Sozialhilferecht: Umfang des notwendigen Lebensunterhalts bei Umzug
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom beklagten Sozialhilfeträger eine weitere Beihilfe zu den ihr im Zusammenhang mit einem Wohnungswechsel
entstandenen Kosten.
Die Klägerin und ihr am 04.12.1990 geborener Sohn beziehen von der Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich
der angemieteten Unterkunft. Im Januar 1992 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie müsse die bisher (mit-)bewohnte Wohnung
verlassen und habe die Gelegenheit zum Umzug in eine andere Wohnung in demselben Haus. Allerdings verlangten die Vormieter,
ein Ehepaar ..., eine Abstandszahlung von 5.000 DM für eine Einbauküche. Die Beklagte erklärte die neue Wohnung für angemessen,
wies indes darauf hin, daß die Abstandssumme - über einen geringen Betrag für nötigen Hausrat hinaus - nicht übernommen werden
könne. Wenn die Klägerin die Wohnung gleichwohl anmiete, so handele sie insofern auf eigenes Risiko. Die Klägerin erklärte
daraufhin, sich den Betrag schon anderweit leihen zu können. Am 25.01.1992 schloß sie den Mietvertrag.
Bei einem Ortstermin am 14.01.1992 (AS 199, vgl. AS 243) hatte der Soziale Dienst der Beklagten festgestellt, daß das Ehepaar
... die Abstandszahlung nicht nur für die Einbauküche, sondern für zahlreiche Investitionen in eine Wohnungsrenovation verlange,
welche drei Jahre zurückliege; Leitungen seien unter Putz gelegt, Teppichböden und Holzdecken verlegt und Einbauschränke installiert
worden. Mit einem Schreiben vom 28.01.1992 (AS 209) bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Kücheneinrichtung eine Beihilfe
von 500 DM.
Am 01.02.1992 zog die Klägerin um. In der Folgezeit beantragte sie bei der Beklagten, die gesamte Abstandssumme zu übernehmen.
Mit Bescheiden vom 10.03.1992 (AS 249), vom 06.04.1992 (AS 283) und vom 10.03.1993 (AS 395, vgl. AS 383) bewilligte die Beklagte
mit Blick auf die übernommenen Einrichtungsgegenstände insgesamt weitere 1.200 DM für einen Elektroherd, eine Spüle, einen
Kühlschrank und einen Kleiderschrank, lehnte jedoch eine höhere Beihilfe ab. Die Klägerin legte rechtzeitig Widerspruch ein
und trug vor, sie hätte die neue Wohnung nicht erhalten, wenn sie die Abstandszahlung nicht geleistet hätte; diese stelle
vor allem eine pauschale Gegenleistung für die Vermittlung und Überlassung der Wohnung dar (AS 311 ff., 345, 411, 443). Diesen
Widerspruch wies das Landratsamt nach Beteiligung sozial erfahrener Personen mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.1993 (AS 451)
zurück. Die Klägerin habe ihre Behauptung nicht nachgewiesen. Stattdessen sei davon auszugehen, daß ihr die Wohnung auch ohne
die Abstandszahlung an die Vormieter vermietet worden wäre. Daher komme auch eine darlehensweise Übernahme nicht in Betracht.
Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, sie hätte die Wohnung
nicht erhalten, wenn sie den Vormietern ... die Abstandszahlung nicht geleistet hätte; dies sei auch der Vermieterin bekannt
gewesen und von dieser gebilligt worden. In der Klageerwiderung hat die Beklagte in Zweifel gezogen, daß die Klägerin ihre
vorherige Wohnung tatsächlich hatte aufgeben müssen und daß sie keine andere angemessene Wohnung hätte finden können. Im übrigen
habe sie den streitbefangenen Bedarf noch während des Verwaltungsverfahrens anderweitig gedeckt. Die Klägerin hat entgegnet,
vor dem Umzug habe sie im selben Haus bei Herrn ... zur Untermiete gewohnt. Das sei aber von vornherein nur als vorübergehender
Notbehelf gedacht gewesen. Am 04.11.1991 habe Herr ... ihr zum Jahresende 1991 gekündigt (vgl. VGH-Akte 6 S 2714/93, AS 13). Im übrigen habe sie die Abstandszahlung in drei Raten Ende April 1992, im Dezember 1992 und Ende Februar 1993 geleistet.
