Sozialrecht nach landesrechtlichen Vorschriften: Pflegeeinrichtung; Investitionsförderung; Abschlagszahlung; Rückforderung;
(öffentlich-rechtlicher) Erstattungsanspruch; Vertrauensschutz; (grobe) Fahrlässigkeit; Sozialgesetzbuch; (sachlicher) Geltungsbereich;
Gesetzgebungskompetenz
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß §§
124,
124a VwGO, mit dem der Kläger sein Verpflichtungsbegehren auf Gewährung einer Investitionsförderung von Kapitaldiensten gemäß § 8 Abs.
3 des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Pflegeversicherungsgesetzes (im Folgenden: ThürAGPflegeVG) für das von ihm betriebene
Altenpflegeheim "B " (in E ) aufrechterhält und sich weiterhin gegen die Rückforderung eines diesbezüglichen Abschlags (i.
H. v. 30.000,- DM) wendet, bleibt erfolglos.
Keine der Zulassungsrügen rechtfertigt die Durchführung eines Berufungsverfahrens. Das gilt zunächst hinsichtlich der geltend
gemachten ernstlichen Zweifel (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) in Bezug auf die Verpflichtungsklage (vgl. insbesondere Antragsbegründungsschrift, Ausführungen ab S. 10, vorletzter Absatz).
Die Ausführungen der Vorinstanz zum Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Kapitaldienstförderung nach § 8 Abs.
3 ThürAGPflegeVG sind keinen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der dort enthaltenen Regelungen
ist es nicht zweifelhaft, dass bei Pflegeeinrichtungen eine Kapitaldienstförderung für Herstellungsmaßnahmen, die bereits
- wie hier - vor dem 3. Oktober 1990 begonnen wurden, nicht in Betracht kommt (zur Kapitaldienstförderung nach § 8 Abs. 3
ThürAGPflegeVG vgl. auch die Begründung zur Vorschrift im zugrunde liegenden Gesetzentwurf der Landesregierung vom 30. April
1996 [LT-Drs. 2/1085, S. 17 f.]). Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG durch die Vorschrift selbst liegt fern. Schließlich ist der Antragsbegründung nicht zu entnehmen, dass im Freistaat Thüringen
ein Subventionsprogramm besteht, im Rahmen dessen eine Investitionsförderung unabhängig von einem gesetzlichen Förderanspruch
gemäß §§ 6 ff. ThürAGPflegeVG möglich wäre.
Für den vom Antrag nicht ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten
gemäß §
124 Abs.
2 Nr.
2 VwGO ergibt sich nichts anderes. Denn die Antragsbegründung führt nach den vorgenannten Ausführungen nicht einmal auf solche Zweifel
an der Richtigkeit des Urteils, die sich im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht abschließend klären lassen und deshalb unter
dem Gesichtspunkt besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten
(zur Auslegung dieses Zulassungsgrundes vgl. nur Senatsbeschluss vom 10. Dezember 1997 - 3 ZEO 1053/97 - ThürVBl. 1998, 93 m. w. N.).
Soweit der Zulassungsantrag die Angriffe gegen die Würdigung der Vorinstanz hinsichtlich des geltend gemachten Förderanspruchs
des Weiteren mit einer Aufklärungsrüge gemäß §§
86 Abs.
1,
124 Abs.
2 Nr.
5 VwGO verbindet (vgl. Antragsbegründungsschrift, letzter Unterabsatz), verfehlt er schon die Anforderungen des formellen Darlegungsgebots
(§
124a Abs.
4 Satz 4
VwGO). Ungeachtet dessen, dass er nicht verdeutlicht, welche weiteren konkreten Ermittlungsmaßnahmen er zur weiteren Sachaufklärung
für geboten hält, zeigt er nicht auf, inwiefern entsprechende Maßnahmen sich dem Verwaltungsgericht - ausgehend von dessen
maßgeblicher Rechtsauffassung - hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 1988 - 7 B 28/88 - NVwZ 1988, 1019; Urteil vom 2. Februar 1990 - 6 C 5.88 - zitiert nach Juris). Dafür ist schon angesichts des von der Vorinstanz eingenommenen Rechtsstandpunkts zur Auslegung der
Vorschrift des § 8 Abs. 3 ThürAGPflegeVG nichts ersichtlich.
