Anspruch auf Insolvenzgeld; kein Insolvenzverfahren wegen offensichtlicher Masselosigkeit; Beendigung der Betriebstätigkeit
durch Firmen- bzw. Unternehmensbestattung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Gewährung von Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 01.04.2003 bis 29.05.2003.
Der am 1946 geborene Kläger war ab 14.03.1994 als Straßenbauer bei der Firma S. E. GmbH (im Folgenden: die Arbeitgeberin),
Z.straße 8, G., Ortsteil E., sozialversicherungspflichtig beschäftigt und machte für den hier noch streitigen Zeitraum - und
auch für spätere Zeiträume - Arbeitsentgeltansprüche gegen die Arbeitgeberin geltend.
Die Arbeitgeberin wurde am 08.04.1994 in das Handelsregister des Amtgerichts (AG) Dresden eingetragen. Das Stammkapital betrug
50.000 DM. Gegenstand des Unternehmens war: "Neubau sowie Instandsetzung von Verkehrsflächen und Straßen". Gesellschafter
waren ursprünglich D. M., A. M1. und A. T ... Unmittelbar vor der Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile auf den Zeugen H.-V.
am 28.04.2003 (notariell beurkundete Übertragung, Urkundenrolle Nr. 388/2003 des Notars M. Sch. in B.) waren Gesellschafter
der Arbeitgeberin: K.-D. M., A. M1, die S. E. GmbH und die W. W.L ... Im Verlauf der Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile
auf den Zeugen H.-V. zum Preis von 1 EUR - was maßgeblich durch die mit 8.000 EUR aus den Reihen der bisherigen Gesellschafter
finanzierte Vermittlung der S. GmbH zustande gekommen war - wurde am selben Tag durch Beschluss der Gesellschafterversammlung
die Arbeitgeberin in S. s. GmbH umfirmiert (Handelsregistereintragung vom 14.07.2003). Als Unternehmensgegenstand wurde nunmehr
der Handel mit Baustoffen bezeichnet. D. M., der ab 1995 Mitgeschäftsführer und seit 1998 Alleingeschäftsführer war, wurde
am 28.04.2003 durch den Zeugen H.-V. als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer abgelöst. Am 12.06.2003 unterzeichnete
der Zeuge H.-V. ein Übergabeprotokoll, wonach er von der S. GmbH die dort aufgeführten Geschäftsunterlagen der Arbeitgeberin
übernommen habe. Der Zeuge H.-V. erhielt für seine Tätigkeit von der S. GmbH 500,00 EUR als Vergütung. Die Arbeitgeberin wurde
vom Zeugen H.-V. an J. N. für 1 EUR weiterveräußert, der - angeblich - seinen Wohnsitz in E., Spanien, hatte. Der Zeuge H.-V.
wurde am 16.07.2003 durch J. N. als alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter abgelöst (Handelsregistereintragung vom 17.11.2003).
Aus den Reihen der bisherigen Gesellschafter wurde für diese Weiterveräußerung eine zweite Vermittlungsprovision in unbekannter
Höhe gezahlt.
Die Arbeitgeberin kündigte dem Kläger unter der alten Firma mit Schreiben vom 27.05.2003 das mit ihm bestehende Arbeitsverhältnis
aus betriebsbedingten Gründen außerordentlich zum 31.05.2003; das Schreiben trägt die Unterschrift von D. M ... Der Kläger
meldete sich arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Die Gewerbeabmeldung vom 04.06.2003 weist als Datum der Betriebsaufgabe
den 30.05.2003 aus. Die Arbeitgeberin kündigte auch ihren übrigen Arbeitnehmern zum 31.05.2003. Danach habe "keine werbliche
Tätigkeit mehr" stattgefunden, Mitarbeiter seien nicht mehr beschäftigt worden, die Gesellschaft sei nur noch abgewickelt
worden (Schreiben des Zeugen H.-V. vom 26.06.2007).
Am 08.07.2003 wurde die Firma GSB G.- und St. GmbH, welche aus der R. Vermögensverwaltungs GmbH mit Sitz in M. hervorgegangen
war und die Hälfte der Arbeitnehmerschaft der St. E. GmbH übernommen haben soll, in das Handelsregister eingetragen. Die Gewerbeanmeldung
vom 02.09.2003 weist als Beginn der Tätigkeit der Firma "G.- und St. GmbH" den 01.06.2003 aus. Sitz des Betriebes ist ebenfalls
Z.straße 8, G ... Geschäftsführer wurde D. M. und ist dies auch seither (siehe auch www.gsb-e ...de).
Mit Schreiben vom 26.06.2003 stellte das Finanzamt Bautzen wegen Abgabenrückständen von 25.916,22 EUR beim AG Dresden - Insolvenzgericht
- am 30.06.2003 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin (531 IN 1657/03). Bisher ausgebrachte Forderungspfändungen seien bis auf geringe Zahlungen erfolglos geblieben. Auch freiwillige Zahlungen
der Arbeitgeberin deckten selbst die laufenden Steuerrückstände nur teilweise ab. Sie stünden jedoch in keinem Verhältnis
zur Höhe der Steuerschuld. Ausweislich der vom Finanzamt Bautzen vorgelegten Übersicht resultierte die Steuerschuld im Wesentlichen
aus dem Zeitraum von Dezember 2002 bis März 2003. Dem Antrag war eine im Rahmen der fruchtlosen Pfändung vom Vollziehungsbeamten
des Finanzamtes am 07.05.2003 erstellte "Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners" beigefügt.
Danach standen nach Auskunft von D. M. Forderungen der Arbeitgeberin in Höhe von insgesamt circa 202.000 EUR Schulden in Höhe
von circa 500.000 EUR gegenüber. Grundstücke stünden nicht in ihrem Eigentum, die Kraftfahrzeuge seien finanziert oder geleast.
Die Lohnkosten für Februar sollten nach Angaben des Geschäftsführers D. M. vom 07.05.2003 an 22 Arbeitnehmer "diese Woche"
noch überwiesen werden. Mit Beschluss vom 03.07.2003 bestellte das AG Dresden Rechtsanwalt Sch. zum vorläufigen Insolvenzverwalter.
Insolvenzeröffnungsanträge stellten auch die Gmünder Ersatzkasse (GEK) mit Schreiben vom 04.07.2003 (531 IN 1707/03) wegen Beitragsforderungen in Höhe von 1.179 EUR, nachdem ein durchgeführter Pfändungsversuch erfolglos geblieben war (Eingang
beim AG Dresden am 07.07.2003), und die IKK Sachsen mit Schreiben vom 21.07.2003 (531 IN 1905/03) wegen Beitragsforderungen in Höhe von 3.772,54 EUR (Eingang beim AG Dresden am 24.07.2003). Beide Antragsverfahren wurden
mit dem führenden Antragsverfahren 531 IN 1657/03 verbunden. Der Zeuge H.-V. fügte einem an das AG Görlitz gerichteten Schreiben vom 19.04.2005 einen an das AG Dresden - Insolvenzgericht
- adressierten "Insolvenz-Eigenantrag" der Arbeitgeberin vom 02.07.2003 als Anlage bei; dessen Eingang ist nicht dokumentiert.
Eine Prüfung durch eine Wirtschaftsberatungsgesellschaft habe die "zwingende Notwendigkeit" ergeben, den Gewerbebetrieb abzumelden,
bestehende Arbeitsverhältnisse aufzulösen und die angemieteten Räumlichkeiten aufzugeben.
Nachdem die Commerzbank AG von der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie mit
Schreiben vom 18.07.2003 den Überziehungskredit bezüglich des laufenden Kontos der Arbeitgeberin in Höhe von 2.625,29 EUR
sowie zwei Darlehen in Höhe von 472.221,52 EUR und in Höhe von 203.818,83 EUR.
