Kindergeld für Pflegekind bei Vollzeitfamilienpflege; Aufnahme in den Haushalt zu Erwerbszwecken - Kindergeld; Pflegekind;
Vollzeitfamilienpflege; Haushaltsaufnahme; Erwerbszwecke; Erziehungsverein; Dienstleistungsentgelt
Tatbestand:
Der Kläger bezog Kindergeld für seine 3 leiblichen Kinder (geboren 1987, 1990 und 1992). Im April 2003 beantragte er bei der
kommunalen Familienkasse seiner Beschäftigungsbehörde -im folgenden Familienkasse - zusätzlich Kindergeld für die im Mai 1997
geborene "T" -im Folgenden: "T"- als Pflegekind. Der Kläger legte Bescheinigungen des "M" Erziehungsvereins vor, wonach er
und seine Ehefrau das Kind im Rahmen der Familienpflege (Vollzeitpflege) i. S. d. § 33 SGB VIII als Pflegekind seit 8. März 2003 auf unbestimmte Dauer in ihren Haushalt aufgenommen hätten; ihnen obliege die Erziehung,
Betreuung und Versorgung des Kindes, das aus dem natürlichen Obhutsverhältnis zu seinen leiblichen Eltern ausgeschieden sei.
Das Pflegegeld betrage monatlich 407 EUR, der Erziehungsbeitrag von grundsätzlich 195 EUR erhöhe sich bei Erziehungsstellen
- wie im vorliegenden Fall - (einschließlich eines Alterssicherungsbeitrages) auf insgesamt 690,68 EUR. Der Kläger legte ferner
einen Erziehungsstellenvertrag mit dem "M" Erziehungsverein sowie einen Pflegeelternausweis (§ 44 Abs. 1 SGB VIII) vor. Er erläuterte, die Zusammenarbeit mit dem Erziehungsverein ändere an der vollen Verantwortung für "T" nichts, sondern
solle die hohen pädagogischen und fachlichen Anforderungen an seine Familie als Erziehungsstelle sicherstellen. Die Familie
werde vom Verein regelmäßig, qualifiziert und intensiv beraten, die Teilnahme an Fortbildungskursen und Elternkreisen werde
ermöglicht, die Dokumentation der Entwicklung von "T" werde durch halbjährliche Berichte unterstützt. Die Verpflichtung zur
Kooperation gelte für beide Seiten zum Wohl des Kindes und begründe kein Weisungsrecht des Vereins. Die Aufnahme des Kindes
sei auch nicht zu Erwerbszwecken erfolgt. Die Erziehungsstellen erhielten kein Gehalt für die pädagogische Leistung, sondern
eine Aufwandsentschädigung einschließlich eines entsprechenden Alterssicherungsbeitrags.
Die Familienkasse lehnte eine Kindergeldgewährung für "T" ab (Bescheid vom 13. Februar 2004). Das bisherige Obhuts- und Pflegeverhältnis
zu den leiblichen Eltern sei nicht eindeutig beendet; sowohl der Erziehungsstellenvertrag als auch das Konzept des Landschaftsverbandes
"Q" verlangten die Förderung der Kontakte des aufgenommenen Kindes mit seiner Herkunftsfamilie. Es bestehe zwischen dem Kind
und der aufnehmenden Familie auch kein familienähnliches Band. Insbesondere sei das Kind zu Erwerbszwecken aufgenommen worden.
Der Erziehungsbeitrag (einschließlich Beitrag für die Alterssicherung) stelle eine Entlohnung der Betreuer dar. Außerdem deute
der Erziehungsvertrag darauf hin, dass der Kläger und seine Ehefrau in einem typischen Beschäftigungsverhältnis zu dem "M"
Erziehungsverein stünden, dessen Weisungen sie unterworfen seien.
