Sozialhilferecht: Nachrangigkeit des Hilfeanspruchs bei zumutbarer Teilzeitbeschäftigung
Gründe:
Die -- zulässige -- Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag
auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Antragstellerin erreichen will, ergänzende Sozialhilfe über den Februar
1992 hinaus zu erhalten, zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß die Voraussetzungen für
den Erlaß der von ihr begehrten einstweiligen Anordnung im Sinne von §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO vorliegen.
Der Antragsgegner hat die der Antragstellerin und ihren beiden 1983 und 1984 geborenen Kindern gewährte ergänzende Hilfe zum
Lebensunterhalt von zuletzt monatlich 433,00 DM -- bei hier gebotener summarischer Betrachtungsweise -- zu Recht mit der Begründung
ab März 1992 eingestellt, sie weigere sich, sich dem Arbeitsmarkt für eine Teilzeitbeschäftigung zur Verfügung zu stellen,
wobei in dem Einstellungsbescheid vom 18. Februar 1992 zum Ausdruck kam, daß allenfalls für ihre Kinder Hilfe zum Lebensunterhalt
gewährt werden könne, wenn die Unterhaltszahlungen nicht ausreichten.
Sozialhilfe erhält nur der, wer sich nicht selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere
von Angehörigen erhält (§ 2 Abs. 1 BSHG). Die Antragstellerin kann sich selbst helfen. Sie kann nämlich den zusätzlich erforderlichen Familienunterhalt -- der getrennt
von der Antragstellerin lebende Ehemann ist bisher nur bereit, monatlich 1.500,00 DM für den Unterhalt der Antragstellerin
und ihrer beiden minderjährigen Kinder zu leisten -- in zumutbarer Weise selbst verdienen.
Die Antragstellerin hat es zu Unrecht als unzumutbar abgelehnt, sich beim Arbeitsamt um einen Nachweis für eine Teilzeitbeschäftigung
zu bemühen, so daß auch nicht geprüft werden konnte, ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe
oder Arbeitslosengeld besteht (vgl. Bl. 84 d. BA.).
Ob hier ein weitergehender und vorrangig durchzusetzender Unterhaltsanspruch (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG) gegenüber dem Ehemann der Antragstellerin besteht, kann dahinstehen. Die Antragstellerin hat einerseits glaubhaft gemacht,
daß sie Unterhaltsklage gegen ihren Ehemann wegen Leistungen in Höhe von wenigstens dem sozialhilferechtlichen Bedarf erhoben
hat, zum anderen -- durch Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Ehemanns vom
19. August 1991 in der die starke Überschuldung ihres Ehemannes dargestellt wird --, daß der geltend gemachte Unterhaltsanspruch
gegenwärtig kaum realisierbar sei. Die Realisierung von Leistungsverpflichtungen Dritter ist ein Weg der Möglichkeit der Selbsthilfe,
deren Einsatz vom Sozialhilfeträger gefordert werden kann, bevor ein Anspruch auf Sozialhilfe entsteht.
Ein anderer Weg ist der Einsatz der eigenen Arbeitskraft zur Beseitigung der Bedürftigkeit im Rahmen des § 18 Abs. 1 BSHG. Allerdings darf einem Hilfesuchenden unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 BSHG eine Arbeit nicht zugemutet werden. In diesem Zusammenhang beruft sich die Antragstellerin vor allem darauf, daß durch die
Aufnahme der von ihr geforderten Teilzeitarbeit die geordnete Erziehung ihrer Kinder gefährdet werde (§ 18 Abs. 2 Satz 3 BSHG). Dem kann aus folgenden Gründen nicht zugestimmt werden:
Die beiden Kinder der Antragstellerin, für die ihr das elterliche Sorgerecht nach der Trennung von ihrem Ehemann übertragen
wurde, sind schulpflichtig. Das jüngste Kind ist derzeit acht Jahre alt. Während ihrer durch die Schulpflicht bedingten Abwesenheit
hat die Antragstellerin die Möglichkeit, einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Eine Teilzeitbeschäftigung in dem aufgezeigten
zeitlichen Rahmen läßt nicht erwarten, daß Erziehungsdefizite eintreten. Die beiden Kinder der Antragstellerin sind auch nicht
mehr so jung, daß sie nicht in der Lage wären, sich kurzzeitig in der Wohnung der Antragstellerin ohne Beaufsichtigung aufzuhalten,
etwa wenn bei vorzeitigem Unterrichtsschluß oder bei Unterrichtsausfall es sich wegen einer von der Antragstellerin ausgeübten
Teilzeitbeschäftigung nicht einrichten läßt, daß die Antragstellerin jeweils zu Hause anwesend ist.