Gegenüber dem AG Dresden - Insolvenzgericht - gab der Zeuge H.-V. am 12.08.2003 an, die Löhne für April und Mai 2003 seien
nicht gezahlt worden, es bestehe Zahlungsunfähigkeit. Mit Schreiben vom 05.08.2003 und vom 15.08.2003 (jeweils zu 531 IN 1653/03) teilte der Zeuge H.-V. dem AG Dresden mit, im Zuge des Geschäftsführerwechsels seien alle Geschäftsunterlagen vollständig
übergeben worden. Der Betrieb sei geschlossen, die Unterlagen befänden sich bei J. N ...
Fast zeitgleich zu den Insolvenzeröffnungsanträgen stellte der Kläger am 30.06.2003 bei der Beklagten einen Antrag auf Insg.
Dabei gab er an, der Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit sei der 30.05.2003 gewesen. Für die Zeit vom 01.04.2003
bis 30.04.2003 stehe ihm noch ein Netto-Arbeitsentgelt von 1.049,28 EUR und für die Zeit vom 01.05.2003 bis 31.05.2003 ein
solches von 1.086,09 EUR zu. Ferner begehrte er Insg für den gesamten Juni 2003 aus einem Brutto-Arbeitsentgelt von 1.470
EUR. Auf Antrag des Klägers erließ das Arbeitsgericht Bautzen gegenüber der Arbeitgeberin ("vertr. durch d. Geschäftsführer
J. H.-V. ") am 23.10.2003 ein Versäumnisurteil (2 Ca 2284/03), in dem festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers erst mit Ablauf des 30.06.2003 beendet gewesen sei.
Im Auftrag der Firma "H. H. GmbH Maschinen-Mietservice" mit Sitz in F. stellte deren Verfahrensbevollmächtigter am 07.06.2004
bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Bautzen einen Strafantrag gegen "die Verantwortlichen der Firma S. GmbH, ehemals
St. E. GmbH, und der Firma GSB G.- und St. GmbH, Z.str. 8, G. ", insbesondere gegen die Geschäftsführer D. M., J. H.-V. und
J. N ... Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt: "Der Sachverhalt legt die Vermutung nahe, dass sämtliches Anlagevermögen
der S. GmbH, ehemals St. E. GmbH, nach Feststellung deren Überschuldung ohne adäquate Gegenleistung auf die GSB G.- und St.
GmbH übertragen wurde. Hierdurch wurden die Gläubiger der erstgenannten Firma massiv geschädigt, da sie mit ihren Forderungen
vollständig auszufallen drohen. Zudem wurde die Frist zur Insolvenzantragstellung missachtet. Sämtliche Geschäftsunterlagen,
die Aufschluss über mögliche Gegenwerte aus dem Unternehmensverkauf und deren Verbleib geben könnten, sind in Spanien verschollen
und werden vermutlich nie wieder auftauchen. Der vorläufige Insolvenzverwalter sieht sich aufgrund des vollständigen Fehlens
von Geschäftsunterlagen außerstande, das Insolvenzverfahren voranzutreiben. Alle Geschäftsführer schweigen beharrlich zu den
Vorgängen."
Mit Beschluss vom 23.05.2005 hob das AG Dresden - Insolvenzgericht - die mit Beschluss vom 03.07.2003 angeordnete vorläufige
Insolvenzverwaltung und Vollstreckungssperre auf. Außerdem wies es - nach Rücknahme der übrigen Anträge - (nur noch) den Antrag
der IKK Sachsen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S. GmbH (Schuldnerin) als unbegründet zurück,
weil die Aufklärungsmöglichkeiten des Insolvenzgerichts zur Frage des Insolvenzgrundes und der Verfahrenskostendeckung erschöpft
und die bisherigen Ermittlungen ergebnislos geblieben seien. Die Angaben des früheren Geschäftsführers D.M. seien unergiebig.
Dessen Nachfolger, der Zeuge H.-V., der nur kurzfristig geschäftsführender Gesellschafter gewesen sei und der dem Gericht
im Übrigen - wie auch der letzte geschäftsführende Gesellschafter N. - aus mehreren Verfahren im Zusammenhang mit "Firmenbestattungen"
bekannt sei, könne "naturgemäß" zu den Verhältnissen der Schuldnerin nichts Wesentliches aussagen. Die Geschäftsunterlagen
der Schuldnerin seien für das Gericht nicht greifbar. Die erneute Einholung eines internationalen Rechtshilfeersuchens (im
Hinblick auf den Aufenthalt des Gesellschafters N.) verspreche keinen Erfolg. Das Risiko, dass sich die Frage des Insolvenzgrundes
und der Verfahrenskostendeckung nicht aufklären lasse, gehe zulasten der Antragstellerin.
Mit Anklageschrift vom 22.03.2005 erhob die Staatsanwaltschaft Görlitz beim Amtsgericht Görlitz gegen D. M., den Zeugen H.-V.
und J. N. Anklage wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, vorsätzlichem Bankrott, Betrug und Untreue (310 Js 11774/03). Das beim AG Görlitz eröffnete Verfahren wurden gegenüber allen drei Angeklagten mit Rücksicht auf bereits erfolgte Verurteilungen
in anderen Verfahren durch Beschluss des AG Görlitz vom 22.09.2008 nach §
154 Abs.
1 Strafprozessordnung vorläufig eingestellt.
Mit Bescheid vom 21.06.2005 lehnte die Beklagte den Insg-Antrag des Klägers unter Bezugnahme auf den Beschluss des AG Dresden
- Insolvenzgericht - vom 23.05.2005 ab. Den hiergegen am 27.06.2005 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte
durch Widerspruchsbescheid vom 26.08.2005 zurück. Die Voraussetzungen von §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 bis
3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) lägen nicht vor. Zwar bewirke der Beschluss des AG Dresden vom 23.05.2005, dass kein Insolvenzantrag gestellt worden sei.
Jedoch liege kein Insolvenzereignis im Sinne von §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III vor. Denn es fehle insoweit an einer nachgewiesenen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung.
Gegen die Annahme der Zahlungsunfähigkeit spreche, dass kein Insolvenzverfahren beantragt worden sei. Auch andere Anhaltspunkte
für eine Betriebseinstellung wegen Zahlungsunfähigkeit seien nicht bekannt und könnten wegen Unerreichbarkeit des Geschäftsführers
zudem nicht festgestellt werden, so dass davon auszugehen sei, dass keine eindeutige Insolvenz vorliege.
Dagegen hat der Kläger am 22.09.2005 Klage beim Sozialgericht Dresden (SG) erhoben und zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Insg für die Monate April bis Juni 2003 zu verurteilen. Er
hat vorgetragen, seine Arbeitgeberin habe ihren Geschäftsbetrieb zum 31.05.2003 eingestellt und sei postalisch zunächst nur
noch unter der Anschrift des Zeugen H.-V. in B. erreichbar gewesen. Zahlungen seien nicht mehr geleistet worden. Zum Zeitpunkt
der Betriebseinstellung sei die Arbeitgeberin zahlungsunfähig und vermögenslos gewesen. Die Voraussetzungen des §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III lägen vor. Es genüge, wenn für einen unvoreingenommenen Betrachter alle äußeren Tatsachen für die Masseunzulänglichkeit sprächen,
was vorliegend der Fall sei. Die Arbeitgeberin habe weder Forderungen des Finanzamts beglichen noch Beiträge für ihre Arbeitnehmer
an die Krankenkassen entrichtet. Auch die Löhne ihrer Arbeitnehmer habe sie nicht mehr gezahlt. Im Hinblick auf die finanziellen
Verhältnisse der Arbeitgeberin fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass der letzte Geschäftsführer Vermögen der GmbH ins Ausland
transferiert habe. Die Beklagte hat an ihrer bisherigen Auffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 14.09.2007 ist das SG im Wesentlichen der Argumentation des Klägers gefolgt und hat nach Rücknahme der Klage im Übrigen dessen Antrag, den Bescheid
vom 21.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für
April und Mai 2003 Insg zu zahlen, stattgegeben. Der Kläger habe gemäß §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III einen Anspruch auf Insg für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.05.2003. Über den 30.05.2003 hinaus seien keine Arbeitnehmer beschäftigt
worden. Zweifel an der Betriebseinstellung bestünden daher nicht. Auch der Zeuge H.-V. habe bestätigt, dass nach diesem Zeitpunkt
die Arbeitgeberin nicht mehr gewerblich tätig gewesen sei. Der danach noch erfolgte Geschäftsführerwechsel sei insoweit bedeutungslos
gewesen. Es liege ausgehend von den Grundsätzen des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.11.1981 (10/8b RAr 6/80) auch die Voraussetzung der offensichtlichen Masselosigkeit bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland
vor. Für April und Mai seien keine Arbeitsentgeltzahlungen mehr erfolgt. Pfändungsversuche seien erfolglos geblieben. Schon
im Februar sei auf einen zugunsten der J. H. GmbH ausgestellten Scheck keine Zahlung erfolgt. Die Arbeitgeberin habe Schulden
von weit über 700.000 EUR gehabt. Auf dem Geschäftskonto hätten sich im Mai 2003 noch etwa 2.000 EUR befunden. Auch die Umstände
der Übertragung der Gesellschaftsanteile sprächen dafür, dass bereits im April 2003 bei der Arbeitgeberin Zahlungsunfähigkeit
vorgelegen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft D. M. am 22.12.2003 10.250,00
EUR auf das Konto der GBB B. GmbH und 600,00 EUR auf das Konto seiner Ehefrau überweisen habe. Hierbei habe es sich um innere,
von außen nicht erkennbare Vorgänge gehandelt.
