Sozialhilferecht: Umfang der einmaligen Leistung, Notwendiger Lebensunterhalt und Kabelfernsehen, Krankenkostenzulagen
Gründe:
I.
Mit Antrag vom 30. September 1991 machte die Antragstellerin, die keine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, beim Sozialamt
der Antragsgegnerin einen im einzelnen aufgeschlüsselten Bekleidungsbedarf von 1.180,00 DM geltend. Außerdem begehrte sie
aus Sozialhilfemitteln die Übernahme der Kosten für die Reinigung und Wartung ihres Gasboilers und für die Abdichtung eines
Wasserhahns. Mit Bescheid vom 23. Oktober 1991 (geändert durch Bescheid vom 29. Oktober 1991) lehnte die Antragsgegnerin den
Antrag mit der Begründung ab, der geltend gemachte Bekleidungsbedarf sei als überhöht anzusehen. Im übrigen überstiegen die
Renteneinkünfte der Antragstellerin den sozialhilferechtlichen Bedarf erheblich, so daß entsprechende Ansparungen hätten gemacht
werden können. Die Gewährung von Beihilfen sei daher nur im Ausnahmefall bei Nachweis des Einsatzes des übersteigenden Einkommens
möglich.
Gegen den Bescheid vom 23. Oktober 1991 hat die Antragstellerin am 28. Oktober 1991 Widerspruch eingelegt. Gegen den Bescheid
vom 29. Oktober 1991 hat sie keinen Widerspruch eingelegt. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Mit ihrem am 05. November 1991 gestellten Antrag auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin ihr ursprüngliches
Begehren weiterverfolgt und ausgeführt, daß sich ihr überschießendes Einkommen im November 1991 auf lediglich 47,46 DM und
ab 01. Dezember 1991 auf 26,46 DM monatlich belaufe. Der im Bescheid vom 29. Oktober 1991 von der Antragsgegnerin errechnete
Überschreitungsbetrag von monatlich 60,36 DM treffe nicht zu.
Die Antragsgegnerin ist dem Begehren der Antragstellerin unter Hinweis auf die festgestellte erhebliche Bedarfsüberschreitung
entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 09. Dezember 1991 der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben,
der Antragstellerin eine Bekleidungsbeihilfe in Höhe von 329,00 DM zu gewähren und ferner die Kosten für die Wartung des Gasboilers
und für die Reparatur eines defekten Wasserhahnes zu übernehmen. Im übrigen hat es den Antrag auf den Erlaß einer einstweiligen
Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht dargelegt, daß die Antragsgegnerin zwar den Bedarf an Bekleidung
nicht bestreite, sondern ihn lediglich für überhöht betrachtet habe, ohne allerdings die geltend gemachte Überhöhung zu substantiieren.
Andererseits habe die Antragstellerin ihren angeblich höheren (sozialhilferechtlich relevanten) Bedarf nie genau beschrieben.
Es werde daher davon ausgegangen, daß unter Berücksichtigung eines den hundertzehnprozentigen Bedarf überschreitenden Einkommens
von 60,36 DM im Monat sich die Antragstellerin diesen Betrag entsprechend der Praxis der Antragsgegnerin hätte für drei Monate
anrechnen lassen müssen. Von dem geltend gemachten Bekleidungsbedarf sei die Jogginghose (100,00 DM) und der zweite geltend
gemachte Pullover abzusetzen. Im übrigen könne unter Heranziehung der aktuellen Anzeigebeilagen der Tageszeitungen von folgenden
Preisen ausgegangen werden:
Winterpullover/Baumwolle 75,00 DM,
dicker Schlafanzug 45,00 DM,
warme Unterwäsche (2 Garnituren) 60,00 DM,
2 Hosen 160,00 DM.
Von dem so ermittelten Gesamtpreis sei der oben genannte Übersteigungsbetrag für 3 Monate von 181,00 DM abzuziehen, so daß
sich der Anspruch auf Bekleidungsbeihilfe auf 329,00 DM belaufe.
