Tatbestand:
Der Kläger begehrt mit seiner Klage noch restliches Arbeitsentgelt für den Monat Juni 1990 in Höhe von 2. 854, -- DM netto.
Der am 26. März 1947 geborene Kläger war seit 1. September 1988 bei der Beklagten als Betriebsleiter beschäftigt. Die Beklagte
kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos zum 14. Mai 1990. Die Parteien einigten sich später vor dem Arbeitsgericht dahin,
daß dem Kläger Entgeltansprüche bis zum 30. Juni 1990 zustehen sollten. Die Beklagte verpflichtete sich, ordnungsgemäß abzurechnen.
Dabei wurde ihr zugestanden, mit Ansprüchen aus Mietkaution in Höhe von 4.000.- DM aufzurechnen und den gesetzlichen Forderungsübergang
wegen Leistungen des Sozialhilfeträgers für diesen Zeitraum zu berücksichtigen. Der Kläger verzichtete auf die Einhaltung
etwaiger Pfändungsfreigrenzen.
Die Abrechnung ergab zugunsten des Klägers für Mai einen Betrag von 2.891,20 DM netto und für Juni einen Betrag von 8.960,90
DM netto. Von dem Gesamtbetrag (11.852,10 DM netto) zog die Beklagte 4.000.- DM als Mietkaution, 2.111,14 DM wegen Forderungsübergangs
auf die Bundesanstalt für Arbeit sowie 5.390,- DM (Leistungen durch das Landratsamt N) ab. Den Restbetrag von 350,96 DM zahlte
sie an den Kläger aus.
Dem Abzug von 5.390,- DM liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts N gewährte dem Kläger
für die Zeit vom 7. bis zum 30. Juni 1990 2.536,- DM und für den Monat Juli 1990 2.830,- DM (zusammen 5.366,- DM) laufende
Hilfe zum Lebensunterhalt. Das Landratsamt teilte dies der Beklagten durch Schreiben vom 17. August 1990 mit und forderte
sie auf, den genannten Betrag an sie zu überweisen.
Der Kläger hat geltend gemacht, seine Gehaltsansprüche gegen die Beklagte für den Monat Juni seien nicht auf das Landratsamt
N wegen der für die Zeit vom 1. bis zum 31. Juli 1990 gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt (2.830,- DM) übergegangen. Es fehle
insoweit an der erforderlichen zeitlichen Kongruenz. Daher müsse die Beklagte ihm diesen Betrag auszahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.111,14 DM sowie weitere 2.855,- DM, jeweils 4 % Zinsen seit Klagezustellung, zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, gem. § 115 SGB X gehe der Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber auf den Sozialleistungsträger
über, wenn der Arbeitgeber den Entgeltanspruch nicht erfülle und gerade deshalb Leistungen vom Sozialleistungsträger erbracht
würden. Eine zeitliche Kongruenz zwischen dem Entgeltanspruch und der Sozialleistung sei vorliegend gegeben. Bei rechtzeitiger
Lohnzahlung hätte der Kläger sein Gehalt für Juni im Juli zum Lebensunterhalt einsetzen müssen.
Im übrigen hat die Beklagte ihren Rückzahlungsanspruch gegen das Landratsamt N wegen des überzahlten Betrages von 24,- DM
an den Kläger abgetreten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 2.111,14 DM stattgegeben, im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung
der Beklagten haben sich die Parteien durch Teilvergleich wegen eines Betrages von 2.111,14 DM geeinigt. Auf die Anschlußberufung
des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in Höhe von 2.854,- DM stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision,
mit der die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Wegen eines Betrages von 2.830, -- DM war der Revision stattzugeben, im übrigen blieb sie ohne Erfolg.
Der Vergütungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte für den Monat Juni 1990 ist in Höhe von 2. 830, -- DM gemäß § 115 Abs.
1 SGB X auf das Landratsamt N wegen der für Juli 1990 an den Kläger geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt übergegangen. Der
Kläger hat für Juni 1990 lediglich noch einen Anspruch auf Zahlung von 24, -- DM.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die von der Beklagten errechnete Gehaltsforderung für die Monate Mai und Juni
1990 zugunsten des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs dem Grunde und der Höhe nach entstanden ist. Die Parteien
streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob der Vergütungsanspruch des Klägers für Juni in Höhe von 2. 854, -- DM
auf das Landratsamt N wegen der im Juli 1990 erhaltenen Hilfe zum Lebensunterhalt übergegangen ist.
2. a) Der Übergang von Ansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Sozialleistungsträger ist in § 115 Abs.
1 SGB X einheitlich geregelt. Für erbrachte Sozialhilfeleistungen gilt nach § 90 Abs. 4 Satz 2 BSHG, daß die Bestimmung des § 115 SGB X der Vorschrift des § 90 Abs. 1 BSHG vorgeht.
