Verfassungsmäßigkeit der Ratenzahlung bei Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
Gründe:
A. Gegenstand der Vorlage ist die Frage, ob die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über Ratenzahlungen bei der Bewilligung
von Prozeßkostenhilfe mit dem
Grundgesetz vereinbar sind.
I. Die Möglichkeit der Ratenzahlung ist durch das Gesetz über die Prozeßkostenhilfe vom 13. Juni 1980 (BGBl. I S. 677) geschaffen
worden. Das Gesetz bezweckt, die Kostenbarriere beim Zugang zu den Gerichten abzubauen und den Bürger mit geringem Einkommen
in die Lage zu versetzen, vor Gericht seine Rechte in gleicher Weise zu verfolgen, wie dies einer Partei möglich ist, die
selbst über die finanziellen Mittel für die Führung eines Prozesses verfügt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks.
8/3068, S. 1).
Die maßgeblichen Bestimmungen der Neufassung der Zivilprozeßordnung (
ZPO), die am 1. Januar 1981 in Kraft traten, lauten:
§ 114
Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die
nachfolgenden Vorschriften und die diesem Gesetz als Anlage I beigefügte Tabelle maßgebend.
§ 115
(1) Soweit aus dem Einkommen Raten aufzubringen sind, ergibt sich deren Höhe aus der Tabelle. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte
in Geld oder Geldeswert. § 76 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes ist entsprechend anzuwenden; von dem Einkommen sind weitere
Beträge abzusetzen, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist. Unterhaltsberechtigte Personen, die
eigenes Einkommen haben, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, daß dies wegen der geringen Höhe ihres Einkommens unbillig
wäre.
(2) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist; § 88 des Bundessozialhilfegesetzes ist entsprechend
anzuwenden.
(3) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge
voraussichtlich nicht übersteigen.
(4) Eine Partei, deren Einkommen die in der Tabelle festgelegte Obergrenze übersteigt, erhält Prozeßkostenhilfe, wenn die
Belastung mit den Kosten der Prozeßführung ihren angemessenen Lebensunterhalt erheblich beeinträchtigen würde. Die in der
Tabelle festgesetzte Höchstrate ist in diesem Falle um den Einkommensteil, der die Obergrenze übersteigt, zu erhöhen.
Die Voraussetzungen der Ratenzahlung und die Berechnung der Ratenhöhe ergeben sich aus der in Anlage 1 zu §
114 ZPO enthaltenen Tabelle. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens achtundvierzig Monatsraten aufzubringen, die je
nach Einkommenshöhe und Unterhaltspflichten zwischen 40 DM und 520 DM monatlich liegen. Die Tabelle ist von der Höhe des Streitwertes
unabhängig. Sie geht vom Nettoeinkommen der Partei aus und berücksichtigt die Zahl der Personen, denen sie aufgrund gesetzlicher
Verpflichtung Unterhalt leistet. Bis zu einem Nettoeinkommen von 850 DM sind keine Raten aufzubringen. Dieser Tabellengrenzwert
ist unter Berücksichtigung der Einkommensgrenzen für Hilfe in besonderen Lebenslagen nach den §§ 79 ff. des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - (Stand: 1. Januar 1979) festgesetzt worden. Danach berechnete sich die allgemeine Einkommensgrenze eines Alleinstehenden
für Hilfe in besonderen Lebenslagen aus einem Grundbetrag in Höhe des doppelten Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes und
den Kosten der Unterkunft. Der Eckregelsatz (vgl. § 22 BSHG: rechnerischer Durchschnitt der Regelsätze für Haushaltsvorstände und Alleinstehende im Bundesgebiet und Berlin) belief sich
am 1. Januar 1979 auf 297 DM. Zu dem doppelten Betrag (594 DM) wurden die Kosten der Unterkunft mit einer Pauschale von 156
DM hinzugerechnet. Den sich hieraus ergebenden Betrag von 750 DM erhöhte der Gesetzgeber um weitere 100 DM, "um die immer
noch relativ bescheidene Lebenshaltung der Parteien, deren Einkommen 750 DM nicht wesentlich übersteigt, nicht durch Ratenverpflichtungen
zu belasten" (vgl. BTDrucks. 8/3068, S. 19 f.).
Die Tabelle in Anlage 1 zu §
114 ZPO gilt unverändert seit dem 1. Januar 1981. Inzwischen eingetretene Steigerungen der Lebenshaltungskosten und Erhöhungen der
Regelbedarfssätze nach dem Bundessozialhilfegesetz haben nicht zu einer Erhöhung der Tabellenwerte geführt. Jedoch hat das Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen vom 9. Dezember
1986 (BGBl. I S. 2326), das am 1. Januar 1987 in Kraft getreten ist, §
115 ZPO geändert, und zwar unter anderem die Bestimmungen über die Ermittlung des für die Prozeßkostenhilfe-Tabelle maßgebenden Nettoeinkommens.
Die Vorschrift lautet in der heute gültigen Fassung:
§ 115
(1) bis (3) ...
(4) Hat ein Unterhaltsberechtigter eigenes Einkommen, wird er bei der Anwendung der Tabelle nicht berücksichtigt. Dies gilt
nicht, wenn bei einer Zusammenrechnung der Einkommen der Partei und des Unterhaltsberechtigten eine geringere oder keine Monatsrate
zu zahlen ist.
(5) und (6)...