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch und trug vor, ein familienähnliches Band bestehe, weil "T" Tag und Nacht in die Familie
eingegliedert sei, betreut und erzogen werde und den leiblichen Kindern gleichgestellt sei. Zu den leiblichen Eltern bestehe
kein Obhuts- und Pflegeverhältnis mehr: "T" habe vor der Aufnahme in die Familie des Klägers bereits eine wechselvolle Geschichte
zwischen Betreuung, Hilfe zur Erziehung (Pflegefamilie, Kinderhaus, Tagespflege, SPFH) und Aufenthalt bei der leiblichen Mutter
durchlebt. Bereits seit 1998 sei für "T" ein Vormund bestellt, weil die Mutter nicht in der Lage sei, das Kind zu betreuen
und zu erziehen. Kontakte zur Mutter gebe es derzeit nicht: weder habe sich die Mutter um Kontakt zu "T" bemüht noch seien
solche Besuchskontakte zur leiblichen Mutter ratsam. Das Pflegekind sei nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen, weil die Tätigkeit
des Klägers bei der Stadt die wirtschaftliche Existenz der Familie sicherstelle; die Unterbringung in Vollzeitfamilienpflege
i. S. d. § 33 SGB VIII sei keine Aufnahme zu Erwerbszwecken. Die erhaltenen Leistungen dienten der unmittelbaren Förderung der Erziehung und seien
als solche steuerfrei nach §
3 Nr. 11
EStG.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Familienkasse verneinte weiterhin ein familienähnliches Band; die Tatsache, dass für
das aufgenommene Kind besondere Erziehungsmaßnahmen erforderlich seien, die eine spezielle professionelle Qualifikation der
Erziehenden/ Betreuenden voraussetzten, widerspreche einem typischen Familiencharakter der Bindung des Kindes an die Familie
des Klägers. Wirtschaftliche und ökonomische Bindungen, die für eine familiäre Bindung typisch seien, bestünden nur zum Erziehungsverein
bzw. zum Jugendamt. Dass derzeit zur leiblichen Mutter keine Kontakte bestünden, sei wohl offensichtlich nur ein vorübergehender
Zustand, der später zu ändern wäre. Jedenfalls sei das Kind aber zu Erwerbszwecken in die Familie aufgenommen. Die Ehefrau
des Klägers leiste die überwiegende und eigentliche Erziehungsarbeit; sie betreue das Kind entsprechend ihrer beruflichen
Qualifikation und erziele Einkommen durch eine vertragsmäßige Verpflichtung zur Leistung und einer wertmäßig entsprechenden
Gegenleistung. Das Betreuungsverhältnis unterscheide sich von einem normalen Arbeitsverhältnis nur insoweit, als die Arbeitsleistung
im häuslichen Bereich erfolge und keine Arbeitszeiten vorgegeben seien.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger legt nochmals dar, dass zwischen seiner Familie und "T" eine auf Dauer angelegte
familienähnliche Bindung bestehe und dass kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen "T" und ihrer leiblichen Mutter gegeben
sei. Eine Aufnahme des Kindes zu Erwerbszwecken weist der Kläger von sich; bereits die Tatsache, dass die Familie nur 1 Pflegekind
aufgenommen habe, spreche gegen eine solche Annahme. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass für besonders entwicklungsbeeinträchtigte
Kinder (§ 33 Satz 2 SGB VIII) ein erhöhter Unterhaltsbedarf bestehe, der sich sowohl auf die materiellen Aufwendungen als auch auf die Kosten der Erziehung
beziehe; hierbei handele es sich nicht um ein Honorar oder Arbeitsentgelt. Pflegegeld einschließlich Erziehungsbeitrag seien
nicht nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten berechnet und würden nicht als leistungsgerechte Bezahlung interpretiert.
Dies zeige sich auch, wenn man den Tagessatz für Erziehungsstellen (derzeit 39,49 EUR pro Tag, davon Pflegegeld 16 EUR und
Erziehungsbeitrag 23,49 EUR) mit den marktwirtschaftlich kalkulierten Aufwendungen vergleiche, die im Falle der Heimerziehung
anfielen (pro Kind pro Tag 137 EUR bis 227 EUR bei einem Personalkostenanteil von rund 80 %).
