Ausgestaltung der Schrankenspezialität beim Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften; Spezialität der Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV im Verhältnis zu Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG; Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses; Wahrung der unmittelbaren
Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag
Gründe
A.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, in welchem Umfang die arbeitsvertragliche Festlegung glaubensbezogener
Loyalitätserwartungen durch einen kirchlichen Arbeitgeber und die Gewichtung eines durch den Arbeitnehmer hiergegen begangenen
Verstoßes im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens der eigenständigen Überprüfung und Beurteilung seitens der staatlichen
Gerichte zugänglich sind.
I.
1. Die Arbeit im sozial-karitativen Sektor, vor allem in der Kranken- und Altenpflege, der Behindertenbetreuung sowie der
Kinder- und Jugenderziehung stellt neben der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Eucharistie einen Tätigkeitsschwerpunkt
der christlichen Kirchen dar. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt dabei entweder unmittelbar durch kirchliche Untergliederungen
oder durch rechtlich verselbständigte Vereinigungen und Einrichtungen, die überwiegend in den Wohlfahrtsverbänden der Caritas (römisch-katholische Kirche) und der Diakonie (evangelische Landeskirchen) zusammengeschlossen sind. Die Wohlfahrtsverbände und die einzelnen Träger der Einrichtungen
sind regelmäßig als juristische Personen des Privatrechts organisiert. Deren ideelle und organisatorische Verbindungen zur
jeweiligen Kirche werden meist durch Satzungsbestimmungen geregelt, die die inhaltliche und personelle Ausrichtung auf die
verfasste Kirche festlegen.
Seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der kirchlichen Arbeitnehmer sprunghaft angewachsen. Ursachen
dieser Entwicklung sind zum einen die gesellschaftlich bedingte Ausweitung kirchlich getragener Tätigkeiten, vor allem im
Bereich der Wohlfahrtspflege, die eine zunehmende Professionalisierung der Mitarbeiter erforderte, zum anderen die kontinuierlich
abnehmende Zahl der Angehörigen von Orden und ähnlichen Gemeinschaften, die früher zahlreiche Sozial- und Bildungseinrichtungen
betrieben hatten (vgl. Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665 <672
f.>). Aufgrund dieser Entwicklung erwies es sich für die Kirchen als unausweichlich, in großem Umfang auch fremdkonfessionelle
und nichtchristliche Arbeitnehmer in den kirchlichen Dienst einzubeziehen, um den steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften
zu decken.
2. Der Gesamtheit des kirchlichen Dienstes liegt nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen das Leitbild der Dienstgemeinschaft
zugrunde (vgl. hierzu bereits: BVerfGE 53, 366 <403 f.>; 70, 138 <165>). Es beschreibt die kirchenspezifische Besonderheit ihres Dienstes, die sich auf ein Gemeinschaftsverhältnis
zwischen kirchlichem Arbeitgeber und kirchlichem Arbeitnehmer bezieht und auf die religiöse Bindung des Auftrags kirchlicher
Einrichtungen gerichtet ist. Grundgedanke der Dienstgemeinschaft ist die gemeinsam getragene Verantwortung aller im kirchlichen
Dienst Tätigen -sei es als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, leitend oder untergeordnet, verkündigungsnah oder unterstützend
- für den Auftrag der Kirche (vgl. Keßler, in: Festschrift für Wolfgang Gitter, 1995, S. 461 <465>).
Nach dem Selbstverständnis der Kirchen erfordert der Dienst am Herrn die Verkündigung des Evangeliums (Zeugnis), den Gottesdienst
(Feier) und den aus dem Glauben erwachsenden Dienst am Mitmenschen (Nächstenliebe). Wer in Einrichtungen tätig wird, die der
Erfüllung eines oder mehrerer dieser christlichen Grunddienste zu dienen bestimmt sind, trägt demnach dazu bei, dass diese
Einrichtungen ihren Teil am Heilswerk Jesu Christi leisten und damit den Sendungsauftrag seiner Kirche erfüllen können (vgl.
Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 4 Rn. 10; Zweites Vatikanisches Konzil, Apostolicam Actuositatem <"Dekret über das Laienapostolat">, Art. 2, zum römisch-katholischen Verständnis).
3. Zum Schutz der Integrität der Dienstgemeinschaft und zur Wahrung der Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung
in der Öffentlichkeit nehmen kirchliche Arbeitgeber für sich in Anspruch, arbeitsvertraglich gegenüber ihren Arbeitnehmern
besondere Loyalitätserwartungen einzufordern, um die Beachtung der tragenden Grundsätze ihrer jeweiligen Glaubens- und Sittenlehre
zu gewährleisten.
a) Diese sogenannten Loyalitätsobliegenheiten begründen nicht vertragliche Nebenpflichten in Bezug auf die Erbringung der
rechtsgeschäftlich zugesagten Dienstleistung, sondern betreffen allgemein das -auch außerdienstliche - Verhalten des Arbeitnehmers
(vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 6 Rn. 24, m.w.N.). Ihnen fehlt regelmäßig die "Qualität erzwingbarer
Rechtspflichten" (BVerfGE 70, 138 <141>). Ihre Missachtung durch den Arbeitnehmer führt jedoch unter Umständen dazu, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
mit dem illoyalen Mitarbeiter für den kirchlichen Arbeitgeber unzumutbar wird und ihn zur Kündigung berechtigt.
b) Inhalt und Umfang der arbeitsrechtlichen Loyalitätsobliegenheiten können sich über die gesetzlichen Kündigungsvorschriften
auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses auswirken. Im Falle der Verletzung einer Loyalitätsobliegenheit kommt sowohl eine
ordentliche (§ 1 Abs. 1 KSchG) als auch eine außerordentliche (§
626 Abs.
1 BGB) Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Ab Mitte der 1970er Jahre entwickelte sich unter sukzessiver Aufgabe früherer
Ansätze in der Rechtsprechung (vgl. BAGE 2, 279 ff.) eine neue höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Festlegung besonderer Loyalitätsobliegenheiten
nur noch für solche kirchlichen Arbeitnehmer möglich sein sollte, deren Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem kirchlichen
Verkündigungsauftrag stand (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 1978 - 1 AZR 70/76 -, [...], Rn. 33; Urteil vom 4. März 1980 - 1 AZR 125/78 -, [...], Rn. 26; Urteil vom 14. Oktober 1980 - 1 AZR 1274/79 -, [...], Rn. 43 ff.; Urteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 -, [...], Rn. 36 f.; Urteil vom 23. März 1984 - 7 AZR 249/81 -, [...], Rn. 39; Urteil vom 31. Oktober 1984 - 7 AZR 232/83 -, [...], Rn. 32). Die Feststellung, ob eine solche "kirchenspezifische" Tätigkeit im konkreten Einzelfall vorlag, sollte
hierbei - in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Kündigung von Tendenzträgern in Tendenzbetrieben - der vollumfänglichen Überprüfung
durch die staatlichen Arbeitsgerichte unterliegen (vgl. nur: BAG, Urteil vom 14. Oktober 1980 - 1 AZR 1274/79 -, [...], Rn. 45; Urteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 -, [...], Rn. 36 f.).
c) Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat durch Beschluss vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) festgestellt, dass diese arbeitsgerichtliche Rechtsprechung gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art.
140 GG i.V.m. Art.
137 Abs.
3 WRV) verstößt und den verfassten Kirchen grundsätzlich die verbindliche Entscheidung darüber zugesprochen, was "die Glaubwürdigkeit
der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches
die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind und was als - gegebenenfalls schwerer - Verstoß gegen diese
anzusehen ist. An diese Einschätzung seien die Arbeitsgerichte gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch
"zu Grundprinzipien der Rechtsordnung" (so BVerfGE 70, 138 <168>; vgl. auch: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Januar 2001 - 1 BvR 619/92 -, [...]; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. März 2002 - 1 BvR 1962/01 -, [...]).
d) Für die römisch-katholische Kirche verabschiedete die Gesamtheit der deutschen (Erz-)Bischöfe am 22. September 1993 eine
Fortschreibung der "Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst" (nachfolgend: Erklärung) sowie die "Grundordnung
des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" (nachfolgend: Grundordnung, GrO), durch die in Ausübung
des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts die verfassungsgerichtlich anerkannten Freiräume durch eine eigene kirchenrechtliche
Regelung in einer zugleich rechts- und sozialstaatlichen Anforderungen genügenden Weise ausgefüllt werden sollten (vgl. Dütz,
NJW 1994, ,S. 1369 <1369>). Ausgehend vom Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft setzt die Grundordnung die grundlegenden Aussagen der
Erklärung zur Eigenart des kirchlichen Dienstes, zu den Anforderungen an Träger und Leitung kirchlicher Einrichtungen sowie
an die Mitarbeiter, zur Koalitionsfreiheit und zum besonderen Regelungsverfahren zur Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung
ihrer Arbeitsverhältnisse (sogenannter Dritter Weg) sowie zum gerichtlichen Rechtsschutz normativ um.
Die wesentlichen Vorschriften der Grundordnung betreffend die Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und die arbeitsrechtliche
Ahndung von Verstößen hiergegen lauten:
Art. 1. Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes
Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche
Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft).
Alle Beteiligten, Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, müssen anerkennen und ihrem
Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig
sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.
Art. 3. Begründung des Arbeitsverhältnisses
(1) Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart
des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die
vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht
werden.
(2) Der kirchliche Dienstgeber kann pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer
Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört.
(...)
(5) Der kirchliche Dienstgeber hat vor Abschluss des Arbeitsvertrages durch Befragung und Aufklärung der Bewerberinnen und
Bewerber sicherzustellen, dass sie die für sie nach dem Arbeitsvertrag geltenden Loyalitätsobliegenheiten (Art. 4) erfüllen.
Art. 4. Loyalitätsobliegenheiten
(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens-
und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze
der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
(2) Von nichtkatholischen christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte
des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.
(...)
(4) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen
Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt
sind, nicht gefährden.
Art. 5. Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten
(1) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber durch
Beratung versuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu
prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z. B.
Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung
in Betracht.
(2) Für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Loyalitätsverstöße als schwerwiegend
an:
Verletzungen der gemäß Art. 3 und 4 von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu erfüllenden Obliegenheiten, insbesondere
Kirchenaustritt, öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z.B. hinsichtlich der Abtreibung)
und schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen,
Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe,
Handlungen, die kirchenrechtlich als eindeutige Distanzierungen von der katholischen Kirche anzusehen sind, vor allem Abfall
vom Glauben (Apostasie oder Häresie gemäß Can. 1364 § 1 iVm. Can. 751 CIC), Verunehrung der heiligen Eucharistie (Can. 1367
CIC), öffentliche Gotteslästerung und Hervorrufen von Haß und Verachtung gegen Religion und Kirche (Can. 1369 CIC), Straftaten
gegen die kirchlichen Autoritäten und die Freiheit der Kirche (insbesondere gemäß den Can. 1373, 1374 CIC).
(3) Ein nach Abs. 2 generell als Kündigungsgrund in Betracht kommendes Verhalten schließt die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung
aus, wenn es begangen wird von pastoral, katechetisch oder leitend tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind. Von einer Kündigung kann ausnahmsweise abgesehen werden,
wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.
(4) Wird eine Weiterbeschäftigung nicht bereits nach Abs. 3 ausgeschlossen, so hängt im Übrigen die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung
von den Einzelfallumständen ab, insbesondere vom Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtung,
von der Belastung der kirchlichen Dienstgemeinschaft, der Art der Einrichtung, dem Charakter der übertragenen Aufgabe, deren
Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauftrag, von der Stellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters in der Einrichtung sowie
von der Art und dem Gewicht der Obliegenheitsverletzung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob eine Mitarbeiterin oder ein
Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt.
(5) (...) Im Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe scheidet
eine Weiterbeschäftigung jedenfalls dann aus, wenn sie unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der
Kirche beeinträchtigenden Umständen geschlossen wird (z. B. nach böswilligem Verlassen von Ehepartner und Kindern).
e) Vergleichbare Regelungen existieren in den meisten evangelischen Landeskirchen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) hat nach dem Vorbild der Grundordnung die "Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit
in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Diakonischen Werkes der EKD" vom 1. Juli 2005 erlassen.
II.
1. Die Beschwerdeführerin ist kirchliche Trägerin des katholischen V.-Krankenhauses in D. . Seit dem 1. Januar 2000 beschäftigt
sie dort den katholischen Kläger des Ausgangsverfahrens (nachfolgend: Kläger) als Chefarzt der Abteilung ..... . Dessen durchschnittliches
Bruttogehalt betrug zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung ...... Euro monatlich.
a) Der Dienstvertrag vom 12. Oktober 1999 betont in seiner Präambel die nach katholischem Verständnis zwischen allen in einer
kirchlichen Einrichtung Tätigen bestehende Dienstgemeinschaft, die von den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre
getragen werden soll und verweist zur Ausgestaltung dessen auf die Grundordnung sowie weitere außervertragliche Regelungen:
Grundlage des Vertrages
Das V.-Krankenhaus ist ein katholisches Krankenhaus.
Mit diesem Krankenhaus erfüllt der Träger eine Aufgabe der Caritas als eine Lebens- und Wesensäußerung der Katholischen Kirche.
Mitarbeiter im Krankenhaus leisten deshalb ihren Dienst im Geist christlicher Nächstenliebe. Dienstgeber und alle Mitarbeiter
des Krankenhauses bilden ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit und Stellung eine Dienstgemeinschaft, die vom Dienstgeber und allen
Mitarbeitern die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit fordert und ohne Einhaltung
der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre keinen Bestand haben kann.
In Anerkennung dieser Grundlage und unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen
Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.93 (Amtsblatt des Erzbistums Köln, S. 222), der Grundordnung
für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 05.11.96 (Amtsblatt des Erzbistums Köln, S. 321), der Satzung des
Krankenhauses und dem Organisationsstatut in den jeweils geltenden Fassungen wird folgendes vereinbart: (...)
b) § 10 des Dienstvertrages enthält nähere Bestimmungen über die Dauer und Beendigung des Arbeitsverhältnisses:
§ 10 Vertragsdauer
(1) Der Dienstvertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
(...)
(4) Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach §
626 BGB bleibt unberührt. Als wichtige Gründe zählen u. a. insbesondere:
1. (...)
2. ein grober Verstoß gegen kirchliche Grundsätze, z. B. Erklärung des Kirchenaustritts, Beteiligung an einer Abtreibung,
Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft.
c) In der Präambel des Dienstvertrages wird auf die Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom
5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 Bezug genommen. Diese bestimmt in Buchstabe A Ziffer 6 Satz 2 die Dienststellung
als Abteilungsarzt als leitende Aufgabe im Sinne der Grundordnung:
A. Zuordnung zur Kirche
6. Für den Träger ist die auf der Grundlage der Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst erlassene "Grundordnung
des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993" nebst Änderungen und Ergänzungen
verbindlich. Als leitend tätige Mitarbeiter im Sinne der genannten Grundordnung gelten die Mitglieder der Krankenhausbetriebsleitung
und die Abteilungsärzte. (...)
2. a) Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und zu Beginn des Dienstverhältnisses war der Kläger nach katholischem Ritus in
erster Ehe verheiratet. Ende 2005 trennten sich die Ehepartner. Zwischen 2006 und 2008 lebte der Kläger mit einer neuen Lebensgefährtin
zusammen. Nach den späteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dieses ehelose Zusammenleben dem damaligen Geschäftsführer
der Beschwerdeführerin spätestens seit Herbst 2006 bekannt. Anfang 2008 wurde die erste Ehe des Klägers nach staatlichem Recht
geschieden.
b) Im August 2008 heiratete der Kläger seine Lebensgefährtin standesamtlich. Hiervon erfuhr die Beschwerdeführerin im November
2008. Eine kirchenrechtliche Annullierung der ersten Ehe war bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgesprochen worden.
c) In der Folgezeit fanden zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger mehrere Gespräche über die Auswirkungen seiner zweiten
Heirat auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses statt. Hierbei teilte der Kläger der Beschwerdeführerin mit, dass er ein
kirchengerichtliches Verfahren zur Annullierung seiner ersten Ehe beantragt habe. Er beabsichtige nicht, die eheliche Gemeinschaft
mit seiner ersten Ehefrau wiederherzustellen. Nach Anhörung der bestehenden Mitarbeitervertretung kündigte die Beschwerdeführerin
das Arbeitsverhältnis im März 2009 ordentlich mit Wirkung zum 30. September 2009.
3. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht D. . Mit Urteil vom 30. Juli 2009 - 6 Ca 2377/09 - stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden sei und verurteilte
die Beschwerdeführerin zur Weiterbeschäftigung des Klägers.
Das Arbeitsgericht vertrat die Auffassung, dass bis zum Abschluss des schwebenden Annullierungsverfahrens vor der kirchlichen
Gerichtsbarkeit nicht feststehe, ob dem Kläger durch die Eheschließung ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß vorzuwerfen sei.
Zwar habe der Kläger unstreitig das Verbot der neuen Ehe während eines schwebenden Annullierungsverfahrens (Can. 1085 § 2
CIC) missachtet. Ein Verstoß gegen diese - nach Auffassung des Gerichts als bloße Ordnungsvorschrift zu qualifizierende -
Vorgabe sei jedoch in der Grundordnung nicht als schwerwiegender Loyalitätsverstoß genannt und damit ungeeignet, einen Grund
für die verhaltensbedingte Kündigung darzustellen. In Anbetracht dessen sei die Kündigung auch als unverhältnismäßig anzusehen.
Es sei der Beschwerdeführerin zuzumuten gewesen, die Entscheidung über das Annullierungsverfahren vor Ausspruch der Kündigung
abzuwarten.