II. 1. Die Antragstellerinnen des Ausgangsverfahrens beantragten für eine Klage auf Zahlung von rund 32 000 DM die Bewilligung
von Prozeßkostenhilfe. Die Antragstellerin zu 1 ist Hausfrau, die Antragstellerinnen zu 2 und 3 sind ihre Kinder.
Nach der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und dem beigefügten Bewilligungsbescheid des Sozialamtes
vom 16. September 1986 bezog die Antragstellerin zu 1 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz in Höhe von monatlich 1005,74 DM (Grundbetrag 392 DM, individueller Mehrbedarf 131,24 DM, Unterkunftsbedarf 482,50 DM), daneben
einen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 123 DM. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 erhielten je 397,90 DM (Grundbetrag
353 DM, individueller Mehrbedarf 44,90 DM). Das gesamte Familieneinkommen betrug danach 1924,54 DM unter Anrechnung eines
Kinderzuschlags nach dem Bundesversorgungsgesetz in Höhe von 305,80 DM und Wohngeld in Höhe von 231 DM.
2. Das Landgericht bewilligte die Prozeßkostenhilfe und ordnete an, daß die Antragstellerinnen zu 2 und 3 keine Raten zu zahlen
hätten. Die Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin zu 1 Raten auf die Prozeßkosten zu zahlen habe,
setzte das Landgericht aus und beschloß, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen,
ob §§
114 Satz 2,
115 Abs.
1 ZPO und die Tabelle dazu verfassungsgemäß sind.
Zur Begründung führte es aus:
Es verstoße gegen Art.
3 Abs.
1 und Art.
20 Abs.
1 GG, daß Sozialhilfeempfänger oder Personen, deren Einkommen unter der Bedarfsgrenze für Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz liege, bei der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe Raten zahlen müßten.
Das Sozialstaatsgebot des Art.
20 Abs.
1 GG sichere die elementaren Lebensbedürfnisse des Einzelnen. Überdies verlange es, daß der Zugang zu den Gerichten für den Bürger
nicht wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten verschlossen werde. Die Hilfe zum Lebensunterhalt, die der Staat in Erfüllung
des Sozialstaatsgebots nach §§ 11 ff. BSHG gewähre, decke nur den Grundbedarf des Einzelnen ab. Die Kosten einer Prozeßführung umfasse sie nicht. Für diese bestünde
vielmehr unter den Voraussetzungen der §§
114 ff.
ZPO die Möglichkeit der Prozeßkostenhilfe. Es stehe aber mit den Anforderungen von Art.
20 Abs.
1 GG nicht in Einklang, wenn die Ausgestaltung der Prozeßkostenhilfe dazu führe, daß eine bedürftige Partei einen Prozeß nur unter
Gefährdung ihres Existenzminimums anstrengen könne. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften hätten solche verfassungswidrigen
Ergebnisse zur Folge, wie das Ausgangsverfahren zeige, denn die Einkommensgrenzen, bis zu denen nach der Tabelle keine Ratenzahlungspflicht
bestehe, seien jedenfalls heute zu niedrig angesetzt und unterschritten in Einzelfällen die Bedarfsgrenze für die Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz.
Bei Anwendung der Tabelle müsse die Antragstellerin zu 1 Raten auf die Prozeßkosten in Höhe von 90 DM (bei Interpolation der
Tabellenwerte in Höhe von 82,50 DM) monatlich aufbringen. Auszugehen sei dabei von einem durch den Sozialhilfebescheid ausgewiesenen
Nettoeinkommen der Antragstellerin zu 1 von 1801,54 DM, das sich aus den Gesamteinkünften unter Abzug des Krankenversicherungsbeitrags
(gemäß §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO a. F. i. V. m. § 76 Abs. 2 BSHG) errechne. Dieses Einkommen sei insgesamt als Einkommen der Antragstellerin zu 1 anzusehen, auch soweit es sich um Hilfe
zum Lebensunterhalt für die Antragstellerinnen zu 2 und 3 und um den Kinderzuschuß nach dem Bundesversorgungsgesetz handele. Die Kammer folge nicht der Auffassung, daß derartige Einkünfte als Einkommen der Kinder anzusehen seien. Vielmehr
sei bei Eltern und minderjährigen Kindern, die im selben Haushalt lebten, aus dem Einkommen des Unterhaltsberechtigten und
des Unterhaltsverpflichteten ein "Familieneinkommen" zu bilden, das bei Anwendung der Tabelle ausschließlich als Einkommen
des Unterhaltsverpflichteten (hier der Antragstellerin zu 1) behandelt werde. Dies entspreche auch der Übung, daß derartige
Einnahmen in einem Haushalt "in einen Topf" geworfen würden.
