Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch aus übergegangenem Recht geltend.
Auf das Arbeitsverhältnis der bei der Beklagten als Angestellte beschäftigten Frau Waltraud S findet aufgrund arbeitsvertraglicher
Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Nach § 40
BAT werden für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen die bei dem Arbeitgeber jeweils geltenden
Bestinmungen angewendet.
Die im Jahre 1983 geborene Tochter J der Angestellten S ist körperbehindert. Sie hat einen angeborenen Turmschädel und leidet
an cerebralen Bewegungsstörungen. Ihre Entwicklung ist allgemein und ihre sprachliche Entwicklung erheblich retardiert. Aufgrund
einer schriftlichen Stellungnahme des Landesarztes für Körperbehinderte vom 26. Juni 1986, in der eine Förderung und Eingliederung
in einen Sonderkindergarten für körperbehinderte Kinder zur umfassenden Therapie als dringend notwendig angesehen wurde, wurde
das Kind J im Sonderkindergarten für körperlich behinderte Kinder der Gemeinnützigen Gesellschaft für paritätische Sozialarbeit-B
mbH in L betreut.
Außerdem wurden außerhalb des Sonderkindergartens krankengymnastische, beschäftigungs- und sprachtherapeutische Heilbehandlungen
durchgeführt.
Der Kläger ist als Sozialhilfeträger für die Unterbringungskosten des Kindes J im Sonderkindergarten in der Zeit vom 1. Juli
1986 bis 30. April 1987 in Höhe von 29.450,-- DM aufgekommen und hat den vermeintlichen Beihilfeanspruch der Mutter des Kindes
gegen die Beklagte nach § 90
BSHG auf sich übergeleitet.
Er stützt diesen Anspruch auf § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Beihilfevorschriften für das Land Niedersachsen (BhV). Darin heißt es:
"§ 6 (1) Aus Anlaß einer Krankheit sind beihilfefähig die Aufwendungen für
3. eine vom Arzt schriftlich angeordnete Heilbehandlung und die dabei verbrauchten Stoffe. Zur Heilbehandlung gehören auch
ärztlich verordnete Bäder - ausgenommen Saunabäder und Schwimmen in Mineral- oder Thermalbädern außerhalb einer Sanatoriumsbehandlung
oder Heilkur -, Massagen, Bestrahlungen, Krankengymnastik, Bewegungs-, Beschäftigungs- sowie Sprachtherapie und dergleichen.
Ist die Durchführung einer Heilbehandlung in einen Unterricht zur Erfüllng der Schulpflicht eingebunden, so sind die Aufwendungen
bis zu 20,-- DM täglich beihilfefähig; dies gilt entsprechend für Heilbehandlungen, mit denen zugleich in erheblichem Umfang
berufsbildende oder allgemeinbildende Zwecke verfolgt werden."
Die Beklagte hat die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen in Höhe von 20,-- DM pro Tag anerkannt und darüber hinausgehende Zahlungen
abgelehnt. Die Aufwendungen für die Heilbehandlungen außerhalb des Sonderkindergartens wurden gesondert abgerechnet.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß alle Aufwendungen für die Unterbringung des Kindes J im Sonderkindergarten beihilfefähig
seien. Es handele sich um Aufwendungen für Heilbehandlungen, bei denen die Begrenzung auf 20,-- DM pro Tag nicht in Betracht
komme. Im Sonderkindergarten seien die krankengymnastischen, beschäftigungs- und sprachtherapeutischen Maßnahmen fortgesetzt
worden. Damit sei das Kind J nicht wie in einem sonstigen Kindergarten betreut, sondern heilpädagogisch behandelt worden.
Heilbehandlungen bei einem behinderten Kind im Vorschulalter verfolgten nicht in erheblichem Umfang allgemeinbildende Zwecke,
sondern dienten dazu, körperliche, geistige und seelische Einschränkungen, in denen die Gesundheitsschädigung zum Ausdruck
komme, auszugleichen und zu lindern.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.034,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. August 1987 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß die Aufwendungen für die Unterbringung des Kindes J im Sonderkindergarten über
den Tagessatz von 20,-- DM hinaus nicht beihilfefähig seien. Selbst wenn die Betreuung des Kindes im Sonderkindergarten als
Heilbehandlung anzusehen sei, würden mit ihr in erheblichem Umfang allgemeinbildende Zwecke verfolgt. Ein Sonderkindergarten
diene wie jeder Kindergarten der Förderung der kindlichen Entwicklung durch erzieherische und sonstige Maßnahmen. Dies seien
allgemeinbildende Zwecke im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BhV. Außerdem habe der Kläger die geltend gemachten
Aufwendungen nicht hinreichend spezifiziert.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der
Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht erkannt, daß die Aufwendungen für die Unterbringung des Kindes
J im Sonderkindergarten nur in Höhe von 20,-- DM pro Tag beihilfefähig sind.