4. Die hiergegen von der Beschwerdeführerin eingelegte Berufung wurde durch das Landesarbeitsgericht D mit Urteil vom 1. Juli
2010 - 5 Sa 996/09 - zurückgewiesen.
a) Das Gericht nahm zwar an, dass das Verhalten des Klägers grundsätzlich einen geeigneten Kündigungsgrund darstelle. Insbesondere
könne sich dieser entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht auf das schwebende Annullierungsverfahren berufen. Auch
ein Verstoß gegen Can. 1085 § 2 CIC sei generell geeignet, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
b) Allerdings falle die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG gebotene Interessenabwägung zu Lasten der Beschwerdeführerin aus. Diese habe den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
nicht ausreichend beachtet und den Kläger hierdurch in unzulässiger Weise benachteiligt. Nach den Feststellungen der Kammer
habe die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit zumindest zwei geschiedenen Chefärzten katholischer Konfession nach Wiederverheiratung
nicht gekündigt. Dabei sei es unbeachtlich, dass einer der Fälle bereits 30 Jahre zurückliege und in dem anderen Fall die
Kündigung nur unterblieben sei, weil die zweite Ehe des Arbeitnehmers erst einen Monat vor dessen altersbedingtem Ausscheiden
aus dem Dienst bekannt geworden sei. Das Verhalten der Beschwerdeführerin zeige jedenfalls, dass sie in der Vergangenheit
offenbar bereit gewesen sei, vergleichbare Verstöße unter bestimmten Umständen zu tolerieren.
c) Zudem habe die Beschwerdeführerin ihr Kündigungsrecht verwirkt. Es sei ihr verwehrt, sich auf den Kündigungsgrund der ungültigen
zweiten Ehe zu berufen, da sie jahrelang den gleichwertigen Kündigungsgrund des "Lebens in eheähnlicher Gemeinschaft" akzeptiert
oder zumindest toleriert habe. Der Kläger habe in Anbetracht der Untätigkeit der Beschwerdeführerin über einen Zeitraum von
mehr als drei Jahren darauf vertrauen können, dass sein privates Verhalten zu keinerlei arbeitsrechtlichen Sanktionen mehr
führen und die Beschwerdeführerin auf einen gleichwertigen Loyalitätsverstoß ("ungültige Ehe") ebenfalls nicht mit einer Kündigung
reagieren werde.
5. Die Revision der Beschwerdeführerin zum Bundesarbeitsgericht wies dieses durch Urteil vom 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - zurück.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers dürfte das Kündigungsrecht der Beschwerdeführerin nicht verwirkt sein, da eine Kündigung
mit "illoyaler" Verspätung nicht vorliege. Die Beschwerdeführerin habe nach Kenntnis von der Wiederverheiratung noch das in
der Grundordnung vorgesehene Beratungsgespräch mit dem Kläger durchführen und verschiedene Gremien (Aufsichtsrat, Generalvikariat)
beteiligen müssen. Es sei nicht zu beanstanden, dass sie angesichts der weitreichenden Folgen dabei umsichtig und ohne Hast
vorgegangen sei. Letztlich komme es auf eine etwaige Verwirkung des Kündigungsrechts indes nicht an. Die Kündigung sei sozial
ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
b) Der Kläger habe allerdings durch die Wiederverheiratung gegen seine Loyalitätsobliegenheit aus dem Arbeitsvertrag (§ 10
Abs. 4 Nr. 2) und gegen die darin in Bezug genommene Grundordnung (Art. 5 Abs. 2 GrO) verstoßen.
Das Verlangen der Beschwerdeführerin nach Einhaltung der Vorschriften der katholischen Glaubens- und Sittenlehre stehe im
Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar könne sich der Kläger auf das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit
(Art.
2 Abs.
1 GG) sowie auf den Schutz der Ehe (Art.
6 Abs.
1 GG) berufen, die auch die Freiheit umfassten, eine zweite Ehe nach staatlichem Recht einzugehen. Dabei stehe die private Lebensgestaltung
in der Regel außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und werde durch arbeitsvertragliche Pflichten nur insoweit eingeschränkt,
wie sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirke und dort zu Störungen führe. Diese Grundrechte könnten
jedoch zu Gunsten des ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV) eingeschränkt werden, auf das sich die Beschwerdeführerin als der Kirche zugeordnete karitative Einrichtung berufen
könne. Die Festlegung bestimmter Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag durch den kirchlichen Arbeitgeber stelle
eine Ausübung des "verfassungskräftigen" Selbstbestimmungsrechts dar. Die Frage, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als
Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richte sich nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben,
die verbindlich bestimmen könnten, welche Schwere einzelnen Loyalitätsverstößen zukomme und ob innerhalb der im kirchlichen
Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätsanforderungen stattfinde. Die Arbeitsgerichte hätten die vorgegebenen
kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung einzelner Loyalitätsanforderungen zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht
der Kirche anerkenne, hierüber selbst zu befinden.
Durch die Eingehung seiner zweiten Ehe habe der Kläger den Grundsatz der Unauflöslichkeit der 30 Ehe verletzt. Dieser zähle
zu den wesentlichen Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Für "leitend tätige" Mitarbeiter scheide nach
der maßgeblichen kirchlichen Vorgabe (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GrO) eine Weiterbeschäftigung in diesem Falle aus.
c) Die nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotene Abwägung der beiderseitigen Interessen führe jedoch zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin die Fortführung
des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei.
aa) Zu ihren Gunsten wiege die unverkennbare Schwere des Loyalitätsverstoßes. Die Beschwerdeführerin habe als katholische
Einrichtung das vom
Grundgesetz gestützte Recht, auch als solche zu wirken und in Erscheinung zu treten. Sie verstehe ihr karitatives Tun im Sinne der Erfüllung
eines religiösen Auftrages. Nach der katholischen Sittenlehre sei die Unauflöslichkeit der Ehe Teil der umfassenden, nicht
verfügbaren und einheitlichen Auffassung vom Menschen als Geschöpf Gottes. Dass sich Menschen aufgrund einer sie verbindenden
religiösen Auffassung zusammenfänden und ihre Angelegenheiten nach Maßstäben ordnen könnten, die nicht vom Staat oder der
jeweils herrschenden öffentlichen Meinung über die Natur des Menschen korrigiert werden dürften, werde auch durch Art. 9 und 11 EMRK geschützt.
bb) In seinem Gewicht entscheidend geschwächt werde das Interesse der Beschwerdeführerin an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
jedoch durch drei Umstände, aus denen hervorgehe, dass sie selbst die Auffassung vertrete, einer ausnahmslosen Durchsetzung
ihrer sittlichen Ansprüche zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit nicht immer zu bedürfen.
(1) So könne die Beschwerdeführerin erstens nach Art. 3 Abs. 2 GrO auch nichtkatholische Personen mit leitenden Tätigkeiten
betrauen. Die Beschwerdeführerin sei insofern durch die Grundordnung nicht gezwungen, ihr "Wohl und Wehe" bedingungslos mit
dem Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter für die katholische Sittenlehre zu verknüpfen.
(2) Durch diese Rechtslage sei es zweitens auch zu erklären, dass die Beschwerdeführerin mehrfach Chefärzte beschäftigt habe
beziehungsweise noch beschäftige, die als Geschiedene erneut geheiratet hätten. Es handele sich hierbei überwiegend um nichtkatholische
Arbeitnehmer und katholische Arbeitnehmer in besonderen Lebenslagen, denen gegenüber sie von vornherein nicht die strenge
Befolgung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verlange. Hierin liege zwar - in Abweichung von der Einschätzung des
Landesarbeitsgerichts - kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Andererseits werde hierdurch
aber deutlich, dass die Beschwerdeführerin das Ethos ihrer Organisation durch eine differenzierte Handhabung bei der Anwendung
und Durchsetzung ihres legitimen Loyalitätsbedürfnisses selbst nicht zwingend gefährdet sehe.
(3) Drittens habe die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts den nach dem Vertrag der Parteien
der Wiederverheiratung gleichwertigen Verstoß des ehelosen Zusammenlebens des Klägers seit Herbst 2006 gekannt und hingenommen.
Dies zeige, dass sie selbst ihre moralische Glaubwürdigkeit nicht ausnahmslos bei jedem Loyalitätsverstoß als erschüttert
betrachte.
cc) Jedenfalls sei der Beschwerdeführerin die Weiterbeschäftigung des Klägers dann zumutbar, wenn dessen Belange gegen die
ihren abgewogen würden. Zugunsten des Klägers falle sein durch Art. 8 und 12 EMRK geschützter Wunsch in die Waagschale, in einer bürgerlichen Ehe mit seiner jetzigen Frau zu leben. Freilich habe der Kläger
als Katholik durch den Vertragsschluss mit der Beschwerdeführerin in die Einschränkung seines Rechts auf Achtung des Privat-
und Familienlebens eingewilligt; die Nichterfüllung seiner religiösen Pflichten geschehe jedoch nicht aus einer ablehnenden
oder gleichgültigen Haltung heraus. Der Kläger habe seine ethischen Pflichten nicht in Abrede gestellt und sich zu keinem
Zeitpunkt gegen die kirchliche Sittenlehre ausgesprochen oder ihre Geltung oder Zweckmäßigkeit in Zweifel gezogen. Im Gegenteil
versuche er, den ihm nach kanonischem Recht verbliebenen Weg zur kirchenrechtlichen Legalisierung seiner Ehe zu beschreiten.
III.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin Verletzungen von Art.
4 Abs.
2 GG und Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV.
1. Die Arbeitsgerichte hätten in ihren Entscheidungen die Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und des Rechts
auf freie Religionsausübung verkannt.
a) Nach den Grundsätzen des deutschen Religionsverfassungs- und Staatskirchenrechts dürften staatliche Gerichte nicht bewerten,
ob ein bestimmtes Verhalten tatsächlich von der jeweiligen Religion gefordert werde oder nicht. Allein die Kirchen selbst
könnten bestimmen, was die jeweilige Glaubensüberzeugung gebiete. Umgekehrt dürfe dies von einem staatlichen Gericht auch
nicht verlangt werden, da es anderenfalls seine religiöse Neutralität, die ebenfalls Verfassungsrang genieße, verlieren würde.
Entsprechend sei es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) nicht Sache der staatlichen Arbeitsgerichte, sondern obliege im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts allein der jeweiligen
Kirche, aus ihren religiösen Überzeugungen heraus selbst festzulegen, welche Loyalitätserwartungen sie an ihre Mitarbeiter
stelle, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordere und welches Gewicht ein Loyalitätsverstoß habe.
Die durch die Kirche insoweit verbindlich festgelegten Loyalitätsanforderungen und die Gewichtung von Verstößen hiergegen
seien durch die staatlichen Gerichte nur darauf zu überprüfen, ob die Grundprinzipien der Rechtsordnung diesen entgegenstünden.
Eine eigenständige Gewichtung der Loyalitätsverstöße sei ihnen jedoch verwehrt. Die von den Arbeitsgerichten vorzunehmende
Abwägung habe sich folglich auf die der Kündigung entgegenstehenden Belange aus der Sphäre des jeweiligen Arbeitnehmers zu
beschränken.
b) Die angegriffene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Das Revisionsurteil wiege
im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht das Selbstbestimmungsrecht mit gegenläufigen Rechtspositionen des Arbeitnehmers
ab, sondern bestimme - abweichend von den kirchenrechtlichen Maßstäben - selbst das Gewicht des Loyalitätsverstoßes und damit
das Kündigungsinteresse der Kirche. Eine Abwägung mit den Interessen des Klägers finde nur oberflächlich am Ende des Urteils
statt. Damit verstecke das Gericht hinter seiner Abwägungsentscheidung eine eigene Bewertung kirchenrechtlicher Maßstäbe,
von denen es inhaltlich grundlegend abweiche.
aa) Eine unzulässige Abweichung von den kirchenrechtlichen Maßstäben liege zunächst darin, dass das Bundesarbeitsgericht als
Ausgangspunkt des Abwägungsvorgangs darauf abstelle, ob durch das Verhalten des Klägers die Glaubwürdigkeit der Kirche in
der Öffentlichkeit leide.
Schutzgut des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der Religionsfreiheit sei jedoch nicht vorrangig das Bild der Kirche
in der Öffentlichkeit, sondern die religiöse Überzeugung und die Freiheit, nach dieser zu leben. Das Bild der Kirche in der
Öffentlichkeit sei hiervon nur ein untergeordneter Teilaspekt. Entscheidend sei vielmehr, ob es mit den Zielen der Kirche
vereinbar sei, wenn ein (leitender) Mitarbeiter erkennbar in Widerspruch zu den Überzeugungen und Lehren der Kirche lebe.
Dies gefährde das Wesen der Dienstgemeinschaft, die Grund und Grenze der Besonderheiten der Zweckbestimmung des kirchlichen
Dienstes darstelle. Daher wende sich die Kirche auch unabhängig von der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gegen Loyalitätsverstöße,
weil diese ihr Wirken und die Integrität des kirchlichen Dienstes in Frage stellten.
bb) Zudem sei es unzulässig, in die Abwägung zugunsten des Klägers einzustellen, das Gewicht des Interesses der Beschwerdeführerin
an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses werde entscheidend dadurch geschwächt, dass sie auch Nichtkatholiken in leitenden
Positionen beschäftige und insofern offensichtlich nicht gezwungen sei, eine Führungsfunktion gleichsam bedingungslos mit
dem Lebenszeugnis für die katholische Sittenlehre zu verknüpfen.
Dies verkenne die kirchenrechtlichen Vorgaben der Grundordnung. Ob diese sachgerecht seien, dürfe das weltliche Gericht nicht
hinterfragen. Entscheidend sei allein, dass die Kirche für die Mitarbeit an ihrem Sendungsauftrag nur Personen zulassen wolle,
die sich mit ihren Zielen identifizieren könnten. Die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts sei zudem in sich widersprüchlich.
Einerseits erkenne es - rechtlich zutreffend - an, dass die Kirche gegenüber nichtkatholischen Mitarbeitern nicht dieselben
Loyalitätserwartungen formulieren könne wie gegenüber Katholiken. Andererseits schließe es aus dieser Ungleichbehandlung,
dass die römisch-katholische Kirche ihre Grundsätze nicht mehr ernst nehme.
cc) Ebenso sei es unzulässig, darauf abzustellen, dass die Beschwerdeführerin in anderen Fällen der Wiederverheiratung von
(nichtkatholischen) Chefärzten nicht den Schritt der Kündigung gegangen sei.
Auch hier habe das Bundesarbeitsgericht die in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in den kirchengesetzlichen Regelungen
angelegte Differenzierung zwischen Katholiken und Nichtkatholiken verkannt. Nur für den katholischen Mitarbeiter sei die Ehe
ein Sakrament. Daher stelle sich bei diesem das Eingehen einer ungültigen Ehe als deutlich schwererer Loyalitätsverstoß dar.
Indem das Bundesarbeitsgericht die Wiederverheiratung von katholischen und nichtkatholischen Mitarbeitern auf eine Ebene stelle,
relativiere es die Einschätzung der Kirche über die Schwere der durch den Kläger begangenen Pflichtverletzung.
dd) Ferner setze sich das Bundesarbeitsgericht über kirchenrechtliche Maßstäbe hinweg, wenn es die Wiederheirat mit dem Leben
in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleichsetze.
Damit verkenne das Bundesarbeitsgericht, dass es sich bei der Wiederheirat um eine Pflichtverletzung von besonders schwerwiegender
und endgültiger Qualität handele, die weit über das bloße ehelose Zusammenleben hinausgehe. Das Kirchenrecht unterscheide
dies ausdrücklich, indem Art. 5 Abs. 2 GrO nur den Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der
Kirche ungültigen Ehe explizit als besonders schwerwiegenden Verstoß und eigenständigen Kündigungsgrund formuliere. Zwar entspreche
auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft außerhalb einer weiterbestehenden gültigen Ehe nicht dem Ethos der römisch-katholischen
Kirche. Durch die Wiederheirat erreiche der Loyalitätsverstoß jedoch eine neue Qualität: Der Bruch mit der nach kirchlichem
Recht weiterhin gültigen Ehe werde offiziell dokumentiert und perpetuiert. An diese, dem kirchlichen Selbstverständnis entspringende
Unterscheidung sei auch das weltliche Gericht gebunden.
ee) Schließlich werde die Schwere des Loyalitätsverstoßes entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht dadurch gemindert,
dass der Kläger des Ausgangsverfahrens sich nicht vom katholischen Glauben abgewendet habe.
Auch durch diesen Gesichtspunkt der Abwägungsentscheidung korrigiere das Gericht die kirchenrechtlich zutreffende Einschätzung,
dass die Wiederheirat einen schweren Loyalitätsverstoß darstelle, nach seiner eigenen Einschätzung und stelle sich in die
Position der Kirche. Hierzu sei es nicht befugt. Zudem verkenne es, dass schon der objektive Tatbestand der Wiederheirat einen
Loyalitätsverstoß darstelle, ohne dass es auf eine innere Abkehr von den Werten der Kirche ankomme. Diese würde, läge sie
vor, sogar einen zusätzlichen, von der Wiederheirat unabhängigen Loyalitätsverstoß darstellen. Dies mache auch die Systematik
der Grundordnung deutlich, indem sie die Apostasie und Häresie sowie verschiedene Formen des öffentlichen Eintretens gegen
tragende Grundsätze der Kirche als Loyalitätsverstöße definiere, die alternativ zur Wiederheirat eine Kündigung rechtfertigen
könnten. Auch habe allein die Einleitung eines Annullierungsverfahrens nach kirchenrechtlichen Maßstäben keine rechtfertigende
oder schuldmindernde Bedeutung.
c) Auf diesen Verstößen gegen Art.
4 Abs.
2 GG und Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV beruhe das Urteil. Jede der durch das Gericht vorgenommenen Gewichtungen sei schon für sich ein tragendes Element der
Abwägungsentscheidung; spätestens in der Zusammenschau seien sie notwendige Bedingung für die Erfolglosigkeit der Revision
der Beschwerdeführerin. Dies gelte umso mehr, als keine Abwägung im eigentlichen Sinne - also mit den Interessen des Klägers
- stattfinde.