Gegen das ihr am 25.10.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.11.2007 Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, die Voraussetzungen des §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III lägen nicht vor. Es werde darauf hingewiesen, dass am Firmensitz der Arbeitgeberin bereits mehrere Bauunternehmen mit D.
M. als Inhaber ihren Sitz gehabt hätten. Zwar habe die Arbeitgeberin nach ihrer Umfirmierung und der Entlassung aller Arbeitnehmer
keine gewerbliche Bautätigkeit mehr ausgeführt, jedoch habe der faktische Geschäftsführer, D. M., neben der Einleitung der
so genannten "Firmenbestattung" bereits parallel an der Neuerrichtung des nächsten Bauunternehmens am alten Betriebssitz gearbeitet.
Die GSB G.- und St. GmbH habe nahezu nahtlos an die Geschäftstätigkeit der Arbeitgeberin anknüpfen können. Es sei bislang
nicht bekannt, ob die GSB G.- und St. GmbH Betriebsmittel der Arbeitgeberin vor bzw. nach der Umfirmierung übernommen habe
bzw. wie sich die finanziellen Verhältnisse dieser Firmen zuletzt gestaltet hätten. Zur Nichterweislichkeit der tatsächlichen
Umstände habe die Nichtauffindbarkeit der Geschäftsunterlagen maßgeblich beigetragen. Die Zahlung der Löhne sei nicht unter
Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin unterblieben. D. M. habe noch in der mündlichen Verhandlung vor dem
AG Görlitz am 20.04.2007 ausgeführt, das allgemeine Geschäft sei normal gelaufen, aber die Zahlungsflüsse hätten sich schwierig
gestaltet. Weiterhin habe der Zeuge H.-V. erst am 02.07.2003 einen eigenen Insolvenzantrag gestellt. Da die Commerzbank AG
erst mit Schreiben vom 18.07.2003 die Kredite und Darlehen der Arbeitgeberin gekündigt und zur sofortigen Rückzahlung fällig
gestellt habe, sei davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin bis zu diesem Zeitpunkt ihre Kreditwürdigkeit noch nicht verloren
gehabt habe. Der vom SG als weiteres Indiz herangezogene "geplatzte Scheck" vom Februar 2003 gebe keinen Hinweis auf die behauptete Masselosigkeit
zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung am 31.05.2003. Auch die von den Gesellschaftern der Arbeitgeberin aufgebrachte Vermittlungsgebühr
in Höhe von 8.000,00 EUR an die Firma S.GmbH stelle kein eindeutiges Indiz für offensichtliche Masselosigkeit zum Zeitpunkt
der Betriebseinstellung dar. Sie spreche eher dafür, dass die Gesellschafter einen Weg gesucht hätten, ohne ordentliche Abwicklung
eines Insolvenzverfahrens aus der Geschäftstätigkeit der Arbeitgeberin auszusteigen und gleichzeitig eine neue schuldenfreie
Firma mit demselben Geschäftszweck aufzubauen. Nach der Rechtsprechung des BSG erfordere der Insg-Tatbestand des §
183 Abs.1 Satz 1 Nr. 3
SGB III, dass die Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung vorliege, also vorher oder gleichzeitig eingetreten sein müsse.
Dies sei zum 31.05.2003 nicht nachgewiesen. Die Indizien sprächen eher dafür, dass Masselosigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt
eingetreten sei, nämlich mit der Kündigung der Darlehen und Kredite durch die Hausbank am 18.07.2003. Offensichtliche Masselosigkeit
könne dann nicht bejaht werden, wenn dem schuldnerischen Unternehmen Ersatzansprüche dafür zustünden, dass die Geschäftsführung
oder Gesellschafter dem Unternehmen kompensationslos Vermögenswerte entzogen hätten. Entsprechendes gelte für Fälle so genannter
"Firmenbestattungen". Ein Insolvenzverfahren habe im Übrigen schon deshalb nicht eröffnet werden können, weil der Schuldner
unbekannten Aufenthalts sei und ein inländischer Gerichtsstand nicht ermittelt werden könne. Die Geschäftskonten der Arbeitgeberin
hätten noch lange über den 31.05.2003 hinaus bestanden; für alle Konten sei D. M. verfügungsberechtigt gewesen. Es hätten
auch Kontenbewegungen stattgefunden. Einige Konten hätten Ende Mai 2003 beachtliche Guthaben aufgewiesen. Es sei somit nicht
bewiesen, dass die Arbeitgeberin im streitgegenständlichen Zeitraum ihren wirtschaftlichen Verpflichtungen überhaupt nicht
mehr nachgekommen sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 10.03.2010 hat der Kläger seine Klage zurückgenommen, soweit er Insg für
den 30. und 31.05.2003 begehrt hat.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. September 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es müsse beachtet werden, dass die Arbeitgeberin rechtlich selbstständig
gewesen sei. Die Argumentation der Beklagten, D. M. sei auch Geschäftsführer der GSB G. und St. GmbH, verfange deshalb nicht.
Es dürfe ihm, dem Kläger, nicht zum Nachteil gereichen, wenn D. M. in betrügerischer Absicht eine Insolvenzverschleppung begehe
und somit der Zeitpunkt der Vermögenslosigkeit nicht eindeutig festzustellen sei. Der Eintritt der Masselosigkeit - vor oder
gleichzeitig mit der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit - sei bereits dann anzunehmen, wenn alle äußeren Tatsachen
und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprächen. Masselosigkeit sei aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters
in der Regel zu bejahen, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit
eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt werde. Indiz für Masselosigkeit seien vor allem ausgebliebene Lohnzahlungen
in Verbindung mit arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteilen. Diese Voraussetzungen lägen vor.
Der Senat hat den Zeugen H.-V. zu den näheren Umständen der Veräußerung der früheren Arbeitgeberin im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 10.03.2010 befragt. Bezüglich des Inhalts seiner Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten (Insg-Akte und Betriebsakte) sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge
vorgelegen, ferner die Akten des AG Dresden - Insolvenzgericht - mit dem Aktenzeichen 531 IN 1657/03 und die Akten des AG Görlitz mit dem Aktenzeichen 310 Js 11774/03.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung am 10.03.2010 erklärten Klagerücknahme
unbegründet, soweit noch die Zeit vom 01.04. bis 29.05.2003 im Streit geblieben ist.