I. Das Landesarbeitsgericht nimmt an, die Betreuung im Sonderkindergarten sei wegen der Behinderung des Kindes als Heilbehandlung
im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV anzusehen. Diese diene jedoch in erheblichem Umfang allgemeinbildenden Zwecken. Die therapeutischen
Bemühungen im Sonderkindergarten seien dazu bestimmt, die Behinderung des Kindes J auszugleichen und die auf ihr beruhenden
Folgen nach Möglichkeit zu beseitigen oder zu lindern. Die Fähigkeiten des behinderten Kindes sollten ausgebildet und entwickelt
werden, damit es bessere Möglichkeiten gewinne, sich in seiner Umwelt zurecht zu finden. Damit würden Ziele verfolgt, die
jeder Bildungsvermittlung immanent und geeignet seien, den Besuch von (Sonder-)schulen vorzubereiten.
Allgemeinbildende Zwecke könnten auch bei Maßnahmen außerhalb eines schulischen Unterrichts verfolgt werden.
II. Diesen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Aus ihnen ergibt sich die Beschränkung der Beihilfefähigkeit.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger, der als Sozialhilfeträger für die Aufwendungen aufgekommen
ist, den Beihilfeanspruch der Mutter des Kindes auf sich übergeleitet hat (§ 90
BSHG). Der Kläger erwarb dadurch den Anspruch jedoch nur in der Höhe, in der er gegen die Beklagte bestand.
2. Der Beihilfeanspruch der Mutter des Kindes gegenüber der Beklagten hat seine Rechtsgrundlage in § 40
BAT. Diese tarifliche Bestimmung verweist auf die bei dem Arbeitgeber geltenden Bestimmungen und damit auf die Beihilfevorschriften
des Landes Niedersachsen, die denen des Bundes entsprechen. Nach § 6 Abs. 3 Nr. 3 BhV sind Aufwendungen für eine vom Arzt
schriftlich angeordnete Heilbehandlung grundsätzlich in vollem Umfange beihilfefähig.
Eine Beschränkung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen ist jedoch in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BhV bei Heilbehandlungen
vorgesehen, mit denen zugleich in erheblichem Umfang allgemeinbildende Zwecke verfolgt werden.
a) In Übereinstimmung mit der Auffassung der Parteien geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, daß beim Kind J
im Sonderkindergarten im Klagezeitraum aufgrund schriftlicher ärztlicher Anordnung Heilbehandlungen im Sinne von § 6 Abs.
1 Nr. 3 BhV vorgenommen wurden.
Unter Heilbehandlung im Sinne der Beihilfevorschrift ist jede zur Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung
von Leiden oder zur Beseitigung von Körperschäden dienende Maßnahme zu verstehen (vgl. Ahrens/Beisel, Das neue Beihilferecht,
S. 53). Dazu gehören auch die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BhV ausdrücklich genannten Maßnahmen, wie Massagen, Bestrahlungen,
Krankengymnastik, Bewegungs-, Beschäftigungs- und Sprachtherapie. Zwar erfolgte eine krankengymnastische, beschäftigungsund
sprachtherapeutische Behandlung des Kindes außerhalb des Sonderkindergartens und wurde auch beihilfemäßig gesondert abgerechnet,
jedoch wurden diese Maßnahmen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Sonderkindergarten durch geeignetes Fachpersonal
fortgesetzt. Daraus hat das Landesarbeitsgericht mit Recht gefolgert, daß alle im Sonderkindergarten durchgeführten Maßnahmen,
die dazu dienten, die mit der Behinderung des Kindes verbundenen Schäden auszugleichen und die auf der Behinderung beruhenden
körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen zu lindern, als Heilbehandlung im Sinne der Beihilfevorschrift anzusehen sind.
b) Mit den im Sonderkindergarten durchgeführten Heilbehandlungen wurden jedoch zugleich in erheblichem Umfang allgemeinbildende
Zwecke verfolgt, so daß die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BhV beschränkt ist.
aa) Zwar verweist der Kläger mit Recht darauf, daß die Vermittlung von Allgemeinbildung im Sinne einer Grund- und Elementarbildung,
die es dem Menschen ermöglicht, sich in seiner Welt zurecht zu finden, nach herkömmlichem Verständnis (vgl. Meyers Enzyklopädisches
Lexikon, Stichwort: Allgemeinbildung) grundsätzlich Aufgabe der Schulen ist. Heilbehandlungen, die im schulischen bzw. berufsbildenden
Bereich durchgeführt werden, sind in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 Halbsatz 1 und 2 BhV jedoch gesondert aufgeführt.