Danach müßten die Antragstellerinnen zu 2 und 3 keine Raten zahlen, die Antragstellerin zu 1 habe hingegen monatlich 90 DM
aufzubringen. Besondere Belastungen im Sinne des §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO lägen bei ihr nicht vor. Insoweit komme allenfalls eine überdurchschnittlich hohe Wohnungsmiete in Betracht. Tatsächlich
zahlten die Antragstellerinnen als Miete einschließlich Nebenkosten monatlich 482,50 DM. In der Rechtsprechung werde zum Teil
eine besondere Belastung im Sinne des §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO angenommen, wenn die sogenannte Kaltmiete 18 vom Hundert (der Anteil der Unterkunftskosten von 156 DM am Tabellengrenzwert
von 850 DM) des verfügbaren Nettoeinkommens übersteige. Daß dies bei den Antragstellerinnen der Fall sei, lasse sich nicht
feststellen, weil sie die Kaltmiete nicht angegeben hätten. Im übrigen erscheine es auch fraglich, ob man eine entsprechende
Relation von Mietaufwand und Einkommen zum Maßstab einer besonderen Belastung im Sinne des §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO machen könne. Es sei schon für das Jahr 1980 zweifelhaft, ob ein angemessener Wohnbedarf mit 18 vom Hundert der jeweiligen
Untergrenzen der Tabelle zu decken gewesen sei. Erst recht stehe es in Frage, daß eine dreiköpfige Familie heute in einer
Großstadt für monatlich 280 DM (rund 18 vom Hundert des unteren Tabellenwertes von 1575 DM bei zwei Unterhaltsberechtigten)
angemessen wohnen könne. Eine übermäßige Belastung, die jeden in vergleichbarer Lage gleich treffe, sei dann aber keine "besondere"
Belastung mehr, sondern eine allgemeine.
Die Vorschriften verstießen auch gegen Art.
3 Abs.
1 GG. Der Sache nach sei die in §§
114 ff.
ZPO geregelte Prozeßkostenhilfe der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 27 BSHG gleichzustellen. Daraus folge, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe nicht völlig unabhängig davon
geregelt werden könnten, welche Maßstäbe der Gesetzgeber für die Gewährung von sonstigen Sozialhilfeleistungen aufgestellt
habe. Es sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, den Antragsteller bei der Prozeßkostenhilfe auch nur teilweise auf
den Einsatz von Sozialhilfeleistungen zu verweisen, die ihm an sich zur Bestreitung des notwendigsten Lebensbedarfs zugebilligt
seien, während dies in vergleichbaren sonstigen besonderen Lebenslagen nicht geschehe.
Schließlich sei die Tabelle verfassungsrechtlich auch insoweit zu beanstanden, als sie bei der Festsetzung der Raten eine
Interpolation nicht zulasse. Die Kammer habe zwar in der Vergangenheit die Ratenbeträge interpoliert und neige dazu, daß dies
im Wege verfassungskonformer Auslegung der Anlage 1 noch möglich sei. Betrachte man eine Interpolation hingegen nach dem Gesetzeswortlaut
als ausgeschlossen, so führe dies dazu, daß ein Antragsteller mit einem Einkommen von 1100 DM Raten von 90 DM, ein Antragsteller
mit einem Einkommen von 1101 DM jedoch bereits Raten von 120 DM bezahlen müsse. Rechtfertigende Gründe für diese relative
Ungleichbehandlung gebe es nicht. Die leichtere Handhabung der Tabelle ohne Interpolation könne die Ungleichbehandlung nicht
rechtfertigen.
3. Nach einem Hinweis des Berichterstatters auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlage hat das vorlegende Gericht an
seiner Vorlage festgehalten und ergänzend ausgeführt:
Auch unter Berücksichtigung des zum 1. Januar 1987 geänderten §
115 Abs.
4 ZPO halte die Kammer an ihrer Auffassung fest, daß die für die Antragstellerinnen zu 2 und 3 gezahlte Sozialhilfe dem Familieneinkommen
zuzurechnen und bei Anwendung der Tabelle als Einkommen der Antragstellerin zu 1 anzusetzen sei. Der Gesichtspunkt der Bedarfsgemeinschaft
müsse Vorrang vor der formalen Anspruchsberechtigung haben.
Nach dem geänderten Sozialhilfebescheid vom 15. Januar 1987, der nach dem Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin
zu 2 erging, erhielten die Antragstellerin zu 1 und ihre jüngste Tochter, die Antragstellerin zu 3, seit Februar 1987 Hilfe
zum Lebensunterhalt (abzüglich des Krankenversicherungsbeitrags) in Höhe von 1343,64 DM. Hiernach müßte die Antragstellerin
zu 1 bei Interpolation der Ratenbeträge immer noch monatliche Raten in Höhe von 35 DM bezahlen. Besondere Belastungen im Sinne
des §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO lägen nicht vor. Zwar zahle sie 482,50 DM als Kaltmiete. Dieser Betrag übersteige aber die durchschnittlichen Wohnungskosten
für eine dreiköpfige Familie in Bremen nicht. Die Kammer sei auch entgegen der wohl herrschenden Ansicht der Überzeugung,
daß eine besondere Belastung nicht allein aus dem Verhältnis von Einkommen und Mietzins hergeleitet werden könne. Sonst müßte
auch jede allgemeine Steigerung der Lebenshaltungskosten als besondere Belastung anerkannt werden. Dies würde jedoch die Tabelle
insgesamt sprengen.