Gemäß § 115 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Sozialleistungsträger bis zur Höhe der
erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und
deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Der Anspruchsübergang nach § 115 SGB X setzt lediglich voraus, daß der Arbeitgeber unberechtigterweise seiner Leistungspflicht
nicht nachgekommen und der Sozialleistungsträger berechtigterweise mit eigenen Leistungen eingetreten ist (von Maydell/Schellhorn,
GK-SGB X/3, 1984, § 115 Rz 5). Zweck der Vorschrift ist es, dem Sozialleistungsträger die Leistungen zurückzuerstatten, die
nicht angefallen wären, wenn der Arbeitgeber seiner Leistungspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre. Voraussetzung ist also
eine Kumulation von Ansprüchen in der Person des Leistungsempfängers derart, daß für die Befriedigung eines identischen Interesses
ein Sozialleistungsträger und ein Arbeitgeber verpflichtet sind (Wannagat, SGB, Stand: Juni 1992, § 115 SGB X/3 Rz 6). Die
Bestimmung verlangt somit eine zeitliche Kongruenz dergestalt, daß die Sozialleistung tatsächlich an die Stelle des Arbeitsentgelts
getreten ist (vgl. auch Plagemann, NJW 1983, 423, 426). Dabei kommt es schon nach dem Wortlaut des § 115 SGB X im Bereich der Sozialhilfeleistungen gemäß §§ 2 ff. BSHG nicht auf eine völlige zeitliche Deckung zwischen dem arbeitsrechtlichen Vergütungszeitraum und dem sozialhilferechtlichen
Leistungszeitraum an. Entscheidend ist vielmehr, für welchen jeweiligen Zeitraum die Leistungen des Arbeitgebers und die des
Sozialhilfeträgers im sozialrechtlichen Sinne zur Deckung des Lebensunterhalts bestimmt sind. Das folgt auch aus den wesentlichen
Grundsätzen des Sozialhilferechts.
b) Hilfe zum Lebensunterhalt wird gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG dem gewährt, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem
aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Im Zeitpunkt der Gewährung muß sonach Bedürftigkeit des Hilfesuchenden
vorliegen. Der Hilfesuchende hat zunächst sein gesamtes Einkommen und sein verwertbares Vermögen zur Deckung des Bedarfs einzusetzen
(vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand: Oktober 1992, § 11 Rz 10). Da Sozialhilfe grundsätzlich nicht für vergangene Zeiträume gewährt wird (vgl. BVerwGE 57, 237, 238), wird die Sozialhilfe für den jeweiligen Hilfezeitraum im voraus erbracht. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig,
daß die Sozialhilfe für den Monat Juli 1990 im voraus an den Kläger entrichtet wurde. Die Vergütung für den Monat Juni hingegen
war gemäß §
614 BGB zum Ende des Monats Juni 1990, genau am 30. Juni 1990, fällig. Hätte die Beklagte diese Vergütung rechtzeitig an den Kläger
entrichtet, hätte sie dem Kläger in dem Hilfezeitraum Juli 1990 zur Deckung seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden.
Bedürftigkeit im Sinne des § 11 BSHG (vgl. Knopp/Richtner, BSHG, 6. Aufl., § 11 Rz 9) hätte dann im Bedarfszeitraum Juli 1990 nicht vorgelegen, und der Kläger hätte keinen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt.
c) Diesem Ergebnis steht nicht der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe entgegen. In § 2 BSHG ist der bereits nach dem früheren Fürsorgerecht geltende Grundsatz der Subsidiarität der öffentlichen Fürsorge umfassend
normiert. Danach kommt die Sozialhilfe als Hilfe der Allgemeinheit für den einzelnen erst zuletzt zum Zuge (Gottschick/Giese,
BSHG, 9. Aufl., § 2 Rz 1. 2). Dem Nachrangprinzip ist im Rahmen des § 115 SGB X dahin Rechnung zu tragen, daß die Ansprüche des Arbeitnehmers
gegen den Arbeitgeber insoweit auf den Sozialhilfeträger übergehen, wie dieser Leistungen erbracht hat, die nicht angefallen
wären, wenn der Arbeitgeber die Ansprüche des Arbeitnehmers rechtzeitig erfüllt hätte.
Die gegenteilige Auffassung läßt sich auch nicht auf die vom Landesarbeitsgericht angeführten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
stützen. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28. April 1983 (- 2 AZR 446/81 - AP Nr. 3 zu § 117 AFG) betrifft den Anspruch der Bundesanstalt für Arbeit gegen den Arbeitgeber aus übergegangenem Recht gemäß § 117 Abs. 4 AFG a. F. = § 115 SGB X n. F. In der Entscheidung vom 20. August 1980 (- 5 AZR 218/78 - AP Nr. 11 zu § 6 LohnFG) geht es gemäß § 182 Abs. 10
RVO a. F. = § 115 SGB X n. F. um den Übergang des Lohnfortzahlungsanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf die Krankenkasse in
Höhe des gezahlten Krankengeldes. In beiden Fällen handelt es sich jeweils um Sozialversicherungsleistungen, denen echte Lohnersatzfunktion
zukommen. Die Nichtzahlung des Arbeitgebers hat unmittelbar die Leistung durch den Sozialversicherungsträger für deckungsgleiche
Zeiträume zur Folge. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt kommt es dagegen entscheidend darauf an, für welchen Zeitraum die Leistungen
des Arbeitgebers und des Sozialhilfeträgers zur Deckung des Lebensunterhalts bestimmt sind.
3. Allerdings sind die Vergütungsansprüche des Klägers lediglich in Höhe von 5. 366, -- DM auf das Landratsamt N übergegangen,
so daß dem Kläger noch ein Zahlungsanspruch von 24, -- DM gegen die Beklagte verbleibt.