2. Eine andere Bewertung sei auch nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
geboten.
a) Grundsätzlich seien die Europäische Menschenrechtskonvention und die hierzu ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zwar von den nationalen Gerichten
so weit wie möglich bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen. Eine schematische Parallelisierung sei hingegen nicht erforderlich.
Gerade im Bereich der Religionsfreiheit sei bei der Rezeption der Europäischen Menschenrechtskonvention in die innerstaatliche Rechtsordnung Augenmaß angebracht. Der Gerichtshof habe in seiner jüngeren Rechtsprechung wiederholt
zu erkennen gegeben, dass er bereit sei, unterschiedliche Konzeptionen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Regelung des Verhältnisses
von Staat und Kirche zu akzeptieren. So habe der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 6. Dezember 2011 ( Baudler u.a. v. Deutschland) einen ausgeprägten Schutz des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts anerkannt und es als mit Art. 6 EMRK vereinbar angesehen, dass ein staatlicher Rechtsweg zur Überprüfung rein innerkirchlicher Angelegenheiten in Deutschland
nicht bestehe.
Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich im vorliegenden Falle um ein mehrpoliges Grundrechtsverhältnis handele, bei dem
ein "Mehr" an Freiheit für einen Grundrechtsträger zugleich ein "Weniger" für einen anderen bedeute. Diese Grundrechtskollision
wirke als Rezeptionshemmnis, zumal auch die Menschenrechtskonvention selbst eine Einschränkung des Grundrechtsschutzes auf Grundlage ihrer Garantien verbiete (Art. 53 EMRK).
b) Aber auch die zum kirchlichen Arbeitsrecht ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte selbst
erfordere keine Abkehr von den durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 4. Juni 1985 entwickelten Maßstäben.
aa) In der Entscheidung Obst v. Deutschland vom 23. September 2010 habe der Gerichtshof den Ansatz des deutschen Arbeitsrechts gebilligt, bei der Bewertung der Schwere
des Loyalitätsverstoßes auf die Bedeutung ehelicher Treue für die den Arbeitnehmer kündigende Kirche abzustellen. Auch habe
der Gerichtshof es als zulässig erachtet, dass die Kirchen gegenüber ihren Angestellten weitergehende Loyalitätspflichten
als andere Arbeitgeber definieren würden.
bb) Gleiches gelte hinsichtlich der Entscheidung Siebenhaar v. Deutschland vom 3. Februar 2011.
cc) Schließlich stehe die Entscheidung Schüth v. Deutschland vom 23. September 2010 diesem Maßstab nicht entgegen, wenn auch der Gerichtshof im konkreten Einzelfall zur Konventionswidrigkeit
der deutschen Gerichtsurteile gelangt sei. Der Gerichtshof habe lediglich die unzureichende Abwägung der Fachgerichte mit
den Rechtspositionen des Arbeitnehmers beanstandet, die tatsächlich nur oberflächlich und ohne inhaltliche Konkretisierungen
vorgenommen worden sei. Zudem sei der konkrete Abwägungsvorgang unzureichend dargelegt worden. Weitergehende Anforderungen
an den Abwägungsprozess, etwa eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Loyalitätsanforderungen oder gar deren volle gerichtliche
Kontrolle, seien durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte jedoch nicht aufgestellt worden.
IV.
1. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bundesministerium der Justiz, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Justizministerium
des Landes Nordrhein-Westfalen, der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, dem Kommissariat der deutschen Bischöfe, dem Rat
der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R., dem Marburger Bund e.V. (Bundesverband)
und dem Kläger des Ausgangsverfahrens zugestellt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
a) Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts verteidigt die angefochtene Revisionsentscheidung vom 8. September 2011. Der
2. Senat des Bundesarbeitsgerichts habe aus § 1 Abs. 2 KSchG in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der übrigen Senate des Gerichts ein zweistufiges Prüfprogramm abgeleitet,
nach dem eine Kündigung aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen im Anwendungsbereich des KSchG nur dann sozial gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer für die vertraglich geschuldete Tätigkeit ungeeignet sei oder eine
Vertragspflicht erheblich verletzt habe (erste Stufe) und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider
Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheine (zweite Stufe).
Auf beiden Stufen habe der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts in Übereinstimmung mit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben
und unter Orientierung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das kirchliche Selbstbestimmungsrecht
angemessen berücksichtigt. Dies gelte auch für die Abwägungsentscheidung, in die das Selbstbestimmungsrecht als abwägungserheblicher
Belang eingestellt worden sei. Diese Vorgehensweise erlaube differenzierte Abwägungsergebnisse, die im konkreten Einzelfall
zu Lasten der Beschwerdeführerin erfolgt seien. Dies zeige auch der Vergleich zur Entscheidung vom 25. April 2013 (- 2 AZR 579/12 - NZA 2013, S. 1131 ff.), in der der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Falle des Kirchenaustritts festgestellt habe, dass die Kündigung eines
im verkündigungsnahen Bereich eingesetzten kirchlichen Arbeitnehmers gerechtfertigt gewesen sei. In diesem Einzelfall habe
die Abwägung dazu geführt, dass die Glaubensund Gewissensfreiheit des kirchlichen Arbeitnehmers sowie dessen Beschäftigungsdauer
und Lebensalter hinter das Selbstbestimmungsrecht des kirchlichen Arbeitgebers zurückzutreten habe, weil der gekündigte Arbeitnehmer
nicht nur in einzelnen Punkten kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht mehr gerecht geworden sei, sondern sich durch den
Austritt insgesamt von der kirchlichen Glaubensgemeinschaft losgesagt habe.
b) Der gemäß § 94 Abs. 3 BVerfGG am Verfahren beteiligte Kläger des Ausgangsverfahrens ist der Auffassung, dass der Verfassungsbeschwerde kein Erfolg zu bescheiden
sei.
Es genüge zur Wahrung der geschützten Verfassungsrechtspositionen des Arbeitnehmers nicht, nur bei einem Widerspruch zu den
Grundprinzipien der Rechtsordnung eine Einschränkung der kirchlichen Autonomie zuzulassen und dementsprechend bei der im Kündigungsschutzprozess
vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen die autonom von den Kirchen bestimmte Gewichtung der Loyalitätspflichten
zu betonen. Vielmehr müssten sich die kirchliche Autonomie und speziell die ihren Arbeitnehmern abverlangten Loyalitätspflichten
von vornherein eine Kontrastierung mit den entgegenstehenden Grundrechten der kirchlichen Arbeitnehmer gefallen lassen, die
durch Gewichtung der auf dem Spiel stehenden Verfassungsrechtsgüter, durch Berücksichtigung ihrer Wechselwirkung und schließlich
durch Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz zu erfolgen habe.
Soweit zur kirchlichen Autonomie auch die Befugnis gehöre, verbindlich zu bestimmen, welches die wesentlichen Grundsätze der
Glaubens- und Sittenlehre seien, was als (schwerer) Verstoß gegen diese anzusehen sei, sowie ob und wie innerhalb der im kirchlichen
Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätspflichten eingreifen solle, bedürfe dies mit Blick auf kollidierendes
Verfassungsrecht einer Relativierung, wenn es - wie in diesem Fall - nicht um Arbeitsrechtsverhältnisse gehe, die in spezifischer
Weise durch den religiösen Auftrag und Glauben geprägt seien. Je mehr das jeweilige Arbeitsverhältnis durch den religiösen
Auftrag und Glauben geprägt sei und, umgekehrt, je weniger sich das jeweilige Arbeitsverhältnis von vergleichbaren beruflichen
Tätigkeiten bei nicht-kirchlichen Arbeitgebern unterscheide, könne sich die kirchliche Autonomie mehr oder weniger gegenüber
Grundrechtspositionen des kirchlichen Arbeitnehmers durchsetzen.
Allein aus seiner leitenden Stellung könnten hinsichtlich der persönlichen Pflicht zur Identifikation mit der katholischen
Glaubens- oder Sittenlehre nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an diejenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse
einen spezifisch religiösen Bezug aufwiesen. Andernfalls würden eine unverhältnismäßige Begünstigung der Selbstgesetzlichkeit
der Kirche und eine nicht zu rechtfertigende Relativierung des staatlichen Schutzes von Ehe und Familie nach Art.
6 Abs.
1 GG begründet. Schließlich könne bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die römisch-katholische
Kirche zunehmend den Wiederverheirateten öffne und auch die Eucharistie für diese Gruppe nicht mehr ausschließe.
c) Für die römisch-katholische Kirche hat das Kommissariat der deutschen Bischöfe eine Stellungnahme des Direktors des Instituts
für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Prof. Dr. Ansgar Hense, vorgelegt und sich inhaltlich zu Eigen gemacht. Dieser schließt sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Ergebnis
an und vertieft ihre Argumentation.
Die Verfassung gewährleiste nicht nur das karitative Wirken der Kirchen als eine ihrer Lebens- und Wesensäußerungen, sondern
auch die grundsätzlich autonome Ausgestaltung der kircheneigenen Angelegenheiten im Rahmen der für alle geltenden Gesetze.
Die Verwirklichung des Religiösen beschränke sich dabei nicht nur auf eine bloß spirituelle, liturgische Seite, sondern erstrecke
sich gleichermaßen auf den religiösen Dienst in und an der Welt und umfasse auch die organisatorischen Voraussetzungen, die
nach dem jeweiligen kirchlichen Selbstverständnis erforderlich seien, um diesen religiösen Dienst erfüllen zu können. Weder
objektive noch gesellschaftlich vorherrschende Maßstäbe dürften diese definieren, da das kirchliche Selbstbestimmungsrecht
gerade die Abwehr solch fremdbestimmter Vorgänge verfassungsrechtlich verbürge. Aus diesem Grund werde das staatliche Individualarbeitsrecht
partiell modifiziert. Im Rahmen des Willkürverbots, der guten Sitten und des ordre public sei es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich den Kirchen überlassen, die konkreten Loyalitätspflichten
festzulegen, die nach dem jeweiligen Selbstverständnis erforderlich seien, und diese auch nach ihrer Bedeutung für das kirchliche
Selbstverständnis zu gewichten. Dies beinhalte auch das Recht, darüber zu entscheiden, ob und - bejahendenfalls - welche Abstufungen
der Loyalitätspflichten vorgenommen werden sollten. In der römisch-katholischen Kirche sei dies in Gestalt der Grundordnung
geschehen. Bei der konkreten Abwägung durch die weltlichen Gerichte im Rahmen des Kündigungsschutzrechts werde die kirchliche
Bewertung des Loyalitätsverstoßes nicht zur quantité négligeable , sondern sei die maßgebliche Richtschnur für die Bewertung. Mit diesen Grundsätzen stehe die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
vom 8. September 2011 nicht in Einklang, weil das Gericht eine eigene Bewertung kirchlicher Maßstäbe vornehme und es letzten
Endes unterlasse, einen Abwägungsprozess lege artis durchzuführen.
d) Der Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R. schließt sich ebenfalls den Ausführungen der Beschwerdeführerin an. Er
betont, dass seine Situation zwar nicht mit den Organisationsstrukturen der Großkirchen verglichen werden könne. Dennoch seien
die in der täglichen Arbeit auftretenden Fragen im Judentum vergleichbar.
Die verfassungsrechtliche Absicherung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts resultiere auch aus dem Erfordernis, eine uneingeschränkte
Religionsausübung im Sinne des
Grundgesetzes zu gewährleisten. Dies sei aber nur möglich, wenn Religionsgemeinschaften gerade im arbeitsrechtlichen Bereich frei darin
seien, ihre eigenen religiösen Regeln als Grundvoraussetzung für ein Arbeitsverhältnis vorzugeben. Diese religiösen Regeln
könnten höchst unterschiedlich ausgestaltet sein, seien jedoch im Rahmen der Religionsfreiheit durch die staatlichen Stellen
zu akzeptieren, solange gültige Gesetze nicht verletzt und Menschen anderer Religionszugehörigkeit nicht betroffen seien.
Jeder Mitarbeiter, der sich unmittelbar bei einer Religionsgemeinschaft oder einer von dieser getragenen Einrichtung bewerbe,
wisse darum, dass die Religionsgemeinschaft eigene religiöse Regeln habe, zu deren Einhaltung er verpflichtet sei. Gehöre
ein Bewerber darüber hinaus noch der betreffenden Religionsgemeinschaft an, sei es ihm umso mehr bewusst, dass er mit Eingehung
des Beschäftigungsverhältnisses zusätzliche Loyalitätsverpflichtungen übernehme.
Im Falle der jüdischen Gemeinschaften in Deutschland sei daher Grundlage der arbeitsvertraglichen Bindungen, die jüdische
Religion und Kultur in Deutschland zu leben und zu fördern sowie sozial bedürftige Juden in allen Bereichen zu unterstützen.
Dabei seien die religiösen Erfordernisse schon bei Abschluss des Beschäftigungsverhältnisses zu berücksichtigen, da nur auf
diese Weise gewährleistet werden könne, dass jeder Mitarbeiter in seinem Aufgabenbereich in die religiöse Dimension der jüdischen
Gemeinschaft eingebunden sei. Die Bereitschaft hierzu sei ein wesentliches Kriterium für die Mitarbeiterauswahl und werde
bei Abschluss von Beschäftigungsverhältnissen vorrangig berücksichtigt. Für eine fruchtbare Zusammenarbeit innerhalb der Religionsgemeinschaft
sei es unverzichtbar, dass alle Mitarbeiter - insbesondere die jüdischen - sich des höheren Zwecks und des allgemeinen religiösen
Zusammenhangs ihrer Tätigkeit bewusst seien.
e) Der Marburger Bund e.V. (Bundesverband) erachtet die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis für aussichtslos.
aa) Er tritt allgemein der Privilegierung kirchlicher Einrichtungen entgegen. Einrichtungen der Caritas oder Diakonie, die wie die Beschwerdeführerin in marktüblicher Weise in der Gesundheitswirtschaft agierten, dürften keine kirchlichen Sonderrechte
in Anspruch nehmen. Wenn die Beschwerdeführerin die Richtungsentscheidung getroffen habe, am Wirtschaftsleben teilzunehmen,
müsse sie sich unbeschadet ihrer Motivlage an denselben Maßstäben messen lassen, die auch für vergleichbare Klinikträger Geltung
beanspruchten. Die unter Berufung auf die Loyalitätsobliegenheiten in Anspruch genommene Möglichkeit, die Maßstäbe für die
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses selbst festzulegen und durch Berufung auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der
Überprüfung durch weltliche Gerichte im Einzelfall zu entziehen, führe zu "strukturellen Defiziten" und erheblichen arbeitsmarktlichen
Verwerfungen.
Gerade der Vergleich zu dem kollektivrechtlichen Arbeitsrechtsregelungsmechanismus belege die Widersprüchlichkeit des Handelns
kirchlich getragener Einrichtungen. Während auf dem Dritten Weg vereinbarte Arbeitsbedingungen nach dem Willen der kirchlichen
Einrichtungen durch Einbeziehung in die jeweiligen Arbeitsverträge für die Gesamtheit der Dienstgemeinschaft Geltung beanspruchen
könnten, erachteten sie es im Gegensatz hierzu jedoch für zulässig, hinsichtlich der individualarbeitsrechtlich festgesetzten
Loyalitätsobliegenheiten nach Konfession zu unterscheiden und an katholische Mitarbeiter strengere Loyalitätsanforderungen
zu stellen. Für eine derartige Differenzierung bestehe nach weltlichen Maßstäben keine Rechtfertigung. Zudem liege gerade
im Falle der Beschwerdeführerin ein faktischer Sanktionsverzicht durch ihr vorangegangenes Verhalten vor. Es sei anzunehmen,
dass ein in der Vergangenheit "in allen Fällen generell geduldetes Verhalten" - hier die Wiederheirat - unbeschadet seiner
grundsätzlichen kanonischen Wertung zu einem gewissen liberalen Verständnis bei Betroffenen und Dritten und der Erwartung
entsprechenden Umgangs mit zukünftigen gleichartigen Sachverhalten geführt habe.
bb) Das Bundesarbeitsgericht habe mit seiner Entscheidung nicht die Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts verkannt.
Die Einschätzung der Beschwerdeführerin, die Sachgerechtigkeit einer aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht folgenden
Wertentscheidung unterliege nicht der Beurteilung durch das jeweils erkennende Gericht, lasse ein in Anbetracht der kanonischen
Rechtstradition zwar nachvollziehbares, in der Sache jedoch unzutreffendes Verständnis des grundgesetzlich geschützten Rechtsschutzinteresses
erkennen. Um sicherzustellen, dass die betroffene Kündigungsentscheidung nicht auf willkürlicher Grundlage zustande gekommen
sei, stelle sich die Inbezugnahme zum grundlegenden moralischen Regelwerk der kirchlichen Einrichtung und ihrem bisherigen
Verhalten in vergleichbar gelagerten Fällen als unumgänglich dar. Dies gelte umso mehr, als es die Beschwerdeführerin selbst
in der Hand habe, bestimmte arbeitsrechtliche Sanktionen ohne Ermessensspielräume als zwingende Folge eines Fehlverhaltens
des Arbeitnehmers zu definieren und auszugestalten. Schon aus diesem Grund müssten die weltlichen Gerichte ermächtigt sein,
die Stringenz und Konsistenz des bisherigen Verhaltens einer kirchlichen Einrichtung in vergleichbaren Fällen in ihre Betrachtungen
einzustellen. Anderenfalls beschränke sich der gerichtliche Entscheidungsspielraum auf eine rein formale Überprüfung, die
weder den Anforderungen des deutschen Kündigungsschutzrechts noch den europa- und völkerrechtlichen Vorgaben gerecht werde.
f) Die übrigen Äußerungsberechtigten und sachverständigen Dritten haben von einer Stellungnahme abgesehen.
2. Die Beschwerdeführerin und der Kläger des Ausgangsverfahrens haben von der Möglichkeit zur weiteren Äußerung nach Kenntnis
der eingegangenen Stellungnahmen Gebrauch gemacht. Sie bekräftigen ihre jeweiligen Auffassungen und vertiefen ihren Vortrag.