Ebenso wenig ist eine Zulassung des Rechtsmittels veranlasst, soweit sich der Kläger gegen die Rückforderung des gewährten
Abschlages (i. H. v. 30.000,- DM) auf die beantragte Kapitaldienstförderung wendet. Das gilt insbesondere für die auch hinsichtlich
des Anfechtungsbegehrens geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) und den nicht ausdrücklich angeführten Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§
124 Abs.
2 Nr.
2 VwGO).
Denn auch insoweit führt die Antragsbegründung auf keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, die nach §
124 Abs.
2 Nrn. 1 oder 2
VwGO die Zulassung rechtfertigen könnten. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit einzelne Ausführungen des Klägers im
vorliegenden Zulassungsverfahren die entscheidungstragende Begründung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die angeordnete
Rückforderung erschüttern. Die diesbezüglichen Angriffe des Zulassungsantrags gegen die Erwägungen der Vorinstanz werfen auch
insoweit jedenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Entscheidungsergebnisses auf, so dass eine Zulassung
auf eine etwaige Fehlerhaftigkeit der Urteilsbegründung nicht gestützt werden könnte (§
144 Abs.
4 VwGO entsprechend).
Die im streitgegenständlichen Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2001 unter Ziffer 2 im Tenor angeordnete Rückforderung
ist im Ergebnis ebenfalls keinen Rechtmäßigkeitsbedenken ausgesetzt.
Sie findet ihre Rechtsgrundlage zwar nicht in § 50 Abs. 2 SGB X. Ungeachtet dessen, ob die Vorschrift überhaupt grundsätzlich auf Fallgestaltungen (entsprechend) anwendbar ist, in denen
- wie im Falle einer Abschlagszahlung - eine von der Behörde zunächst getroffene vorläufige Regelung später durch eine endgültige
behördliche Entscheidung ersetzt und damit gegenstandslos wird, ohne dass es einer (gesonderten) Aufhebung der vorläufigen
Bewilligung bedarf (zum Verhältnis zwischen einer vorläufigen Subventionsbewilligung und der endgültigen behördlichen Entscheidung
vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 - 3 C 8.82 - BVerwGE 67, 99 = DVBl. 1983, 851 = DVBl. 183, 1246 = NJW 1983, 2043 = DÖV 1983, 814), scheitert ihre Anwendbarkeit im vorliegenden Fall jedenfalls daran, dass bereits der sachliche Geltungsbereich der Vorschriften
des SGB X zum Verwaltungsverfahren für die Investitionsförderung (§§ 6 ff. ThürAGPflegeVG) nicht eröffnet ist. Denn die Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X gelten nur für die Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach "diesem Gesetzbuch" ausgeübt wird. Erfasst wird damit nur
das Verwaltungshandeln in den Bereichen, die Regelungsgegenstand der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs und der nach §
68 SGB I gleichgestellten Gesetze sind (vgl. auch §
37 Satz 1
SGB I). Die hier in Rede stehende Förderung von Pflegeeinrichtungen fällt nicht darunter. Sie ist insbesondere nicht Teil des Sozialleistungsbereichs
der sozialen Pflegeversicherung nach den Vorschriften des
SGB XI.
Etwas anderes folgt auch nicht aus §
9 SGB XI. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind die Länder verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden
und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Durch diese Regelung wird ebenso wenig wie durch Satz 2 der Vorschrift,
der das Nähere zur Planung und Förderung der Pflegeeinrichtungen der landesrechtlichen Ausgestaltung belässt, die Investitionsförderung
teilweise rahmenrechtlich geregelt. Für eine rahmenrechtliche Regelung fehlte überdies dem Bundesgesetzgeber nach Art.
73 ff.
GG die erforderliche Kompetenz. Insbesondere ist ihm insoweit durch Art.