III. Der Bundesminister der Justiz hat sich namens der Bundesregierung geäußert.
1. Die Vorlage sei mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zulässig. Die Ratenzahlungspflicht für die Antragstellerin zu
1 folge nicht zwingend aus dem Wortlaut der zur Prüfung gestellten Vorschriften, sondern erst aus der Auslegung, die ihnen
das Landgericht gebe. Diese sei aber jedenfalls nach dem Inkrafttreten des §
115 Abs.
4 ZPO n. F. unhaltbar. Das Landgericht habe seiner Vorlage das "Familieneinkommen", d. h. das Einkommen aller drei Antragstellerinnen,
zugrunde gelegt. Maßgeblich für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für die Antragstellerin zu 1 sei jedoch allein deren
Einkommen. §
115 Abs.
4 ZPO in der jetzt maßgeblichen Fassung lasse keine andere Auslegung mehr zu. Danach werde ein Unterhaltsberechtigter mit eigenem
Einkommen bei der Anwendung der Tabelle grundsätzlich nicht berücksichtigt, es sei denn, daß bei einer Zusammenrechnung der
Einkommen der Partei und des Unterhaltsberechtigten geringere oder keine Monatsraten zu zahlen seien. Letzteres sei nur dann
der Fall, wenn das Einkommen des oder der Unterhaltsberechtigten unter den Tabellenfreibeträgen liege. Der Tabellenfreibetrag
für zwei Unterhaltsberechtigte belaufe sich auf insgesamt 725 DM. Da die Antragstellerinnen zu 2 und 3 insgesamt 795,80 DM
(zweimal 397,90 DM) erhielten, scheide eine Minderung der Raten und damit eine Zusammenrechnung der Einkommen aus.
Außerdem hätte das Landgericht wegen der Mietbelastung der Antragstellerin zu 1 Abzüge von deren Einkommen vornehmen müssen.
Ihr Einkommen belaufe sich auf 1005,74 DM (392 DM Regelbedarf, 131,24 DM individueller Mehrbedarf und 482,50 DM Unterkunftsbedarf).
Da in der Tabelle die Aufwendungen für die Unterkunft lediglich mit 156 DM (etwa 18 vom Hundert des Grenzwertes von 850 DM)
berücksichtigt seien, müßten bei Anwendung der Tabelle die darüber hinausgehenden Aufwendungen für die Unterkunft gemäß §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO als besondere Belastungen vom Einkommen abgesetzt werden. Das maßgebliche Einkommen der Antragstellerin zu 1 betrage daher
nur 704,27 DM (18 vom Hundert von 1005,74 DM = 181,03 DM; 482,50 DM minus 181,03 DM = 301,47 DM; 1005,74 DM minus 301,47 DM
= 704,27 DM). Danach brauche sie nach der Tabelle keine Raten zu zahlen.
Im übrigen habe das Landgericht die Sozialhilfeleistungen für den Wohnbedarf (482,50 DM) allein als Einkommen der Antragstellerin
zu 1 behandelt. Es sei jedoch in Praxis, Rechtsprechung und Literatur unstreitig, daß derartige Leistungen für die Unterkunft
bei einer Bedarfsgemeinschaft den einzelnen Mitgliedern anteilig zuzuordnen seien. In der Regel geschehe dies nach gleichen
Anteilen (hier: 1:1:1) oder für Erwachsene mit doppeltem Anteil gegenüber Kindern (hier: 2:1:1). Nach beiden Berechnungsarten
liege aber das Einkommen der Antragstellerin zu 1 unter dem Tabellengrenzwert von 850 DM.
2. Der Vorlage sei auch in der Sache nicht zu folgen. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften begegneten keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken. Sie führten bei zutreffender Auslegung nicht dazu, daß Sozialhilfeempfänger bei Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
aus den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz Raten auf die Prozeßkosten zahlen müßten.
Das Sozialstaatsprinzip gebe dem Gesetzgeber auf, dafür Sorge zu tragen, daß auch eine arme Partei in die Lage versetzt werde,
ihre Belange in einer dem Gleichheitsgebot gemäßen Weise im Rechtsstreit geltend zu machen. Die Einrichtung der Prozeßkostenhilfe
stelle sich als Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar und finde ihre verfassungsrechtliche Legitimation im Gebot des
sozialen Rechtsstaates. Da die Fürsorge für Hilfsbedürftige zu der selbstverständlichen Pflicht eines Sozialstaates gehöre
und jedenfalls die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein gesichert sein müßten, dürfe der Einzelne nicht
darauf verwiesen werden, für den Zugang zu den Gerichten solche Mittel in Anspruch zu nehmen, welche die existenziellen Mindestvoraussetzungen
sichern sollten.
Diesen Anforderungen genügten die Vorschriften. Der Tabellengrenzwert von 850 DM sei unter Berücksichtigung der Einkommensgrenze
für die Hilfe in besonderen Lebenslagen (§§ 79 ff. BSHG, Stand 1. Januar 1979) festgesetzt worden. Im Bereich der Sozialhilfe sei diese Einkommensgrenze inzwischen zwar angehoben
worden. Nach § 82 BSHG sei der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ermächtigt, die Grundbeträge nach § 79 BSHG jährlich neu festzusetzen. Dies sei zuletzt durch Verordnung vom 22. Mai 1986 geschehen, seitdem belaufe sich der Grundbetrag
auf 757 DM. Obwohl die Tabellengrenzwerte im Prozeßkostenhilferecht mit dieser Steigerung nicht Schritt gehalten hätten, ergäben
sich hieraus keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die ursprünglich vom Gesetzgeber als Bezugsgröße gewählte Einkommensgrenze
für Hilfe in besonderen Lebenslagen sei nämlich verfassungsrechtlich nicht zwingend. Sie sei deutlich von der Basissicherung
der laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt (§ 22 BSHG, "Regelsatz") abgehoben und betrage etwa das Doppelte dieser Basissicherung. Bei der konkreten Ausgestaltung sozialer Leistungen
über den Bereich des Existenznotwendigen hinaus müsse dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zugebilligt werden. Es obliege
grundsätzlich dem Gesetzgeber zu entscheiden, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel
und anderer gemeinschaftswichtiger Staatsaufgaben gewährt werden könne und solle.