Der Kläger beantragt,
die Familienkasse unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 13. Februar 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
7. Mai 2004 zu verpflichten, ihm Kindergeld für seine Pflegetochter "T" ab April 2003 zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest und trägt ergänzend vor, das Erfordernis einer
professionellen Erziehung für "T" (ausgebildete Erziehungsperson ist an ein konzeptionelles Betreuungssystem gebunden) führe
dazu, dass keine familienähnliche Situation vorliege, insbesondere die Eigenständigkeit bei den Erziehungsentscheidungen und
die damit verbundene Erziehungsverantwortung der aufnehmenden "Pflegeeltern" fehle. Dass es sich bei dem Erziehungsgeld um
eine typische Entlohnung für geleistete Erziehungsarbeit handele, ergebe sich aus dem Erziehungsstellenvertrag, den der Kläger
und seine Ehefrau mit dem "M" Erziehungsverein abgeschlossen hätten; dieser Vertrag sei als Dienstvertrag über ein typisches
Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren. Außerdem werde nach Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ein
Teil des Erziehungsbeitrags (soweit er die halbe monatliche Regelleistung, § 20 Abs. 2 SGB II, übersteige) bei der Berechnung
der Grundsicherung für Arbeitslose als Einkommen berücksichtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Kindergeldakte und die Schriftsätze
(nebst Anlagen) der Beteiligten im Klageverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die beklagte Stadt "E-Stadt" - im folgenden Familienkasse - hat dem Kläger das beantragte Kindergeld für das Kind "T" ab April
2003 zu Unrecht versagt und ihn hierdurch in seinen Rechten verletzt. S ist beim Kläger gemäß §
63 Abs.
1 Nr.
1 EStG für Zwecke des Kindergelds als Pflegekind i. S. d. §
32 Abs.
1 Nr.
2 EStG zu berücksichtigen.
Ein Pflegekind ist nach der Legaldefinition des §
32 Abs.
1 Nr.
2 EStG (in der Fassung des StÄndG 2003 vom 15.12.2003, die gemäß §
52 Abs.
40 EStG in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen und damit auch im Streitfall anzuwenden ist) eine Person, mit der der Steuerpflichtige
durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen
Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.
Unstreitig hat der Kläger "T" in seinen Haushalt aufgenommen. Der Kläger und seine Ehefrau sind - entgegen der Ansicht der
Familienkasse - mit "T" auch durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden. Ein familienähnliches
Band im Sinne des §
32 Abs.
1 Nr.
2 EStG bedeutet, dass das Kind wie zur Familie gehörig angesehen und behandelt wird. Dazu gehört, dass zwischen den Pflegeeltern
und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht (ständige
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, Urteil vom 20. Januar 1982 10/8b Rkg 19/80, SozR 5870 § 2 Nr. 27; FG Düsseldorf,
Urteil vom 27. Februar 1998 18 K 1354/97 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1998, 953). Die Pflegeeltern müssen für das Kind gleichsam an die Stelle der leiblichen Eltern treten, es wie ein eigenes Kind betreuen,
die wesentlichen Entscheidungen für das Kind treffen und dessen maßgebende Ansprechpartner sein (Urteile des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 20. Januar 1995 III R 14/94, BFHE 177, 359, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1995, 582 und vom 7. September 1995 III R 95/93, BFHE 179, 54, BStBl II 1996, 63). Die Beziehungen zu den Pflegeeltern müssen auch "auf längere Dauer berechnet", d. h. auf ein dauerhaftes familienähnliches
Verhältnis angelegt und nicht bloß als vorübergehende Überbrückung gedacht sein.
So ist es im Streitfall. Nach dem Willen der Beteiligten (Kläger und seine Ehefrau, Vormund des Kindes, zuständiges Jugendamt,
Erziehungsverein) war von vorne herein beabsichtigt, dass die damals 5-jährige "T", die neben schwierigen Aufenthalten bei
ihrer leiblichen Mutter mit erfolglosen Maßnahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe bereits Tagespflegeeinrichtung, Pflegefamilien
und Kinderhaus hinter sich gebracht hatte, dauerhaft in der Familie des Klägers bleiben solle, um dem Kind die Chance auf
eine Entwicklung in ein psychisch gesundes Leben zu ermöglichen. Der Kläger und seine Ehefrau haben "T" an Stelle der leiblichen
Eltern wie ein eigenes Kind betreut und erzogen. Dass ihnen nicht das Sorgerecht für "T" zustand, ist unerheblich, weil sie
"T" gerade mit ausdrücklicher Billigung des Vormundes aufgenommen haben (BFH-Urteile in BFHE 177, 359, BStBl II 1995, 582 [584] und vom 17. Dezember 1952 IV 359/52 U, BFHE 57,186, BStBl III 1953, 74; vgl. auch § 38 Abs. 1 SGB VIII).