Die Kosten für die Wartung des Boilers und die Reparatur des Wasserhahns seien als einmalige Beihilfe zu übernehmen, da kein
Zweifel bestehe, daß derartige Wartungs- und Erhaltungsarbeiten grundsätzlich den Mietern überbürdet würden.
Gegen den ihr am 10. Dezember 1991 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin am 16. Dezember 1991 Beschwerde eingelegt
und gerügt, daß das Verwaltungsgericht von einem überhöhten überschießenden Einkommen ausgegangen sei. Dabei habe es bei der
Berechnung des sozialhilferechtlichen Bedarfs außer acht gelassen, daß die Kabelpostgebühr von monatlich 12,90 DM Bestandteil
der Miete sei und sie krankheitsbedingte Mehrausgaben habe. Außerdem könne kein Wintermantel unter einem Preis von 270,00
DM erworben werden. Schließlich weigere sich die Antragsgegnerin, den ihr - der Antragstellerin - zuerkannten Betrag in bar
auszuzahlen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 09. Dezember 1991 der Antragsgegnerin durch
Erlaß einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die vom Verwaltungsgericht berechnete Bekleidungsbeihilfe in voller Höhe (520,00
DM) und einen weiteren Betrag für den Wintermantel von 100,00 DM in bar zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie hält die Anrechnung eines Eigenanteils nach § 21 Abs. 2 BSHG in der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Höhe für gerechtfertigt. Insbesondere sei bei Berechnung des sozialhilferechtlichen
Bedarfs eine Krankenkostzulage nur in Höhe von 154,00 DM zugrundezulegen. Das Absetzen der Kabelpostgebühr sei gerechtfertigt.
Ein Anspruch auf eine Erhöhung des Betrages für den Wintermantel um 100,00 DM bestehe nicht, zumal die Antragstellerin bei
ihrer Vorsprache im Sozialamt am 14. Januar 1992 einen der Jahreszeit angemessenen Mantel getragen habe, der keinen verschlissenen
Eindruck gemacht habe. Über die Gewährung der vom Verwaltungsgericht zuerkannten Beihilfe in Form von Gutscheinen könne der
Verwaltungsgerichtshof nicht erstinstanzlich entscheiden. Da die Antragstellerin im übrigen nach eigenem Bekunden in der Vergangenheit
wiederholt Geldbeträge verloren habe, sei es ermessensfehlerfrei, wenn beabsichtigt sei, der Antragstellerin für die jetzt
zuerkannte Beihilfe Gutscheine auszuhändigen. Im ersten Quartal des Jahres 1992 sei die Antragstellerin schon dreimal an sie
- die Antragsgegnerin - mit der Bitte um Sozialhilfeleistungen herangetreten, weil sie Geldbeträge verloren habe, bzw. ihr
Geld entwendet worden sei.
II.
Die - zulässige - Beschwerde ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß die Voraussetzungen
für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Sinne von §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO über das vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluß Zuerkannte hinaus vorliegen.
Der Umstand, daß die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 29. Oktober 1991 keinen Widerspruch eingelegt hat, berührt das
für den Antrag auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht. Denn der Bescheid vom
29. Oktober 1991 korrigiert den Bescheid vom 23. Oktober lediglich dahin, daß ein höherer Unterkunftsbedarf angesetzt wird,
weil im vorangegangenen Bescheid die Kabelpostgebühr versehentlich doppelt von der Miete abgesetzt wurde. Im übrigen ist in
vollem Umfang auf den mit fristwahrendem Widerspruch angefochtenen Bescheid Bezug genommen worden.
Im Beschwerdeverfahren ist zunächst streitig, ob der vom Verwaltungsgericht der Antragstellerin zuerkannte Bekleidungsbedarf
ohne Anrechnung eines Eigenanteils oder mit einem geringeren als vom Verwaltungsgericht berechneten Eigenanteil abzudecken
ist. Dabei stellt die Antragstellerin im wesentlichen darauf ab, daß ihr sozialhilferechtlicher Bedarf höher anzusetzen sei
als von der Antragsgegnerin und vom Verwaltungsgericht angenommen.