Nach Mitteilung der Beschwerdeführerin ist das durch den Kläger des Ausgangsverfahrens angestrengte kirchengerichtliche Verfahren
zur Annullierung seiner ersten Ehe in zwei Instanzen erfolglos geblieben. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat hierzu keine
weiteren Angaben gemacht.
3. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, soweit sie sich gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wendet. Im Übrigen
genügt ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG), da sie sich ausschließlich mit der Revisionsentscheidung, nicht jedoch mit den Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des
Landesarbeitsgerichts auseinandersetzt.
C.
Soweit sie zulässig ist, ist die Verfassungsbeschwerde begründet.
I.
Umfang und Grenzen der Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer in mit der Kirche verbundenen Organisationen
und Einrichtungen und deren Überprüfung durch die staatlichen Arbeitsgerichte bestimmen sich nach Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung, WRV) und der korporativen Religionsfreiheit nach
Art.
4 Abs.
1 und
2 GG (1.). Die staatlichen Gerichte haben auf einer ersten Prüfungsstufe zunächst im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf
der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine Organisation oder
Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck
eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem
kirchlichen Selbstverständnis zukommt (2.a.). Auf einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann unter dem Gesichtspunkt der Schranken
des "für alle geltenden Gesetzes" eine Gesamtabwägung vorzunehmen, in der die - im Lichte des Selbstbestimmungsrechts der
Kirchen verstandenen - kirchlichen Belange und die korporative Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer
und deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen auszugleichen sind. Die widerstreitenden
Rechtspositionen sind dabei jeweils in möglichst hohem Maße zu verwirklichen (2.b.). Ob die Arbeitsgerichte den Einfluss der
Grundrechte ausreichend beachtet haben, unterliegt gegebenenfalls der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Für
den Fall, dass Grundrechtsbestimmungen unmittelbar ausgelegt und angewandt werden, hat es dabei Reichweite und Grenzen der
Grundrechte zu bestimmen und festzustellen, ob Grundrechte und Verfassungsbestimmungen ihrem Umfang und Gewicht nach in verfassungsrechtlich
zutreffender Weise berücksichtigt worden sind (3.). Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geben insoweit keinen Anlass zu Modifikationen der
Auslegung des Verfassungsrechts (4.).
1. Die Grundentscheidung der Verfassung für ein freiheitliches Religions- und Staatskirchenrecht wird durch Verfassungsgewährleistungen
sichergestellt, deren inhaltliche Schutzbereiche sich teilweise überschneiden und hierdurch wechselseitig ergänzen. In ihrer
Zusammenschau sind sie unterschiedliche Akzentuierungen derselben verfassungsrechtlich gewährten Freiheit (vgl. Isensee, in:
Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <205>).
a) Die durch Art.
140 GG inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind vollgültiges Verfassungsrecht und von gleicher Normqualität wie
die sonstigen Verfassungsbestimmungen (vgl. BVerfGE 19, 206 <219>; 19, 226 <236>; 111, 10 <50>). Sie sind - mit Selbststand gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art.
4 Abs.
1 und
2 GG - untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des
Grundgesetzes, welches das für eine freiheitliche Demokratie wesentliche Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den
Katalog der Grundrechte übernommen und es so gegenüber der Weimarer Reichsverfassung erheblich gestärkt hat (vgl. BVerfGE
102, 370 <387 m.w.N.>). Beide Gewährleistungen bilden ein organisches Ganzes (vgl. BVerfGE 70, 138 <167>; 125, 39 <80>; Listl, in: ders./Pirson <Hrsg.>, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 14 S. 439 <444 f.>), wobei Art.
4 Abs.
1 und
2 GG den leitenden Bezugspunkt des deutschen staatskirchenrechtlichen Systems darstellt (vgl. BVerfGE 102, 370 <393>).
Zwischen der Glaubensfreiheit und den inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung besteht eine interpretatorische
Wechselwirkung (vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/2, 1. Aufl. 2011, § 119, S. 1167). Die
Weimarer Kirchenartikel sind einerseits funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit
angelegt (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>; 102, 370 <387>; 125, 39 <74 f., 80>) und in dessen Lichte auszulegen, da sie das Grundverhältnis zwischen Staat und
Kirche regeln (Art. 137 Abs. 1 WRV). Sie enthalten in Gestalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 Abs. 3 WRV)
und verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkte zu den Grundsätzen der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und
der Parität der Religionen und Bekenntnisse (vgl. BVerfGE 102, 370 <390, 393 f.>) die Grundprinzipien des staatskirchenrechtlichen Systems des
Grundgesetzes. Andererseits wird der Gewährleistungsgehalt des Art.
4 Abs.
1 und
2 GG durch Art.
140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung institutionell konkretisiert und ergänzt (BVerfGE
99, 100 <119>, vgl. auch BVerfGE 33, 23 <30 f.>; 42, 312 <322>; 83, 341 <354 f.>; 125, 39 <77 f.>; vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland,
Bd. IV/2, 1. Aufl. 2011, § 119, S. 1167). Die Weimarer Kirchenartikel sind also auch ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit
der korporierten Religionsgesellschaften (vgl. BVerfGE 125, 39 <79>; vgl. auch BVerfGE 102, 370 <387>, zu Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV und BVerfGE 99, 100 <119 ff.>, zu Art. 138 Abs. 2 WRV).
Soweit sich die Schutzbereiche der inkorporierten statusrechtlichen Artikel der WRV und der korporativen Religionsfreiheit
des Art.
4 Abs.
1 und
2 GG überlagern (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>; 66, 1 <22>; zu verbleibenden Unterschieden etwa von Campenhausen, HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 157, Rn. 125 m.w.N.),
geht Art.
137 Abs.
3 WRV als speziellere Norm Art.
4 Abs.
1 und
2 GG insoweit vor, als er das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften der Schranke des für alle geltenden Gesetzes
unterwirft (zur sog. Schrankenspezialität in diesem Fall s. Morlok, in: Dreier <Hrsg.>,
GG, 3. Aufl. 2013, Art.
4, Rn. 109). Bei dem Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Art.
4 Abs.
1 und
2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis
der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist.
b) Aus Art.
140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 und 4, 137 Abs. 1 WRV, Art. 4 Abs. 1 und
2, Art.
3 Abs.
3 Satz 1 und Art.
33 Abs.
2 GG folgt eine Pflicht des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität, die Grundlage des modernen, freiheitlichen Staates
ist. In einem Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, kann
die friedliche Koexistenz nur gelingen, wenn der Staat selbst in Glaubens- und Weltanschauungsfragen Neutralität bewahrt (vgl.
BVerfGE 93, 1 <16 f.>; vgl. auch BVerfGE 102, 370 <383>; 105, 279 <294>).
Die Pflicht zur staatlichen Neutralität in weltanschaulich-religiösen Fragen ist jedoch nicht im Sinne eines Gebots kritischer
Distanz gegenüber der Religion zu verstehen (vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, 2. Aufl. 2012, § 4 Rn. 90) und darf auch
mit religiöser und weltanschaulicher Indifferenz nicht gleichgesetzt werden (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson <Hrsg.>,
Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 2, S. 47 <78>). Das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat ist vielmehr
gekennzeichnet durch wechselseitige Zugewandtheit und Kooperation (vgl. BVerfGE 42, 312 <330>) und ist weniger im Sinne einer strikten Trennung, sondern eher im Sinne einer Zuordnung und Zusammenarbeit von Staat
und Kirchen auf der Basis grundrechtlicher Freiheit zu verstehen.
Über ihre Funktion als Beeinflussungsverbot (vgl. BVerfGE 93, 1 <16 f.>; 108, 282 <300>) und als Identifikationsverbot (vgl. BVerfGE 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 30, 415 <422>; 33, 23 <28>; 93, 1 <16 f.>; 108, 282 <299 f.>; 123, 148 <178>) hinaus verwehrt es die
Pflicht zur weltanschaulichen Neutralität dem Staat auch, Glauben und Lehre einer Kirche oder Religionsgemeinschaft als solche
zu bewerten (vgl. BVerfGE 33, 23 <29>; 108, 282 <300>). Die individuelle und korporative Freiheit, das eigene Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten
und innerer Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, würde entleert, wenn der Staat bei hoheitlichen Maßnahmen uneingeschränkt
seine eigene Wertung zu Inhalt und Bedeutung eines Glaubenssatzes an die Stelle derjenigen der verfassten Kirche setzen und
seine Entscheidungen auf dieser Grundlage treffen könnte.
Jede Auseinandersetzung staatlicher Stellen mit Zielen und Aktivitäten einer Kirche oder Religionsgemeinschaft muss dieses
Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität wahren (vgl. BVerfGE 105, 279 <294>). Die Regelung genuin religiöser oder weltanschaulicher Fragen, die parteiergreifende Einmischung in die Überzeugungen,
Handlungen und die Darstellung Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften sind dem Staat mangels Einsicht
und geeigneter Kriterien untersagt (vgl. BVerfGE 12, 1 <4>; 41, 65 <84>; 72, 278 <294>; 74, 244 <255>; 93, 1 <16>; 102, 370 <394>; 108, 279 <300>). Fragen der Lehre, der Religion
und des kirchlichen Selbstverständnisses gehen den Staat grundsätzlich nichts an. Er ist vielmehr verpflichtet, auf die Grundsätze
der Kirchen und Religionsgemeinschaften Rücksicht zu nehmen und keinen eigenen Standpunkt in der Sache des Glaubens zu formulieren
(von Campenhausen, in: Listl/Pirson <Hrsg.>, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 2, S. 47 <78>). Die
Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung hat er zu respektieren.
c) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist in Art. 137 Abs. 3 WRV besonders hervorgehoben. Danach ordnet und verwaltet jede
Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Diese Garantie
erweist sich als notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der
Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation,
Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (vgl. BVerfGE 53, 366 <401>). Sie gilt für Kirchen und sonstige Religionsgesellschaften unabhängig von ihrem rechtlichen Status (vgl. auch Art.
137 Abs. 7 WRV).
aa) Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind nicht nur die Kirchen selbst entsprechend ihrer rechtlichen Verfasstheit,
sondern alle ihr in bestimmter Weise zugeordneten Institutionen, Gesellschaften, Organisationen und Einrichtungen, wenn und
soweit sie nach dem glaubensdefinierten Selbstverständnis der Kirchen (zur Berücksichtigung von Selbstverständnissen als Mittel
zur Sicherung der Menschenwürde und der Freiheitsrechte, vgl. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 282
<293 ff.> und S. 426 <431 ff.>) ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, Auftrag und Sendung der Kirchen
wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 53, 366 <391>; 57, 220 <242>; 70, 138 <162>).
(1) Der Schutz des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bezieht sich dabei nicht nur auf die der Kirche zugeordnete Organisation
im Sinne einer juristischen Person, sondern erstreckt sich auch auf die von dieser Organisation getragenen Einrichtungen,
also auf die Funktionseinheit, durch die der kirchliche Auftrag seine Wirkung entfalten soll (vgl. BVerfGE 53, 366 <398 f.>). Dies gilt unbeschadet der Rechtsform der einzelnen Einrichtung auch dann, wenn der kirchliche Träger sich privatrechtlicher
Organisationsformen bedient (vgl. BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 53, 366 <391>; 57, 220 <242>; 70, 138 <162>). Die durch das
Grundgesetz gewährleistete Freiheit der Kirche vom Staat schließt ein, dass sie sich zur Erfüllung ihres Auftrags grundsätzlich auch
der Organisationsformen des staatlichen Rechts bedienen kann, ohne dass dadurch die Zugehörigkeit der auf einer entsprechenden
Rechtsgrundlage gegründeten Einrichtung zur Kirche aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 57, 220 <243>).
(2) Nicht jede Organisation oder Einrichtung, die in Verbindung zur Kirche steht, unterfällt indes dem Privileg der Selbstbestimmung.
Voraussetzung einer wirksamen Zuordnung ist vielmehr, dass die Organisation oder Einrichtung teilnimmt an der Verwirklichung
des Auftrages der Kirche, im Einklang mit dem Bekenntnis der verfassten Kirche steht und mit ihren Amtsträgern und Organwaltern
in besonderer Weise verbunden ist (BVerfGE 46, 73 <87>; 70, 138 <163 ff.>).
Von daher ist für eine sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art.
4 Abs.
1 und
2 i.V.m. Art.
140 GG und Art.
137 Abs.
3 WRV) berufende Organisation oder Einrichtung unabdingbar, dass die religiöse Zielsetzung das bestimmende Element ihrer Tätigkeit
ist. Ganz überwiegend der Gewinnerzielung dienende Organisationen und Einrichtungen können demgegenüber das Privileg der Selbstbestimmung
nicht in Anspruch nehmen, da bei ihnen der enge Konnex zum glaubensdefinierten Selbstverständnis aufgehoben ist. Dies gilt
vor allem für Einrichtungen, die wie andere Wirtschaftssubjekte auch am marktwirtschaftlichen Geschehen teilnehmen und bei
welchen der durch Art.
4 Abs.
1 und
2 GG geschützte religiöse Auftrag der Kirche oder Religionsgemeinschaft in der Gesamtschau der Tätigkeiten gegenüber anderen -
vorwiegend gewinnorientierten - Erwägungen erkennbar in den Hintergrund tritt.
bb) Das Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne
kirchlichen Selbstverständnisses (vgl. BVerfGE 70, 138 <164> unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <249>; 53, 366 <399>; 57, 220 <243>; vgl. auch BVerfGE 99, 100 <125>) und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen (vgl. BVerfGE 53, 366 <399>). Unter die Freiheit des "Ordnens" und "Verwaltens" fällt dementsprechend auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung
kirchlicher Dienste durch den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge (vgl. BVerfGE 70, 138 <165>; BVerfGK 12, 308 <330>; vgl. auch: Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995,
§ 59, S. 665 <730>).
Der Staat erkennt die Kirchen in diesem Sinne als Institutionen mit dem originären Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem
Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten (vgl. BVerfGE 18, 385 <386>; 19, 1 <55>; 30, 415 <428>; 42, 312 <321 f., 332>; 46, 73 <94>; 57, 220 <244>; 66, 1 <19>; BVerfGK 14, 485 <486>).
Dies gilt - unabhängig von der Rechtsform der Organisation - auch dann, wenn die Kirchen sich zur Erfüllung ihres Auftrags
und ihrer Sendung privatrechtlicher Formen bedienen (BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 70, 138 <162>) und wenn die Tätigkeiten und getroffenen Maßnahmen in den weltlichen Bereich hineinwirken (vgl.
BVerfGE 42, 312 <334 f.>). Die Kirchen bestimmen selbst, frei und autonom darüber, welche Dienste sie in welchen Rechtsformen ausüben wollen
und sind nicht auf spezifisch kanonische oder kirchenrechtliche Gestaltungsformen beschränkt. Religiöse Orden oder das Kirchenbeamtentum,
die spezifischem Kirchenrecht unterliegen, stellen insofern zwar originäre, aber auch nur mögliche Varianten und Formen kirchlicher
Dienste dar.
Die Kirchen können sich der jedermann offen stehenden privatautonomen Gestaltungsformen bedienen, Dienstverhältnisse begründen
und nach ihrem Selbstverständnis ausgestalten. Die im Selbstbestimmungsrecht der Kirchen enthaltene Ordnungsbefugnis gilt
insoweit nicht nur für die kirchliche Ämterorganisation (Art.
140 GG i.V.m. Art.
137 Abs.
3 Satz 2 WRV), sondern ist ein allgemeines Prinzip für die Ordnung des kirchlichen Dienstes (vgl. BVerfGE 70, 138 <164 f.>). Sie berechtigt zur Organisation der Tätigkeit einschließlich der Aufrechterhaltung einer internen Organisationsstruktur,
zur Auswahl ihrer Angestellten und zur Festlegung der religiösen Grundsätze, welche die Grundlage ihrer Tätigkeiten sein sollen.
d) Art.
4 Abs.
1 und
2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht (vgl. BVerfGE 24, 236 <245 f.>; 32, 98 <106>; 44, 37 <49>; 83, 341 <354>; 108, 282 <297>; 125, 39 <79>). Dieses beinhaltet notwendigerweise neben
der Freiheit des Einzelnen zum privaten und öffentlichen Bekenntnis seiner Religion oder Weltanschauung (vgl. nur BVerfGE
24, 236 <245>; 69, 1 <33 f.>; 108, 282 <297>) auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben oder gemeinsamer weltanschaulicher
Überzeugung zusammenzuschließen (vgl. BVerfGE 42, 312 <323>; 53, 366 <387>; 83, 341 <355>; 105, 279 <293>).
aa) Die durch den Zusammenschluss gebildete Vereinigung genießt das Recht zu religiöser oder weltanschaulicher Betätigung,
zur Verkündigung des Glaubens, zur Verbreitung der Weltanschauung sowie zur Pflege und Förderung des jeweiligen Bekenntnisses
(vgl. BVerfGE 19, 129 <132>; 24, 236 <246 f.>; 53, 366 <387>; 105, 279 <293>). Dieser Schutz steht nicht nur Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
zu, sondern auch von diesen selbstständigen oder unselbstständigen Vereinigungen, wenn und soweit sich diese die Pflege des
religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Zweck
der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines solchen Zieles gerichtet ist und eine hinreichende institutionelle Verbindung
zu einer Religionsgemeinschaft besteht (vgl. BVerfGE 24, 236 <246 f.>).
bb) Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als korporative Ausübung von Religion und Weltanschauung im Sinne von Art.
4 Abs.
1 und
2 GG anzusehen ist, muss der zentralen Bedeutung des Begriffs der "Religionsausübung" durch eine extensive Auslegung Rechnung
getragen werden (vgl. BVerfGE 24, 236 <246>).