Die hiergegen erhobenen Einwände der Familienkasse greifen nicht durch. Weder die "Professionalität" der Betreuung (d. h.
die pädagogischen Anforderungen an den Kläger bzw. seine Ehefrau, eine ausgebildete Sozialarbeiterin, und deren Verpflichtung
zu pädagogischer Fortbildung) noch die Verpflichtung zur Inanspruchnahme externer Hilfen ("Beratung und Betreuung" u. a. im
Rahmen regelmäßiger Hausbesuche) noch für den Kläger und seine Ehefrau bestehende Berichts- und Informationspflichten gegenüber
dem Erziehungsverein, dem Vormund und dem Jugendamt, ändern etwas daran, dass der Kläger und seine Ehefrau das Kind "T" versorgen,
erziehen und die "wesentlichen Entscheidungen des Alltags" (Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, §
32 EStG Rdnr. B 12) treffen. Die nachdrücklich vertretene Meinung der Familienkasse, "wirtschaftliche und ökonomische Bindungen"
des Kindes bestünden nur zum Erziehungsverein und zum Jugendamt, geht fehl: die Schulsachen und die Kleider kauft dem Kind
nicht der Erziehungsverein, das Essen kocht ihm nicht das Jugendamt. Die alltäglichen wirtschaftlichen Entscheidungen haben
der Kläger und seine Ehefrau für "T" zu treffen und zu verantworten, der Erhalt des Pflegegeldes ändert daran nichts.
Das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern des Kindes "T" besteht nicht mehr. Nach der vom Kläger vorgelegten
Darstellung des Jugendamts (Anlage 16 zur Klagebegründung vom 11.08.2004, Bl. 81 f. d. A.) hatte "T" zu ihrem leiblichen Vater
offenbar seit Geburt keinen Kontakt; das Verhältnis zur Mutter war geprägt durch deren psychische Erkrankungen (Schwangerschaftspsychose
bei der Geburt von "T", diagnostizierte Persönlichkeitsstörung, Verdacht auf Drogenkonsum, stationäre psychiatrische Aufenthalte,
Verdacht auf Kindesmisshandlung). Unter diesen Umständen wurde nach Einholung eines psychologischen Gutachtens entschieden,
"T" schnellstmöglich "inkognito" in eine Pflegefamilie oder Erziehungsstelle zu vermitteln; eine Rückführung in den mütterlichen
Haushalt wurde ausgeschlossen, weil hierin eine Gefährdung des Kindeswohls, insbesondere der seelischen Entwicklung des Kindes
gesehen wurde. Seitdem hat "T" zu ihrer leiblichen Mutter keinen Kontakt mehr. Angesichts dessen ist die Auffassung der Familienkasse,
das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu leiblichen Mutter bestehe fort, nicht nachvollziehbar.
