Kindergeld; Erstattungsanspruch; Familienkasse; Bindung; Sozialamt - Erstattungsanspruch der Familienkasse wegen Kindergeld
und Bindung an den Erstattungsantrag des Sozialamts
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes hat oder ob sein Anspruch durch die von der Familienkasse
geleistete Erstattung an den Sozialhilfeträger erfüllt ist.
Das Kindergeld für den Sohn des Klägers wurde zunächst an die Kindesmutter gezahlt, weil der Sohn im Haushalt der Kindesmutter
lebte. Nachdem der Kläger den Sohn ab Januar 2003 in seinen Haushalt aufgenommen und die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes
an sich beantragt hatte, hob die Familienkasse die Festsetzung gegenüber der Kindesmutter im April 2003 auf.
Aufgrund der geänderten Haushaltszugehörigkeit des Kindes hatte das Sozialamt unter dem Anfang April 2003 die Bedarfsberechnung
der Monate Januar bis April 2003 für den Haushalt des Klägers dahingehend geändert, dass der Haushaltsbedarf unter Berücksichtigung
des Sohnes, jedoch ohne Anrechnung von Kindergeld als Einkommen für diesen festgesetzt worden war. Den sich nach der geänderten
Berechnung ergebenden Nachzahlungsbetrag zahlte das Sozialamt jedoch nicht an den Kläger, sondern stattdessen an seinen damaligen
Vermieter aus. Diese Berechnung änderte das Sozialamt erneut unter dem 28. April 2003, in dem es nunmehr unter Anrechnung
des Kindergeldes für den Sohn für April 2003 und unter Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 76 Abs. 2 Nr. 5 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Höhe von 10,25 EUR den Bedarf für den Monat April 2003 entsprechend geringer festsetzte und den überzahlten Betrag vom
Vermieter des Klägers zurückforderte. Beide Bedarfsfestsetzungen waren nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
Aufgrund dieser für den Kläger festgesetzten Unterhaltsleistungen machte das Sozialamt zugleich unter dem 28. April 2003 gegenüber
der Familienkasse unter Vorlage der Bedarfsberechnung Erstattungsansprüche nach § 104 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) geltend.
Die Familienkasse setzte ebenfalls mit Bescheid vom 28. April 2003 für den Kläger zwar antragsgemäß Kindergeld ab Januar 2003
fest, zahlte dieses für die Monate Januar 2003 bis März 2003 wegen der geltend gemachten Erstattungsansprüche jedoch nicht
an den Kläger aus, sondern teilte ihm mit, dass der Anspruch insoweit nach §
74 Abs.
2 des Einkommensteuergesetzes (
EStG) in Verbindung mit § 107 SGB X wegen der vom Sozialamt für diesen Zeitraum geltend gemachten Erstattungsansprüche erfüllt sei.
Den hiergegen vom Kläger eingelegten Einspruch wies die Familienkasse zurück.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Kindergeld sei an ihn auszuzahlen, da das Sozialamt keinen Erstattungsanspruch
habe. Die den Zahlungen an den Vermieter zu Grunde liegende Mitteilung des Sozialamtes vom 3. April 2003 beinhalte keine Kindergeldzahlungen,
schon deshalb sei eine Erstattung der Kindergeldzahlungen an das Sozialamt unrechtmäßig. Darüber hinaus sei wegen der Bedarfsberechnung
noch nicht rechtswirksam entschieden, weil diese Mitteilung vom 3. April 2003 kein rechtsmittelfähiger Bescheid sei. Ein solcher
sei aber Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch des Sozialamts gegenüber der Familienkasse.
Ein Erstattungsanspruch bestehe auch deshalb nicht, weil er sich zu keinem Zeitpunkt einer Unterhaltspflichtverletzung schuldig
gemacht habe. Dieses sei im Verfahren vor dem Landgericht festgestellt worden.
Er meint, das Kindergeld diene der Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes und der Familie. Alle drei Kinder hätten ihren
Wohnsitz bei ihm und seien Haushaltsbeteiligte im Sinne des Wohngeldgesetzes. Er sei für seine drei Kinder sorgeberechtigt
und im Gegensatz zur Kindesmutter zum Unterhalt verpflichtet; auch aus diesem Grund sei das Kindergeld an ihn als Kindergeldberechtigten
auszuzahlen. Die vom Sozialamt erbrachte Sozialleistung sei weder an ihn noch an seinen Sohn ausgezahlt worden, deshalb seien
die Erstattungsvorschriften des SGB X nicht anwendbar. Darüber hinaus habe in Höhe des Kindergeldes keine Auszahlung an den Vermieter erfolgen dürfen.