Mit Urteil vom 21.09.1994 hat das Verwaltungsgericht - unter entsprechender Abänderung der ergangenen Bescheide - die Beklagte
zur Zahlung weiterer 500 DM verpflichtet und die Klage im übrigen abgewiesen. Bei der Abstandszahlung handele es sich nicht
im vollen Umfang um Kosten der Unterkunft im Sinne des § 12 Abs. 1 BSHG. Allerdings hätten die Vormieter die Einrichtungen, mit der sie die Wohnung versehen hatten, beim Auszug auch wegnehmen können.
Damit hätten sie bei der nachfolgenden Klägerin einen entsprechenden Einrichtungsbedarf ausgelöst, den die Beklagte aus Sozialhilfemitteln
hätte befriedigen müssen. Durch die Abstandszahlung habe die Klägerin dies abgewendet, weshalb auch diese Zahlung grundsätzlich
als sozialhilferechtlicher Bedarf in Betracht komme. Es müsse aber berücksichtigt werden, daß die Vormieter der Klägerin im
Gegenzuge ihr Wegnahmerecht an den Einrichtungs- und Ausstattungsgegenständen abgetreten hätten. Um den Wert dieses Wegnahmerechts
sei die Klägerin unverändert bereichert; insoweit käme eine Beihilfe als verlorener Zuschuß einer Doppelzahlung gleich, die
die Klägerin nicht verlangen könne. Auch eine Beihilfe als Darlehen scheide vorliegend aus, weil die Klägerin die Abstandssumme
zwischenzeitlich aus eigenen Mitteln aufgebracht habe. Soweit freilich der Wert des Wegnahmerechts - infolge Abnutzung der
Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände durch längeren Gebrauch - hinter der Abstandssumme von 5.000 DM zurückbleibe, liege
ein Bedarf der Klägerin vor. Das Gericht schätze diesen Bedarf auf 2.200 DM, mithin um 500 DM höher als die bisherige Hilfeleistung
der Beklagten.
Die Klägerin hat rechtzeitig Berufung eingelegt. Sie wendet zum einen ein, daß das Verwaltungsgericht auch Ausstattungsgegenstände
bewertet habe, die nicht wegnehmbar seien, wie etwa Leitungen unter Putz. Vor allem aber macht sie geltend, die Abstandssumme
sei nicht in genauer Bewertung verschiedener Einrichtungsgegenstände, sondern "willkürlich" festgelegt worden; sie habe vor
allem dafür bezahlen müssen, daß sie und nicht jemand anders diese Wohnung bekam.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 21.09.1994 - 8 K 1561/93 - zu ändern, die Beklagte zu verpflichten, ihr zu den Kosten der Unterkunft - über den vom Verwaltungsgericht bereits zuerkannten
Betrag von 500 DM hinaus - eine weitere Beihilfe von 2.800 DM zu gewähren, und die Bescheide der Beklagten vom 10.03.1992,
vom 06.04.1992 und vom 10.03.1993 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts vom 26.07.1993 aufzuheben, soweit diese
dem entgegenstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihren bisherigen Vortrag.
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten (2 Hefte) und des Verwaltungsgerichts sowie die eigenen Akten 6 S 2714/93 vor. Auf diese wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat im wesentlichen Erfolg. Die Klägerin hat zwar keinen Rechtsanspruch aus § 12 Abs. 1 BSHG auf die begehrte - weitere - Beihilfe (unten 2.). Sie hat jedoch einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Beklagten
durch § 15a BSHG eingeräumten und auch hier eröffneten Ermessens; und diesen Anspruch haben die Beklagte und die Widerspruchsbehörde verletzt,
§
113 Abs.
5 Satz 2
VwGO (unten 3.).
