hatte. Die Zuständigkeit des Beklagten zum Erlaß des Widerspruchsbescheides folgt
aus § 96 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BSHG. Denn der Beigeladene hat die angefochtenen Überleitungsbescheide nach §§ 2, 4 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Heranziehung örtlicher Träger der Sozialhilfe und kreisangehöriger Gemeinden durch den
überörtlichen Träger zur Durchführung von Aufgaben nach dem Bundessozialhilfegesetz vom 15. Dezember 1980 (GVBl. S. 493) als herangezogener örtlicher Träger der Sozialhilfe im Namen des Beklagten erlassen.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen das Bestehen des in den Überleitungsbescheiden
bezeichneten Altenteilsanspruches nicht von den Verwaltungsgerichten zu überprüfen sind. Eine Überleitung ist nämlich nicht
schon deshalb rechtswidrig, weil der übergeleitete Anspruch nicht besteht (BVerwGE 34, 219 [220 f.]). Nur wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich ausgeschlossen ist, könnte eine dennoch erlassene, erkennbar
sinnlose Überleitungsanzeige rechtswidrig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 - BVerwG 5 C 57.88 - [Buchholz 436.0 § 90
BSHG Nr. 19 S. 5]). Das gilt auch im Verhältnis zum (vermeintlichen) Drittschuldner, der sich gegen eine Überleitungsanzeige zur
Wehr setzt. Es reicht daher aus, daß die Großmutter des Klägers diesem gegenüber für die Zeit ihrer Heimunterbringung bis
zum 31. Dezember 1985 möglicherweise gemäß Art.
96
EGBGB in Verbindung mit §§ 16, 15 Abs. 2 Nr. 1 Nds. AGBGB (in der Fassung vom 4. März 1971, GVBl. S. 73) Anspruch auf eine Geldrente hatte. Ein Fall der sog. Negativevidenz liegt
nicht vor. Die vom Kläger erhobenen zivilrechtlichen Einwände betreffen die Auslegung und einzelfallbezogene Anwendung von
§ 16 Nds. AGBGB, die den zuständigen Zivilgerichten vorbehalten sind.
Die Überleitungsschranke des § 90 Abs. 1 Satz 3 BSHG, wonach der Übergang des Anspruchs u.a. nur insoweit bewirkt werden darf, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen Sozialhilfe
nicht gewährt worden wäre, ist gewahrt. Der Kläger macht zwar geltend, in seinem Fall fehle es an dieser kausalen Verknüpfung,
da er seine Verpflichtungen aus dem Altenteilsvertrag gegenüber seiner Großmutter gar nicht habe erfüllen können: Seine Großmutter
habe sich aus Altersstarrsinn beharrlich geweigert, die von ihm und seiner Familie stets angebotenen Altenteilsleistungen
anzunehmen. Dem liegt jedoch die unzutreffende Rechtsansicht zugrunde, Gegenstand der Überleitung seien das Wohnungsrecht
und der Anspruch auf Hege und Pflege aus dem Altenteilsvertrag. Die Überleitung betrifft aber nicht diesen Anspruch auf Naturalleistungen,
sondern den Anspruch auf eine Geldrente nach § 16 Nds. AGBGB. In dem Umfang, in dem der Kläger den (etwaigen) Rentenanspruch erfüllt hätte, wäre die Hilfebedürftigkeit seiner Großmutter
entfallen, d.h. sie hätte die Heimkosten aus der Geldrente zumindest teilweise decken können. Darin liegt die in § 90 Abs. 1 Satz 3 BSHG verlangte hypothetische Kausalität.