Einmalige Leistungen wie Bekleidungsbeihilfen sind auch dann zu gewähren, wenn der Hilfesuchende, der keine laufenden Leistungen
zum Lebensunterhalt benötigt, den Lebensunterhalt jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll beschaffen kann (§ 21 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Der Antragstellerin kann eine Bekleidungsbeihilfe als einmalige Leistung nur dann zustehen, wenn bei Berechnung des monatlichen
Überschreitungsbetrages (§ 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG) die Kosten für den geltend gemachten und anzuerkennenden Bekleidungsbedarf nicht bereits bei der Ermittlung des laufenden
sozialhilferechtlichen Bedarfs berücksichtigt worden sind. Wie dem Senat aus zahlreichen Verwaltungsstreitverfahren bekannt
ist, berücksichtigt die Antragsgegnerin bei einmaligen Leistungen gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG zusätzlich neben dem Einkommen, das der Antragstellerin in dem Monat der behördlichen Entscheidung zur Verfügung steht, das
Einkommen, das diese innerhalb der beiden nächsten Monaten zu erwarten hat.
Der sozialhilferechtliche Bedarf der Antragstellerin umfaßt neben dem Regelsatz, dem Unterkunftbedarf (Miete einschließlich
Betriebskosten- und Heizkostenvorauszahlung) und dem Mehrbedarf nach § 23 Nr. 2 BSHG einen Betrag für kostenaufwendigere Ernährung nach § 23 Abs. 4 BSHG wegen Diabetes mellitus. Der bisher von der Antragsgegnerin als Ausgleich des Mehraufwands angesetzte Monatsbetrag von 154,00
DM ist jedoch zu niedrig bemessen, wie der Senat bereits in seinem der Antragsgegnerin bekannten Beschluß vom 27. Juni 1991
(9 TG 1258/91) entschieden hat. Der Senat hat die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Kleinere Schriften Nr. 48, 2. unveränderte Auflage 1976) sowie
den darauf beruhenden Erlaß des Hessischen Sozialministers vom 27. November 1975 (StAnz. 1976, 22) in ständiger Rechtsprechung
als geeignete sachverständige Hilfe bei der Beurteilung betrachtet, für welches Krankheitsbild und in welcher angemessenen
Höhe ein Mehrbedarf für kostenaufwendigere Ernährung nach § 23 Abs. 4 Nr. 2 BSHG anzuerkennen ist (vgl. Urteil vom 26. Januar 1988, 9 UE 858/84, FEVS 37, 451 ff.). Der in diesen Empfehlungen ermittelte
Mehrbedarf ist allerdings den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen. In den Empfehlungen des Deutschen Vereins ist bei
Diabetes mellitus von Mehrausgaben gegenüber dem Ernährungsaufwand im Warenkorb der Regelsätze von monatlich 109,00 DM ausgegangen
worden, und zwar auf der Basis des Jahres 1973. Das Bedarfsmengenschema (Warenkorb) ist zwar nicht mehr ausschließlich für
die Bemessung des Regelbedarfs nach Regelsätzen maßgebend (vgl. hierzu Lehr- und Praxiskommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 3. Auflage, Rdnr. 16 zu § 22). Gleichwohl hält es der Senat für sachgerecht, auf der Basis der Empfehlungen des Deutschen Vereins aufbauend und unter
Berücksichtigung der seither eingetretenen Preisentwicklung die Beträge für kostenaufwendigere Ernährung fortzuschreiben.
