Rückforderung von Ausbildungsförderung - Ausbildungsförderung; Bedarf; Vermögen; Vermögensgegenstand
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen den erstinstanzlichen Beschluss ist begründet, weil das Verwaltungsgericht seinen Antrag
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt hat.
Nach §
166 VwGO i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur
zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Der Kläger kann ausweislich seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die beigefügten Belege
die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen. Daran ändert auch die Annahme des Verwaltungsgerichts nichts, der Kläger sei
nicht "prozessarm", weil ihm zuzumuten sei, die Flurstücke 60/3 und 59/3 der Flur 4 der Gemarkung B., die ihm seine Großeltern
geschenkt haben, zwecks Aufnahme eines Darlehens zu belasten und dadurch die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens
zu finanzieren. Denn diese Auffassung ist unzutreffend. Das Verwaltungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die
Großeltern des Klägers im Falle einer Belastung der Grundstücke anders als im Falle eines Verkaufs keinen Anspruch auf Rückübereignung
hätten. Der Kläger hat aber nachvollziehbar dargelegt und durch Schreiben der Deutschen Bank sowie der Sparkasse C. belegt,
dass er einen Kredit zur Finanzierung der Prozesskosten auch im Falle der Bestellung einer Grundschuld nicht erhalten würde,
weil die Grundstücke wegen des Nießbrauchsrechts seiner Großeltern und des Umstandes, dass im Fall der Anordnung einer Zwangsverwaltung
oder Zwangsversteigerung ein Rückübereignungsanspruch seiner Großeltern entstünde, faktisch nicht verwertbar sind und daher
für die Banken keine ausreichende Sicherheit für ein Darlehen darstellen. Kann der Kläger demnach selbst bei einer Belastung
der Grundstücke kein Darlehen erhalten, ist es ihm nicht möglich, die Grundstücke, die er wegen eines Rückübereignungsanspruchs
seiner Großeltern auch nicht verkaufen kann, nach §
115 Abs.
3 ZPO zur Deckung der Prozesskosten einzusetzen.
Bei der in dem vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung hat die Klage entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts
auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Das Verwaltungsgericht ist unter Bezugnahme auf einen Beschluss des für das Ausbildungsförderungsrecht früher ebenfalls zuständigen
12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. November 2005 (12 PA 74/05) davon ausgegangen, dass die o.
g. Grundstücke, die ausweislich des notariell beurkundeten Grundstücksüberlassungsvertrags vom 7. Januar 2000 einen Wert von
ca. 20.000,-- EUR haben, als Vermögen des Klägers im Sinne des § 27 Abs. 1 BAFöG zu berücksichtigen seien. Der Einwand des
Klägers, dass eine Belastung der Grundstücke praktisch ausgeschlossen sei, weil Kreditgeber eine wegen des Rückübereignungsanspruchs
seiner Großeltern unzureichende dingliche Sicherheit nicht akzeptieren würden, sei nicht begründet. In der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass vertragliche Bindungen und Beschränkungen, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit
auf den Vermögensgegenstand unberührt lassen, angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung
die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen könnten. Deshalb könne sich der Kläger auf eine tatsächliche
Erschwernis bei der Belastung der Grundstücke, durch die die objektive Zugriffsmöglichkeit auf den Vermögensgegenstand nicht
in Frage gestellt werde, nicht berufen.
Diese Rechtsauffassung teilt der beschließende Senat bei summarischer Prüfung nicht. Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
(Beschl. v. 16.2.2000 - 5 B 182/99 -), dass vertragliche Bindungen und Beschränkungen, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit auf den Vermögensgegenstand unberührt
lassen, angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung
nicht rechtfertigen, lässt sich nicht entnehmen, dass der Einwand eines Auszubildenden, er könne kein Darlehen erlangen, weil
eine Belastung des Grundstücks von den Banken nicht als ausreichende Sicherung des Kredits angesehen werde und daher faktisch
nicht in Betracht komme, unbeachtlich ist. Der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Rechtssatz betrifft lediglich die
Bedeutung vertraglicher Bindungen und Beschränkungen im Rahmen der Anrechnung des Vermögens auf den Bedarf des Auszubildenden.
Davon zu trennen ist jedoch die Frage, ob das Vermögen zur Deckung des Lebensunterhalts und der Ausbildungskosten (§
11 Abs.
1 BAföG) auch tatsächlich eingesetzt werden kann.
Da der Gesetzgeber bei der Regelung in §
11 Abs.
2 BAföG, dass das Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie das Einkommen seines Ehegatten und seiner Eltern auf den Bedarf
des Auszubildenden nach Maßgabe der folgenden Vorschriften anzurechnen sind, davon ausgegangen ist, dass sowohl das Einkommen
als auch das Vermögen zur Bedarfsdeckung tatsächlich verwendet werden kann, dürften Vermögensgegenstände, die zur Deckung
des Lebensunterhalts und der Ausbildungskosten faktisch nicht eingesetzt werden können, bei der Anrechnung auf den Bedarf
grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sein. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, wenn der Auszubildende rechtsmissbräuchlich
dazu beigetragen hat, dass der Zugriff auf sein Vermögen faktisch nicht möglich ist. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor.
Der zwischen dem Kläger und seinen Großeltern geschlossene Grundstücksüberlassungsvertrag sieht zwar vor, dass die Großeltern
im Falle der Anordnung einer Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung die Rückübereignung des Grundbesitzes verlangen können.
Diesen Rückübereignungsanspruch hat der Kläger seinen Großeltern jedoch nicht rechtsmissbräuchlich eingeräumt. Vielmehr haben
seine Großeltern ihm den Grundbesitz mit dieser und weiteren Maßgaben im Wege der Schenkung überlassen, ohne die der Grundbesitz
erst gar nicht auf den Kläger übergegangen wäre. Folglich kann keine Rede davon sein, dass der Kläger durch die Einräumung
eines Rückübereignungsanspruchs rechtsmissbräuchlich dazu beigetragen habe, dass die Grundstücke zur Sicherung eines Kredits
faktisch nicht eingesetzt werden können.
Die Frage, ob der Grundbesitz des Klägers mangels faktischer Verwertbarkeit bei der Anrechnung auf den Bedarf grundsätzlich
nicht zu berücksichtigen ist, bedarf in diesem Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe jedoch keiner abschließenden
Entscheidung. Sollte diese Frage zu verneinen sein, dürften die Grundstücke nämlich nach §
29 Abs.
3 BAföG zur Vermeidung unbilliger Härten anrechnungsfrei bleiben. Zum einen können wohl auch faktische Verwertungshindernisse eine
unbillige Härte in Sinne dieser Vorschrift begründen. Zum anderen dürften auch die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung
auf Null vorliegen, weil die Grundstücke aus Gründen, die der Kläger nicht zu vertreten hat, zur Bedarfsdeckung faktisch nicht
eingesetzt werden können.