1. Die Klägerin hat - unter Einschluß des vom Verwaltungsgericht zuerkannten Betrages - auf ihre Abstandszahlung 2.200 DM
erhalten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben beide Beteiligten Übereinstimmung darin erzielt, daß dieser
Betrag eine Beihilfe für diejenigen von der Klägerin übernommenen Gegenstände darstellt, die sozialhilferechtlich notwendigen
Hausrat darstellen, sowie darüber, daß die von der Klägerin übernommenen Gegenstände und Einrichtungen mit diesem Betrag als
zutreffend bewertet anzusehen seien; der Abstandszahlung in der allein noch umstrittenen restlichen Höhe von 2.800 DM stehen
von der Klägerin übernommene Sachwerte hiernach nicht gegenüber. Damit ist nicht mehr im Streit, ob eine Abstandszahlung an
den Vormieter als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 12 Abs. 1 BSHG anzusehen ist, soweit diese als Gegenleistung für eine von diesem erbrachte und den Hilfeempfänger in seinem rechtlichen
Verhältnis zum Vermieter entlastende Wohnungsrenovation, für die Überlassung einer besonderen Ausstattung der Wohnung oder
für die Überlassung und Übereignung besonderer Einrichtungsgegenstände erbracht wird (vom Senat gelegentlich als "Umzugsfolgekosten"
bezeichnet: Urt. vom 27.11.1985 - 6 S 2341/82 -; vgl. auch Bayer. VGH, Urt. vom 29.03.1976 - 316 III 75 -, FEVS 24, 284 (288)). Im Streit ist nur noch, ob - und unter welchen näheren Voraussetzungen
- ein Hilfeempfänger vom Sozialhilfeträger auch die Übernahme einer "Abstandszahlung" verlangen kann, die er - ähnlich wie
eine Maklerprovision - an den Vormieter allein deshalb erbringt, damit er die Wohnung erhält, insbesondere als Nachmieter
benannt und in den bestehenden Mietvertrag aufgenommen wird, und nicht ein Dritter.
2. Ein solcher Anspruch ergibt sich - entgegen der Rechtsansicht der Klägerin - nicht aus § 11 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG. Der der Klägerin noch nicht zuerkannte Teil der "Abstandszahlung" gehört nicht zum notwendigen Lebensunterhalt. Durch den
Sozialhilfeträger kann er nur - aber immerhin - nach § 15a BSHG übernommen werden. Das hat der Senat für den ähnlich gelagerten Fall der Maklerprovision bereits entschieden (Senat, Beschlüsse
vom 23.06.1992 - 6 S 670/92 - und vom 29.12.1993 - 6 S 2661/93 -; ebenso Knopp/Fichtner, BSHG, 7. Aufl. 1992, Rdnr. 12d zu § 12, Rdnr. 4 zu § 15a; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Aufl. 1993, Rdnr. 7 zu § 15a; Mergler/Zink, BSHG, Stand Juli 1994, Rdnr. 10 zu § 15a; Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand November 1994, Rdnr. 5 zu § 15a - unklar freilich Rdnr. 11 zu § 12 -; z.T. unter Berufung auf das Gutachten des Deutschen Vereins vom 15.10.1969, Kleine
Schriften des DV Heft 41, Nr. 159; anderer Auffassung: LPK-BSHG, 4. Aufl. 1994, Rdnr. 38 zu § 21, sowie - freilich jeweils nicht streitentscheidend - HessVGH, Beschluß vom 28.01.1988 - 9 TG 12/88 -, FEVS 37, 414 (416),
und OVG Hamburg, Beschluß vom 18.08.1993 - Bs IV 164/93 -, FEVS 44, 293 (294)); daran hält er nach erneuter Überprüfung fest:
Zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 Abs. 1 BSHG gehört auch die Unterkunft. Zum hiernach beihilfefähigen Bedarf zählen, sofern dem Hilfeempfänger nicht vom Sozialhilfeträger
eine Wohnung als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird, auch die Kosten für eine sozialhilferechtlich angemessene Mietwohnung.
Hierbei denkt das Gesetz an die dem Vermieter aufgrund des Mietvertrages geschuldeten Leistungen, wie aus der näheren Ausgestaltung
durch §§ 21 f. BSHG deutlich wird. Dort werden nämlich einerseits laufende Beihilfen zu den Mietaufwendungen (§ 22 Abs. 2 BSHG i.V.m. § 3 Regelsatz-VO), andererseits einmalige Leistungen zu den Renovationskosten erwähnt (§ 21 Abs. 1a Nr. 5 BSHG i.d.F. des Art. 7 Nr. 6 des Gesetzes vom 23.06.1993, BGBl. I S. 944). Die zuletzt genannte Vorschrift ist am 27.06.1993 und damit noch vor Erlaß des Widerspruchsbescheides im vorliegenden Verfahren
in Kraft getreten (vgl. Art. 43 Abs. 1 des Gesetzes vom 23.06.1993, a.a.O.) und legt im übrigen nicht eine veränderte Auffassung
über die Ausgangsvorschrift des § 12 Abs. 1 BSHG zugrunde, sondern bestätigt insofern nur, was zuvor bereits als richtig angesehen wurde.