B. Die Vorlage ist zulässig.
I. Das Landgericht hat in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt, aus welchen Gründen die zur Prüfung gestellten Vorschriften verfassungswidrig seien und inwiefern
dies für seine Entscheidung erheblich sei. Dabei kommt es für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
grundsätzlich auf den Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichts an; anders verhält es sich nur dann, wenn seine Rechtsauffassung
offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 74, 182 >193< m. w. N., st. Rspr.). Die Begründung, mit der das Landgericht nach der geltenden Gesetzeslage zu einer Ratenzahlungspflicht
der Antragstellerin zu 1 und damit zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage gelangt, ist lediglich in einem Punkt offensichtlich
unhaltbar. Auf die Erheblichkeit der Vorlagefrage wirkt sich das aber nicht aus.
Die Entscheidung darüber, ob die Antragstellerin zu 1 Raten auf die Prozeßkosten aufzubringen hat, hängt zunächst davon ab,
ob ihr Einkommen die in der Tabelle festgesetzten Einkommensgrenzen übersteigt (850 DM ohne Unterhaltsleistungen, 1300 DM
bei Unterhaltsleistungen für eine Person oder 1575 DM bei Unterhaltsleistungen für zwei Personen). Welche Einkünfte der Antragstellerin
zu 1 dabei als ihr Einkommen anzusehen sind und ob bei ihr unterhaltsberechtigte Personen berücksichtigt werden, bestimmt
sich nach §
115 ZPO in der am 1. Januar 1987 in Kraft getretenen Fassung. Die Neufassung des §
115 ZPO galt bereits zum Zeitpunkt des Ergänzungsbeschlusses und ist vom Landgericht auch berücksichtigt worden.
Das Landgericht ist zu dem bei der Antragstellerin zu 1 zu berücksichtigenden Monatseinkommen von 1801,54 DM nur dadurch gekommen,
daß es aus den nach dem Sozialhilfebescheid für alle drei Antragstellerinnen gezahlten Leistungen ein "Familieneinkommen"
gebildet und dieses insgesamt als Einkommen der Antragstellerin zu 1 angesehen hat. Diese Einkommensermittlung ist jedenfalls
nach Inkrafttreten des §
115 Abs.
4 ZPO n. F. offensichtlich unhaltbar. Denn danach wird ein Unterhaltsberechtigter mit eigenem Einkommen bei der Anwendung der Tabelle
grundsätzlich nicht berücksichtigt. Das gilt nur dann nicht, wenn bei einer Zusammenrechnung der Einkommen der Partei und
des Unterhaltsberechtigten eine geringere oder keine Monatsrate zu zahlen wäre, die Antragstellerin zu 1 also bei der Bildung
eines "Familieneinkommens" günstiger gestellt wäre.
Die Sozialhilfeleistungen für die Antragstellerinnen zu 2 und 3 sind als deren eigenes Einkommen anzusehen. Ungeachtet der
Bedarfsgemeinschaft zwischen allen drei Antragstellerinnen hat nach dem Sozialhilferecht jedes Familienmitglied einen eigenständigen
Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (vgl. BVerwGE 55, 148 >150< m. w. N.). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb bei dieser rechtlichen Ausgestaltung die Sozialhilfeleistungen für
die Antragstellerinnen zu 2 und 3 nicht als deren eigenes Einkommen zu beurteilen sein sollten. Entsprechendes gilt für den
von der Landesversicherungsanstalt gezahlten Kinderzuschlag.
Da die Antragstellerinnen zu 2 und 3 somit eigenes Einkommen haben, werden sie nach §
115 Abs.
4 Satz 1
ZPO bei der Anwendung der Tabelle nicht berücksichtigt. Die Ausnahmeregelung des §
115 Abs.
4 Satz 2
ZPO greift nicht ein. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 erhielten nach dem Bescheid vom 16. September 1986 zusammen 795,80 DM
(je 353 DM laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und je 44,90 DM individueller Mehrbedarf), nach den neuen Bescheiden vom 15.
Januar und 28. Januar 1987 Sozialhilfe in Höhe von zusammen 750,90 DM (je 353 DM und einmal 44,90 DM). Beide Beträge liegen
deutlich über dem in der Tabelle vorgesehenen Freibetrag von 725 DM für zwei unterhaltsberechtigte Personen (450 DM für den
ersten und 275 DM für jeden weiteren Unterhaltsberechtigten). Die vom Landgericht vorgenommene Zusammenrechnung der Einkommen
stellt die Antragstellerin zu 1 hinsichtlich der Ratenzahlungspflicht daher schlechter. Dies soll durch §
115 Abs.
4 ZPO gerade verhindert werden.
Selbst wenn die Sozialhilfeleistungen für die Antragstellerinnen zu 2 und 3 aber nach §
115 Abs.
4 ZPO n. F. unberücksichtigt bleiben müssen, entfällt damit nicht die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage. Das Einkommen
der Antragstellerin zu 1 beliefe sich dann nach den Berechnungen des Landgerichts immer noch auf 1005,74 DM (1801,54 DM minus
795,80 DM), wobei nach §
115 Abs.
4 ZPO bei ihr keine Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen wären. Sie müßte danach monatliche Raten von 90 DM auf die Prozeßkosten
bezahlen.