Das Urteil des SG vom 14.09.2007 ist insoweit zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 21.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 26.08.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung von
Insg für die Zeit vom 01.04.2003 bis 29.05.2003 zu.
Gemäß §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger
Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist
und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden
drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Nach §
324 Abs.
3 Satz 1
SGB III ist Insg innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen.
1. Da über das Vermögen der Arbeitgeberin weder ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde noch eine Abweisung des Antrags auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse stattfand, scheiden die Tatbestände der Nr.
1 und
2 des §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III als Insolvenzereignisse aus. Allerdings liegen die Voraussetzungen des in §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III genannten Insolvenzereignisses vor.
Von den zunächst gestellten Anträgen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht mit Wirkung für §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III keine Sperrwirkung aus (a). Die Arbeitgeberin stellte ihre Betriebstätigkeit im Inland am 30.05.2003 vollständig ein (b).
Am 30.05.2003 kam ein Insolvenzverfahren aus Sicht eines objektiven Dritten nach dem äußeren Anschein offensichtlich mangels
Masse nicht in Betracht (c). Der Insg-Antrag wurde rechtzeitig gestellt (d).
a) Die IKK Sachsen hat ihren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrechterhalten. Er ist durch Beschluss des AG
Dresden - Insolvenzgericht - vom 23.05.2005 (531 IN 1657/03) als unbegründet zurückgewiesen worden. Dieser als unbegründet zurückgewiesene Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
und die zunächst vom Finanzamt Bautzen und der GEK gestellten, später aber zurückgenommenen Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
entfalteten zu keiner Zeit eine Sperrwirkung für das Insolvenzereignis nach §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III, weil die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland bei offensichtlicher Masselosigkeit ein gleichberechtigtes
Insolvenzereignis neben der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Abweisung mangels Masse ist. Allein maßgeblich ist der
zuerst erfolgte Eintritt eines der drei Insolvenzereignisse. Eine Sperrwirkung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
kann sich für §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III nur ergeben, wenn eines der beiden anderen Insolvenzereignisse eintritt und der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
vor der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit des masselosen Unternehmens im Inland gestellt worden ist. Hier ist
das Insolvenzereignis nach §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III vor der Antragstellung des Finanzamtes Bautzen (30.06.2003), der GEK (07.07.2003) und der IKK Sachsen (24.07.2003) am 30.05.2003
(dazu sogleich unter (b)) eingetreten (zur Sperrwirkung siehe BSG, Urteil vom 30.10.1991 - 10 RAr 3/91 - BSGE 70, 9, 11 f. = SozR 3-4100 § 141b Nr. 3; Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 27/00 R - juris Rn. 16). Im Übrigen wäre die Sperrwirkung auch dann entfallen, wenn die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
vor der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland gestellt worden wären, weil weder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
gerichtlich angeordnet noch mangels Masse abgelehnt, sondern - nachdem die übrigen Anträge schon zurückgenommen waren - lediglich
der Antrag der IKK Sachsen als unbegründet zurückgewiesen worden ist (zum ex tunc wirkenden Wegfall der Sperrwirkung bei Zurückweisung
des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus anderen Gründen als der Masselosigkeit: BSG, Urteil vom 30.10.1991 -
10 RAr 3/91 - BSGE 70, 9, 13 = SozR 3-4100 § 141b Nr. 3; Urteil vom 22.09.1993 - 10 RAr 9/91 - SozR 3-4100 § 141b Nr. 7 S. 30 und 31).
b) Nicht jede Beendigung einer Betriebstätigkeit ist rechtserheblich. Erforderlich ist die vollständige Beendigung jeder dem
Betriebszweck dienenden Tätigkeit (Arbeit). Nur solche dem Betriebszweck dienenden Tätigkeiten (Arbeiten) sind "Betriebstätigkeiten".
Daher sind Arbeiten innerhalb eines Betriebes, die seinem Zweck nicht dienen, keine solchen Betriebstätigkeiten. Das sind
insbesondere die der Auflösung, der reinen Abwicklung oder lediglich der Erhaltung von Betriebsanlagen dienenden Arbeiten.
Wann die Betriebstätigkeit vollständig beendet ist, richtet sich insbesondere nach der Art des Betriebes (BSG, Urteil vom
05.06.1981 - 10/8b RAr 3/80 - BSGE 52, 40, 41 = SozR 4100 § 141b Nr. 19; Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 27/00 R - juris Rn. 17). Bei Betrieben, die nur produzieren, ist die endgültige Beendigung der Produktion maßgebend. Werden - wie
hier - Werkleistungen im Bausektor erbracht, liegt die Einstellung der Betriebstätigkeit jedenfalls dann vor, wenn überhaupt
keine baulichen Tätigkeiten auf den Baustellen und keine diese Tätigkeiten vor- oder nachbereitenden Arbeiten handwerklicher
Art auf der Betriebsstätte mehr ausgeführt werden. Zwar ist der Zweck der Arbeitgeberin im Rahmen der Übertragung der Geschäftsanteile
der Arbeitgeberin auf den Zeugen H.-V. von letzterem dahin geändert worden, dass die in S. GmbH umfirmierte Arbeitgeberin
nunmehr den Handel mit Baustoffen als Unternehmensgegenstand haben solle. Die Arbeitgeberin ist jedoch weder unter ihrer bisherigen
Firma noch unter der Firma S. GmbH mit dem neuen Unternehmensgegenstand am Markt aufgetreten. Die Arbeitgeberin stellte jegliche
Betriebstätigkeit im Inland am 30.05.2003 vollständig ein. Keine der vorgenannten Betriebstätigkeiten wurden über den 30.05.2003
hinaus ausgeführt. Sämtlichen Arbeitnehmern wurde zum 31.05.2003 gekündigt. Das ergibt sich sowohl aus den Angaben des Zeugen
H.-V. (Schreiben vom 26.06.2007) als auch aus den bei der Beklagten eingegangenen Insg-Anträgen der anderen Arbeitnehmer.
Die Gewerbe-Abmeldung vom 04.06.2003 weist als Datum der Betriebsaufgabe den 30.05.2003 aus. Dies deckt sich mit der Angabe
des Zeugen H-V. (Schreiben vom 26.06.2007: ab 31.05.2003 "keine werbliche Tätigkeit mehr"). Auch der Kläger hat in seinem
Antrag auf Insg vom 30.06.2003 angegeben, der Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit sei der 30.05.2003 gewesen.
Da es sich beim 30.05.2003 um einen Freitag gehandelt hat, die Kündigung der Arbeitnehmer zum 31.05.2003 ausgesprochen wurde,
die GSB G.- und St. GmbH am 01.06.2003 ihren Betrieb aufnahm und der Zeuge H.-V. sowie der Kläger und 28 weitere Arbeitnehmer
als Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit den 30.05.2003 angegeben haben, geht der Senat davon aus, dass
im Laufe des besagten Freitags die Arbeitgeberin ihre betriebliche Tätigkeit eingestellt hat. Demgegenüber misst der Senat
der Angabe des früheren Geschäftsführers und wohl bis zuletzt faktischen Betriebsleiters D. M. (Vernehmung als Beschuldigter
am 03.03.2004), wonach die gewerbliche Tätigkeit am 31.05.2003 eingestellt worden sei, keine Bedeutung zu. Daher hat der Kläger
auf Anraten des Senats seine Klage auf die Zeit vor dem Eintritt des auf den 30.05.2003 zu legenden Insolvenzereignisses der
vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland beschränkt.
Unbeachtlich ist, dass auch nach dem 30.05.2003 auf den Konten der Arbeitgeberin, über die der frühere Geschäftsführer D.
M. weiterhin Kontovollmacht hatte (oder sich eine solche aufgrund Rechtsscheins anmaßte), D. M. in nicht unerheblichem Umfang
Überweisungen und Abhebungen ausführte (näher dazu unten c) aa)). Derartige Zahlungsvorgänge sind keine dem Betriebszweck
dienende Betriebstätigkeiten eines Bauunternehmens, das über keine Arbeitnehmer mehr verfügt. Dies gilt umso mehr, als es
sich bei den hier in Rede stehenden Zahlungsvorgängen um strafrechtlich relevante Vorgänge handelte, die der Arbeitgeberin
Vermögen entzogen haben.