Von diesen mietvertraglichen Leistungen an den Vermieter sind jedoch Leistungen des Hilfeempfängers, die dieser nur aus Anlaß
der Anmietung einer Wohnung an Dritte erbringt, zu unterscheiden. Diese werden nach dem Vorstehenden vom Gesetz nicht als
typische Kosten der Unterkunft erfaßt. Das schließt freilich nicht aus, sie gleichwohl zum notwendigen Lebensunterhalt im
Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG zu zählen; denn ausweislich des Wortes "besonders" ist die dortige Aufzählung nicht abschließend. Allerdings erfordert die
Berücksichtigung weiterer Kosten eine an § 12 Abs. 1 BSHG sowie an der allgemeinen Zielsetzung des Sozialhilferechts (§ 1 BSHG) orientierte wertende Entscheidung. Gerade im Bereich der Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erhalt einer innegehabten
oder mit der Erlangung einer neuen Wohnung zusammenhängen, ist hierbei zusätzlich § 15a BSHG zu berücksichtigen.
Nach der Rechtsprechung des Senats sind - über die erwähnten typischen Aufwendungen an den Vermieter hinaus - auch die Kosten
eines Umzugs als notwendiger Lebensunterhalt anzusehen, sofern die neu bezogene Wohnung ihrerseits sozialhilferechtlich angemessen
und der Umzug im konkreten Einzelfall notwendig ist (Senat, Urt. vom 26.05.1971 - VI 921/69 -, FEVS 18, 421; Urt. vom 19.04.1989 - 6 S 3281/88 -, FEVS 39, 73; st. Rspr., vgl. zuletzt Urt. vom 24.08.1995 - 6 S 1653/94 -; ebenso etwa HessVGH, Urt. vom 19.03.1991 - 9 UE 1055/87 -, FEVS 41, 422; OVG Berlin, Urt. vom 20.07.1989 - 6 B 68.88 -, FEVS 39, 227; OVG Lüneburg, Urt. vom 29.05.1986 - 4 A 53/82 -, FEVS 35, 362). Hierfür ist der Gedanke ausschlaggebend, daß der Umzug der Erlangung einer Unterkunft dient und für den
Hilfeempfänger, der seine bisherige Wohnung aus für ihn zwingenden Gründen aufgeben muß, unausweichlich ist (vgl. Senat, FEVS
18, 421 (423); st. Rspr.). Dahinter steht die Erwägung, daß Umzugskosten ein typischer und regelmäßig unvermeidlicher Bedarf
sind.
Bei "Abstandszahlungen" der hier erörterten Art und bei Maklerprovisionen liegt es anders. Derartige Unkosten entstehen auch
bei einem "notwendigen" Umzug nicht typischerweise und zwangsläufig. Eine sozialhilferechtlich angemessene Wohnung läßt sich
auch ohne derartige "Draufgelder" erlangen. Deshalb erscheint es als nicht gerechtfertigt, diese Aufwendungen den Kosten der
Unterkunft als weiteren notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG gleichzustellen. Sollte ein Hilfeempfänger im besonderen Einzelfall tatsächlich keine andere Wohnung als eine durch einen
Makler provisionspflichtig vermittelte finden können, erscheint eine durch einen Makler vermittelte Wohnung im Einzelfall
- bei besonderen Anforderungen an die Wohnungsbeschaffenheit, etwa bei Behinderten - als sozialhilferechtlich "besonders angemessen",
oder bietet die Anmietung der provisionspflichtig vermittelten Wohnung sonst sozialhilferechtlich bedeutsame Vorteile, so
eröffnet § 15a BSHG dem Sozialhilfeträger die Befugnis und die rechtliche Pflicht, angemessen zu reagieren und die anfallende Maklerprovision
nach seinem Ermessen sei es als Zuschuß, sei es darlehensweise zu übernehmen. Letzteres wird sich insbesondere bei "Abstandszahlungen"
an Vormieter nahelegen, wenn diese Zahlungen auch für die Übernahme von Einrichtungsgegenständen erbracht werden, die im Gegenzuge
in das Eigentum des Hilfeempfängers übergehen und dort einen bleibenden Wert darstellen, ohne daß insoweit eine genaue Wertbemessung
erfolgt wäre.