"T" ist vom Kläger auch nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen. Die Aufnahme erfolgt zu Erwerbszwecken (sog. Kostpflege), wenn
die Pflegeeltern für die Unterbringung und Betreuung des Kindes nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten entlohnt werden
(Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, §
32 EStG Rdnr. B 16 m. w. N.). Nach den - von der Familienkasse ignorierten - Verwaltungsanweisungen ist dies erst anzunehmen, wenn
eine Pflegeperson mehr als 6 Kinder in ihren Haushalt aufgenommen hat (DA-FamEStG Tz. 63.2.2.3 Abs. 1 Sätze 5 - 7, BStBl I
2004, 742, 759; R 177 Abs. 1 Satz 6 EStR) oder ein Kinderheim oder eine entsprechende Einrichtung i. S. d. § 34 SGB VIII betreibt (vgl. DA FamEStG a. a. O. Tz. 63.2.2.3 Abs. 1 Satz 8). Dies ist im Streitfall offenkundig nicht gegeben: der Kläger
hat lediglich 1 nicht leibliches Kind in seinen Haushalt aufgenommen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen erfolgt eine Haushaltsaufnahme im Rahmen der Vollzeitfamilienpflege (§ 33 SGB VIII) nicht zu Erwerbszwecken, wenn - wie hier - das Pflegegeld und andere Mittel, die der Steuerpflichtige für den Unterhalt
einschließlich der Erziehung des Kindes erhält, insgesamt die durch Landesrecht festgelegten Sätze des zuständigen Jugendamts
(vgl. § 39 SGB VIII) nicht übersteigen. Denn in diesem Falle sind die Pflegegelder einschließlich Erziehungsbeitrag nicht nach marktwirtschaftlichen
Gesichtspunkten festgelegt. Anders als die Pflegesätze im Fall einer Heimunterbringung (§ 34 SGB VIII) enthalten die Pflegegelder bei der Unterbringung in einer Pflegefamilie (§ 33 SGB VIII) keinen pauschalierten Ersatz für Personal- und Sachkosten der Pflegeeinrichtung (BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 106/98, BFH/NV 1999, 448 und vom 23. September 1998 XI R 11/98, BFHE 187, 39, BStBl II 1999, 133 m.w.N.). Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Höhe der Pflegegelder sicherstellen, dass Pflegekinder am häufig höheren
Lebensstandard ihrer Pflegefamilien teilhaben können, ohne den Pflegeeltern größere finanzielle Opfer für die Erziehung fremder
Kinder abzuverlangen, denen gegenüber sie nicht unterhaltspflichtig sind (BTDrucks 11/5948, 76). Auch wenn Pflegegeld und
Erziehungsbeitrag einen Anreiz zur Aufnahme fremder Kinder schaffen sollen, stellen sie nach ihrem Zweck und ihrer Bemessungsgrundlage
kein nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen berechnetes Entgelt für Unterbringung und Betreuung dar; vielmehr sind die Pflegegelder
sowie ggf. einmalige Beihilfen und Zuschüsse (§ 39 Abs. 3 SGB VIII) lediglich Kostenersatz (BFH in BFH/NV 2000, 448), die Erziehungsbeiträge beinhalten, auch soweit sie bei erhöhten Anforderungen an die Betreuung und Erziehung (z. B. von
Kindern mit besonderen psychischen Beeinträchtigungen) von den Normalsätzen abweichen, eine Anerkennungsleistung, die sich
in keiner Weise an Marktpreisen orientiert. Es liegt auf der Hand, dass alleine die Personalkosten (zu Markpreisen) für die
qualifizierte Vollzeit-Tagesbetreuung eines besonders entwicklungsbeeinträchtigten Kindes den Erziehungsbetrag von derzeit
ca. 23,50 EUR pro Tag deutlich übersteigen; so beträgt z. B. der betriebswirtschaftlich kalkulierte Personalkostenanteil pro
betreutem Kind - wie der Klägervertreter nachvollziehbar dargelegt hat (Schriftsatz vom 5. April 2005, Bl. 101 d. A.) - im
Falle der Heimunterbringung zwischen 107 EUR und 198 EUR pro Tag.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29. Januar 2003 VIII R 71/00 (BFHE 201, 292, BStBl II 2003, 469) steht dem nicht entgegen. Hierin hatte der BFH über die alte Rechtslage (§