Der Umstand, dass die ausweislich der Gewerbe-Anmeldung vom 02.09.2003 ab 01.06.2003 tätige GSB G.- und St. GmbH die Hälfte
der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin übernommen haben soll - so die Mitteilung der Richterin am Arbeitsgericht D. (Arbeitsgericht
Bautzen) vom 02.07.2003 gegenüber der Staatsanwaltschaft Görlitz - und diese neue Firma als Geschäftsführer D. M. und den
gleichen Betriebssitz wie die Arbeitgeberin hatte (und noch hat), ändert nichts daran, dass die Arbeitgeberin ihre Betriebstätigkeit
zum 30.05.2003 vollständig einstellte. Denn insoweit ist auf das jeweilige als Unternehmensträger fungierende Rechtssubjekt
abzustellen. Selbst wenn der bisherige Inhaber eines Betriebes, der in eine Krise geraten ist, eine neue Firma mit den wesentlichen
sachlichen Betriebsmitteln und den bisherigen Arbeitnehmern des alten Betriebes betreibt, tritt ein Arbeitgeberwechsel ein.
Dass die Gesellschafter der neu gegründeten Gesellschaft mit den Gesellschaftern der alten Gesellschaft ganz oder teilweise
identisch sind, schließt einen Betriebsinhaberwechsel nicht aus.
Einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise steht schon die Systematik der Insg-Versicherung entgegen (BSG, Urteil vom 28.06.1983
- 10 RAr 26/81 - BSGE 55, 195, 197 f. = SozR 4100 § 141b Nr. 27). Denn zum einen muss die Insg-Versicherung bezüglich der Frage, wer Arbeitgeber ist, an
die vorgefundenen privatautonomen arbeitsrechtlichen Rechtsgestaltungen anknüpfen. Wie im Sozialversicherungsrecht allgemein
anerkannt ist, werden derartige Rechtsgestaltungen nicht durch die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingeschränkt,
sondern die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche knüpfen an die zivilrechtlich (bzw. arbeitsrechtlich) wirksam zustande
gekommenen Regelungen und Gestaltungen an, soweit nicht eine diesen entgegenstehende tatsächliche Handhabung vorliegt. Aber
auch für das Insolvenzrecht gilt nichts anderes. Nach §
183 Abs.
1 SGB III lösen nämlich nur bestimmte insolvenzrechtliche Tatbestände einen Versicherungsschutz aus. Anspruchsbegründende Tatbestände
sind danach nur bestimmte insolvenzrechtliche Ereignisse, in erster Linie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über "das
Vermögen seines Arbeitgebers", daneben die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse. Damit
knüpft das Insg-Recht eng an die Vorschriften der
Insolvenzordnung (
InsO) an bzw. baut auf diesen auf. Die
InsO bestimmt nicht nur den Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs vorliegen müssen, sondern
verweist hinsichtlich der Identität des Arbeitgebers auch auf die gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen, an die die
InsO ihrerseits anknüpft. Bei rechtlich selbständigen Rechtsträgern findet insolvenzrechtlich über jeden von ihnen bzw. über sein
jeweiliges Vermögen ein selbständiges Insolvenzverfahren statt. Die darin liegende Interdependenz zwischen Arbeits-, Gesellschafts-
und Insolvenzrecht wirkt sich auch auf das Insg-Recht und den dort verwandten Begriff des Arbeitgebers aus. Dort aber werden
die jeweiligen Rechtsträger des Unternehmens grundsätzlich jeweils eigenständig behandelt (siehe insbesondere §
11 Abs.
1 Satz 1
InsO: "Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden.").
Auch der Schutzzweck der Insg-Versicherung lässt eine Abweichung von diesen im Arbeits- und Insolvenzrecht vorgefundenen rechtlichen
Anknüpfungen im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und Definition des Arbeitgebers nicht zu (BSG, Urteil vom 28.06.1983
- 10 RAr 26/81 - BSGE 55, 195, 199 und 201 = SozR 4100 § 141b Nr. 27). Der Arbeitnehmer muss grundsätzlich vorleisten und wird darin für die Dauer von
drei Monaten durch die Insg-Versicherung geschützt. Tritt ein Wechsel des Betriebsinhabers ein, ist der Arbeitnehmer regelmäßig
nicht in der Lage, die wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Arbeitgebers zu überblicken und ist deshalb von Anfang an dem
Risiko ausgesetzt, vorleisten zu müssen, ohne vom neuen Arbeitgeber Sicherheit fordern zu können. Diese Überlegungen sind
auch hier maßgeblich. Auch wenn im vorliegenden Rechtsstreit es - anders als im Sachverhalt des oben wiedergegebenen Urteils
des BSG - nicht darum geht, ob der Kläger in einem weiteren Arbeitsverhältnis bei einem wirtschaftlichen Nachfolger der Arbeitgeberin
unter dem Schutz der Insg-Versicherung steht, würde eine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Bestimmung des Arbeitgebers
den Schutzzweck der Insg-Versicherung beeinträchtigten. Ansonsten hätte der Kläger einerseits gegenüber der später insolventen
Arbeitgeberin vorleisten müssen, die allein er dann auch arbeitsrechtlich hätte in Anspruch nehmen können. Andererseits könnte
sich die Beklagte dann auf den Standpunkt stellen, dass die neue Arbeitgeberin zugleich die alte sei und deswegen kein Insolvenzereignis
eingetreten sei, obwohl der Kläger arbeitsrechtlich keinen Anspruch gegen die Firma GSB G.- und St. GmbH aufgrund seiner Beschäftigung
bei der bisherigen Arbeitgeberin (St. E. GmbH, umfirmiert zur S. GmbH) hat. Diese Entwertung des Schutzes der Insg-Versicherung
ist nicht hinnehmbar. Hätte der Kläger mit der Firma GSB G.- und St. GmbH ein Arbeitsverhältnis begründet, hätte er nach der
wiedergegebenen und zutreffenden Rechtsprechung des BSG dort erneut (für eine Dauer von maximal weiteren drei Monaten) unter
dem Schutz der Insg-Versicherung gestanden. Dass es zu einem "Anschlussarbeitsverhältnis" beim wirtschaftlich zumindest teilidentischen
neuen Arbeitgeber nicht gekommen ist, bedeutet hingegen nicht, dass dann der Insg-Versicherungsschutz im bisherigen Arbeitsverhältnis
entfällt.
c) Ein Insolvenzverfahren kam am 30.05.2003 aus Sicht eines objektiven Dritten dem äußeren Anschein nach mangels einer die
Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse nicht in Betracht.
Masselosigkeit liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens
im Sinne von §
26 Abs.
1 Satz 1
InsO zu decken. Sie muss vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit eintreten.
Zur Frage der "Offensichtlichkeit" ist darauf abzustellen, ob sich für einen unvoreingenommenen objektiven Betrachter aus
äußeren Tatsachen der Eindruck (und insofern der Anschein) ergibt, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht
kommen wird. Nur so ist eine dem Zweck des Insg entsprechende Bewilligungspraxis möglich: Dem Arbeitnehmer soll möglichst
schnell die seinen Lebensunterhalt sichernde Leistung - gegebenenfalls durch Vorschuss gemäß § 186
SGB III - bewilligt werden. Zweifel an der Masseunzulänglichkeit berechtigen die Beklagte nicht dazu, einen Antrag auf Insg abzulehnen.