Entgegen der Auffassung der Revision steht den Überleitungsbescheiden des Beklagten die Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG nicht entgegen, derzufolge ein Sozialhilfeträger den Übergang eines Anspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen
nicht bewirken darf, wenn der Unterhaltspflichtige mit dem Hilfeempfänger im zweiten oder in einem entfernteren Grade verwandt
ist. § 91
BSHG enthält Sonderregelungen für den Fall der Überleitung eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs (BVerwG, Urteil vom
21. September 1989 - BVerwG 5 C 15.86 - [Buchholz 436.0 § 91
BSHG Nr. 14 S. 3]). Der vom Beklagten übergeleitete (etwaige) Anspruch auf eine Geldrente nach § 16 Nds. AGBGB ist kein Unterhaltsanspruch im Sinne dieser Vorschrift. Dabei kann offenbleiben, ob § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG nur die Fälle der nach bürgerlichem Recht kraft Gesetzes bestehenden Unterhaltspflicht betrifft. Sollte sich die Regelung
auf Fälle der vertraglich begründeten Unterhaltspflicht erstrecken lassen, so wäre ihrer Anwendung mit Rücksicht auf den in
§ 2 Abs. 1
BSHG festgelegten Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe, dessen Durchsetzung das Instrument der Überleitung dient (s. z.B. BVerwGE
85, 136 [137 f.]), Grenzen zu setzen. Vertragliche Unterhaltspflichten, die nicht nur von einer symbolischen Gegenleistung abhängig,
sondern Gegenstand eines wirtschaftlichen Austauschvertrages sind, fallen nicht unter § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 13. Oktober 1982 - BVerwG 5 B 61.82 - [Buchholz 436.0 § 91
BSHG Nr. 10]). Solchen Unterhaltspflichten fehlt die "Einseitigkeit", die die gesetzliche Unterhaltspflicht zwischen Verwandten
prägt und Ausdruck sittlicher Bindung und Familienzusammengehörigkeit ist (vgl. Beschluß vom 13. Oktober 1982 aaO.). Gemessen
daran ist auch der hier den Gegenstand der - Überleitung bildende Anspruch auf eine Geldrente, die der zu Dienstleistungen
Verpflichtete der anderen Vertragspartei nach § 16 Nds. AGBGB zu zahlen hat, wenn diese das Altenteilsgrundstück für dauernd verläßt, mit einem kraft Gesetzes bestehenden bürgerlich-rechtlichen
Unterhaltsanspruch nicht vergleichbar. Denn der Anspruch auf eine Geldrente tritt an die Stelle des Anspruchs auf Überlassung
der Wohnung sowie der vereinbarten Dienstleistungen und die jeweilige Höhe der Geldrente bestimmt sich nach dem geschätzten
Wert der Vorteile, die der Schuldner dadurch erlangt, daß er von der Verpflichtung zur Überlassung der Wohnung und zu Dienstleistungen
befreit wird (§§ 16, 15 Abs. 2 Nr. 1 Nds. AGBGB). Der Rentenanspruch beruht deshalb dem Grunde und der Höhe nach auf dem durch den Altenteilsvertrag begründeten schuldrechtlichen
Austauschverhältnis.
Nicht zuzustimmen ist der Ansicht der Vorinstanz, § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG verleihe dem Drittschuldner keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Überleitungsentscheidung. Der Sozialhilfeträger
hat das ihm in § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG eingeräumte Ermessen ("kann") nicht nur im Sozialhilferechtsverhältnis zum Hilfeempfänger (vgl. dazu BVerwGE 34, 219 [224 f.]), sondern auch im Verhältnis zum (vermeintlichen) Drittschuldner auszuüben. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
zur Regelung der Überleitung in § 21 a der Verordnung über die Fürsorgepflicht in der Fassung des Gesetzes vom 27. Februar
1957 (BGBl. I S. 147) - RFV - kann Gegenteiliges nicht hergeleitet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in seinem Urteil vom 3. Juni
1966 - BVerwG 5 C 34.65 - (FEVS 14, 125 [128]) erwogen, daß die Kann-Vorschrift in § 21 a RFV nur zur Ermessensausübung im Verhältnis zum Hilfeempfänger
verpflichtet, dem Drittschuldner (Unterhaltsverpflichteten) gegenüber jedoch regelmäßig nur eine Kompetenzzuweisung und keine
Ermessensnorm darstellt. Diese Erwägung ist jedoch auf § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG nicht übertragbar. Denn anders als § 21 a RFV, der der Fürsorgebehörde keine Regelungsbefugnis gegenüber dem Drittschuldner einräumte, diese vielmehr dem sog. Resolutverfahren
nach § 23 RFV vorbehielt, ermächtigt § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG den Träger der Sozialhilfe, die Überleitung von Ansprüchen gegenüber dem Hilfeempfänger und dem Drittschuldner durch Verwaltungsakt
zu regeln. Da die Überleitungsanzeige nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG auch im Verhältnis zum Drittschuldner privatrechtsgestaltend wirkt, bedürfte es einer besonderen Rechtfertigung, den Ermessenscharakter
der Vorschrift auf das Verhältnis zum Hilfeempfänger zu begrenzen. Eine solche Einschränkung kann jedoch weder dem Wortlaut
des Gesetzes noch seinem Sinn und Zweck noch der Gesetzessystematik entnommen werden.