Zwar hat der Staat grundsätzlich verfassungsrechtliche Begriffe nach neutralen, allgemeingültigen, nicht konfessionell oder
weltanschaulich gebundenen Gesichtspunkten zu interpretieren (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>). Wo aber die Rechtsordnung gerade das religiöse oder weltanschauliche Selbstverständnis des Grundrechtsträgers
voraussetzt, wie dies bei der Religionsfreiheit der Fall ist, würde der Staat die Eigenständigkeit der Kirchen und ihre nach
Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV verfassungsrechtlich verankerte Selbständigkeit verletzen, wenn er bei der Auslegung der sich aus dem Bekenntnis ergebenden
Religionsausübung das Selbstverständnis nicht berücksichtigen würde (vgl. BVerfGE 18, 385 <386 f.>; 24, 236 <248>; 108, 282 <298 f.>). Die Formulierung des kirchlichen Proprium obliegt so allein den Kirchen und
ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art.
4 Abs.
1 und
2 GG verfassungsrechtlich geschützt.
cc) Nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und
des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit des christlichen Sendungsauftrages in Staat und
Gesellschaft. Dazu gehört insbesondere das karitative Wirken, das eine wesentliche Aufgabe für den Christen ist und von den
Kirchen als religiöse Grundfunktion verstanden wird (vgl. BVerfGE 53, 366 <393>; siehe auch BVerfGE 24, 236 <246 ff.>; 46, 73 <85 ff.>; 57, 220 <242 f.>; 70, 138 <163>). Die tätige Nächstenliebe ist als solche eines der Wesensmerkmale
der Kirche (vgl. Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. II, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665). Sie geht
von der Zuwendung gegenüber Kranken und Benachteiligten ohne Rücksicht auf Konfession, Bedürftigkeit oder sozialen Status
aus. Christliche Organisationen und Einrichtungen versehen die Aufgabe der Krankenpflege daher im Sinne einer an christlichen
Grundsätzen ausgerichteten umfassenden medizinischen, pastoralen und seelsorgerlichen Behandlung und verwirklichen damit Sendung
und Auftrag ihrer Kirche im Geist ihrer Religiosität und im Einklang mit dem Bekenntnis.
Die von der Verfassung anerkannte und dem kirchlichen Selbstverständnis entsprechende Zuordnung der karitativen Tätigkeit
zum Sendungsauftrag der Kirche wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass andere Einrichtungen und anders ausgerichtete Träger
im Sozialbereich ähnliche Zwecke verfolgen und - rein äußerlich gesehen - Gleiches verwirklichen wollen (vgl. BVerfGE 53,
366 <399> unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <249>; vgl. auch BVerfGK 12, 308 <330>). Die religiöse Dimension ist insoweit das bestimmende Element der karitativen und
diakonischen Tätigkeit, das sie von äußerlich vergleichbaren Tätigkeiten unterscheidet. Es ist das spezifisch Religiöse der
karitativen und diakonischen Tätigkeit, das den Umgang mit Kranken und Benachteiligten prägt und der seelsorgerlichen und
pastoralen Begleitung eine hervorgehobene Bedeutung beimisst.
Dem steht nicht entgegen, dass diese Ausrichtung im modernen säkularen Staat angesichts religiöser Pluralisierung und "Entkirchlichung"
der Gesellschaft schwierig zu vermitteln ist, zumal nicht in allen Bereichen von Caritas und Diakonie hinreichend Christen
zur Verfügung stehen, die diesen Auftrag als an die eigene Person gerichteten Heilsauftrag begreifen und umsetzen. So müssen
verstärkt nichtchristliche Arbeitnehmer - auch in leitenden Positionen - in Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen eingesetzt
werden. Dies allein muss jedoch weder zu einem Rückzug der Kirchen aus den in Rede stehenden Bereichen führen noch dazu, dass
der geistlich theologische Auftrag und die Sendung nicht mehr erkennbar sind (vgl. etwa: Bethel, Gemeinschaft verwirklichen
-Unsere Vision und unsere strategischen Entwicklungsschwerpunkte 2011 bis 2016, v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Bielefeld
2011, S. 8 ff.).
Dieser gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation kann durch Struktur und Ausformung der christlichen Dienstgemeinschaft
ausreichend Rechnung getragen werden. Die christlichen Kirchen kennen viele Formen christlichen Dienens: Öffentlich-rechtliche
Dienst- und Treueverhältnisse, Zugehörigkeit zu besonderen geistlichen Gemeinschaften wie Orden und Diakonissengemeinschaften
oder eben auch nach staatlichem Recht - privatautonom - begründete Arbeitsverhältnisse. Spezifisches Kennzeichen für all diese
Formen ist es, dem biblischen Auftrag zur Verkündigung und zur tätigen Nächstenliebe nachzukommen. Der Dienst in der christlichen
Gemeinde ist Auftrag und Sendung der Kirche und umfasst idealiter den Menschen in all seinen Bezügen in Familie, Freizeit,
Arbeit und Gesellschaft. Dieses Verständnis ist die Grundlage für die kirchlichen Anforderungen an die Gestaltung des Dienstes
und die persönliche Lebensführung, die in den Loyalitätsobliegenheiten ihren Ausdruck finden. Gemeinschaft in diesem Sinne
bedeutet nach christlichem Glauben gemeinsame Verantwortung für das Wirken der Kirche und in der Kirche und ihren Einrichtungen.
Dieses Leitbild des Umgangs aller Dienstangehörigen prägt Verhalten und Umgang untereinander und mit den anvertrauten Kranken
und Benachteiligten. Vorwiegend ökonomische Interessenmaximierung ist damit nicht vereinbar.
e) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht steht nach Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV, auch soweit sich der Schutzbereich mit demjenigen der korporativen Religionsfreiheit überlagert, unter dem Vorbehalt
des für alle geltenden Gesetzes (sog. Schrankenspezialität, vgl. oben Rn. 85). Die Formel "innerhalb der Schranken des für
alle geltenden Gesetzes" kann jedoch nicht im Sinne des allgemeinen Gesetzesvorbehalts in einigen Grundrechtsgarantien verstanden
werden (vgl. BVerfGE 42, 312 <333>). Vielmehr ist der Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck bei der Entfaltung und Konturierung der Schrankenbestimmung
Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 53, 366 <400 f.>). Beim Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist daher der Umstand zu beachten, dass Art.
4 Abs.
1 und
2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis
der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist.
aa) Deshalb ergibt sich aus dem Umstand, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nur "innerhalb der Schranken des für alle
geltenden Gesetzes" gegeben ist, gerade nicht, dass jegliche staatliche Rechtsetzung, sofern sie nur aus weltlicher Sicht
von der zu regelnden Materie her als vernünftig und verhältnismäßig erscheint, ohne weiteres in den den Kirchen, ihren Organisationen
und Einrichtungen von Verfassungs wegen zustehenden Autonomiebereich eingreifen könnte (vgl. BVerfGE 53, 366 <404>; 72, 278 <289>). Die selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten ist den Kirchen, ihren Organisationen
und Einrichtungen von der Verfassung garantiert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihrer religiösen und diakonischen Aufgabe,
ihren Grundsätzen und Leitbildern auch im Bereich von Organisation, Normsetzung und Verwaltung umfassend nachkommen zu können
(vgl. BVerfGE 53, 366 <404>).
bb) Zu dem "für alle geltenden Gesetz" im Sinne des Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV, unter dessen Vorbehalt die inhaltliche Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers für die auf Vertragsebene begründeten
Arbeitsverhältnisse steht, zählen die Regelungen des allgemeinen Kündigungsschutzes (vgl. BVerfGE 70, 138 <166 f.>; Ehlers, in: Sachs,
GG, 7. Aufl. 2014, Art. 140/Art.
137 WRV, Rn. 14; Korioth, in: Maunz/Dürig,
GG, Art. 140/Art.
137 WRV, Rn. 49). Sie tragen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der objektiven Schutzpflicht des
Staates gegenüber den wechselseitigen Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung (vgl. BVerfGE 84, 133 <146 f.>; 85, 360 <372 f.>; 92, 140 <150>; 97, 169 <175 f.>; BVerfGK 1, 308 <311>; 8, 244 <246>).
cc) Die in diesen Vorschriften enthaltenen Generalklauseln bedürfen der Ausfüllung im konkreten Einzelfall. Im Privatrechtsverkehr
entfalten die Grundrechte ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch das Medium der Vorschriften, die
das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, damit vor allem auch durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (vgl.
BVerfGE 7, 198 <205 f.>; 42, 143 <148>; 103, 89 <100>). Der Staat hat insoweit die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzung
durch andere zu bewahren (vgl. nur BVerfGE 103, 89 <100>). Den staatlichen Gerichten obliegt es, den grundrechtlichen Schutz im Wege der Auslegung und Anwendung des einfachen
Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren.
(1) Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den "eigenen
Angelegenheiten" der Kirche nicht auf (vgl. BVerfGE 53, 366 <392>; 70, 138 <165>). Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze sind daher einerseits im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung
zugunsten der kirchlichen Selbstbestimmung auszulegen (Art.
4 Abs.
1 und
2 i.V.m. Art.
140 GG und Art.
137 Abs.
3 WRV). Das bedeutet nicht nur, dass die Religionsgesellschaft Gestaltungsspielräume, die das dispositive Recht eröffnet, voll
ausschöpfen darf. Auch bei der Handhabung zwingender Vorschriften sind Auslegungsspielräume, soweit erforderlich, zugunsten
der Religionsgesellschaft zu nutzen (vgl. BVerfGE 83, 341 <356>), wobei dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht zuzumessen ist (vgl. BVerfGE 53, 366 <401>, unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <246>; 44, 37 <49 f.>).
(2) Andererseits darf dies nicht dazu führen, dass Schutzpflichten des Staates gegenüber den Arbeitnehmern (Art.
12 Abs.
1 GG) und die Sicherheit des Rechtsverkehrs vernachlässigt werden (vgl. BVerfGE 83, 341 <356>). Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV sichert insoweit mit Rücksicht auf das zwingende Erfordernis friedlichen Zusammenlebens
von Staat und Kirchen (vgl. BVerfGE 42, 312 <330 ff., 340>) sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen
Schutz der Rechte anderer und für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Zweck
der gesetzlichen Schrankenziehung ist durch eine entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 46, 73 <95>; 53, 366 <400 f.>; 66, 1 <22>; 70, 138 <167>; 72, 278 <289>; BVerfGK 12, 308 <333>).
2. Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten über Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer haben die staatlichen Gerichte
den organischen Zusammenhang von Statusrecht (Art.
140 GG i.V.m. Art.
137 Abs.
3 WRV) und Grundrecht (Art.
4 Abs.
1 und
2 GG) im Rahmen einer zweistufigen Prüfung zu beachten und umzusetzen.
a) Ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit
Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen
nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt, müssen die staatlichen Gerichte auf einer ersten Prüfungsstufe einer Plausibilitätskontrolle
auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der Kirche unterziehen. Dabei dürfen sie die Eigenart des kirchlichen
Dienstes - das kirchliche Proprium - nicht außer Acht lassen.
aa) Die Formulierung des kirchlichen Proprium obliegt allein und ausschließlich den verfassten Kirchen und ist als elementarer
Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art.
4 Abs.
1 und
2 GG verfassungsrechtlich geschützt. Ebenso sind für die Frage, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses
bedeutsam sein können, allein die von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäbe von Belang. Demgegenüber kommt es weder auf
die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen - bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven
beeinflusst sein kann - noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa gar einzelner, bestimmten Tendenzen
verbundener Mitarbeiter an (vgl. BVerfGE 70, 138 <166>).
Im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts können die verfassten Kirchen festlegen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer
Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen
Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind, was als Verstoß gegen diese anzusehen ist und welches Gewicht diesem Verstoß
aus kirchlicher Sicht zukommt (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>). Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung"
der Loyalitätsobliegenheiten eingreifen soll, ist eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit
(vgl. BVerfGE 70, 138 <168>).
bb) Über die entsprechenden Vorgaben der verfassten Kirche dürfen sich die staatlichen Gerichte nicht hinwegsetzen. Im Rahmen
der allgemeinen Justizgewährungspflicht sind sie lediglich berechtigt, die Darlegungen des kirchlichen Arbeitgebers auf ihre
Plausibilität hin zu überprüfen. In Zweifelsfällen haben sie die einschlägigen Maßstäbe der verfassten Kirche durch Rückfragen
bei den zuständigen Kirchenbehörden oder, falls dies ergebnislos bleibt, durch ein kirchenrechtliches oder theologisches Sachverständigengutachten
aufzuklären.
(1) Religiöse Zielsetzung und institutionelle Verbindung der Organisation oder Einrichtung zur verfassten Amtskirche, ihren
Organen und Amtswaltern und die bruchlose Übereinstimmung von geistlich-theologischem Auftrag und dessen Ausführung im praktischen
Wirtschaftsleben müssen hiernach objektiv erkennbar sein und einer - den von der verfassten Kirche vorgegebenen glaubensspezifischen
Parametern folgenden - Plausibilitätskontrolle standhalten (vgl. Ehlers, in: Sachs <Hrsg.>,
GG, 7. Aufl. 2014, Art.
140, Rn. 6; Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665 <727 f.>).
(2) Ist durch den kirchlichen Arbeitgeber plausibel dargelegt, dass nach gemeinsamer Glaubensüberzeugung, Dogmatik, Tradition
und Lehre der verfassten Kirche ein bestimmtes Handeln oder eine Tätigkeit und daran geknüpfte Loyalitätsobliegenheiten Gegenstand,
Teil oder Ziel von Glaubensregeln sind (vgl. als Beispiel hierfür: Bethel, Grundsätze für Zusammenarbeit und Führung in den
v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Bielefeld 2012), darf der Staat das so umschriebene glaubensdefinierte Selbstverständnis
der Kirche nicht nur nicht unberücksichtigt lassen; er hat es vielmehr seinen Wertungen und Entscheidungen zugrunde zu legen,
so lange es nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht (vgl. dazu BVerfGE 70, 138 <168>, wo auf die Grundprinzipien der Rechtsordnung abgestellt wurde, wie sie im allgemeinen Willkürverbot [Art. 3 Abs. 1
GG] und in den Begriffen der "guten Sitten" [§ 138 Abs. 1 BGB] und des ordre public [Art. 6 EGBGB] ihren Niederschlag gefunden
haben; vgl. ferner BVerfGE 102, 370 <392 ff.>). Einer darüber hinaus gehenden Bewertung solcher Glaubensregeln hat sich der Staat zu enthalten (vgl. BVerfGE
33, 23 <30>; 104, 337 <355>), denn darin entfaltet sich nicht nur die statusrechtliche Sicherung nach Art. 137 Abs. 3 WRV, sondern
vor allem auch die Schutzwirkung der Religionsfreiheit von Art.
4 Abs.
1 und
2 GG.
(3) Dies gilt in besonderem Maße im Hinblick auf Loyalitätserwartungen der Kirche und eine etwaige Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten.
Hat die Kirche oder Religionsgemeinschaft sich in Ausübung ihrer korporativen Religionsfreiheit dazu entschieden, ein bestimmtes
Verhalten wegen des Verstoßes gegen tragende Glaubenssätze als Loyalitätsverstoß zu werten, ein anderes aber nicht, und hat
sie diese Maßgabe zum Gegenstand eines Arbeitsvertrags gemacht, so ist es den staatlichen Gerichten grundsätzlich untersagt,
diese autonom getroffene und von der Verfassung geschützte Entscheidung zu hinterfragen und zu bewerten. Gleiches gilt, soweit
die Kirche oder Religionsgemeinschaft die Loyalitätsobliegenheiten auf Arbeitnehmer in bestimmten Aufgabenbereichen beschränkt
oder nur auf solche kirchlichen Arbeitnehmer erstreckt hat, die ihrem Glauben angehören. Den staatlichen Gerichten ist es
insoweit verwehrt, die eigene Einschätzung über die Nähe der von einem Arbeitnehmer bekleideten Stelle zum Heilsauftrag und
die Notwendigkeit der auferlegten Loyalitätsobliegenheit im Hinblick auf Glaubwürdigkeit oder Vorbildfunktion innerhalb der
Dienstgemeinschaft an die Stelle der durch die verfasste Kirche getroffenen Einschätzung zu stellen (vgl. auch BVerfGE 70,
138 <167>; 83, 341 <356>; so auch im Ergebnis: Isensee, in: Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <214 f.>; Richardi,
in: ders./Wlotzke/Wißmann/Oetker, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 2009, § 328 Rn. 24; Plum, NZA 2011,
S. 1194 <1200>; Fahrig/Stenslik, EuZA 5 <2012>, S. 184 <194 f.>; Melot de Beauregard, NZA-RR 2012, S. 225 <230>; Walter, ZevKR 57 <2012>, S. 233 <240>; Pötters/Kalf, ZESAR 2012, S. 216 <218>; Magen, in: Kämper/Puttler <Hrsg.>,
Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 41 <43 ff.>).
b) Auf einer zweiten Prüfungsstufe haben die Gerichte sodann die Selbstbestimmung der Kirchen den Interessen und Grundrechten
der Arbeitnehmer in einer offenen Gesamtabwägung gegenüberzustellen.
aa) Dies setzt die positive Feststellung voraus, dass der Arbeitnehmer sich der ihm vertraglich auferlegten Loyalitätsanforderungen
und der Möglichkeit arbeitsrechtlicher Sanktionierung von Verstößen bewusst war oder hätte bewusst sein müssen. Die Unannehmbarkeit
einer Loyalitätsanforderung (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>) ist gegeben, wenn Inhalt und Reichweite der dem kirchlichen Arbeitnehmer auferlegten Obliegenheiten sowie die sich
aus einem Verstoß möglicherweise ergebenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen nicht mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar
sind, so dass der kirchliche Arbeitnehmer sich außer Stande sieht, sein Handeln an den Loyalitätsanforderungen seines Arbeitgebers
zu orientieren. Die nach freiem Willen getroffene Entscheidung eines Grundrechtsberechtigten, eine partielle Beschränkung
seiner Freiheitsrechte durch Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit einem kirchlichen Arbeitgeber zu dessen Voraussetzungen
hinzunehmen, setzt notwendigerweise das Bewusstsein über den Umfang der Selbstbindung voraus (vgl. hierzu auch: Isensee, in:
Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <206 f.>; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke,
GG, 13. Aufl. 2014, Art.