Dies steht im Einklang mit dem Umstand, dass die Beklagte nicht geschädigt ist, wenn sich später herausstellen sollte, dass
die Masse entgegen ihrer Annahme tatsächlich dennoch zulänglich war. Die Beklagte wird insoweit durch die Cessio legis des
§ 187 Satz 1
SGB III geschützt: Die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insg begründen, gehen mit dem Antrag
auf Insg auf sie über. Sie kann dann entscheiden, ob sie im Wege der Einzelvollstreckung oder des Antrags auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens vorgeht, um sich für ihre Leistung schadlos zu halten (zum Ganzen BSG, Urteil vom 23.11.1981 - 10/8 b
RAr 6/80 - BSGE 53, 1, 3 = SozR 4100 § 141b Nr. 21; Urteil vom 22.09.1993 - 10 RAr 9/91 - SozR 3-4100 § 141 b Nr. 7 S. 32; Urteil vom 04.03.1999 - B 11/10 AL 3/98 R - juris Rn. 14). Mithin meint das Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit der Masselosigkeit keinen gesteigerten Grad an
Evidenz und Richtigkeit - etwa im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit -, sondern in der am Schutzzweck
orientierten Auslegung des BSG gerade einen abgeschwächten Maßstab der Wahrscheinlichkeit. Es muss sich lediglich aufgrund
äußerer, tatsächlicher Umstände für den Dritten der plausible Anschein der Masselosigkeit ergeben.
Die äußeren Tatsachen erweckten am 30.05.2003 für einen unvoreingenommenen objektiven Betrachter den Eindruck der offensichtlichen
Masselosigkeit der Arbeitgeberin. Es bestand der Anschein, dass tatsächlich kein Vermögen mehr vorhanden war. Die unter (aa)
genannten Umstände dokumentieren hinlänglich die Insolvenz der Arbeitgeberin, wenn auch noch nicht deren Masselosigkeit. Die
im Rahmen eines publizitätswirksamen, weil notariell beurkundeten und zur Eintragung im Handelsregister vorgesehenen Rechtsgeschäfts
erfolgte "Firmenbestattung" hatte jedoch aus der Sicht eines unvoreingenommenen Beobachters zur Folge, dass die gegebenenfalls
noch vorhandenen und möglicherweise die Kosten eines Insolvenzverfahrens deckenden Vermögenswerte der Arbeitgeberin vor der
vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit auf Dritte übertragen wurden, um sie dauerhaft dem Zugriff der Gläubiger zu
entziehen und ihre Rückholbarkeit durch Vernichtung der Firmenunterlagen maximal zu erschweren. Deswegen war erwartungsgemäß
auch niemand bereit, die Kosten eines Insolvenzverfahrens vorzufinanzieren (§
26 Abs.
1 Satz 2
InsO), um eventuell rechtwidrig übertragene Vermögenswerte zugunsten der Masse geltend zu machen. Infolgedessen war am 30.05.2003
jedenfalls dem Anschein nach weder greifbares oder alsbald realisierbares Vermögen vorhanden noch ein von Gläubigerseite bereitzustellender
Geldbetrag zu erwarten, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken (bb). Dem steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin
im Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit und auch geraume Zeit danach noch über erhebliche Guthaben
auf verschiedenen Konten verfügte und diese auch unter Verletzung der Ansprüche der Gläubiger transferiert bzw. ausgezahlt
wurden (cc).
aa) Die für die Arbeitgeberin bei der Commerzbank AG geführten Kontokorrentkonten Nr. 8303536661-00 und Nr. 8303536661-02
existierten bis 15.07.2003. Das Kontokorrentkonto Nr. 8303536661-06, eröffnet am 08.10.2002 und geführt auf dem Namen der
Arbeitgeberin existierte jedenfalls im September 2004 noch. Im Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit
befanden sich noch 10.250,00 EUR auf dem Konto, die am 19.12.2003 auf ein Konto der GBB B. GmbH überwiesen wurden. Eine am
selben Tag von einem Dritten überwiesener Betrag von 445,41 EUR wurde am 19.02.2004 ebenfalls auf ein Konto der GBB B. GmbH
transferiert. Das Konto der Arbeitgeberin bei der Volksbank Bautzen eG (Konto-Nr. 3013010900) wies am 31.05.2003 einen Saldo
von 0 EUR auf. Auf ihrem Konto bei der Kreissparkasse Bautzen (Konto-Nr. 1000081423) war am 30.05.2003 ein Guthaben von 17.921,21
EUR vorhanden, das größtenteils zu Beginn des Juni 2003 abgehoben wurde. Das Konto war jedenfalls auch noch im Jahr 2004 aktiv.
Es wies jedoch immer weniger als 1.000 EUR Guthaben auf. Auf dem Depot-Konto bei der Deka-Bank mit der Konto-Nr. 0120704150
befand sich am 31.12.2003, (vorher konstante Geldmarktfondsanteile) ein Guthaben von 1.738,76 EUR (am 31.12.2004: 1.746,34
EUR). Bei der Dresdner Bank AG hatte die Arbeitgeberin ein Konto mit der Nr. 270/02795000-00, das am 28.05.2003 ein Guthaben
von 31.232,78 EUR aufwies. Dieses Konto bestand bis Januar 2005 und wies in der Folgezeit wechselnde Kontostände auf; am 19.06.2003
ein Guthaben von 200,79 EUR, am 16.07.2003 ein Guthaben von 14.283,42 EUR, am 26.08.2003 ein Guthaben von 16.238,22 EUR. Bis
Oktober 2004 veränderte sich der Kontostand bei ganz geringen Umsätzen nur unwesentlich. Am 01.10.2004 erfolgte eine Überweisung
von 3.170,01 EUR. Im weiteren Verlauf wies das Konto beständig ein Guthaben von etwas mehr als 12.800 EUR auf. Die Arbeitgeberin
verfügte bei der Dresdner Bank AG ferner über ein seit November 2002 bestehendes Depot-Konto mit der Nr ...-06, dessen Guthaben
von 11.394,75 EUR am 16.07.2003 dem Konto mit der Nr. -00 gutgeschrieben wurde. Hiernach verfügte die Arbeitgeberin im Zeitpunkt
der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit noch über rund 75.000 EUR liquides Vermögen.
Aufgrund der untergegangenen Geschäftsunterlagen der Arbeitgeberin kann nicht mehr der Umfang der Schulden der Arbeitgeberin
verlässlich ermittelt werden. Allerdings hat D. M. selbst gegenüber dem Vollstreckungsbeamten des Finanzamtes Bautzen am 07.05.2003,
und damit wenige Tage nach der Übertragung der Geschäftsanteile der Arbeitgeberin auf den Zeugen H.-V., eingeräumt, dass die
Arbeitgeberin Schulden von 500.000 EUR habe, denen nur Forderungen von 200.000 EUR gegenüberstünden - ohne dass deren Werthaltigkeit
bekannt war oder seither bekannt geworden ist. Aufgrund des Geschäftsgebarens der Arbeitgeberin auch schon bei der Nichterfüllung
kleinerer Beträge kann jedoch darauf geschlossen werden, dass die Arbeitgeberin schon vor dem 31.05.2003 wegen Zahlungsunfähigkeit
(§
17 InsO) und Überschuldung (§
19 InsO) insolvent war:
Die Firma J. H. GmbH erstellte am 23.01.2003 eine an die Arbeitgeberin gerichtete Rechnung über einen Betrag von 5.404,13
EUR (bei Zahlung bis 06.02.2003) bzw. von 5.500,72 EUR (bei Zahlung bis 22.02.2003). Über den zuerst genannten Betrag stellte
D. M. für die Arbeitgeberin einen Verrechnungsscheck aus, der von der Volksbank Bautzen eG an den Einreicher am 17.02.2003
rückbelastet wurde. Ausweislich der Drittschuldnererklärung der Volksbank Bautzen eG vom 13.06.2003 wurden dort keine Konten
mehr für die Arbeitgeberin geführt. Hinsichtlich des Betrages von 5.500,72 EUR erließ das Landgericht (LG) Bautzen das Versäumnisurteil
vom 04.08.2003 mit dem Aktenzeichen 1 KfH O 467/03. Eine weitere Rechnung der Firma J. H. GmbH vom 03.02.2003 über einen Betrag von 5.302,16 EUR blieb nach Angaben der Firma
J. H. GmbH ebenfalls unbezahlt. Insoweit erging das Versäumnisurteil des LG Bautzen vom 13.06.2003 mit dem Aktenzeichen 1
KfH O 464/03. Ein Scheck über 5,60 EUR zugunsten der s. GmbH wurde im April 2003 rückgebucht. Die am 07.05.2003 durchgeführte Pfändung
durch den Vollziehungsbeamten des Finanzamts blieb im Hinblick auf Abgabenrückstände in Höhe von 25.916,22 EUR erfolglos.