Das Sozialamt habe zudem die Sozialhilfebedürftigkeit bewusst ausgelöst, weil es das Überbrückungsgeld widerrechtlich abgezweigt
habe. Die Bedarfsberechnung des Sozialamtes sei zudem fehlerhaft, weil bei der Bedarfsberechnung die Haushaltszugehörigkeit
seiner beiden Töchter nicht berücksichtigt worden sei. Er sei somit schlechter gestellt, als wenn das Kindergeld direkt an
ihn gezahlt worden wäre. Das Kindergeld rechne nicht als Einkommen und die an den Vermieter geleistete Zahlung des Sozialamtes
könne nicht als Kindergeldzahlung gelten. Die vom Sozialamt an den Vermieter geleistete Zahlung sei vielmehr als Abschlagszahlung
nach dem Wohngeldgesetz und nicht als Sozialleistung zu qualifizieren, insoweit fehle es an einer Gleichartigkeit der Leistungen.
Der Kläger beantragt,
... das Kindergeld an ihn auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die mit Beschluss des Gerichts vom 1. Juni 2005 Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Bescheid vom 28. April 2003 rechtmäßig sei, da das Sozialamt der Familienkasse gegenüber
nachgewiesen habe, dass für den streitigen Zeitraum ohne Anrechnung von Kindergeld für den Sohn Sozialhilfe gezahlt worden
sei. Es hält ebenso die Auszahlung des Betrages an den Vermieter des Klägers für rechtmäßig. Eine Änderung könne allenfalls
erfolgen, wenn das Sozialamt rechtsfehlerhaft gehandelt habe, einen dahingehenden Nachweis habe der Kläger jedoch nicht erbracht.
Die Beigeladene ist ebenfalls der Ansicht, dass der von ihr geltend gemachte Erstattungsanspruch rechtmäßig und der Kläger
daher keinen Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes an sich habe.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zum Teil begründet.
Die von der Familienkasse im Festsetzungs- und Abrechnungsbescheid vom 28. April 2003 getroffene Entscheidung ist insoweit
rechtmäßig, als die Erstattung unter Abzug der monatlichen Freibeträge in Höhe von 10,25 EUR für die Monate Januar bis März
geleistet worden ist.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen für eine Auszahlung des Kindergeldes an ihn für die Zeit von
Januar 2003 bis März 2003 nur in Höhe von 30,75 EUR vor. Der darüber hinausgehende, vom Sozialamt für diesen Zeitraum nach
§
74 Abs.
2 EStG in Verbindung mit § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X geltend gemachte Erstattungsanspruch besteht zu Recht mit der Folge, dass der Anspruch des Klägers gegen die Familienkasse
gemäß §
74 Abs.
2 EStG in Verbindung mit § 107 SGB X als erfüllt gilt.
a) Nach §
74 Abs.
2 EStG gelten für Erstattungsansprüche des Trägers von Sozialleistungen gegen die Familienkasse die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X entsprechend.
b) Vorliegend ist die Erstattungspflicht nicht nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erloschen, weil die Familienkasse zuvor noch nicht an den grundsätzlich kindergeldberechtigten Kläger geleistet hatte.
c) Das Sozialamt hat - sinngemäß - einen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X geltend gemacht. Hierzu hat das Sozialamt gemäß der in der Dienstanweisung des Bundesamts für Finanzen (BfF) zur Durchführung
des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) ergangenen Regelung
durch detaillierte Angaben im Erstattungsantrag darzulegen, dass ein entsprechenden Erstattungsanspruch besteht (Tz. 74.3.1
Abs. 1 DA-FamEStG). Soweit derart begründete Erstattungsforderungen nicht offensichtlich fehlerhaft sind, ist die Familienkasse
an die Entscheidung gebunden (Tz. 74.3.1 Abs. 1 Satz 8 DA-FamEStG).