140 Rn. 27). Diese Voraussetzung ist nicht mehr erfüllt, wenn sich etwa Inhalt und Reichweite der einzuhaltenden Verhaltensregeln
nur mithilfe detaillierter Kenntnisse des Kirchenrechts und der Glaubens- und Sittenlehre feststellen lassen, die vom Arbeitnehmer
auch bei gesteigerten Erwartungen wegen der Konfession oder der konkreten Stellung nicht verlangt werden können (vgl. zur
Relevanz des letztgenannten Umstands und zur Abgrenzung auch: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 71).
Das Erfordernis der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit steht einer Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln
(vgl. etwa Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO: "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre") in Arbeitsverträgen und der
Verweisung auf Dienstordnungen nicht grundsätzlich entgegen. Im Zweifel ist der kirchliche Arbeitgeber jedoch gehalten, abstrakte
Begrifflichkeiten zum Verständnis des Arbeitnehmers im Rahmen der individualvertraglichen Vereinbarung zu konkretisieren (vgl.
hierzu auch: Böckel, in: Kämper/Puttler <Hrsg.>, Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 57 <58>).
Das Maß im Einzelfall zulässiger Abstrahierung korrespondiert dabei mit dem Umfang der nach Einschätzung der Kirche im Hinblick
auf das konkrete Arbeitsverhältnis erforderlichen Loyalitätserwartungen: Bei Personen, die aufgrund ihres Glaubens oder ihrer
Stellung erhöhten Loyalitätsanforderungen unterworfen werden, sind in aller Regel auch Kenntnisse der kirchlichen Lehre Teil
des beruflichen Anforderungsprofils und können durch den Arbeitgeber bei der Formulierung der Loyalitätserwartungen vorausgesetzt
werden. Führt die Unkenntnis eines derartigen Arbeitnehmers zu einer Obliegenheitsverletzung, weil er sich über die Illoyalität
seines Verhaltens nicht im Klaren ist, obschon er es hätte sein müssen, rechtfertigt dies eine andere Beurteilung als in Konstellationen,
in denen Kenntnisse der kirchlichen Lehre und der einschlägigen kirchengesetzlichen Vorgaben auch aus Sicht der Kirche nicht
ohne weiteres erwartet werden können.
bb) Im Rahmen des sich hieran anschließenden Abwägungsvorgangs sind die kollidierenden Rechtspositionen - dem Grundsatz der
praktischen Konkordanz entsprechend - in möglichst hohem Maße in ihrer Wirksamkeit zu entfalten. Sie sind einander im Sinne
einer Wechselwirkung verhältnismäßig zuzuordnen, das heißt, das einschränkende arbeitsrechtliche Gesetz muss im Lichte der
Bedeutung des Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV und Art.
4 Abs.
1 und
2 GG betrachtet werden, wie umgekehrt die Bedeutung kollidierender Rechte des Arbeitnehmers im Verhältnis zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht
gewichtet werden muss.
Dem Selbstverständnis der Kirche ist dabei ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. hierzu auch: BVerfGE 53, 366 <401>; 66, 1 <22>; 70, 138 <167>; 72, 278 <289>; BVerfGK 12, 308 <333>), ohne dass die Interessen der Kirche die Belange
des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwögen. Das staatliche Arbeitsrecht lässt "absolute Kündigungsgründe" nicht zu; eine
Verabsolutierung von Rechtspositionen ist der staatlichen Rechtsordnung jenseits des Art.
1 Abs.
1 GG fremd. Entsprechend entbindet selbst ein erkennbar schwerwiegender Loyalitätsverstoß die staatlichen Arbeitsgerichte nicht
von der Pflicht zur Abwägung der kirchlichen Interessen mit den Belangen des Arbeitnehmers. Die Arbeitsgerichte haben jedoch
auch bei der Abwägung die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Gewichtung vertraglicher Loyalitätsobliegenheiten zugrunde
zu legen (BVerfGE 70, 138 <170 ff.>).
3. Ob diese Abwägung verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, kann gegebenenfalls Gegenstand verfassungsgerichtlicher
Kontrolle sein. Das Bundesverfassungsgericht ist zum Eingreifen gegenüber den Fachgerichten jedoch nur dann berufen, wenn
diese tragende Elemente des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der korporativen Religionsfreiheit einerseits oder Grundrechte
des Arbeitnehmers andererseits verkennen.
4. Diese Maßstäbe stehen in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. bereits: EKMR, Rommelfänger
v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86). Die durch die Konvention begründeten objektiven
Schutzpflichten des Staates aus Art. 11 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 EMRK und das sich hieraus ergebende Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften einerseits und die entgegenstehenden
Rechtspositionen der kirchlichen Arbeitnehmer andererseits verlangen - in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben
- eine Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls. Die durch
die Konvention begründete Neutralitätspflicht des Staates in religiösen Angelegenheiten untersagt den staatlichen Stellen
hierbei ebenfalls eine eigenständige Bewertung und Gewichtung von Glaubensinhalten.
a) Die Europäische Menschenrechtskonvention ist als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des
Grundgesetzes heranzuziehen. Dies verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung der Aussagen des
Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Vielmehr werden deren Wertungen im Sinne eines möglichst schonenden Einpassens in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte
nationale Rechtssystem aufgenommen (vgl. BVerfGE 111, 307 <315 ff.>; 128, 326 <366 ff.>; 131, 268 <295 f.>).
Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung
und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 111, 307 <329>; 128, 326 <371>). Zudem darf sie nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem
Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention durch Art. 53 EMRK ihrerseits aus (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; 128, 326 <371>, jeweils m.w.N.). Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in - wie hier - mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen
relevant werden, in denen das "Mehr" an Freiheit für einen Grundrechtsträger zugleich ein "Weniger" für einen anderen bedeutet
(vgl. BVerfGE 128, 326 <371>).
b) Art. 9 Abs. 1 EMRK schützt neben der individuellen Religionsfreiheit auch ihre korporative Seite (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, Handkommentar, 3. Aufl. 2011, Art. 9 Rn. 10, m.w.N). Da die Kirchen und Religionsgemeinschaften traditionell in der Form organisierter Strukturen existieren,
deren autonomer Bestand für die Vielfalt in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar ist und die Glaubensfreiheit in
ihrem Kerngehalt berührt, muss Art. 9 Abs. 1 EMRK nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Lichte des Art. 11 Abs. 1 EMRK ausgelegt werden. Unter diesem Blickwinkel bedingt die Glaubensfreiheit des Einzelnen auch den Schutz der rechtlich verfassten
Kirchen und Religionsgemeinschaften vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen im Hinblick sowohl auf religiöse als auch
auf organisatorische Fragen. Ohne diesen Schutz der Organisation nach Maßgabe des religiösen Selbstverständnisses durch die
Konvention wäre auch die effektive Wahrnehmung der individuellen Religionsfreiheit beeinträchtigt (vgl. zu alledem: EGMR (GK), Hasan u. Chaush v. Bulgarien, Urteil vom 26. Oktober 2000, Nr. 30985/96, § 62; EGMR, Metropolitan Church of Bessarabia u.a. v. Moldawien, Urteil vom 13. Dezember 2001, Nr. 45701/99, § 118; EGMR, Holy Synod of the Bulgarian Orthodox Church (Metropolitan Inokentiy) v. Bulgarien, Urteil vom 22. Januar 2009, Nr. 412/03
u.a., § 103; EGMR (GK), Sindicatul "Pastorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 136; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 127).
aa) Das Autonomierecht beinhaltet das Recht der Kirche oder Religionsgemeinschaft, nach ihren Rechtssätzen und nach ihrem
Ermessen auf ein Verhalten ihrer Mitglieder zu reagieren, das eine Bedrohung für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder
die Einheit der Gemeinschaft bedeutet (vgl. hierzu: EGMR (GK), Sindicatul "Pastorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 165; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 128). Daneben ist in der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt, dass aus dem Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften auch deren
Befugnis erwächst, ihren Arbeitnehmern und den die Gemeinschaft repräsentierenden Personen ein gewisses Maß an Loyalität abzuverlangen
(vgl. hierzu bereits: EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86; sowie:
EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 131, m.w.N.). Voraussetzung ist, dass von einer
Verletzung der konkreten Loyalitätsanforderung nach Einschätzung der Kirche oder Religionsgemeinschaft eine substantielle
Gefahr für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder die Einheit der Gemeinschaft ausginge, die mit der Loyalitätsanforderung
verbundene Beschränkung nicht über das erforderliche Maß hinausreicht und keinen sachfremden Zwecken dient, die nicht in der
Wahrnehmung des religiösen Auftrags begründet liegen; dies hat die Kirche oder Religionsgemeinschaft im Einzelfall darzulegen
(vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132).
bb) Unter diesen Bedingungen können auch Beschränkungen konventionsrechtlich geschützter Rechtspositionen des Arbeitnehmers
gerechtfertigt sein; insoweit ist Art. 11 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 EMRK generell geeignet, als Schranke für diese Konventionsrechte zu dienen und die objektive Schutzpflicht des Staates zu begrenzen
oder gar zu verdrängen (vgl. hierzu: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 43 ff.; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 133 ff., jeweils zu Art. 8 Abs. 1 EMRK; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45, zu Art. 9 Abs. 1 EMRK).
Da die vertragliche Unterwerfung unter die Loyalitätserwartungen jedoch auf einer freiwilligen Entscheidung des kirchlichen
Arbeitnehmers beruht (vgl. bereits EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86),
ist Voraussetzung hierfür grundsätzlich, dass der Inhalt der Loyalitätserwartung und die mit einem Verstoß einhergehenden
Rechtsfolgen für den Arbeitnehmer vorhersehbar sind (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 117). Für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit ist auf die Konfession des Arbeitnehmers (vgl. hierzu: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50) und - in besonderem Maße - die von dem kirchlichen
Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall bekleidete Stellung innerhalb der Organisation abzustellen (vgl. hierzu: EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 119).
cc) Der konkreten Stellung des Arbeitnehmers innerhalb der religiösen Organisation oder einer ihrer selbständigen Einrichtungen
(vgl. hierzu EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86, zum Fall eines
Assistenzarztes in einem von einer Stiftung der römisch-katholischen Kirche getragenen Krankenhaus; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 44, zum Fall einer Erzieherin in von protestantischen
Kirchengemeinden getragenen Kindertagesstätten) und dem Inhalt der ihm übertragenen Aufgaben kommt bei Beurteilung des zulässigen
Umfangs der Loyalitätsobliegenheiten und der Vereinbarkeit von Sanktionsmaßnahmen aufgrund von Loyalitätsverstößen im Rahmen
der Abwägungsentscheidung besonderes Gewicht zu (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 131, m.w.N.). Eine bereits von der Kirche oder
Religionsgemeinschaft vorgenommene Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten nach der Konfession oder beruflichen Stellung des
Arbeitnehmers ist daher mit der Konvention nicht nur vereinbar, sondern im Zweifelsfall sogar geboten (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50, zur Abstufung aufgrund der Konfession; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 119, jeweils zur Abstufung aufgrund der Stellung).
Hierdurch trägt die Kirche oder Religionsgemeinschaft ihrer Pflicht Rechnung, nur die aus ihrer Sicht zur Abwendung substantieller
Risiken für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder die Einheit der Gemeinschaft unabweisbaren Einschränkungen konventionsrechtlich
geschützter Rechtspositionen ihrer Arbeitnehmer vorzunehmen (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132).
c) Maßgeblich für die Beurteilung des notwendigen Inhalts der besonderen Loyalitätsanforderungen und des Gewichts von Verstößen
hiergegen ist auch nach der Konvention der Standpunkt der Kirche oder Religionsgemeinschaft. Er ist von den staatlichen Stellen
im Rahmen ihres Handelns grundsätzlich zugrunde zu legen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 68; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45). Diese Beschränkung der Einschätzungsgewalt staatlicher
Stellen wurzelt in dem konventionsrechtlichen Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften (Art. 11 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 9 Abs. 1 EMRK) und der staatlichen Neutralitätspflicht in religiösen Angelegenheiten. Sie untersagt über die bereits genannten Gewährleistungsinhalte
des Autonomierechts hinaus der staatlichen Gewalt auch, kraft eigener Einschätzung darüber zu befinden, ob religiöse Glaubensüberzeugungen
oder die Mittel zum Ausdruck solcher Glaubensüberzeugungen legitim sind (vgl. EGMR, Manoussakis v. Griechenland, Urteil vom 26. September 1996, Nr. 18748/91, § 47; EGMR, Jehovah's Witnesses of Moscow u.a. v. Russland, Urteil vom 10. Juni 2010, Nr. 302/02, § 141; EGMR, Church of Jesus Christ of the Latter-Day Saints v. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 4. März 2014, Nr. 7552/09, § 29).
d) Dennoch muss die staatliche Gewalt den Standpunkt der Kirche und Religionsgemeinschaft vom Inhalt einer Loyalitätsanforderung
und dem Gewicht eines Verstoßes ihrem Handeln nicht gänzlich ungeprüft zugrunde legen (vgl. hierzu auch: EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 69); von der konventionsrechtlichen Neutralitätspflicht
in religiösen Angelegenheiten ist der Staat in bestimmten Ausnahmefällen entbunden (vgl. EGMR (GK), Hasan u. Chaush v. Bulgarien, Urteil vom 26. Oktober 2000, Nr. 30985/96, §§ 62, 78; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 129).
aa) Die staatlichen Gerichte haben sicherzustellen, dass die kirchlichen Arbeitgeber im Einzelfall keine unannehmbaren Anforderungen
an ihre Arbeitnehmer richten (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45 f.). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die
Loyalitätsobliegenheit oder deren Gewichtung im Kündigungsfall gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt (vgl. EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45 f.), auf willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132) oder wenn die Zugrundelegung des nach kirchlichem
Selbstverständnis erlassenen Rechtsakts durch das staatliche Gericht auch unter Berücksichtigung des entgegenstehenden Interesses
des kirchlichen Arbeitgebers im Ergebnis zu einer offensichtlichen Verletzung eines Konventionsrechts in seinem Kerngehalt
führt (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132). Letzteres ist auch dann anzunehmen, wenn
durch die Loyalitätserwartung der Schutzbereich eines abwägungsfesten Konventionsrechts (vgl. Art. 15 Abs. 2 EMRK) berührt wird.
Nicht ausreichend ist hingegen, dass die Loyalitätsobliegenheit lediglich den Schutzbereich anderer Konventionsrechte tangiert.
Dies würde nicht nur das konventionsrechtliche Autonomierecht der Kirchen (Art. 11 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 9 Abs. 1 EMRK) entwerten, sondern auch den Abwägungsprozess verkürzen, wodurch der konventionsrechtlich gebotene gerechte Ausgleich zwischen
mehreren - privaten - Interessen (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 45, 52; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 40, 47) verhindert würde. Die Entscheidung darüber,
ob dem Interesse des kirchlichen Arbeitgebers an der selbstbestimmten Verwirklichung seiner religiösen Grundsätze im Arbeitsrecht
oder dem Interesse des kirchlichen Arbeitnehmers an dem konventionsrechtlich geschützten, jedoch illoyalen Verhalten der Vorrang
einzuräumen ist, ist erst im Wege der Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen zu treffen (vgl. hierzu auch: Grabenwarter/Pabel,
KuR 2011, S. 55 <62>).
bb) Inwieweit das Autonomierecht der Kirchen als Schranke entgegenstehender Konventionsrechte wirkt (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 60), ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung
der widerstreitenden Positionen und aller sie beeinflussenden Faktoren auf den Einzelfall zu bestimmen (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 68; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 132, 148). Da den Staat insoweit hinsichtlich
beider Konventionsrechte objektive Schutzpflichten treffen und der Schutz der einen Rechtsposition notwendigerweise zur Beeinträchtigung
des entgegenstehenden Rechts führt, räumt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Konventionsstaaten einen weiten
Einschätzungsspielraum ein (vgl. EGMR (GK), Sindicatul "Pastorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 160; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 123).
Dennoch werden die Konventionsstaaten ihren objektiven Schutzpflichten im Einzelfall nur gerecht, wenn sie eine eingehende
und alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung der durch die Kündigung tangierten Rechtspositionen
von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vornehmen (vgl. EGMR (GK), Sindicatul "Pastorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 159; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 123).
Hierzu zählen unter anderem das Bewusstsein des Arbeitnehmers für die begangene Loyalitätspflichtverletzung (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 72; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 44, 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 141, 146), die Freiwilligkeit der Bindung an höhere Loyalitätsobliegenheiten (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 135), die öffentlichen Auswirkungen der Loyalitätspflichtverletzung (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 72), das Interesse des kirchlichen Arbeitgebers an der Wahrung seiner Glaubwürdigkeit (vgl. EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 44, 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 137), die Position des Arbeitnehmers in der Einrichtung,
die Schwere des Loyalitätspflichtverstoßes in den Augen der Kirche sowie die zeitliche Dimension des Loyalitätsverstoßes (vgl.
jeweils EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 48), das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seines Arbeitsplatzes (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67), sein Alter, seine Beschäftigungsdauer (vgl. jeweils EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 48; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 44) und die Aussichten auf eine neue Beschäftigung (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 73; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 144).
cc) Im Rahmen der Interessenabwägung hat das staatliche Gericht allerdings stets die konventionsrechtlich geschützte Neutralitätspflicht
in religiösen Angelegenheiten zu wahren (vgl. EGMR, Manoussakis v. Griechenland, Urteil vom 26. September 1996, Nr. 18748/91, § 47; EGMR, Jehovah's Witnesses of Moscow u.a. v. Russland, Urteil vom 10. Juni 2010, Nr. 302/02, § 141; EGMR, Church of Jesus Christ of the Latter-Day Saints v. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 4. März 2014, Nr. 7552/09, § 29).