Es kann auch dann nichts anderes gelten, wenn der Vermieter die Zahlung an den Vormieter seinerseits zur Voraussetzung für
den Abschluß des Mietvertrages macht; auf die diesbezüglichen Beweisangebote der Klägerin kam es daher nicht an. Eine derartige
Gegenausnahme könnte allenfalls unter dem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt sein, daß die "Abstandszahlung" dann selbst
zur vertraglich bedungenen Gegenleistung des Mieters wird, der Mietvertrag insoweit also ein Vertrag zugunsten Dritter ist.
Doch erscheint eine solche Gegenausnahme unter Berücksichtigung der allgemeinen Zielsetzung des Sozialhilferechts als nicht
gerechtfertigt. Dabei mag noch hintangestellt werden, daß dies die Sozialhilfebehörden vor kaum lösbare Sachermittlungs- und
Abgrenzungsfragen stellen würde, auch wenn dieser Gesichtspunkt nicht ganz von der Hand gewiesen werden darf. Bedeutsamer
ist, daß die Gegenausnahme jedenfalls hinsichtlich der Maklerprovision praktisch zur Regel würde und damit die grundsätzliche
Wertung unterliefe. Denn in den Fällen, in denen der Vermieter den Makler beauftragt hat, wird der Vermieter dem ihm vom Makler
zugeführten Mieter (Hilfeempfänger) regelmäßig die Zahlung der Maklerprovision auferlegen - und sei es in der Weise, daß er
sich dem Makler gegenüber verpflichtet, die Wohnung nur an von diesem zugeführte Interessenten zu vermieten, um dessen Provisionsanspruch
zu sichern. Dann aber müßten die Sozialämter in einer nennenswerten Zahl von Fällen die Maklerprovision nach § 12 Abs. 1 BSHG zwingend und ohne die Flexibilität des § 15a BSHG bezahlen. Dies würfe unter dem Gesichtspunkt von Art.
3 Abs.
1 GG zusätzlich die Frage nach dem rechtfertigenden Grund dafür auf, weshalb andere Fallgruppen "nur" nach § 15a BSHG behandelt werden. Ausschlaggebend aber ist schließlich, daß die erwähnte Gegenausnahme dem Sozialhilfeempfänger die Erlangung
der begehrten Hilfe zur Unterkunft nicht erleichtert, sondern umgekehrt erschwert; denn wenn die "Abstandszahlung" bzw. die
Maklerprovision als mietvertraglich geschuldete Leistung angesehen wird, so verteuert sie die Wohnung, und die Hilfegewährung
für diese Wohnung müßte von der weiteren Voraussetzung abhängig gemacht werden, daß die Wohnung auch unter Einbeziehung der
"Abstandszahlung" noch als sozialhilferechtlich angemessen erscheint.
3. Die Berufung hat jedoch deshalb Erfolg, weil die Beklagte über eine Beihilfe zu der in Rede stehenden "Abstandszahlung"
im Ermessenswege nach § 15a BSHG bislang nicht fehlerfrei entschieden und damit den Anspruch der Klägerin auf fehlerfreie Ausübung des gesetzlich eröffneten
Ermessens verletzt hat.
a) Der Tatbestand des § 15a BSHG ist erfüllt, das behördliche Ermessen damit eröffnet.
Nach § 15a BSHG kann Hilfe zum Lebensunterhalt in Fällen, in denen nach den vorstehenden Bestimmungen die Gewährung von Hilfe nicht möglich
ist, gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt
ist, wobei Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen gewährt werden können. Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, kommt
auch die Verpflichtung zur Zahlung von "Abstands"-Summen an einen Vormieter, um auf diesem Wege eine Wohnung zu erlangen,
als ein Bedarf in Betracht, den die Sozialhilfebehörde nach ihrem Ermessen befriedigen kann.