Ob darüber hinaus der Antragstellerin zumutbar ist, die beiden Kinder mit Rücksicht auf eine von ihr ausgeübte Erwerbstätigkeit
für kurze Zeiten im Haushalt ihres Ehemannes unterzubringen, der sich mit seiner jetzigen Lebensgefährtin in der Nähe der
früheren gemeinsamen Wohnung der Eheleute eine Wohnung gemietet hat, kann unentschieden bleiben. Das Jugendamt des Antragsgegners
hat zwar Feststellungen dahin getroffen, daß der Ehemann der Antragstellerin regelmäßige Kontakte mit den Kindern unterhalte
und auch die Betreuung der Kinder durch seine Lebensgefährtin dem Wohl der Kinder nicht entgegenstünde; es bestünden also
insgesamt keine Bedenken gegen eine tägliche kurzfristige Betreuung im Haushalt des Ehemannes der Antragstellerin. Diese Betreuung
würde nach Auffassung des Senats aber nur dann notwendig sein, wenn sie im Zusammenhang mit der Zubereitung einer Mahlzeit
(Mittagessen) stünde. Da aber davon auszugehen sein wird, daß eine vormittägliche Teilzeitbeschäftigung der Antragstellerin
so rechtzeitig abgeschlossen werden kann, daß sie in der Lage ist, mit ihren Kindern gemeinsam das Mittagessen einzunehmen,
kommt es nicht darauf an, ob es ihr zuzumuten ist, daß ihre Kinder gegebenenfalls im jetzigen Haushalt ihres Ehemann betreut
werden.
Der Hinweis der Antragstellerin auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Erwerbsobliegenheit von Alleinerziehenden überzeugt
nicht. Abgesehen davon, daß im vorliegenden Verfahren der Einsatz von öffentlichen Mitteln in Rede steht, so daß ein strengerer
Maßstab angezeigt sein kann als bei der in den von der Antragstellerin beispielhaft genannten Entscheidungen aufgeworfenen
Frage der Unterhaltsverpflichtungen des Kindsvaters, hat auch der Bundesgerichtshof (vgl. Urteil vom 24. November 1982, NJW
1983, 933) entschieden, daß schulpflichtige minderjährige Kinder den betreuenden Elternteil nicht ohne weiteres an der Aufnahme jeglicher
Beschäftigung hindern, vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles eine Teilzeitarbeit bis hin zur Halbtagsbeschäftigung
in Frage kommt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin bis zur Trennung von ihrem Ehemann
erwerbstätig war. Sie konnte diese Tätigkeit zwar in dem in ihrer Wohnung liegenden Büro ihres Ehemannes ausüben, so daß daneben
auch der Haushalt geführt werden konnte. So ganz unbedeutend, wie sie es nunmehr darstellt, dürfte diese Tätigkeit aber nicht
gewesen sein, da sie aus ihr immerhin ein Monatsgehalt von 2.300,00 DM bezogen hat (vgl. das Schreiben des Ehemannes der Antragstellerin
an ihren Bevollmächtigten vom 05. Juli 1991).
Eine andere und davon unabhängige Frage ist, ob der Antragstellerin, wie sie meint, vom Arbeitsamt eine zumutbare Teilbeschäftigung
-- die im übrigen nicht schon dann unzumutbar ist, wenn die in § 18 Abs. 3 Satz 3 BSHG aufgezeigten Kriterien gegeben sind -- deswegen nicht angeboten werden kann, weil sich allenfalls nur außerhalb ihres Wohnortes
ein Arbeitsplatz finden lasse, was sich aber bei Angewiesensein auf öffentliche Verkehrsmittel wegen der schlechten Verbindungen
zeitlich außerordentlich schwierig gestalten werde. Ob diese Auffassung zutrifft, läßt sich nicht beurteilen, solange sich
die Antragstellerin weigert, sich in dem von ihr zu fordernden Umfang dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Das Verlangen
des Antragsgegners, die Abdeckung des den Unterhaltsbeitrag des Ehemannes der Antragstellerin übersteigenden sozialhilferechtlichen
Bedarfs von ihrer Bereitschaft abhängig zu machen, sich dem Arbeitsmarkt für eine Teilzeitarbeit zur Verfügung zu stellen,
ist mithin berechtigt (§ 25 Abs. 1 BSHG).