Die zur Anwendung des §
74 EStG in der Dienstanweisung ergangene Verwaltungsregelung, die im Ergebnis auf eine reine Glaubhaftmachung des Erstattungsanspruchs
hinausläuft, ist sachgerecht. Es liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Familienkasse, im Rahmen der Prüfung einer Erstattung
an einen nachrangigen Leistungsträger im Einzelnen die Rechtmäßigkeit des dem Erstattungsanspruch zu Grunde liegenden Verwaltungshandels
der anderen Behörde, bzw. die Rechtmäßigkeit eines, von einer anderen Behörde erlassenen Verwaltungsaktes zu überprüfen. Daher
ist es zur Begründung des Erstattungsanspruchs der Familienkasse gegenüber ausreichend, wenn das Bestehen des Anspruchs detailliert
dargelegt wird. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Familienkasse in der Regel für eine Überprüfung der dem geltend
gemachten Anspruch zu Grunde liegenden Vorschriften zudem die Sachkenntnis im Einzelnen fehlen dürfte, ist die Regelung, dass,
solange keine offensichtlichen Fehler erkennbar sind, der Erstattungsantrag insoweit für die Familienkasse bindend ist, sachgerecht.
Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des dem Erstattungsanspruch zu Grunde liegenden Verwaltungshandelns muss den in diesem
Zusammenhang zuständigen Widerspruchsbehörden und Gerichten vorbehalten bleiben.
Der vom Sozialamt geltend gemachte Erstattungsanspruch genügt diesen - formellen - Anforderungen, indem das Sozialamt der
Familienkasse mit dem Erstattungsantrag die an den Kläger gerichtete Verfügung vom 3. April 2003 übersandt hat, aus der die
detaillierte Bedarfsberechnung für den Kläger und dessen Sohn sowie die Tatsache, dass für den Sohn bei der Berechnung keine
Anrechnung von Kindergeld als Einkommen erfolgt und ein auf dieser Grundlage ermittelter Betrag als Hilfe zum Lebensunterhalt
bewilligt worden ist, eindeutig hervorgehen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Verfügung vom 3. April 2003 ein gegenüber dem Kläger wirksam erlassener
Verwaltungsakt ist, da das Sozialamt seinen Erstattungsanspruch gegenüber der Familienkasse lediglich detailliert darlegen,
nicht aber zuvor in Form eines rechtsmittelfähigen Bescheides gegenüber dem Kläger entschieden haben muss. Unabhängig davon
sind die vom Sozialamt unter dem 3. April 2003 und unter dem 28. April 2003 erlassenen Verfügungen trotz der für Verwaltungsbehörden
unüblichen Ausführung Verwaltungsakte im Sinne des § 31 SGB X, weil das Sozialamt in diesen Verfügungen gegenüber dem Kläger Regelungen über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt
getroffen hat und diese unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfalten. Die fehlende Rechtsmittelbelehrung hat in diesem
Zusammenhang nur Auswirkung auf den Beginn des Laufs der Widerspruchsfrist (§ 62 SGB X in Verbindung mit §
58 VwGO bzw. §
66 SGG).
d) Die formelle und materielle Wirksamkeit des diesem Erstattungsanspruch zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes ist keine Anspruchsvoraussetzung
in dem Rechtsverhältnis zwischen Sozialamt und Familienkasse, weil die Familienkasse wie vorstehend ausgeführt bei einem Erstattungsanspruch
auf der Grundlage des §
74 Abs.
2 EStG in Verbindung mit § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X grundsätzlich die Rechtmäßigkeit des vom Träger erlassenen Leistungsbescheides nicht zu überprüfen hat. Somit kommt es für
die Rechtmäßigkeit des vom Sozialamt gegenüber der Familienkasse geltend gemachten Erstattungsanspruchs auch nicht darauf
an, ob die Auszahlung der Sozialhilfe an den damaligen Vermieter des Klägers zu Recht erfolgt ist. Ebenso wenig ist erforderlich,
dass der Kläger gegenüber der Familienkasse nachweist, dass das Sozialamt fehlerhaft gehandelt hat. Eine Ausnahme hiervon
besteht lediglich insoweit, als der Erstattungsantrag einen offensichtlichen Fehler enthält.
e) Der Erstattungsanspruch ist zwar nicht offensichtlich fehlerhaft, soweit es grundsätzlich das Vorliegen der Voraussetzungen
des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X betrifft, er ist es aber doch der Höhe nach, da das Sozialamt nur insoweit einen Erstattungsanspruch hat, als im Rahmen der
Bedarfsberechnung das Einkommens des Kindes unter Abzug des Freibetrags nach § 76 Abs. 2 BSHG anzurechnen gewesen ist.