32 Abs.
1 Nr.
2 EStG 1996) zu befinden, wonach die Berücksichtigung als Pflegekind voraussetzte, dass die Pflegeeltern einen nicht unwesentlichen
Teil (zumindest 20 %) der gesamten (angemessenen) Unterhaltskosten des Kindes trugen. Während die frühere höchstrichterliche
Rechtsprechung, die Finanzverwaltung und die überwiegende Ansicht in der Literatur diese gesetzliche Einschränkung nicht auf
Fälle der Vollzeitfamilienpflege (§ 33 SGB VIII) anwenden, sondern nur auf Fälle der Aufnahme zu Erwerbszwecken ("Kostkinder") beschränkten wollten (vgl. BFH a. a. O. unter
4 a) und b)), kam der BFH zu dem Ergebnis, auch im Falle der Vollzeitfamilienpflege werde üblicherweise der gesamte Lebensbedarf
des Kindes durch die den Pflegepersonen gewährten Leistungen (Pflegegeld, Erziehungsbeitrag etc.) ausgeglichen. Der BFH wies
allerdings darauf hin, dass durch seine Entscheidung möglicherweise der materielle Anreiz für die Aufnahme von Kindern in
Pflegefamilien abgeschwächt werde. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob und auf welchem Weg er den
materiellen und immateriellen Belastungen der Pflegeeltern über die bisherigen Vorschriften hinaus Rechnung trage (BFH a.
a. O. unter 4. c) bb) ggg)). Der Gesetzgeber hat daraufhin durch das StÄndG 2003 vom 15.12.2003 die Pflegekind-Definition
des §
32 Abs.
1 Nr.
2 EStG rückwirkend für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle (§
52 Abs.
40 EStG) geändert, um Erleichterungen bei der steuerlichen Berücksichtigung von Pflegekindern zu schaffen (BT-Drucks 15/1928, 2).
Durch die Einschränkung des Pflegekind-Begriffs lediglich für Fälle der Haushaltsaufnahme "zu Erwerbszwecken" hat der Gesetzgeber
erkennbar die vor dem BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 vorhandene ganz überwiegende Rechtsauffassung nunmehr im Gesetz verankert,
um damit gerade für die Fälle der Vollzeitfamilienpflege (§ 33 SGB VIII) regelmäßig einen Kindergeldanspruch zu gewährleisten.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass der Kläger und seine Ehefrau im Zusammenhang mit der Aufnahme der "T" als
Pflegekind einen Erziehungsstellen-Vertrag mit einem Erziehungsverein abgeschlossen haben. Bei dem Vertrag handelt es sich
nicht - wie es die Familienkasse meint - um einen Dienstvertrag, bei dem der Kläger sich gegenüber dem Verein verpflichtet
hat, "T" in seiner Familie zu betreuen und hierfür eine marktübliche Gegenleistung erhält. Der Vertrag betrifft nicht den
Austausch synallagmatischer Leistungen. Der Kläger bzw. seine Ehefrau erhalten über den Erziehungsverein die landesrechtlich
festgelegten Pflegegeld- und Erziehungsbeitragssätze, die sich - wie bereits dargelegt - nicht an Marktpreisen orientieren.
Der Erziehungsverein ist zwischen Jugendamt und Erziehungsstelle (Kläger und seine Ehefrau) zwischengeschaltet, insbesondere
zum Zwecke der Beratung, Qualitätssicherung, Förderung der Fortbildung, Unterstützung bei der Dokumentation, bei der Erstellung
und Fortschreibung des Hilfeplans (§ 36 SGB VIII). Diese Zusammenarbeit wird durch den Erziehungsstellen-Vertrag näher geregelt.
Ebenso ist unerheblich, wenn ein Teil des Erziehungsbeitrags (soweit er die halbe monatliche Regelleistung, § 20 Abs. 2 SGB
II, übersteigt) bei der Berechnung der Grundsicherung für Arbeitslose als "Einkommen" der Pflegeperson berücksichtigt wird.
Denn dies bedeutet nicht, dass es sich bei dem Erziehungsbeitrag um ein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten bemessenes
Dienstleistungsentgelt handelt. Vielmehr stellt das Auskunftsschreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, auf
das sich die Familienkasse bezieht, sogar ausdrücklich klar, dass das Erziehungsgeld einen "Anerkennungsbetrag für den erzieherischen
Einsatz" darstellt. Hiervon geht auch der Senat aus.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Revisionszulassung zur Rechtsfortbildung
oder zur Sicherung der Rechtseinheit geboten. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung durch das StÄndG 2003
vom 15.12.2003 Klarheit geschaffen, was auch in den eindeutigen Verwaltungsanweisungen zum Ausdruck kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.