Das Nachrangprinzip, dessen Verwirklichung § 90
BSHG ermöglichen soll, ist zwar ein Grundprinzip des Sozialhilferechts. Daraus folgt jedoch nicht, daß das öffentliche Interesse
an der Überleitung eines Anspruchs, der nicht von der Sonderregelung in § 91
BSHG erfaßt wird, absoluten Vorrang vor entgegenstehenden Interessen des Drittschuldners genießt. Auch der Umstand, daß der Gesetzgeber
die Überleitung von bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen in § 91
BSHG zugunsten der Unterhaltsschuldner ausdrücklich und in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt hat, berechtigt nicht zu dem Umkehrschluß,
daß die besonderen Lebensumstände des Drittschuldners, insbesondere seine familiären und sozialen Belange, das öffentliche
Interesse an der Durchsetzung des Nachrangs der Sozialhilfe in allen übrigen Fällen unberührt lassen. Es ist nicht auszuschließen,
daß in Einzelfällen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 91
BSHG die Überleitung eines Anspruchs gerade aus Gründen, die aus der besonderen Lebenssituation des Drittschuldners oder aus seinem
Verhältnis zum Hilfeempfänger herrühren, als unbillig oder unzumutbar erscheint. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Drittschuldner
einen pflegebedürftigen Familienangehörigen vor dem Eintreten der Sozialhilfe weit über das Maß der ihn treffen den Verpflichtung
hinaus gepflegt und den Sozialhilfeträger da durch erheblich entlastet hat oder wenn infolge der Anspruchsüberleitung eine
nachhaltige Störung des Familienfriedens zu befürchten wäre und der Grundsatz der familiengerechten Hilfe (§ 7
BSHG) verletzt würde. Eine Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange mag in der Praxis wegen des starken
Gewichts des Nachranggrundsatzes regelmäßig dazu führen, daß eine Überleitungsanzeige an den Drittschuldner ermessensfehlerfrei
ergeht. § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG entbindet den Sozialhilfeträger jedoch nicht von der Aufgabe, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob zugunsten des (vermeintlichen)
Drittschuldners von einer beabsichtigten Anspruchsüberleitung abzusehen oder diese der Höhe nach zu beschränken ist.
Das hat der Beklagte verkannt. Seine Überleitungsbescheide und der sie bestätigende Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig,
weil er in der irrigen Annahme rechtlicher Gebundenheit keine Ermessenserwägungen im Verhältnis zum Kläger angestellt hat.
Das Oberverwaltungsgericht hätte das erstinstanzliche Urteil daher nicht ändern und die vom Kläger erhobene Klage abweisen
dürfen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. §
144 Abs.
4
VwGO). Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein angefochtener Verwaltungsakt trotz unterlassener Ermessensbetätigung
dann Bestand haben, wenn die gebotene Ermessensbetätigung nicht zu einem anderen rechtlich vertretbaren Ergebnis hätte führen
können, d.h. wenn jeder Verwaltungsakt mit einem anderen Inhalt fehlerhaft gewesen wäre (vgl. Urteil vom 23. Januar 1975 -
BVerwG 3 C 40.74 - [Buchholz 427.3 § 335 a LAG Nr. 54 S. 2]; BVerwGE 57, 1 [6]). Von einem derartigen Fall der Ermessensreduzierung kann in diesem Revisionsverfahren jedoch nicht ausgegangen werden.
Denn der Beklagte und die Vorinstanzen haben keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die hier umstrittene
Überleitung im Verhältnis zum Kläger als (vermeintlichem) Drittschuldner unbillig oder unzumutbar ist. In diesem Zusammenhang
könnten sich insbesondere Schwere und Dauer des Pflegebedarfs, den die Großmutter des Klägers vor dem Eintreten der Sozialhilfe
hatte, sowie der Umfang der Pflegeleistungen, die der Kläger und seine Angehörigen der Großmutter in der Zeit vor ihrer Heimaufnahme
tatsächlich erbracht haben, als bedeutsam erweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
1 und §
162 Abs.
3
VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus §
188 Satz 2
VwGO.