Voraussetzung ist freilich, daß dies der Sicherung der Unterkunft oder der Behebung einer vergleichbaren Notlage dient. Es
muß damit die Anmietung einer neuen Wohnung unausweichlich sein, weil die bisherige zwingend aufgegeben werden mußte; die
neue Wohnung muß ihrerseits sozialhilferechtlich angemessen sein; und diese neue Wohnung muß ohne die "Abstandszahlung" nicht
zu erlangen gewesen sein. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats dargetan, daß
sie zuvor nur gefälligkeitshalber von einem Bekannten aufgenommen worden war, der aber nunmehr auf einen Auszug der Klägerin
drängte und ihr am 04.11.1991 sogar förmlich kündigte; man kann von der Klägerin - und ihrem damals gerade einjährigen Kind
- nicht verlangen, es in dieser Lage auf einen Räumungsprozeß ankommen zu lassen und die Gefälligkeit damit schlecht zu lohnen.
Die Beklagte hat bei der ersten Vorsprache der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen, daß die neue Wohnung sozialhilferechtlich
angemessen ist. An dieser anfangs geäußerten Einschätzung muß sie sich festhalten lassen. Schließlich steht zur Überzeugung
des Senats fest, daß die neue Wohnung ohne die Bereitschaft zu der in Rede stehenden "Abstandszahlung" für die Klägerin nicht
zu erlangen war. Hierfür kommt es - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht darauf an, ob die Vermieterin diese Zahlung
ihrerseits zum Inhalt ihres Mietvertrages mit der Klägerin oder doch im Rechtssinne zur Bedingung für den Vertragsabschluß
erhob. Entscheidend ist, daß - nach dem insofern unwidersprochenen und auch glaubhaften Vortrag der Klägerin - zahlreiche
andere Interessenten für die Wohnung vorhanden waren, die die "Abstandszahlung" ohne weiteres erbringen wollten, und daß die
Vormieter auf die Entscheidung der Vermieterin, mit welchem Mietinteressenten sie abschließen werde, einen nicht unmaßgeblichen
Einfluß zu nehmen wußten. Bei dieser Sachlage aber war die Wohnung für die Klägerin ohne die Bereitschaft zur "Abstandszahlung"
nicht zu erlangen.
b) Das hiernach eröffnete Ermessen haben weder die Beklagte noch die Widerspruchsbehörde beanstandungsfrei ausgeübt. Beiden
Behörden war schon nicht bewußt, daß § 15a BSHG dem Sozialhilfeträger auch die Übernahme einer "Abstandszahlung", die - und soweit sie - nicht Gegenleistung für die Überlassung
von Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenständen ist, nach ihrem Ermessen erlaubt. Das ergibt sich aus der im Zusammenhang
mit § 15a BSHG im Widerspruchsbescheid gegebenen Begründung, welche die "Abstandszahlung" ausschließlich als "Ablösung der Einrichtungsgegenstände"
bzw. als "Schulden aus dem Kauf von Hausrat" ansieht.
Eine Ausübung des durch § 15a BSHG eröffneten Ermessens wurde auch nicht dadurch erübrigt, weil die Klägerin - jedenfalls im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung
am 26.07.1993 - die zur Zahlung der "Abstandssumme" erforderlichen Mittel bereits selbst aufgebracht hatte, der geltend gemachte
Bedarf mithin bereits befriedigt war. Zwar ist Sozialhilfe nach ihrem Zweck als Hilfe in gegenwärtiger Notlage nach dem Wegfall
der Notlage grundsätzlich ausgeschlossen; das Einsetzen der Sozialhilfe hängt davon ab, daß im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung,
der grundsätzlich die für die gerichtliche Überprüfung maßgebliche Sach- und Rechtslage bestimmt, noch ein Bedarf angenommen
werden kann (BVerwG, Urt. vom 23.06.1994 - 5 C 26.92 -, BVerwGE 96, 152 (154 f.)). Die Rechtsprechung hat von diesem Grundsatz "keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" jedoch um der Effektivität
des Rechtsschutzes willen Ausnahmen zugelassen, wenn der Hilfesuchende gegen eine versagende Entscheidung Rechtsbehelfe eingelegt
hatte und der Bedarf erst während des Widerspruchsverfahrens gedeckt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 23.06.1994 - 5 C 26.92 -, BVerwGE 96, 152 (154 f.) m.w.N.). Auch bei Ermessensentscheidungen, die rechtzeitig beantragt oder sonst veranlaßt wurden (§ 5 BSHG), muß damit eine Bedarfsdeckung jedenfalls während des laufenden Widerspruchs- und Klageverfahrens außer Betracht bleiben.