Aus diesem Grund muss es bei der Gewichtung religiös geprägter Abwägungselemente (z.B. spezifische Nähe der Tätigkeit des
Arbeitnehmers zum Verkündigungsauftrag) den Standpunkt der verfassten Kirche und Religionsgemeinschaft seiner Entscheidung
zugrunde legen, sofern es hierdurch nicht in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung gelangt (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45).
dd) Soweit der Gerichtshof in einem Urteil beanstandet hat, die nationalen Gerichte hätten die Frage der Nähe der vom Beschwerdeführer
ausgeübten Tätigkeit zum Verkündigungsauftrag der Kirche nicht geprüft, sondern offenbar ohne weitere Nachprüfungen den Standpunkt
des kirchlichen Arbeitgebers in dieser Frage übernommen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67), war dies den besonderen Umständen des Einzelfalls
geschuldet und rechtfertigt deshalb keine abweichende Beurteilung vorstehender konventionsrechtlicher Maßstäbe.
Eine Lesart der Entscheidungsgründe, die eine eigenständige staatliche Bewertung der Nähe einer Tätigkeit zum Verkündigungsauftrag
erfordern würde, liefe Gefahr, in unauflösbaren Widerspruch zur sonstigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 43, 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, §§ 57, 60; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 40, 45) bei Loyalitätsobliegenheiten im kirchlichen
Arbeitsverhältnis zu geraten und das konventionsrechtlich garantierte Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften
in seinem Kernbestand zu entwerten. Auch bliebe ungeklärt, warum der Gerichtshof sich einerseits auf die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts
aus der Entscheidung vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) bezogen hat, ohne deren Vereinbarkeit mit der Konvention in Zweifel zu ziehen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, §§ 35, 68) andererseits aber die Überprüfung kirchlicher
Selbstverständnisse in weitem Umfang von den staatlichen Arbeitsgerichten verlangen würde. Eine solche Interpretation stünde
letztlich auch der Rezeption in die nationale Verfassungsordnung entgegen, weil sie den Grundrechtsschutz innerhalb eines
mehrpoligen Grundrechtsverhältnisses einseitig zu Lasten eines Beteiligten beschränken würde (vgl. auch Plum, NZA 2011, S.
1194 <1200>).
II.
Nach diesen Maßstäben verstößt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 gegen Art.
4 Abs.
1 und
2 in Verbindung mit Art.
140 GG und Art.
137 Abs.
3 Satz 1 WRV, da die bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 KSchG vorgenommene Interessenabwägung dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin nicht in dem verfassungsrechtlich
gebotenen Umfang Rechnung trägt.
1. Der persönliche Anwendungsbereich von Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV ist zu Gunsten der Beschwerdeführerin eröffnet. Sie hat in Anbetracht der vorrangig religiösen Zielsetzung ihres Handelns
und ihrer institutionellen Verbindung zur römisch-katholischen Kirche an deren kirchlichem Selbstbestimmungsrecht teil. Zwar
ist weder die Beschwerdeführerin selbst noch das in ihrer Trägerschaft befindliche V.-Krankenhaus Teil der amtskirchlichen
Organisation. Beide haben jedoch teil an der Verwirklichung von Auftrag und Sendung der Kirche im Geist katholischer Religiosität,
im Einklang mit dem Bekenntnis und in Legitimation durch die Amtsträger der römisch-katholischen Kirche.
a) Die durch die Beschwerdeführerin wahrgenommene Aufgabe der Krankenbehandlung und -pflege stellt sich als Teil des Sendungsauftrages
der römisch-katholischen Kirche dar. Sie ist als karitative Tätigkeit auf die Erfüllung der aus dem Glauben erwachsenden Pflicht
zum Dienst am Mitmenschen und damit auf die Wahrnehmung einer kirchlichen Grundfunktion gerichtet (vgl. BVerfGE 53, 366 <393>; siehe auch: BVerfGE 24, 236 <246 ff.>; 46, 73 <85 ff.>; 57, 220 <242 f.>; 70, 138 <163>).
In der Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland ist die karitative Tätigkeit in den Kirchenverträgen und Konkordaten als
legitime Aufgabe der Kirchen ausdrücklich anerkannt und den Kirchen die Berechtigung dazu gewährleistet worden (vgl. BVerfGE
24, 236 <248>; 53, 366 <393>, jeweils m.w.N.). Zu dieser karitativen Tätigkeit gehört die kirchlich getragene Krankenpflege, die
in langer katholischer Tradition steht. Ihr entspricht die Organisation des kirchlichen Krankenhauses und die auf sie gestützte,
an christlichen Grundsätzen ausgerichtete, auch pastorale und seelsorgerische Zuwendung umfassende Hilfeleistung für den Patienten
(vgl. BVerfGE 53, 366 <393>).
b) An der Erfüllung dieses kirchlichen Auftrags hat die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer bekenntnismäßigen und organisatorischen
Verbundenheit mit der römisch-katholischen Kirche Anteil. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der Regelungen des Gesellschaftsvertrages.
c) Im Fall der Beschwerdeführerin tritt die religiöse Dimension nicht in einem Maße gegenüber rein ökonomischen Erwägungen
in den Hintergrund, das geeignet wäre, die Prägung durch das glaubensdefinierte Selbstverständnis in Frage zu stellen. Die
Regelungen des Gesellschaftsvertrags der Beschwerdeführerin vom 6. August 2003, die als verbindlich anerkannten Vorgaben der
Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 und
die enge Verbindung der Beschwerdeführerin zum Verbund Katholischer Kliniken D. stehen einer vorrangig auf Vermögensmehrung
ausgerichteten Aufgabenwahrnehmung der von ihr getragenen Einrichtungen entgegen. Allein das Ziel der Erwirtschaftung eines
wirtschaftlichen Ergebnisses, das die Substanz der vorhandenen Einrichtungen und Arbeitsplätze sichert und eine sinnvolle
Weiterentwicklung ermöglicht, ist für sich genommen noch nicht geeignet, die im Übrigen klar erkennbare religiöse Prägung
ihres Handelns zu verdrängen.
2. Die Auferlegung besonderer Loyalitätsobliegenheiten gegenüber dem Kläger des Ausgangsverfahrens war vom Gewährleistungsinhalt
des Art.
140 GG in Verbindung mit Art.
137 Abs.
3 WRV umfasst. Durch den Verweis auf die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom
22. September 1993 (GrO) sowie § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 12. Oktober 1999 ist das Verbot des Lebens in kirchlich
ungültiger Ehe wirksam und vorhersehbar zum Inhalt des Arbeitsvertrages geworden (nachfolgend a) und b)). Diese Loyalitätsanforderungen
stehen ebenso wie ihre Abstufung nach Konfession und Stellung im Einklang mit den Maßstäben der verfassten römisch-katholischen
Kirche. Sie erlegen dem Kläger des Ausgangsverfahrens keine unannehmbaren oder gegen grundlegende verfassungsrechtliche Gewährleistungen
verstoßenden Obliegenheiten auf (nachfolgend c)).
a) Die Regelungen der Grundordnung einschließlich derer zum Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe sowie zu der Abstufung
von Loyalitätserwartungen und arbeitsrechtlichen Sanktionen nach Konfession und Stellung des Arbeitnehmers sind von der Gesamtheit
der katholischen Bischöfe in Deutschland übereinstimmend verabschiedet und promulgiert und damit für ihren jeweiligen Bereich
als kirchliches Gesetz in Kraft gesetzt worden (vgl. Can. 391 § 1 CIC). Zweifel über den Inhalt der Maßstäbe der verfassten
Kirche, denen seitens der staatlichen Gerichte durch entsprechende Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden zu begegnen
gewesen wäre (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>), liegen deshalb nicht vor.
b) Inhalt und Reichweite der dem Kläger des Ausgangsverfahrens auferlegten Obliegenheiten sowie die sich aus einem Verstoß
möglicherweise ergebenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen waren für ihn mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar, so dass
er in der Lage war, sein Verhalten hieran auszurichten. Eine Unannehmbarkeit der an ihn gerichteten Loyalitätserwartungen
wegen mangelnder Vorhersehbarkeit scheidet aus.
aa) Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO formuliert die für alle katholischen Mitarbeiter geltenden Loyalitätsobliegenheiten, indem er
die Beachtung und Anerkennung der "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre" verlangt. Im Vergleich zu den nichtkatholischen
christlichen Mitarbeitern (vgl. Art. 4 Abs. 2 GrO) und nichtchristlichen Mitarbeitern (vgl. Art. 4 Abs. 3 GrO) werden katholische
Mitarbeiter - zu denen der Kläger des Ausgangsverfahrens zählt - damit gesteigerten Loyalitätsanforderungen unterworfen. Hiermit
korrespondiert, dass in der Regel nur katholische Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die im leitenden Dienst ausgeübt werden, betraut
werden dürfen (vgl. Art. 3 Abs. 2 GrO).
Art. 4 Abs. 1 Satz 3 GrO enthält für leitende Mitarbeiter eine weitere Steigerung der Loyalitätsobliegenheiten. Durch Verweis
auf Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrO wird diesen "das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens-
und Sittenlehre" abverlangt, das in besonderem Maße auch die Beachtung und Anerkennung der katholischen Glaubenssätze im außerdienstlichen
Bereich umfasst. Die in der Präambel des Arbeitsvertrages ebenfalls zur Grundlage des Arbeitsverhältnisses erklärte "Grundordnung
für katholische Krankenhäuser in NordrheinWestfalen" vom 5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 stellt in Abschnitt
A Ziff. 6 klar, dass unter anderem die Abteilungsärzte (Chefärzte) als leitende Mitarbeiter im Sinne der Grundordnung zu gelten
haben.
Art. 5 GrO regelt die arbeitsrechtliche Sanktionierung von Loyalitätsverstößen und stellt in Absatz 1 Satz 3 klar, dass auch
die einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung nach erfolgloser Ausschöpfung milderer Maßnahmen sowie
unter Berücksichtigung der Schwere des Loyalitätsverstoßes in Betracht kommt. In Form von Regelbeispielen benennt Art. 5 Abs.
2 GrO bestimmte Loyalitätsverstöße, die aus Sicht der Kirche im Regelfall derart schwerwiegend sind, dass sie grundsätzlich
geeignet sind, eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen zu rechtfertigen; hierdurch werden zugleich die in Art. 4 GrO
auferlegten Loyalitätsobliegenheiten - wenn auch nicht abschließend - konkretisiert. Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO benennt
als schwerwiegenden Loyalitätsverstoß ausdrücklich den "Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung
der Kirche ungültigen Ehe".
Für die durch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 GrO gesteigerten Loyalitätsanforderungen unterworfenen Mitarbeiter stellt Art. 5
Abs. 3 Satz 1 GrO klar, dass die vorstehend genannten, generell als Kündigungsgrund in Betracht kommenden Verstöße die Möglichkeit
einer Weiterbeschäftigung in aller Regel ausschließen, wenn sie von einem leitenden Mitarbeiter begangen werden. Ein Absehen
von der Kündigung soll ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn schwerwiegende Umstände des Einzelfalls die Kündigung als unangemessen
erscheinen lassen (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GrO).
bb) Für den Kläger des Ausgangsverfahrens, der als Chefarzt zur Gruppe der leitenden Mitarbeiter zählt, war demnach bereits
bei Vertragsschluss aufgrund der in Bezug genommenen Regelungen der Grundordnung erkennbar, dass ein Loyalitätsverstoß durch
Eingehung einer zweiten Ehe im Hinblick auf den Bestand seiner nach kirchlichem Recht geschlossenen ersten Ehe im Regelfall
die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als arbeitsrechtliche Sanktion nach sich ziehen würde. Tatbestand und Rechtsfolge
eines derartigen Loyalitätsverstoßes waren zudem durch § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages konkretisiert. Dem Kläger des
Ausgangsverfahrens war danach bei der Entscheidung, die hiermit verbundene partielle Beschränkung seiner Freiheitsrechte durch
Eingehung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin zu deren Konditionen hinzunehmen, der Umfang der damit eingegangenen
Selbstbindung bewusst oder er hätte ihm jedenfalls bewusst sein müssen. Dies gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass
nach dem in der Grundordnung zum Ausdruck kommenden Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche an einen katholischen
Arbeitnehmer mit leitenden Aufgaben wegen seiner Konfession und der konkret bekleideten Stellung gesteigerte Erwartungen im
Hinblick auf die Kenntnis der kirchlichen Lehre als Teil des beruflichen Anforderungsprofils gestellt werden können (vgl.
EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 71).
c) Weder die Loyalitätsobliegenheit als solche noch die arbeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen aufgrund der Konfession
einerseits und der leitenden Stellung andererseits ist verfassungsrechtlich zu beanstanden.
aa) Die durch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 GrO auferlegte und durch Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO konkretisierte Loyalitätserwartung
an die Mitarbeiter der römisch-katholischen Kirche, den nach katholischem Verständnis besonderen Charakter der kirchenrechtlich
geschlossenen Ehe als dauerhaften und unauflöslichen Bund zwischen Mann und Frau zu respektieren und zu schützen, ist auf
grundlegende und durch Art.
4 Abs.
1 und
2 GG geschützte Glaubenssätze der römisch-katholischen Kirche rückführbar.
bb) Auch die Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten nach der Konfession des kirchlichen Arbeitnehmers mit ihrer grundlegenden
Kategorisierung nach Katholiken (Art. 4 Abs. 1 GrO), Nichtkatholiken (Art. 4 Abs. 2 GrO) und Nichtchristen (Art. 4 Abs. 3
GrO) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 4.
Juni 1985 die besondere Bedeutung von Loyalitätserwartungen gegenüber Mitgliedern der eigenen Kirche anerkannt (vgl. BVerfGE
70, 138 <166>). Denn für die Kirchen kann ihre Glaubwürdigkeit davon abhängen, dass gerade ihre Mitglieder, die in ein Arbeitsverhältnis
zu ihnen treten, die kirchliche Ordnung - auch in ihrer Lebensführung - respektieren. Die Abstufung knüpft zudem an die differenzierte
Bindungswirkung des kanonischen Rechts an. Durch das katholische Kirchenrecht auferlegte Pflichten gelten ausschließlich für
Katholiken (vgl. Can. 11 CIC).
cc) Die in Art. 4 Abs. 1 Satz 3, Art. 5 Abs. 3 GrO vorgesehene Verschärfung der Loyalitätsobliegenheiten von Arbeitnehmern
in leitender Stellung ist ebenfalls von der Verfassung gedeckt. Leitende Arbeitnehmer nehmen Funktionen wahr, die hohe Bedeutung
für Bestand, Entwicklung, Struktur und Umsetzung der vorgegebenen Ziele der kirchlichen Einrichtung haben. Ihnen kommt eine
besondere Verantwortung für die Wahrung des spezifisch religiösen Charakters und damit der Erfüllung von Sendung und Auftrag
der Kirche zu. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die außerkirchliche als auch die innerkirchliche Öffentlichkeit (vgl. Dütz,
NJW 1994, S. 1369 <1371, 1373>).
3. Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG bei der Gewichtung der Interessen der Beschwerdeführerin Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts
(Art.
4 Abs.
1 und
2 i.V.m. Art.
140 GG und Art.
137 Abs.
3 WRV) verkannt. Es hat auf der ersten Stufe eine eigenständige Bewertung religiös vorgeprägter Sachverhalte vorgenommen und
seine eigene Einschätzung der Bedeutung der Loyalitätsobliegenheit und des Gewichtes eines Verstoßes hiergegen an die Stelle
der kirchlichen Einschätzung gesetzt, obschon diese anerkannten kirchlichen Maßstäben entspricht und nicht mit grundlegenden
verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Widerspruch steht. Auf diese Weise hat es die Unwirksamkeit der Kündigung mit einem
vermeintlich leichteren Gewicht der Rechtsposition der Beschwerdeführerin begründet - deren Bestimmung jedoch allein Sache
der verfassten römischkatholischen Kirche gewesen wäre -, statt ein besonders hohes Gewicht der Gegenposition des Klägers
des Ausgangsverfahrens in die Abwägung einzubringen (vgl. auch: Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 ff.; Pötters, EzA §
611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 21, S. 15 ff.; Magen, in: Kämper/Puttler <Hrsg.>, Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht,
2013, S. 41 <48 ff.>; Melot de Beauregard, NZA-RR 2012, S. 225 <230>).
a) Soweit das Bundesarbeitsgericht zu Lasten der Beschwerdeführerin darauf abstellt, dass nach Art. 3 Abs. 2 GrO auch nichtkatholische
Personen mit leitenden Aufgaben betraut werden können und die römisch-katholische Kirche es daher offenbar nicht als zwingend
erforderlich erachte, Führungspositionen an das Lebenszeugnis für die katholische Sittenlehre zu knüpfen (BAG, Urteil vom
8. September 2011, S. 14 UA (Rn. 41)), liegt hierin eine unzulässige eigene Bewertung der Schwere des Loyalitätsverstoßes.
Das Gericht überprüft die in Ausübung der Kirchenautonomie getroffene Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten (vgl. BVerfGE
70, 138 <167 f.>) nach Konfession und Stellung im Allgemeinen und erachtet sie anhand seiner eigenen - säkularen - Maßstäbe als widersprüchlich.
aa) Die römisch-katholische Kirche hat in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts bei der flächendeckenden Promulgation der
Grundordnung festgelegt, dass der kirchliche Arbeitgeber in der Regel leitende Aufgaben nur einer Person übertragen kann,
die katholischen Glaubens ist (vgl. Art. 3 Abs. 2 GrO). In diesem Fall unterliegt der Mitarbeiter nicht nur den nach Art.