Gegenüber der GEK waren bis April 2003, gegenüber der IKK Sachsen von Januar bis Mai 2003 Beitragsrückstände aufgelaufen.
Auch kleinere gegen die Arbeitgeberin bestehende Forderungen wurden nicht bezahlt (Urteil des AG Bautzen vom 18.12.2002 -
1 C 1199/02 - betreffend 417,07 EUR; Mahnbescheid des AG Bautzen - B 1060/03 - betreffend 240,19 EUR). Die die Arbeitgeberin in den Jahren 1997 bis 2000 beratende und deren Bilanzen erstellende Steuerberatungsgesellschaft
B., Dr. R. & Sch. GmbH erwirkte im Mai 2003 beim AG Bautzen einen Mahnbescheid über 5.202,77 EUR für Tätigkeiten, die das
Jahr 2001 betrafen (B 1000/03). Der Obergerichtsvollzieher M. A. gab folgende nicht ausführbare Pfändungsaufträge an: Pfändungsauftrag der Tiefbau Berufsgenossenschaft
über 6.453,00 EUR (11.11.2002 mit Ratenzahlung bis April 2003) und über 5.297,06 EUR (05.05.2003), der Gebühreneinzugszentrale
der Rundfunkanstalten über 115,96 EUR (12.11.2002), der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG 12.180,92 EUR (18.12.2002 mit einer Ratenzahlung), der Deutschen BP AG über 2.151,90 EUR (20.03.2003), der V. A. GmbH über
205,66 EUR (11.04.2003), von L. R. über 1.948,53 EUR (12.04.2003), der TÜV S. B. und B. GmbH über 2.233,74 EUR (30.04.2003),
der H.kammer D. über 280,00 EUR (05.05.2003), der V. A. GmbH über 244,77 EUR (05.05.2003). Nach der Einstellung der Betriebstätigkeit
sind noch folgende Pfändungsaufträge für Geschäfte aus der Zeit davor erteilt worden: Pfändungsauftrag von M. P. über 645,02
EUR (17.06.2003), der T. GmbH Spezialschweißtechnik über 642,37 EUR (17.06.2003), des T.-V. Sachsen über 659,27 EUR (23.06.2003).
Ebenfalls sind folgende weitere Außenstände von der Staatsanwaltschaft ermittelt worden: Forderungen der K. S. GmbH über 1.049,56
EUR. Im Laufe des Verfahrens über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldeten sich weitere Gläubiger: I. GmbH,
M. G. GmbH, Landkreis Bautzen, D. GmbH & Co. KG, P. Reifendienste Ost GmbH. M. GmbH, T. BKK, Baustoffe F. GmbH & Co. KG, (Sächsisches)
Landesamt für Finanzen, T. T. & D. Sanitärsysteme GmbH, T. -TECHNIK GmbH.
Letztmalig wurde am 28.11.2001 für das Jahr 2000 ein Jahresabschluss erstellt. Dabei wurden die Buchführung, die Unterlagen
und die Wertansätze auftragsgemäß nur eingeschränkt überprüft und ein Jahresüberschuss von 24.489,35 EUR ermittelt. Eine geordnete
Buchführung war danach nicht mehr erkennbar. Die bei der R. G. bau GmbH und später bei der GBB B. GmbH beschäftigte A. K.,
die angeblich die weiteren Jahresabschlüsse erstellen sollte, erklärte gegenüber dem AG Görlitz mit Schreiben vom 19.12.2007,
dass die Buchhaltung und Bilanzierung bei der Arbeitgeberin nie zu ihrem Aufgabenbereich gehört habe.
Sämtliche Arbeitsverhältnisse sollten zum 31.05.2003 durch außerordentliche Kündigung beendet werden. Die Arbeitsentgelte
für April 2003 wurden überwiegend nicht und für Mai 2003 überhaupt nicht mehr gezahlt. Es ergingen eine Reihe von Urteilen,
vornehmlich Versäumnisurteile, des Arbeitsgerichts Bautzen, die Kündigungsschutz- und Zahlungsklagen betrafen. Von den entlassenen
Arbeitnehmern wurden einige wieder bei der neuen Firma GSB G.- und St. GmbH beschäftigt (Schreiben der Richterin am Arbeitsgericht
D. vom 02.07.2003 an die Staatsanwaltschaft beim LG Görlitz unter Schilderung des äußeren Ablaufs der "Firmenbestattung").
Schon danach war die Arbeitgeberin insolvent. Zusätzlich und maßgeblich spricht für die Insolvenz, dass die Arbeitgeberin
einer strafrechtlich relevanten "Firmenbestattung" zugeführt wurde, um ihre Vermögensverhältnisse zu verschleiern und ein
geordnetes Insolvenzverfahren zu verhindern. Der an die S. GmbH gezahlte Betrag von 8.000,00 EUR spricht dafür, dass die Arbeitgeberin
einer "Firmenbestattung" zugeführt werden sollte. Da deren Einleitung bereits mit der Veräußerung an den - nach seiner eigenen
glaubhaften Angaben als "Strohmann" fungierenden - Zeugen H.-V. am 28.04.2003 begann, war für einen objektiven Betrachter
klar, dass bis zum 30.05.2003 auch keine Vermögenswerte bei der Arbeitgeberin mehr verbleiben würden. Für den Einsatz des
Zeugen H.-V. als "Strohmann" spricht schon der Umstand, dass er weder über betriebswirtschaftliche noch über juristische Kenntnisse
verfügte und stets den Anweisungen der S. GmbH folgte. Die Einleitung der "Firmenbestattung" mit der ersten Veräußerung am
28.04.2003 wird durch die dem Senat ebenfalls glaubhaft erscheinenden Angaben des Zeugen H.-V. bestätigt, wonach D. M. ihm
gegenüber geäußert habe, die Arbeitgeberin sei zahlungsunfähig. Dies sich deckt mit dem Umstand, dass der Zeuge H.-V den "Insolvenz-Eigenantrag"
vom 02.07.2003 gestellt haben will. Die mit der Veräußerung am 28.04.2003 vorgenommene Änderung des Unternehmensgegenstands
erfolgte ebenfalls nur pro forma. Denn tatsächlich entfaltete die insolvent gebliebene S. GmbH keinerlei Tätigkeit im Bereich
des Baustoffhandels. Sowohl D. M. als auch der Zeuge H.-V. bezweckten mit der zweifachen Veräußerung der Arbeitgeberin zum
jeweils symbolischen Preis von 1,00 EUR deren "Bestattung". Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Zeuge H.-V. glaubhaft
und anhand der beigezogenen Akten nachvollziehbar eingeräumt hat, alle 50 von ihm an J. N. veräußerten Firmen seien zahlungsunfähig
gewesen und abgewickelt worden. Zwar verursachte die Weiterveräußerung der S. GmbH für die vormaligen Geschäftsführer und
Gesellschafter nach Aussage des Zeugen H.-V. zusätzliche Kosten für eine zweite Vermittlungsprovision an die S.a GmbH. Dafür
konnten sie freilich sicher sein, eine aus ihrer Sicht besonders erfolgreiche und undurchsichtige Form der "Firmenbestattung"
gewählt zu haben. Denn der zweite Erwerber, J. N., konnte sämtliche Firmenunterlagen aufgrund seiner spanischen Anschrift
dem Zugriff der Gläubiger entziehen. Dies war auch der Grund für die Aufhebung der vorläufigen Insolvenzverwaltung durch Beschluss
des AG Dresden -Insolvenzgericht - vom 23.05.2005 - 531 IN 1657/03.