aa) § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass dann, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen
des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, derjenige Leistungsträger erstattungspflichtig ist, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder
hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers
Kenntnis erlangt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt die Vorschrift neben der Nachrangigkeit
des zuvor Leistenden die Gleichartigkeit der Leistungen der beiden Leistungsträger voraus, weil nach dem gesetzlichen Tatbestand
ein Erstattungsanspruch nur ausgelöst werden kann, wenn der erstleistende Träger eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen
zweiten Trägers erfüllt hat. Das ist der Fall, wenn beide Leistungen in der Weise gleichartig sind, dass sie demselben Zweck
dienen. (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2004 VIII R 57/04 BFH/NV 2005, 862 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG).
bb) Das Sozialamt ist grundsätzlich ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger. Das folgt aus § 2 Abs. 2 SGB XII, der den
Nachrang der Sozialhilfe feststellt und u.a. bestimmt, dass Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltsverpflichteter
oder der Träger anderer Sozialleistungen unberührt bleiben und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer nicht deshalb
versagt werden dürfen, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
cc) Bei der vom Sozialamt mit Verfügung vom 3. April 2003 gewährten Leistung handelt es sich um eine dem Kindergeld zweckgleiche
Leistung, da beide Leistungen der Sicherung des Existenzminimums des Kindes und der Förderung der Familie dienen. Diese Schlussfolge
ergibt sich auch eindeutig aus § 82 SGB XII und entsprechend aus dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden § 76 BSHG, die Art. und Umfang des bei der Bedarfsermittlung anzurechnenden Einkommens bei der Ermittlung des Bedarfs regeln und festlegen,
dass bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen ist, soweit es bei diesem zur Deckung
des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird (§ 82 SGB XII) bzw. zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert außer
den dort genannten Ausnahmen unter Berücksichtigung der in § 76 Abs. 2 BSHG genannten Freibeträge zählen (§ 76 Abs. 1 BSHG). Entgegen der Ansicht des Klägers ist Kindergeld damit grundsätzlich als Einkommen anspruchsmindernd auf die Sozialhilfe
anzurechnen mit der Folge, dass sich der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X richtet (vgl. Kater in Kassler Kommentar zum SGB, SGB X § 104 Rz. 58, 61 m.w.N..).
(1) Die Nichtberücksichtigung des bei Anrechnung des Kindergeldes dem Kind nach § 76 Abs. 2 BSHG zustehenden Freibetrags in Höhe von 10,25 EUR monatlich, in Höhe dessen das Sozialamt nicht als nachrangig verpflichteter
Träger geleistet hat und der den Erstattungsanspruch des Sozialamts in dieser Höhe folglich mindert, ist dagegen ein offensichtlicher
Fehler mit der Folge, dass die Beklagte gemäß Tz. 74.3.1 Abs. 1 Satz 8 DA-FamEStG insoweit nicht an den Erstattungsantrag
gebunden ist.
Für die Beantwortung der Frage, inwieweit der Erstattungsanspruch offensichtlich fehlerhaft ist, ist auf die der Familienkasse
vorliegenden Unterlagen abzustellen. Zwar konnte die Familienkasse aus dem Bescheid vom 3. April 2003 nicht erkennen, dass
der üblicherweise bei der Anrechnung von Einkommen außer Ansatz bleibende Freibetrag des Kindes nach § 76 Abs. 2 BSHG nicht berücksichtigt worden war. Diese Anrechnung ging jedoch deutlich aus dem, den Bewilligungsbescheid vom 3. April 2003
ändernden Bescheid des Sozialamtes vom 28. April 2003 hervor, sodass die Familienkasse auch nach ihren Erkenntnismöglichkeiten
die Fehlerhaftigkeit des auf dem ursprünglichen Bescheid vom 3. April 2003 beruhenden Erstattungsantrags ohne Weiteres ersehen
konnte. Insoweit ist die Familienkasse nicht an den Erstattungsantrag des Sozialamtes gebunden und der dem Sozialamt zu erstattende
Betrag ist in diesem Umfang herabzusetzen gewesen.
dd) Aus dem Inhalt der Verfügung des Sozialamts geht eindeutig der Wille der Behörde hervor, Hilfe zum Lebensunterhalt zu
leisten, weil ausdrücklich mitgeteilt wird, dass über das Wohngeld noch entschieden werden soll. Schon deshalb kann entgegen
der Ansicht des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass der errechnete und an den Vermieter überwiesene Betrag ein Abschlag
auf Leistungen nach dem Wohngeldgesetz gewesen ist.
ee) Da sowohl die Gleichartigkeit der Leistungen des Sozialamts und der Familienkasse als auch die Nachrangigkeit der Leistungsverpflichtung
des Sozialamts - allerdings nur in Höhe eines um den monatlich Freibetrag in Höhe von 10,25 EUR verringerten Betrages - gegeben
sind, ist entgegen der Ansicht des Klägers der Erlass eines anfechtbaren Bescheides nicht erforderlich. Die Notwendigkeit
zum Erlass eines Kostenbeitragsbescheides ergibt sich nur dann, wenn ein Erstattungsanspruch unter den Voraussetzungen des
§
74 Abs.
2 EStG in Verbindung mit § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X geltend gemacht wird, weil es in diesem Fall an der Gleichartigkeit der Leistungen fehlt (DA-FamEStG § 74 Tz. 74.3.1 Abs.