Er hat sich dabei zunächst daran orientiert, daß die Kosten für Nahrungsmittel in Zwei-Personen-Haushalten von Renten- und
Sozialhilfeempfängern von 1973 bis 1986 um 51 % gestiegen sind (Beschluß des Senats vom 27. Juni 1991, 9 TG 1258/91 unter
Hinweis auf den Lehr- und Praxiskommentar zum Bundessozialhilfegesetz a.a.O. § 23 Rdnr. 28). Nach dem Statistischen Jahrbuch für das vereinte Deutschland 1991, Seite 608, waren die monatlichen Ausgaben für
Nahrungsmittel im oben genannten Haushaltstyp im Jahre 1986 mit einem Index von 100,3, für Januar 1991 mit einem Index von
105,6 und für Februar 1991 mit einem Index von 106,2 anzusetzen. Der Senat schätzt, daß sich der Index im Jahr 1991 wenigstens
auf 107 erhöht hat (vgl. auch Beschluß vom 25. Februar 1992, 9 TG 1957/91). Legt man dies zugrunde, dann ergibt dies, auf
1973 bezogen, eine Steigerung von 100 % auf 161 %. Der 1973 maßgebende Monatsbetrag für kostenaufwendigere Ernährung von 109,00
DM ist somit heute bei Berücksichtigung der entsprechenden Preissteigerungen mit etwa 175,00 DM anzusetzen. In dieser Höhe
hält der Senat Mehrausgaben für Krankenkost bei Diabetes mellitus gegenüber dem Ernährungsaufwand im Regelsatz für gerechtfertigt.
Dabei legt er zugrunde, daß die Preissteigerungen für diätetische Nahrungsmittel denen der übrigen Nahrungsmittel weitgehend
entsprechen.
Auch in dem oben zitierten Beschluß vom 27. Juni 1991 ist der Senat von einer Steigerungsrate etwa in gleicher Höhe ausgegangen.
Ohne daß sich dies letztlich im Ergebnis ausgewirkt hätte, ist allerdings ein wesentlich höherer fortgeschriebener Mehrbedarf
für kostenaufwendigere Ernährung bei Diabetes mellitus errechnet worden. Dies war jedoch darauf zurückzuführen, daß als Bezugszeitpunkt
versehentlich nicht das Jahr 1973, sondern das Jahr 1975 herangezogen worden ist.
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen eine derartige Hochrechnung von Krankenkostzulagen mit der Begründung, der Ernährungsanteil
im Regelsatz betrage nach dem inzwischen gültigen Statistikmodell 50 %. Dies bedeute, daß beim gegenwärtig gültigen Regelsatz
der der Antragstellerin zuerkannte Mehrbedarfszuschlag von monatlich 154,00 DM fast 65 % des gesamten Ernährungsanteiles ausweise.
Daher sei nur der 154,00 DM übersteigende jeweils nachgewiesene zusätzliche Ernährungsbedarf anzuerkennen. - Abgesehen davon,
daß diese Form der Ermittlung des angemessenen Mehrbedarfs der Sicherstellung der Gleichbehandlung der Hilfesuchenden bei
der Anwendung des Gesetzes - "in angemessener Höhe" - nicht gerecht wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Juni
1976, FEVS Band 24, S. 441, 444), ist darauf hinzuweisen, daß auch der von der Antragsgegnerin anerkannte Monatsbetrag von
154,00 DM nichts anderes als ein "hochgerechneter" Betrag ist, der unter Berücksichtigung von statistisch ermittelten Kostensteigerungen
auf den Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahre 1973 bzw. auf dem Erlaß des Hessischen Sozialministers aus dem Jahre
1975 basiert. Der Senat kann entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht auf eine Hochrechnung des angemessenen
Mehrbedarfs deswegen verzichten, weil es sich lediglich um ein einstweiliges Anordnungsverfahren handelt. Denn auch in einem
Verfahren nach §
123 VwGO ist gegebenenfalls zu prüfen, ob ein Anspruch besteht. Das ist aber im Rahmen des § 21 Abs. 2 BSHG nur möglich, wenn das entsprechende Zahlenmaterial - gegebenenfalls hochgerechnet - vorhanden ist.
Weiterer von der Antragstellerin geltend gemachter Mehraufwand wegen ihrer Allergie kann ebensowenig als feste Größe innerhalb
des sozialhilferechtlichen Bedarfs eingesetzt werden wie die von ihr geltend gemachten, aber nur sporadisch belegten Ausgaben
für Alkohol und Tupfer, die nur dann als regelsatzerhöhend angesetzt werden könnten, wenn glaubhaft gemacht werden könnte,
daß regelmäßige Ausgaben in bestimmter Höhe unabweisbar entstünden, die - wie dies etwa bei Alkoholtupfern (vgl. § 2 der Verordnung
über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13.