Daraus folgt, daß Heilbehandlungen, mit denen zugleich in erheblichem Umfang allgemeinbildende Zwecke verfolgt werden, auch
dann von der Beschränkung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 2. Halbsatz BhV erfaßt
werden, wenn sie außerhalb schulischer bzw. berufsbildender Maßnahmen erfolgen.
Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß allgemeinbildende Zwecke im Sinne der Beihilfevorschrift auch durch die
Betreuung eines Kindes in einem Kindergarten bzw. Sonderkindergarten und damit im vorschulischen Bereich verfolgt werden können.
Aufgabe eines Kindergartens ist die Betreuung, Förderung, Erziehung und Bildung von Kindern. Der Kindergarten hat damit im
Elementarbereich des Bilclungssystems einen eigenständigen Bildungsauftrag (vgl. z. B. §§ 1, 2 Abs. 1 Kindergartengesetz-Nordrhein-Westfalen).
Im Kindergarten werden in Ergänzung und Unterstützung der familiären Erziehung elementare Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt,
die dem Kind helfen sollen, sich in seiner Welt zu bewegen und verständlich zu machen. Im Mittelpunkt der Erziehungs- und
Bildungsarbeit stehen dabei Sprachförderung, soziale Erziehung, Umweltbegegnung und spielerische Betätigung.
Dies gilt auch für einen Sonderkindergarten, in dem bei der Erfüllung dieser Aufgabe jedoch die besondere Lage behinderter
Kinder zu berücksichtigen ist, die eine besonders intensive Beschäftigung mit den Kindern erfordert. Soweit der Kläger darauf
verweist, der Personalschlüssel für das Betreuungspersonal sei in Sonderkindergärten höher als in sonstigen Kindergärten,
berechtigt dies nicht zu der Annahme, im Sonderkindergarten würden nur in geringem Umfang allgemeinbildende Zwecke verfolgt.
Daraus ergibt sich nur, daß im Sonderkindergarten die allen Kindergärten obliegende Betreuung, Förderung, Erziehung und Bildung
der Kinder eine intensivere Beschäftigung mit dem einzelnen behinderten Kind erfordert, nicht aber, daß der Betrieb eines
Sonderkindergartens sich auf reine Behindertentherapie beschränkt.
bb) Die Betreuung in dem Sonderkindergarten, in dem das Kind J sich befand, diente in erheblichem Umfang allgemeinbildenden
Zwecken. Dies ergibt sich aus den mit Revisionsrügen nicht angefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht
weist zu Recht auf das Gutachten des Kinder- und Jugendpsychiaters Dr. med. Peter W hin. Darin ist ausgeführt, daß es sich
bei einem Großteil der in dem Sonderkindergarten entfalteten Bemühungen um erzieherische und übende Maßnahmen handelte, welche
auch in Regelkindergärten durchgeführt werden und welche bei behinderten ebenso wie bei nichtbehinderten Kindern die Förderung
der kindlichen Entwicklung zum Ziel haben.
Bestätigt wird dies durch den vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Wochenplan. Danach nahm das Kind J an Ausflügen
in den Wald, Sing- und Bewegungsspielen, Salzteigbäckereien, Schaukelspielen und Malübungen teil, wie sie zum Betreuungsprogramm
auch jedes sonstigen Kindergartens gehören. Diese Maßnahmen dienten dazu, sowohl die körperlichen und geistigen Fähigkeiten
des Kindes zu fördern als auch sein Sozialverhalten zu entwickeln. Sie verfolgten damit auch soweit sie im Hinblick auf die
Behinderung des Kindes J als Heilbehandlungen anzusehen waren, allgemeinbildende Zwecke im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz
3 Halbsatz 2 BhV. Daß der Umfang dieser allgemeinbildenden Zwecke nicht erheblich gewesen sei, hat der insoweit darlegungspflichtige
Kläger nicht substantiiert dargelegt. Bereits deshalb geht die Rüge der Revision fehl, das Berufungsgericht habe §
286
ZPO verletzt.
III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach §
97 Abs.
1
ZPO zu tragen.