4 Abs. 1 Satz 1 GrO für alle katholischen Mitarbeiter geltenden Loyalitätsobliegenheiten, sondern erfährt aufgrund seiner
Leitungsposition auch die in Art. 4 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 GrO enthaltene weitere Verschärfung der an ihn
gerichteten Loyalitätserwartungen. Im Falle des Verstoßes gegen diese Anforderungen sieht Art. 5 Abs. 3 GrO als Regelfall
die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor, erachtet den Loyalitätsverstoß also als besonders schwerwiegend. Hiervon ist die
Beschwerdeführerin auch im vorliegenden Fall ausgegangen.
bb) Diese Einschätzung stellt das Bundesarbeitsgericht dadurch infrage, dass es auf die in der Grundordnung offengehaltene
Möglichkeit verweist, leitende Aufgaben - im Ausnahmefall (vgl. hierzu etwa Ziff. 3 der "Ausführungsrichtlinien und Hinweise
zur Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" der Diözese Münster vom 1. April 1994)
- auch nichtkatholischen christlichen Mitarbeitern zu übertragen. Zudem erachtet das Bundesarbeitsgericht unter Übergehung
der kirchlichen Einschätzung zwei Tatbestände als vergleichbar, die für die römischkatholische Kirche von ganz unterschiedlichem
Gewicht sind: Für ihre Glaubwürdigkeit, die Integrität der Dienstgemeinschaft und die Vertrauensbasis der Mitarbeiterschaft
hat es ein signifikant anderes Gewicht, ob in Ausnahmefällen in leitenden Funktionen auch Personen beschäftigt werden, die
aus kirchenrechtlichen Gründen von Beginn an nur verminderten Loyalitätsobliegenheiten unterliegen oder ob Personen weiterbeschäftigt
werden müssen, die gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Kirche bevorzugt diese Positionen erhalten haben und
daher erhöhten Loyalitätsbindungen unterliegen, diese aber bewusst brechen und damit nicht nur gegen ihre arbeitsvertraglichen
Obliegenheiten, sondern auch gegen ihre Pflichten als Mitglied der Kirche verstoßen.
b) Auch soweit das Bundesarbeitsgericht aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit mehrfach auch Chefärzte
weiterbeschäftigt habe, die als Geschiedene erneut geheiratet hatten, auf ein vermindertes Kündigungsinteresse geschlossen
hat, setzt es seine Einschätzung der Gewichtigkeit des durch den Kläger des Ausgangsverfahrens begangenen Loyalitätsverstoßes
an die Stelle der verfassten Kirche, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein.
aa) Dies gilt zunächst, soweit das Bundesarbeitsgericht auch nichtkatholische geschiedene Chefärzte in seine Betrachtung eingestellt
hat. Das Gericht stellt wiederum die Abstufung von Loyalitätsanforderungen nach der Konfession des Stelleninhabers insgesamt
in Frage. Dabei setzt es sich über die bereits im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 enthaltene Vorgabe
hinweg, wonach auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung"
der Loyalitätsobliegenheiten eingreifen soll, eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit ist
(vgl. BVerfGE 70, 138 <167 f.>).
bb) Nichts anderes gilt, soweit das Bundesarbeitsgericht auf die Weiterbeschäftigung katholischer Chefärzte nach ihrer Wiederheirat
verweist. Das Bundesarbeitsgericht wäre von Verfassungs wegen nur dann zu einer eigenständigen Gewichtung des Loyalitätsverstoßes
des Klägers des Ausgangsverfahrens entgegen der kirchlichen Einschätzung ermächtigt gewesen, wenn es durch die Anwendung der
kirchlicherseits vorgegebenen Kriterien mit den grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Widerspruch geraten
wäre. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere ist die durch die Beschwerdeführerin vorgenommene hohe Gewichtung des Loyalitätsverstoßes
seitens des Klägers des Ausgangsverfahrens auch in Anbetracht der Fälle, in denen katholischen Chefärzten nach Wiederverheiratung
nicht gekündigt worden war, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 <1678>).
(1) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Urteil vom 1. Juli 2010, an die das Bundesarbeitsgericht
gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit §
559 Abs.
1 ZPO gebunden ist, waren in der Vergangenheit lediglich zwei katholische Chefärzte nach erneuter Heirat weiterbeschäftigt worden.
Im ersten Fall erfuhr die Beschwerdeführerin von der Wiederverheiratung des Chefarztes erst einen Monat vor dessen altersbedingtem
Ausscheiden und sah in Anbetracht dieses Umstands von einer Kündigung ab. Im zweiten Fall lag der sachgerechte Grund für die
abweichende Vorgehensweise der Beschwerdeführerin in der zwischenzeitlich deutlich geänderten innerkirchlichen Rechtslage
und der daraus sich ergebenden Vorhersehbarkeit einer Kündigung im Falle einer Wiederheirat.
(2) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist daher auch die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts, gerade hieraus lasse sich
für den Fall des Klägers des Ausgangsverfahrens der Rückschluss ziehen, dass die Beschwerdeführerin das Ethos ihrer Organisation
durch eine differenzierte Handhabung bei der Anwendung und Durchsetzung ihres legitimen Loyalitätsbedürfnisses selbst nicht
zwingend gefährdet sah. Einerseits beruht sie auf der wenig überzeugenden Prämisse, dass Kompromissbereitschaft aufgrund besonderer
Umstände des Einzelfalls ein Nachweis dafür sei, dass der kompromittierte Wert nicht hoch eingeschätzt werde (vgl. Magen,
in: Kämper/Puttler <Hrsg.>, Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 41 <49 f.>). Andererseits basiert sie auf
der unzutreffenden Annahme, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht falle bei der Abwägung nur dann ins Gewicht, wenn es - auch
unter Überspielung der eigenen Grundsätze - seitens der Kirchen ausnahmslos durchgesetzt werde. Ein derartiger "Kündigungsautomatismus",
den das Bundesarbeitsgericht der Beschwerdeführerin abzuverlangen scheint, ist jedoch nicht nur dem deutschen Kündigungsschutzrecht
fremd, sondern steht auch im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen (vgl. BVerfGE 70, 138 <166 f.>) wie konventionsrechtlichen Vorgaben (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51).
c) Auch die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, die Beschwerdeführerin habe nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
bereits seit längerem von dem ehelosen Zusammenleben des Klägers mit seiner späteren zweiten Ehefrau gewusst was erkennen
lasse, dass die Beschwerdeführerin ihre Glaubwürdigkeit nicht durch jeden Loyalitätsverstoß eines Mitarbeiters als erschüttert
ansehe (vgl. BAG, Urteil vom 8. September 2011, S. 14 UA (Rn. 43)), verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen und
verstößt gegen Art.
4 Abs.
1 und
2 in Verbindung mit Art.
140 GG und Art.
137 Abs.
3 WRV (zu Fragen des Vertrauensschutzes, vgl. Rn. 181). Das Bundesarbeitsgericht setzt sich über den Maßstab der verfassten
Kirche hinweg, indem es das Leben in kirchlich ungültiger Ehe mit dem Leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleichsetzt
und aus der vermeintlich bestehenden Gleichwertigkeit beider Tatbestände Rückschlüsse auf eine das Kündigungsinteresse der
Beschwerdeführerin verringernde Inkonsistenz der arbeitsrechtlichen Gewichtung und Sanktionierung von Loyalitätsverstößen
zieht (vgl. auch Pötters, EzA §
611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 21, S. 15 <18>; Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 <1678>).
aa) Die Grundordnung als relevanter Maßstab der verfassten Kirche sieht - neben anderen Tatbeständen - nur den Abschluss einer
nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe als ausreichend schwerwiegenden Loyalitätsverstoß
an, der eine Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigen kann (Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO) und bei leitenden Arbeitnehmern
nach Einschätzung der Kirche im Regelfall auch rechtfertigt (Art. 5 Abs. 3 GrO). Diese scharfe Sanktionierung des Loyalitätsverstoßes
beruht auf dem besonderen sakramentalen Charakter der Ehe und dem für das katholische Glaubensverständnis zentralen Dogma
der Unauflöslichkeit des gültig geschlossenen Ehebandes zu Lebzeiten.
Das ehelose Zusammenleben mit einem anderen Partner trotz fortbestehender Ehe hat nach dem Maßstab der verfassten römisch-katholischen
Kirche demgegenüber eine andere Qualität. Zwar entspricht die nichteheliche Lebensgemeinschaft neben einer weiterbestehenden
Ehe ebenfalls nicht dem Ethos der römisch-katholischen Kirche. Die katholischen Diözesanbischöfe haben jedoch in Ausübung
des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und in Ausfüllung der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.
Juni 1985 den Kirchen überlassenen Spielräume entschieden, diesem Glaubenssatz mit Wirkung für das weltliche Arbeitsverhältnis
nicht dasselbe Gewicht zuzumessen wie dem Verbot der erneuten Heirat zu Lebzeiten des ursprünglichen Ehepartners. Die Beschwerdeführerin
betont in diesem Zusammenhang, dass erst durch die Wiederheirat der Loyalitätsverstoß eine neue Qualität erreiche, indem der
Bruch mit der nach kirchlichem Recht weiterhin gültigen Ehe offiziell dokumentiert und perpetuiert werde (vgl. hierzu bereits:
Rüfner, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 66, S. 901 <923>). Die Wiederverheiratung
schaffe zugleich einen kaum mehr änderbaren Dauerzustand, während der Ehebruch - obschon nach der Lehre der Kirche eindeutig
missbilligt - durch ein zukünftiges Unterlassen korrigierbar sei und daher noch die Möglichkeit bestehe, dass die eheliche
Lebensgemeinschaft wieder hergestellt werde.
bb) Dieses in der Grundordnung zum Ausdruck gebrachte und für die weltlichen Gerichte grundsätzlich bindende Selbstverständnis
der römisch-katholischen Kirche, dass gerade der Bruch des sakramentalen Bandes durch eine erneute Heirat einen "wesentlichen
Grundsatz der Glaubensund Sittenlehre" für die römisch-katholische Kirche verletzt und hierin ein besonders schwerwiegender
Loyalitätsverstoß zu erblicken ist, ist plausibel und beruht in Anbetracht des Vorstehenden nicht auf einem Verstoß gegen
grundlegende verfassungsrechtliche Gewährleistungen, so dass es durch die staatlichen Gerichte ihren Entscheidungen zugrunde
zu legen gewesen wäre.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht missachtet und zugleich die Einschätzung der römisch- katholischen Kirche über die für sie
relevanten Loyalitätsobliegenheiten dadurch relativiert, dass es aus der Tatsache, dass ein nach Einschätzung des Gerichts
vermeintlich gleichwertiger Loyalitätsverstoß nicht konsequent geahndet wird, auf eine generelle Duldung auch anderer Pflichtverletzungen
und eine Vernachlässigung der diesen zugrunde liegenden Prinzipien geschlossen hat. Indem das Bundesarbeitsgericht hierdurch
die Kenntnis der Beschwerdeführerin von einem nach Einschätzung der verfassten Kirche qualitativ andersartigen und unbedeutenderen
Loyalitätsverstoß zum Anlass nimmt, ihr Interesse an der arbeitsrechtlichen Ahndung des aus ihrer Sicht schwerwiegenderen
Loyalitätsverstoßes des Klägers des Ausgangsverfahrens in Frage zu stellen, hat es die auf Grundlage ihrer katholischen Glaubensgrundsätze
durch die Kirche gebildete Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten und arbeitsrechtlichen Sanktionierungen nivelliert und dem
in Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung
getragen.
III.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Bundesarbeitsgericht wird bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG die praktische Konkordanz zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art.
140 GG i.V.m. Art.
137 Abs.
3 WRV) und der korporativen Religionsfreiheit (Art.
4 Abs.
1 und
2 GG) auf Seiten der Beschwerdeführerin und dem Schutz von Ehe und Familie (Art.
6 Abs.
1 GG) sowie dem Gedanken des Vertrauensschutzes (Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
3 GG) auf Seiten des Klägers des Ausgangsverfahrens herzustellen haben (vgl. hierzu BVerfGE 89, 214 <232>; 97, 169 <176>).
1. Art.
6 Abs.
1 GG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich
des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 6, 55 <71 f.>; 6, 386 <388>; 9, 237 <248>; 22, 93 <98>; 24, 119 <135>; 61, 18 <25>; 62, 323 <329>; 76, 1 <41, 49>; 105, 313 <346>;
107, 205 <212 f.>; 131, 239 <259>). Er stellt Ehe und Familie als die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft unter den
besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (vgl. BVerfGE 6, 55 <72>; 55, 114 <126>; 105, 313 <346>) und garantiert eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen
ist (stRspr., vgl. BVerfGE 21, 329 <353>; 61, 319 <346 f.>; 99, 216 <231>; 107, 27 <53>). Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen
Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das
Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft
ist, begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des Staates (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>; 29, 166 <176>; 62, 323 <330>; 105, 313 <345>; 115, 1 <19>; 121, 175 <193>; 131, 239 <259>), in der Mann und Frau in
gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen (vgl. BVerfGE 37, 217 <249 ff.>; 103, 89 <101>; 105, 313 <345>) und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können (vgl. BVerfGE
39, 169 <183>; 48, 327 <338>; 66, 84 <94>; 105, 313 <345>).
Maßgeblich aus Sicht des
Grundgesetzes ist dabei das Bild einer "verweltlichten" bürgerlich- rechtlichen Ehe (vgl. BVerfGE 31, 58 <82 f.>), das durch das christliche Eheverständnis traditionell geprägt, aber mit diesem nicht inhaltlich identisch ist.
Da die konstitutiven Merkmale einer Ehe und die Gründe ihrer Aufhebung in der kirchlichen und der staatlichen Rechtsordnung
nicht kongruent sind, können daher Bestand und Fortbestand einer Ehe aus Sicht des Staates und aus Sicht der Kirche unterschiedlich
beurteilt werden (vgl. Pirson, in: Listl/ders., Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 28, S. 787 <798>).
Zwar ist auch nach dem deutschen Eherecht die Ehe eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft (vgl. §
1353 Abs.
1 Satz 1
BGB), sie ist jedoch im Gegensatz zu der nach katholischem Ritus geschlossenen Ehe nicht unauflöslich, sondern kann unter den
im Gesetz normierten Voraussetzungen geschieden werden, wodurch die Ehegatten ihre Eheschließungsfreiheit wiedererlangen (vgl.
BVerfGE 10, 59 <66>; 31, 58 <82>; 53, 224 <245, 250>). Aus diesem Grund kann eine nach einer vorherigen Scheidung geschlossene Ehe verfassungsrechtlich
nicht geringer bewertet werden als die Erstehe (vgl. BVerfGE 55, 114 <128 f.>; 66, 84 <93>; 68, 256 <267 f.>; 108, 351 <364>).
2. Bisher hat das Bundesarbeitsgericht lediglich festgestellt, dass der Schutzbereich des Art.
6 Abs.
1 GG zu Gunsten des Klägers des Ausgangsverfahrens und seiner zweiten Ehefrau eröffnet ist und dass der Schutz von Ehe und Familie
daher - ebenso wie die Wertungen aus Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 12 EMRK - im Wege mittelbarer Drittwirkung bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG Berücksichtigung zu finden hat. Es hat jedoch bisher nicht dargelegt, weshalb diese Rechtspositionen, die begrifflich bei
ausnahmslos jeder Kündigung wegen Wiederverheiratung betroffen sind, gerade im vorliegenden Fall in einem Maße tangiert sind,
das es rechtfertigen würde, den Interessen des Klägers des Ausgangsverfahrens den Vorrang vor den Interessen der Beschwerdeführerin
einzuräumen. Der Hinweis auf die Eröffnung des Schutzbereichs kann für sich genommen hierfür nicht ausreichen, da anderenfalls
die in Ausübung des verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts festgelegte Loyalitätsobliegenheit entwertet
(vgl. auch: Joussen, in: Kämper/Puttler <Hrsg.>, Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 27 <38>) und ein Vorrang
von Art.
6 Abs.
1 GG gegenüber den kirchlichen Rechtspositionen vermutet würde, der verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Andererseits reicht
dieser Hinweis auch nicht, um der für den Kläger des Ausgangsverfahrens und seiner jetzigen Ehefrau aus der Situation erwachsenden
emotionalen Zwangslage gerecht zu werden. Das Bundesarbeitsgericht wird daher - gegebenenfalls nach Ermöglichung ergänzender
Tatsachenfeststellungen - eine eingehende und alle wesentliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung der durch die Kündigung tangierten Rechtspositionen der Beschwerdeführerin
und des Klägers des Ausgangsverfahrens vorzunehmen haben.
3. Das Bundesarbeitsgericht wird auch den Gedanken des Vertrauensschutzes insoweit zu würdigen haben, als § 10 Abs. 4 Nr.
2 des Arbeitsvertrages in Abweichung von der Grundordnung unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich von Verstößen gegen kirchliche
Grundsätze - Verstoß gegen das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe einerseits und Verstoß gegen das Verbot des Lebens
in nichtehelicher Gemeinschaft andererseits - nicht vorsieht und die individualvertragliche Abrede besonderes Vertrauen des
Arbeitnehmers ausgelöst haben könnte.
4. Ferner wird es zu beachten haben, dass die Freiwilligkeit der Eingehung von Loyalitätsobliegenheiten durch den kirchlichen
Arbeitnehmer im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - [...], Rn. 32; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010 Nr. 1620/03, § 71; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011 Nr. 18136/02, § 46) und dem Arbeitgeber nach einem einmaligen Fehlverhalten die Fortführung des Arbeitsverhältnisses eher zugemutet werden kann
als in Konstellationen, in denen er dauerhaft mit dem illoyalen Verhalten des Arbeitnehmers konfrontiert wird (vgl. BAG, Urteil
vom 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - [...], Rn. 27; hierzu auch: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Januar 2001 - 1 BvR 619/92 -, [...], Rn. 8 f.).
D.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Dies erscheint auch 183 in Anbetracht des durch die Beschwerdeführerin noch vollständig erreichbaren (fachgerichtlichen)
Rechtsschutzziels nicht als unangemessen.