Dezember 1989, BGBl. I S. 2237) der Fall ist - von dritter Seite nicht erstattet werden. Die Antragstellerin hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, daß ein
derartiger regelsatzerhöhender sozialhilferechtlicher laufender Bedarf besteht. Sie hat zwar von der Konstabler Apotheke im
Hause Hertie in Frankfurt am Main bestätigt erhalten, daß sie monatlich über diese Apotheke Purzellin-Tupfer und Alkohol zu
30,00 DM beziehe. Die Antragstellerin hat jedoch nicht glaubhaft machen können, daß der Aufwand für diese ärztlich verordneten
Mittel nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet wird. Denn nach der oben zitierten Verordnung vom 13. Dezember
1989 sind nur Alkoholtupfer (luftdicht verpackte mit Alkohol getränkte Tupfer, etwa: "Alkomed") von der Versorgung ausgeschlossen.
Im übrigen bestünden auch Bedenken gegen die Notwendigkeit der Ausgaben in dieser Höhe, weil 1000 Purzellin-Tupfer in einer
Apotheke maximal 16,29 DM (im Diabetiker-Spezialversand sogar weniger als 12,00 DM) kosten und 200 ml 70 %iger Alkohol für
8,98 DM zu erhalten sind, wie eine telefonisch eingeholte Apothekenauskunft ergab. Da Tupfer und Alkohol verwendet werden
können, um vor und nach Setzen einer Insulinspritze die Einspritzstelle steril zu machen, dürfte der Vorrat von 1000 Tupfern
und 200 ml Alkohol wesentlich länger als einen Monat für die Versorgung der Antragstellerin ausreichen.
Soweit es den von der Antragstellerin geltend gemachten Mehraufwand wegen der bei ihr festgestellten Allergie betrifft, den
die Antragstellerin mit monatlich 300,00 DM für besondere Kosmetika, antiallergische Bekleidung und Gebrauchsgegenstände beziffert,
ist nicht einmal im Ansatz glaubhaft gemacht, daß krankheitsbedingte laufende Mehrausgaben in der von der Antragstellerin
genannten Höhe erforderlich sind.
Andererseits ist es nicht zu beanstanden, wenn der Unterkunftsbedarf um 12,90 DM monatlich für die von der Vermieterin eingezogene
Kabelpostgebühr gekürzt wird. Zwar ist das Haus, in dem die Antragstellerin wohnt, auf Wunsch der Mehrheit der Mieter an das
Kabelnetz der Bundespost angeschlossen worden. Nach Auskunft der Vermieterin zahlen daher alle Mieter, die mit der Verkabelung
in ihrer Wohnung einverstanden waren, die monatliche Gebühr. Der Aufwand für die Teilnahme am Kabelnetz der Bundespost zählt
jedoch nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne von § 12 BSHG. Die Antragstellerin kann durch den Einbau einer Sperrdose die Verkabelung ihrer Wohnung wieder rückgängig machen.