Hier aber hatte die Klägerin die "Abstandssumme" - aus eigenen freien Mitteln aus dem "Mutter- und Kind"-Programm - erst nach
Erlaß der ersten beiden Bescheide und damit erst während des Widerspruchsverfahrens bezahlt.
c) Bei ihrer erneuten Entscheidung wird die Beklagte vor allem in Rechnung zu stellen haben, ob die Klägerin - auch bei Berücksichtigung
des Gebots, mit öffentlichen Mitteln sparsam umzugehen - für die Anmietung gerade dieser Wohnung (und damit für die Eingehung
der "Abstands"-Schuld) gute Gründe hatte. Sollte sich erweisen, daß die Anmietung dieser neuen Wohnung erforderlich war, weil
eine andere sozialhilferechtlich angemessene Wohnung - ohne "Abstandszahlung" oder Maklerprovision - mit zumutbarem Aufwand
oder in zumutbarer Frist nicht zu erlangen war (vgl. die Rspr. des Senats zur Beihilfefähigkeit von Umzugskosten: Senat, Urt.
vom 19.04.1989 - 6 S 3281/88 -, FEVS 39, 73; Urt. vom 24.08.1995 - 6 S 1653/94 - m.w.N.), so wird die "Abstandssumme" grundsätzlich als beihilfefähig anzusehen sein. Bei der Bestimmung des Zumutbaren
wird die besondere Lage der Klägerin - die seinerzeit ein gerade einjähriges Kind allein zu versorgen hatte - in Rechnung
zu stellen sein. Auch wenn die Anmietung gerade dieser Wohnung aber nicht im vorbeschriebenen Sinne erforderlich war, so kann
die Klägerin gleichwohl gute Gründe für ihre Anmietung gehabt haben. Hier gilt allgemein § 3 (insbes. Abs. 2) BSHG. Im konkreten Fall ist von Bedeutung, daß die von der Klägerin angemietete neue Wohnung im selben Haus lag wie die bisherige,
so daß Umzugskosten nicht anfielen. Hätte die Behörde bei Anmietung einer anderen - "abstands"-freien - Wohnung demgegenüber
Umzugskosten übernehmen müssen, so kann in deren Ersparung ein guter Grund für die vorgenommene Anmietung der mit der "Abstandspflicht"
belasteten Wohnung zu sehen sein.
Kommt nach dem Vorstehenden die Gewährung einer (weiteren) Beihilfe zu der "Abstandszahlung" der Klägerin in Betracht, so
ist weiter zu erwägen, ob der noch offene Betrag von 2.800 DM in voller Höhe oder nur teilweise und ob er als Zuschuß oder
nur darlehensweise zu übernehmen ist. Es liegt nahe, den allenfalls beihilfefähigen Betrag anhand der ortsüblichen Maklerprovisionen
zu bestimmen und die Entscheidung über Zuschuß oder Darlehen anhand einer möglichen Aussicht der Klägerin, in absehbarer Zukunft
über hinreichende Einkünfte zu verfügen, zu treffen. In anderen Fällen kann die Entscheidung über die Gewährung der Hilfe
als Zuschuß oder als Darlehen auch anhand der Erwägung getroffen werden, ob die "Abstandszahlung" zugleich für die Übernahme
von Einrichtungsgegenständen erbracht wurde, die im Gegenzuge in das Eigentum des Hilfeempfängers übergehen und dort einen
bleibenden Wert darstellen, ohne daß insoweit eine genaue Wertbemessung erfolgt oder ohne weiteres möglich wäre. Diese Überlegung
verbietet sich jedoch im vorliegenden Falle, da mittlerweile geklärt ist, daß dem noch strittigen Teilbetrag von 2.800 DM
derartige Werte nicht gegenüberstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
1, §
188 Satz 2
VwGO. Ein Grund, die Revision zuzulassen (§
132 Abs.
2 VwGO), bestand nicht.