1; BFH-Urteil vom 7. Dezember 2004 VIII R 57/04 BFH/NV 2005, 862 m.w.N.).
Soweit der Kläger meint, dass die im Bescheid vom 3. April 2003 vorgenommene Bedarfsberechnung aus verschiedensten Gründen
inhaltlich fehlerhaft sei, ist dieses Vorbringen, wie vorstehend bereits ausgeführt, nicht entscheidungserheblich. Die Entscheidung
über die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der mit Bescheid vom 3. April 2003 vom Sozialamt vorgenommenen Bedarfsfestsetzung
ist im Rahmen der Erstattung zwischen den Leistungsträgern nicht im Einzelnen zu prüfen und im finanzgerichtlichen Verfahren
nur insoweit von Bedeutung, als diese zur Begründung des detaillierten Erstattungsantrags mit vorgelegt wird und aus ihr hervorgeht,
ob die Bedarfsermittlung von Seiten des Sozialhilfeträgers unter Anrechnung von Kindergeld als Einkommen des Kindes - unter
Abzug eines entsprechenden Freibetrages nach § 76 Abs. 2 BSHG (innerhalb der Geltungsdauer des BSHG) erfolgt ist oder nicht. Aus dem Bescheid vom 3. April 2003 geht eindeutig hervor, dass die Bedarfsberechnung ohne Berücksichtigung
von Kindergeldzahlungen vorgenommen worden ist. Soweit in dem Änderungsbescheid vom 28. April 2003 die Kindergeldzahlung für
April 2003 nachträglich als Einkommen angerechnet worden ist, hat dieses keine Auswirkung auf die für den streitigen Erstattungsanspruch
maßgeblichen Monate Januar 2003 bis März 2003.
Ebenso kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob das Sozialamt befreiend an den Vermieter des Klägers zahlen konnte, weil
die Streitigkeiten über die Auszahlung der Sozialhilfe ohne Auswirkung auf die einzig maßgebliche Frage ist, inwieweit Kindergeld
bei der Bedarfsfestsetzung zur Anrechnung gekommen ist. Aus diesem Grunde kann das Gericht auch davon absehen, durch die Vernehmung
des ehemaligen Vermieters des Klägers Beweis über die Frage zu erheben, mit welchem Verwendungszweck die Zahlung an den Vermieter
gekennzeichnet gewesen ist.
Da das Sozialamt keine Abzweigung des Kindergeldes nach §
74 Abs.
1 EStG begehrt, sondern den Erstattungsanspruch auf §
74 Abs.
2 EStG in Verbindung mit § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X stützt, kommt es entgegen der Ansicht des Klägers ebenfalls nicht darauf an, ob der Kläger seiner Unterhaltspflicht nachgekommen
ist. Eine etwaige Unterhaltspflichtverletzung ist nur in Fällen der Abzweigung nach §
74 Abs.
1 EStG von Bedeutung; deshalb kann auch eine Entscheidung dahingehend, dass der Kläger seine Unterhaltspflicht nicht verletzt hat,
keine andere Entscheidung in der Sache begründen.
II. Die Revision ist zur grundsätzlichen Klärung der Frage, inwieweit die Erstattung unter Leistungsträgern nach § 74 Abs. 2 in Verbindung mit § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgrund bloßer detaillierter Darlegung eines Anspruchs durch den nachrangigen Leistungsträger erfolgen kann und die erkennbare
Nichtberücksichtigung von Freibeträgen ein offensichtlicher, die Familienkasse nicht bindender Fehler im Sinne von Tz. 74.3.1
Abs. 1 Satz 8 DA-FamEStG ist, zugelassen worden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie §§ 135 Abs. 3, 139 Abs. 4 FGO. Der Kläger hat die Kosten in Höhe seines Unterliegens zu tragen. Der Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, da sie
keine Anträge gestellt hat; aus diesem Grunde kommt auch keine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in
Betracht.