Hiernach war folgende Berechnung gemäß § 21 Abs. 2 BSHG geboten:
Monate Oktober November Dezember 1991
Regelsatz 475,00 475,00 475,00
MBZ § 23 Abs. 1 Nr. 2 BSHG 95,00 95,00 95,00
MZB § 23 Abs. 4 Nr. 2 BSHG 175,00 175,00 175,00
Miete 549,60 648,30 648,30
abzüglich Kabelpostgebühr 12,90 12,90 12,90
+ Antennengebühr 1,00 1,00 1,00
abzüglich Wohngeld 92,00 92,00 71,00
Gesamtbedarf 1.190,70 1.289,40 1.289,40
abzüglich Erwerbsunfähigkeits-
rente 1.375,26 1.375,26 1.375,26
übersteigendes Einkommen 184,56 86,86 64,86
+ 10 % des Regelsatzes 47,50 47,50 47,50
bereinigtes übersteigendes
Einkommen 137,06 38,36 17,36
Die Behördenentscheidung, die im Rahmen des § 21 Abs. 2 BSHG ergeht, kann bei der Berechnung des sozialhilferechtlichen Bedarfs und des Einkommens für den nach § 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG maßgebenden Zeitraum verständlicherweise nur von einer Prognose ausgehen, bei der allerdings in diesem Zeitraum sicher zu
erwartende Änderungen schon zu berücksichtigen sind. Ob dies vorliegend hinsichtlich der Mieterhöhung (ab November 1991) und
der Senkung des auf den Unterkunftsbedarf anzurechnenden Wohngeldes (ab Dezember 1991) schon im Zeitpunkt der Entscheidung
festgestanden hat, kann dahinstehen. Denn bei der Überprüfung der Entscheidung der Behörde ist auf die Rechts- und Sachlage
im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen. Daher sind hier ohne weiteres auch Änderungen des nach §
21 Abs. 2 Satz 2 BSHG zu berücksichtigenden Einkommens Rechnung zu tragen, die sich aus den tatsächlich eingetretenen und bei Erlaß des Grundbescheids
noch nicht bekannten Änderungen in der Bedarfs- oder Einkommenslage ergeben.
In den maßgebenden drei Monaten ist somit ein Betrag von 192,78 DM anzusetzen, der von dem vom Verwaltungsgericht ermittelten
Bekleidungsbedarf abzusetzen ist. Da der nach den Berechnungen des Senats maßgebende Übersteigungsbetrag höher ist als der
vom Verwaltungsgericht angesetzte und sich das Verwaltungsgericht bei Ermittlung des Gesamtbedarfs (520,00 DM) noch um 10,00
DM zugunsten der Antragstellerin verrechnet hat, hat die Antragstellerin keinen Anspruch, der über den ihr zuerkannten Betrag
von 329,00 DM für Bekleidungsbeihilfe hinausgeht.
Soweit sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde gegen die Auffassung der Antragsgegnerin wendet, der für die Bekleidungsbeihilfe
zuerkannte Betrag könne in Form von Gutscheinen zur Verfügung gestellt werden, hat die Antragsgegnerin zutreffend geltend
gemacht, daß das Verwaltungsgericht über die Art der Gewährung der zuerkannten Leistung keine Aussage getroffen hat. Der Senat
sieht jedoch in dem Begehren der Antragstellerin, den ihr zuerkannten Betrag (und den weiterhin mit der Beschwerde begehrten
Betrag) bar ausgezahlt zu bekommen, eine Antragserweiterung im Sinne einer für sachdienlich gehaltenen Änderung (§
91 Abs.
1 VwGO in entsprechender Anwendung). Diese somit zulässige Antragsänderung kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.
Nach § 4 Abs. 2 BSHG hat der Sozialhilfeträger über Form und Maß der Sozialhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, soweit dieses Gesetz
das Ermessen nicht ausschließt. Aus dem Würdeprinzip des § 1 Abs. 2 BSHG ist zu folgern, daß dem erwachsenen Menschen die Möglichkeit gelassen wird, im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zustehenden
Mittel seine Bedarfsdeckung frei zu gestalten. Der Hilfeempfänger hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, ihm zustehende
Leistungen in Form von Barleistungen und nicht in Form von Gutscheinen oder durch Sachleistungen zu erhalten. Indes richten
sich Art, Form und Maß der Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach der Person des Hilfeempfängers
(§ 3 Abs. 1 BSHG). Hiernach ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin der Antragstellerin, die - wie gerichtsbekannt - schon mehrfach
größere Geldbeträge verloren hat und die darüber hinaus immer wieder geltend gemacht hat, es seien ihr Geldbeträge entwendet
worden, in einem Einzelfall wie dem vorliegenden statt des ihr zuerkannten Geldbetrags Wertgutscheine in entsprechender Höhe
aushändigt. Damit ist gewährleistet, daß jedenfalls dieser Betrag nicht verlorengeht oder abhandenkommt (vgl. auch Beschluß
des erkennenden Senats vom 20. Januar 1988, 9 TG 4067/87).