Die Insolvenz ist daher nicht erst dadurch offenbar geworden, dass die Commerzbank AG mit Schreiben vom 18.07.2003 wegen der
Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung den Überziehungskredit bezüglich des laufenden Kontokorrentkontos Nr. 8303571643-00
in Höhe von 2.625,29 EUR sowie zwei Darlehen in Höhe von 472.221,52 EUR (Konto-Nr. 8 -20) und in Höhe von 203.818,83 EUR (Konto-Nr
... -21) kündigte. Kontoinhaberin der drei Konten war die GBB B. GmbH, jedoch waren die beiden Darlehen der Arbeitgeberin,
der GBB B. GmbH und der R. G. GmbH jeweils als Gesamtschuldnern gewährt worden (Darlehensverträge vom 05.07.2000), wofür jeweils
D. M. und K.-D. M. gebürgt haben.
bb) Hinreichende äußere Tatsachen, die den Eindruck (und insofern den Anschein) ergeben, dass ein Insolvenzverfahren mangels
Masse nicht in Betracht kommen wird, liegen jedenfalls dann vor, wenn die Arbeitgeberin - wie hier - in erheblichem Umfang
ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllt, zahlreiche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen über sich ergehen lässt, zwei Monate vor
der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit ihren Arbeitnehmern kein Arbeitsentgelt mehr zahlt und im Vorfeld der Beendigung
der Betriebstätigkeit die Geschäftsanteile der Arbeitgeberin in strafrechtlich relevanter Weise auf den Zeugen H.-V. übertragen
wurden, der im Zusammenwirken mit weiteren Personen amtsbekannt als professioneller Firmenbestatter aufgetreten ist. Zwar
kann durch die "Firmenbestattung" der nicht von der Hand zu weisende und sich auch hier bewahrheitende Verdacht aufkommen,
dass noch vorhandene Teile des Vermögens, die eventuell die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt haben könnten, beiseite
geschafft wurden. Entscheidend ist aber nicht, ob der Masse Rückforderungsansprüche gegen Dritte zustehen. Vielmehr kommt
es darauf an, ob deren Durchsetzung zu erwarten ist und ob für die dazu notwendige Prozessführung ein Vorschuss auf die Kosten
des Insolvenzverfahrens geleistet werden wird. In Ermangelung besonderer Umstände ist davon auszugehen, dass "Firmenbestattungen"
Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen werden können, aber bei derartigen Sachverhalten grundsätzlich kein Gläubiger bereit
sein wird, noch erhebliche finanzielle Mittel bei wahrscheinlich geringen Quoten aufzuwenden, um Rückforderungsansprüche durch
den Insolvenzverwalter durchsetzen zu lassen. Hierin besteht gerade der Hauptzweck der "Firmenbestattung": ein geordnetes
Insolvenzverfahren unmöglich zu machen und die noch vorhandene Masse den Gläubigern dauerhaft zu entziehen. Offensichtliche
Masselosigkeit liegt danach auch dann vor, wenn alle Umstände dafür sprechen, dass im Zeitpunkt der vollständigen Beendigung
der Betriebstätigkeit kein tatsächlich vorhandenes oder alsbald realisierbares Vermögen mehr vorhanden ist und auch nicht
zu erwarten ist, dass ein Dritter die Kosten der Insolvenzverwaltung mit Blick auf die erforderlich werdende Prozessführung
zur Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen vorzufinanzieren bereit sein wird.
Am 30.05.2003 war anzunehmen, dass aufgrund der strafrechtlich relevanten Machenschaften von D. M. keine Vermögenswerte bei
der Arbeitgeberin (St. E. GmbH, umfirmiert zur S. GmbH) verblieben waren. Vielmehr war davon auszugehen, dass D. M. als Geschäftsführer
das gesamte verwertbare Vermögen der Arbeitgeberin schon vor der Insolvenzantragstellung auf die GSB G.- und St. GmbH und
andere juristische oder natürliche Personen übertragen hatte. Unter Würdigung dieser gesamten Umstände musste ein neutraler
Beobachter bei der Arbeitgeberin am 30.05.2003 dem äußeren Anschein nach von Masselosigkeit ausgehen. Es war nichts dafür
ersichtlich, dass ein Gläubiger bereit gewesen wäre, die Kosten des Insolvenzverfahrens nach §
26 Abs.
1 Satz 2
InsO vorzuschießen. Es hat sich erwartungsgemäß auch kein Gläubiger gefunden, der bereit gewesen ist, die Verteidigung der Masse
zu seiner eigenen finanziellen Angelegenheit zu machen.
cc) Dem steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin - wie bereits oben im Einzelnen dargelegt - im Zeitpunkt der vollständigen
Beendigung der Betriebstätigkeit und auch geraume Zeit danach noch über erhebliche Guthaben auf verschiedenen Konten verfügte
und diese auch unter Verletzung der Ansprüche der Gläubiger transferiert bzw. ausgezahlt wurden. Denn dieser Umstand hat sich
erst später herausgestellt und war am 30.05.2003 dem äußeren Anschein nach nicht zu erkennen. Ziel der "Firmenbestattung"
war es auch nach der überzeugenden und glaubhaften Aussage des Zeugen H.-V. gerade, den Geschäftsführern der zahlungsunfähigen
Firmen zu ermöglichen, sich einem geordneten Insolvenzverfahren entziehen zu können. Das hat aber regelmäßig nur dann einen
Sinn, wenn sie den zu "bestattenden" Firmen sämtliche Vermögenswerte zuvor entziehen konnten. Dies musste zum Zeitpunkt der
vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit verschleiert werden. Insofern waren im Nachhinein noch umfangreiche Ermittlungen
erforderlich, um herausfinden zu können, auf welchen Konten der Arbeitgeberin (unter der Firma St. E. GmbH) noch Guthaben
vorhanden waren. Im Übrigen war nicht zu erwarten, dass überhaupt auf solchen Konten (vorläufig) noch Guthaben belassen werden
würden. Man muss insoweit von einem besonders dreisten Vorgehen sprechen, das aber dem Kläger ausgehend von dem Maßstab des
Anscheins der Masselosigkeit aufgrund objektiver Umstände nicht entgegengehalten werden kann. Damit war nicht zu rechnen gewesen.
Insoweit ist dem Insolvenzgericht daher auch kein den Insg-Anspruch des Klägers beeinträchtigender Vorwurf zu machen, dass
es nicht intensiver von Amts wegen den Sachverhalt ermittelt hat.
Die Argumentation der Beklagten, der Schuldner sei abgetaucht, und ein inländischer Gerichtsstand sei nicht zu ermitteln,
verfängt aus den unter bb) genannten Gründen ebenfalls nicht.
d) Unter Zugrundelegung eines Insolvenzereignisses am 30.05.2003 hat der Kläger die Antragsfrist von §
324 Abs.
3 Satz 1
SGB III eingehalten. Denn sein Antrag auf Insg datiert vom 30.06.2003.
2. Der Kläger war, was auch im Übrigen nicht streitig ist, in der Zeit vom 01.04. bis 29.05.2003 gegen Arbeitsentgelt bei
der insolventen Arbeitgeberin beschäftigt. Dieser Anspruch wurde vom Arbeitgeber nicht erfüllt. Die Beklagte wird gemäß dem
Grundurteil des SG Dresden unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung am 10.03.2010 erklärten Klagerücknahme
die Höhe des Insg zu berechnen und festzusetzen haben. Insoweit bestätigt der Senat das Grundurteil des SG Dresden, das allerdings
in überflüssiger Weise die Beklagte zur Gewährung von Insg "in gesetzlicher Höhe" verurteilt hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§
160 Abs.
2 SGG).