II. 1. Das vorlegende Gericht hat nicht nur die Tabelle, sondern auch §
114 Satz 2 und §
115 Abs.
1 ZPO zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt. Insoweit bedarf die Vorlagefrage einer Begrenzung. Die Vorlage ist auf
den entscheidungserheblichen Teil der zur Prüfung gestellten Normen zu beschränken (vgl. BVerfGE 69, 373 >377< m. w. N.). Entscheidungserheblich für das Ausgangsverfahren ist allein die Tabelle in Anlage 1 zu §
114 ZPO. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Antragstellerin zu 1 Raten auf die Prozeßkosten zu entrichten hat, bestimmt sich
nur nach dieser Tabelle. §
114 ZPO regelt lediglich, wann einer Partei Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist, und verweist in Satz 2 unter anderem auf die Tabelle.
§
115 Abs.
1 ZPO enthält Bestimmungen über das von der Partei einzusetzende Einkommen und Vermögen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des
vorlegenden Gerichts richten sich jedoch ausschließlich gegen die in der Tabelle festgesetzten Beträge, nach denen sich die
Ratenzahlungspflicht der bedürftigen Partei bestimmt. In der Sache hält das Gericht die Freibeträge, bis zu denen keine Raten
zu entrichten sind, für zu gering bemessen. Nur insoweit könnte eine Verletzung des Grundgesetzes vorliegen. §§
114,
115 ZPO stehen mit der Tabelle auch nicht in einem derart engen Zusammenhang, daß sie deshalb in die verfassungsrechtliche Prüfung
einzubeziehen wären (vgl. hierzu BVerfGE 57, 361 >378< m. w. N.). Die Vorlagefrage ist daher darauf zu beschränken, ob die Anlage 1 zu §
114 ZPO mit dem
Grundgesetz vereinbar ist.
2. Nicht zu entscheiden ist auch über die im Vorlagebeschluß aufgeworfene Frage, ob die Tabelle eine Interpolation der Ratenbeträge
zuläßt (vgl. hierzu Schneider in: Zöller,
ZPO, 15. Aufl., § 115 Rdnr. 72 m. w. N.). Eine Vorlage nach Art.
100 Abs.
1 GG kommt nur dann in Betracht, wenn das vorlegende Gericht von der Unmöglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung und daher
von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt ist (vgl. BVerfGE 68, 337 >344< m. w. N.). Dies ist hier - wie der Vorlagebeschluß zeigt - bezüglich der Interpolationsmöglichkeit nicht der Fall.
Das Landgericht hat in der Vergangenheit eine Interpolation der Ratenbeträge vorgenommen und neigt selbst zu der Auffassung,
dies sei im Wege verfassungskonformer Interpretation der Tabelle möglich.
C. Die Anlage 1 zu § 114 der Zivilprozeßordnung ist mit dem
Grundgesetz vereinbar.
I. 1. Das Prinzip des sozialen Rechtsstaats und die in Art.
3 Abs.
1 GG gewährleistete Rechtsgleichheit wirken sich auch auf die Durchsetzung individueller Rechtspositionen mit Hilfe der staatlichen
Gerichte aus. Da der Staat den Zugang zu diesen regelmäßig von Kostenvorschüssen und vielfach von anwaltlicher Vertretung
abhängig macht, kann die Verwirklichung der rechtlichen Gleichheit im Falle wirtschaftlichen Unvermögens jedoch faktisch in
Frage gestellt sein. Deshalb hat der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, daß auch die unbemittelte Partei in die Lage versetzt
wird, ihre Belange in einer dem Gleichheitsgebot gemäßen Weise im Rechtsstreit geltend zu machen (BVerfGE 35, 348 >354 f.<). Die Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 51,
295 >302<; 56, 139 >143<; 63, 380 >394<) kann dabei keine vollständige sein. Ihr Ausmaß liegt vielmehr in der Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers. Von Verfassungs wegen wird lediglich verlangt, daß auch der armen Partei die Prozeßführung nicht unmöglich
gemacht wird. Das wäre aber zu befürchten, wenn ohne zureichende staatliche Prozeßkostenhilfe das Existenzminimum einer Partei
unterschritten würde.
2. Die Sicherung des Existenzminimums ist Aufgabe des Sozialhilferechts. Der sozialhilferechtliche Regelbedarf, der verbrauchsbezogen
ermittelt und periodisch an die tatsächlichen Verhältnisse angepaßt wird, kann daher als Anhaltspunkt für die Kostenbeteiligung
der bedürftigen Partei gelten. Er soll den notwendigen Lebensunterhalt garantieren, dessen der Einzelne zur Führung eines
menschenwürdigen Lebens bedarf. Die Kosten einer Prozeßführung rechnen nicht zu diesem Grundbedarf. Das zeigt sich auch daran,
daß ein Bedürftiger zusätzlich zum Regelbedarf, der den Lebensunterhalt sichern soll, Hilfe in besonderen Lebenslagen beanspruchen
kann. Während die Hilfe zum Lebensunterhalt der Sicherung des Existenzminimums dient, erfaßt die Hilfe in besonderen Lebenslagen
spezifische Bedarfssituationen. Eine solche stellt auch die gerichtliche Rechtsverfolgung dar. Daraus folgt, daß eine Kostenbeteiligung
nicht verlangt werden darf, wenn das Einkommen der bedürftigen Partei den sozialhilferechtlichen Regelsatz nicht übersteigt.
