BGH, Urteil vom 08.07.1981 - IVb ZR 593/80
Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Unterhaltsberechtigten
A. Daß die Klägerin bereits während der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwerbstätig und ohne eigenes Einkommen gewesen
ist, steht einer Anwendung der Vorschrift (sc. §
1579 Abs.
1 Nr.
3 BGB a.F.) nicht entgegen. Kann der Unterhalt begehrende Ehegatte nach der Trennung darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt
durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, so ist er, falls er die mögliche Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit
unterläßt, nicht als unterhaltsbedürftig anzusehen, weil er in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Setzt sich der Ehegatte
außerstande, eine solche Erwerbstätigkeit aufzunehmen, so kann darin ein Verhalten liegen, das die Härteregelung des §
1579 Abs.
1 Nr.
3 BGB (a.F.; jetzt §
1579 Nr.
3 BGB) erfüllt. Entsprechendes muß auch gelten, wenn der Ehegatte zwar zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit außerstande ist, aber
die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zur Herstellung seiner Erwerbsfähigkeit unterläßt und dadurch seine Bedürftigkeit
herbeiführt.
B. Es entspricht nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Regelungszusammenhang des §
1579 Nr. 3
BGB, daß diese Vorschrift nicht nur ein vorsätzliches, sondern auch ein leichtfertiges Verhalten des Unterhaltsberechtigten umfaßt.
Dies setzt jedoch eine Beziehung zwischen dem Verhalten des Berechtigten und seiner Unterhaltsbedürftigkeit voraus, die sich
nicht in bloßer Ursächlichkeit erschöpft. Erforderlich ist vielmehr eine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit. Die Vorstellungen
und Antriebe, die dem zu beurteilenden Verhalten zugrunde liegen, müssen sich (auch) auf die Bedürftigkeit als Folge dieses
Verhaltens erstrecken. Für den Fall der Leichtfertigkeit, die gewöhnlich bewußte Fahrlässigkeit sein wird, ergibt sich damit
das Erfordernis, daß der unterhaltsberechtigte Ehegatte die Möglichkeit des Eintritts der Bedürftigkeit als Folge seines Verhaltens
erkennt und im Bewußtsein dieser Möglichkeit, wenn auch im Vertrauen auf den Nichteintritt jener Folge handelt, wobei er sich
unter grober Nichtachtung dessen, was jedem einleuchten muß, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen
den Unterhaltspflichtigen über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Bedürftigkeit hinwegsetzt.
Fundstellen: DRsp I(166)88c, FamRZ 1981, 1042, 1043, LSK-FamR/Hülsmann, § 1577
BGB LS 6, LSK-FamR/Hülsmann, § 1579
BGB LS 14, LSK-FamR/Hülsmann, § 1579
BGB LS 18, LSK-FamR/Hülsmann, § 1579
BGB LS 42, NJW 1981, 2805