Dieser muß vielmehr nach Zahlung der Raten ungeschmälert für die Lebensführung zur Verfügung stehen.
3. Der Regelsatz für die Hilfe zum Lebensunterhalt eines Alleinstehenden lag zum Zeitpunkt der Gesetzesberatung im Bundesdurchschnitt
bei 297 DM. An diesem Wert orientierte sich der Gesetzgeber bei der Bemessung der Ratenzahlungsgrenze. Im September 1985 war
der Regelsatz auf rund 385 DM und im September 1987 auf rund 403 DM gestiegen (vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger, Sozialhilfe,
1986, S. 159; Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht >info also< 1987, S. 107). Die laufenden Leistungen
für Unterkunft und Heizung werden von dem Regelsatz nicht erfaßt, sondern in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zusätzlich
gewährt. Bei der Festlegung des Tabellengrenzwerts von 850 DM war der Gesetzgeber von einer Pauschale von 156 DM für Unterkunft
ausgegangen. Im Jahre 1983 wurden als Durchschnittsmiete 234 DM und für die Heizkosten 59 DM angesetzt (vgl. info also 1987,
S. 189). Unter Berücksichtigung der seither eingetretenen Preissteigerungen dürfte der durchschnittliche Unterkunftsbedarf
(Miete und Heizkosten) eines alleinstehenden Sozialhilfeempfängers heute mit etwa 300 DM anzusetzen sein. Zusammen mit dem
derzeit gültigen durchschnittlichen Regelsatz von 403 DM ergibt sich danach heute ein durchschnittlicher Regelbedarf für einen
Alleinstehenden von rund 700 DM.
4. Der Tabellengrenzwert liegt derzeit also noch deutlich über demjenigen Betrag, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich
erscheint. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Tabellengrenzwerte für eine Partei, die Unterhaltsleistungen zu erbringen
hat. Auch wenn in Einzelfällen die von einer Partei bezogene Sozialhilfeleistung den für sie maßgeblichen Tabellengrenzwert
übersteigt, ergeben sich gegen die Tabelle derzeit keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Anwendung der Tabelle führt
auch in solchen Fällen nicht notwendig zu verfassungswidrigen Ergebnissen, denn §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO erlaubt es den Fachgerichten, unter diesen Umständen Abzüge von dem für die Anwendung der Tabelle maßgeblichen Einkommen
vorzunehmen. Die überwiegende Rechtsprechung nutzt diese Möglichkeit gerade hinsichtlich der Mietbelastungen einer bedürftigen
Partei und nimmt beispielsweise nach §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO Abzüge von dem Einkommen vor, wenn die Kaltmiete 18 vom Hundert des verfügbaren Nettoeinkommens übersteigt.
5. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß sich der sozialhilferechtliche Regelbedarf dem Tabellengrenzwert inzwischen stark
angenähert hat. Der Gesetzgeber wird daher bei weiterer Erhöhung des Sozialhilferegelsatzes darauf zu achten haben, daß die
Kostenbeteiligung der unbemittelten Partei deren Existenzminimum nicht gefährdet.
II. Die Verfassungswidrigkeit der Tabellengrenzwerte ergibt sich auch nicht daraus, daß diese seit 1980 unverändert geblieben
sind, während die Einkommensgrenzen für die Hilfe in besonderen Lebenslagen nach §§ 79 ff. des Bundessozialhilfegesetzes in
der Zwischenzeit erheblich angehoben wurden. Die ungleiche Behandlung beruht nicht auf Willkür.
1. Nach § 27 Abs. 1 BSHG betrifft die Hilfe in besonderen Lebenslagen zwölf katalogmäßig aufgeführte schwierige Situationen (etwa Krankenhilfe, Hilfe
für werdende Mütter, Blindenhilfe, Altenhilfe). Während bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 11 Abs. 1 BSHG eigenes Einkommen und Vermögen grundsätzlich voll einzusetzen sind, bestimmt § 28 BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen, daß eigenes Einkommen und Vermögen nur insoweit einzusetzen sind, als dies dem Hilfesuchenden
zuzumuten ist. Inwieweit der Einsatz von Einkommen und Vermögen zuzumuten ist, wird in §§ 79 ff. BSHG nach bestimmten Einkommensgrenzen geregelt. Für die meisten Hilfen in besonderen Lebenslagen gilt die allgemeine Einkommensgrenze
nach § 79 BSHG. Die derzeit gültige allgemeine Einkommensgrenze nach § 79 Abs. 1 BSHG ergibt sich aus einem Grundbetrag in Höhe von 786 DM und den Kosten der Unterkunft (in angemessenem Umfang) sowie einem Familienzuschlag
für bestimmte Hilfesuchende. Daraus folgt, daß die allgemeine Einkommensgrenze für Hilfe in besonderen Lebenslagen in der
Regel höher liegen wird als die Grenzwerte der Prozeßkostenhilfetabelle, bis zu denen die Partei sich an den Kosten des Rechtsstreits
nicht zu beteiligen hat. Während ein Hilfesuchender im Bereich der Hilfe in besonderen Lebenslagen also einen bestimmten "Freibetrag"
seines Einkommens in jedem Fall zur eigenen Verfügung behält, kann eine bedürftige Partei mit demselben Einkommen gegebenenfalls
nach der Tabelle zu Ratenzahlungen auf die Prozeßkosten verpflichtet sein.
2. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Prozeßkostenhilfe einerseits und über die Hilfe in besonderen Lebenslagen andererseits
treffen keine Unterscheidung zwischen bestimmten Personen oder Personengruppen. Sie regeln vielmehr unterschiedliche Sachbereiche.
Die Frage der Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist mithin keine Frage persönlicher, sondern eine solche sachlicher Rechtsgleichheit.
Die Regelung darf nicht wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln. Welche
Sachverhaltselemente so wesentlich sind, daß eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, hat zunächst der Gesetzgeber zu entscheiden.
Diesem ist nach ständiger Rechtsprechung weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzuerkennen. Diese Gestaltungsfreiheit geht im Bereich
der darreichenden Verwaltung weiter als bei der gesetzlichen Regelung staatlicher Eingriffe (vgl. BVerfGE 49, 280 >283< m. w. N.; zweifelnd BVerfGE 61, 138 >147<). Insbesondere obliegt dem Bundesverfassungsgericht größte Zurückhaltung, dem Gesetzgeber im Bereich darreichender
Verwaltung über den Gleichheitssatz zusätzliche Leistungsverpflichtungen aufzuerlegen (vgl. BVerfGE 60, 16 >42<). Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt erst dann vor, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache
ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt (vgl. BVerfGE 65, 141 >148<; 74, 182 >200< jeweils m. w. N.).
3. a) Ein sachlicher Grund für die ungleiche Bemessung der Einkommensgrenzen ergibt sich bereits aus dem unterschiedlichen
Regelungsgegenstand. Aufgabe der Hilfe in besonderen Lebenslagen (ebenso wie der Hilfe zum Lebensunterhalt) ist es, dem Empfänger
die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen ( § 1 Abs. 2 BSHG). Bei der Bemessung des Grundbetrages für die Einkommensgrenze nach § 79 BSHG hat der Gesetzgeber sich bewußt dafür entschieden, Personen mit geringem Einkommen einen über den einfachen Unterstützungsbetrag
(Regelsatz) hinausgehenden Schutz zu gewähren (vgl. BTDrucks. 3/1799, S. 52; 3/2673, S. 8; 1961 wurde als Grundbetrag das
Doppelte des Regelsatzes festgesetzt). Dem lag erkennbar die Auffassung zugrunde, daß Personen in den in § 27 BSHG umschriebenen besonderen Lebenslagen in der Regel auch einen erhöhten Bedarf zur Deckung des Lebensunterhaltes haben (vgl.
auch Schulte/Trenk-Hinterberger, a.a.O., S. 255 f.). Entsprechendes gilt für die Prozeßkostenhilfe nicht. Eine gesteigerte
Bedarfslage, die einen entsprechend hohen "Freibetrag" erfordert, ist für eine an einem Prozeß beteiligte Partei in der Regel
nicht gegeben. Sollte dies ausnahmsweise doch der Fall sein, so kann dem durch entsprechende Abzüge von dem zu berücksichtigenden
Einkommen nach §
115 Abs.
1 Satz 3
ZPO Rechnung getragen werden.
b) Im übrigen enthält auch schon der unterschiedliche Regelungszweck der Sozialhilfe einerseits und der Prozeßkostenhilfe
andererseits einen ausreichenden Grund für die unterschiedliche Bemessung der Einkommensgrenzen. Die Sozialhilfeleistungen
dienen der Sicherung einer menschenwürdigen Existenz (§ 1 Abs. 2 BSHG). Eine solche Sicherung der Existenzgrundlage ist als staatliche Aufgabe vordringlicher als die Ermöglichung eines Rechtsstreits.
Daher kann es nicht als willkürlich angesehen werden, wenn der Gesetzgeber der Existenzsicherung einen größeren Stellenwert
zumißt und hierfür andere Einkommensgrenzen ansetzt als im Bereich der Prozeßkostenhilfe. Denn grundsätzlich hat der Gesetzgeber
zu entscheiden, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel und anderer gleichrangiger Aufgaben
gewährt werden kann und soll (BVerfGE 40, 121 >133<).
c) Schließlich ist der Gesetzgeber im Hinblick auf das Willkürverbot auch nicht deshalb zu einer Erhöhung der Tabellengrenzwerte
verpflichtet, weil er sich bei deren Festsetzung im Jahre 1980 an den damals gültigen Einkommensgrenzen für die Hilfe in besonderen
Lebenslagen orientiert hatte. Eine irgendwie geartete "Selbstbindung" des Gesetzgebers ergibt sich hieraus nicht. Selbst wenn
man mit dem vorlegenden Gericht davon ausgeht, daß die Tabellenwerte, gemessen an sonstigen Sozialleistungen, schon unverhältnismäßig
lange nicht angepaßt worden sind, so liegt darin noch keine Verletzung des Art.
3 Abs.
1 GG. Dabei kann offenbleiben, ob in der unterblieben Anpassung der Tabellenwerte eine Systemwidrigkeit gegenüber anderen Sozialleistungen
zu sehen ist. Eine solche Systemwidrigkeit allein würde noch keinen Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG darstellen (vgl. BVerfGE 59, 36 >49<; 75, 382 >395 f.<).