74 GG eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit nicht eingeräumt. Eine solche besteht nach Art.
74 Abs.
1 Nr.
12 GG ausschließlich für den Bereich der Sozialversicherung selbst. Dieser betrifft grundsätzlich nur das Leistungsverhältnis zwischen
dem Träger der Sozialversicherung und den Versicherten, nicht hingegen auch die Planung und die Förderung der Einrichtungen,
mittels derer der Sozialversicherungsträger Leistungen gegenüber den Versicherten erbringt. Steht nach alledem die originäre
Gesetzgebungskompetenz für Angelegenheiten der Daseinsvorsorge auf dem Gebiet der Pflege nach Art.
70 Abs.
1 GG den Ländern zu, weil - wie ausgeführt - das
Grundgesetz insoweit dem Bund keine Gesetzgebungsbefugnisse verliehen hat, wird durch die Vorschrift des §
9 SGB XI den Ländern keine neue Aufgabe übertragen, sondern nur klargestellt, welche - bereits anderweitig eingeräumte - Gesetzgebungskompetenz
in Bezug auf eine zu gewährleistende pflegerische Versorgungsstruktur besteht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2004 -
3 C 2.04 - NDV-RD 2004, 120 m. w. N. und BSG, Urteil vom 26. Januar 2006 - B 3 P 6/04 R - SozR 4-3300 § 9 Nr. 2 = BSGE 96, 28 = NZS 2006, 593).
Ist die Bestimmung des § 50 Abs. 2 SGB X mithin auf das Rechtsverhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten von vornherein nicht anwendbar, beurteilt sich das Erstattungsbegehren
des Beklagten nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen. Dabei kann offen bleiben, ob Prüfungsmaßstab die Vorschrift
des § 49a ThürVwVfG oder der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist. Denn die Anspruchsvoraussetzungen sind
- bezogen auf beide Rechtsgrundlagen - im vorliegenden Fall erfüllt.
Das gilt insbesondere hinsichtlich der Reichweite des Vertrauensschutzes des Klägers. Ebenso wie nach § 49a Abs. 2 Satz 2
ThürVwVfG entfällt beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des von
einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung Begünstigten nicht nur, wenn er die Rechtsgrundlosigkeit kennt, sondern auch
dann, wenn er sie aus grober Fahrlässigkeit nicht erkennt (vgl. grundlegend dazu nur BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 - 7 C 48.82 - BVerwGE 71, 85 = DÖV 1985, 577 = DVBl. 1985, 850 = NJW 1985, 2436). So liegt es hier. Dem Kläger musste bereits aufgrund seines Antrages auf Gewährung einer Kapitaldienstförderung vom 1.
Dezember 1997 bekannt sein, dass diese Entscheidung auf der Grundlage der Regelungen des § 8 Abs. 3 ThürAGPflegeVG ergehen
würde, weil schon in der Überschrift des betreffenden Antragsvordrucks auf diese Vorschrift ausdrücklich hingewiesen wurde
("Antrag auf Förderung von Schuldendienstlasten nach § 8 Abs. 3 ThürAGPflegeVG"). Das trifft namentlich auch für die Regelung
des Satzes 2 der Vorschrift zu, nach der die Förderung derjenigen Investitionsmaßnahmen zu beurteilen ist, die - wie hier
- vor dem 1. Juni 1994 begonnen wurden. Dies musste sich dem Kläger umso mehr aufdrängen, als er im Rahmen des behördlichen
Antragsverfahrens durch Schreiben des Landesamtes für Soziales und Familie vom 22. Juli 1998 u. a. auf diese spezielle Regelung
im Zusammenhang mit einem von der Behörde erbetenen Nachweis der "Zustimmung des Thüringer Ministeriums für Soziales und Gesundheit
(TMSG) oder des örtlich zuständigen Trägers der Sozialhilfe zum Projekt bzw. zum eingesetzten Darlehen" hingewiesen wurde
(vgl. das Schreiben S. 2, letzter Satz). Unter den genannten Umständen bestand für den Kläger hinreichender Anlass, die Bestimmung
des § 8 Abs. 3 Satz 2 ThürAGPflegeVG in den Blick zu nehmen. Angesichts ihres eindeutigen Wortlautes durfte der Kläger keinesfalls
darauf vertrauen, dass eine Förderung der schon im Frühjahr 1989 begonnenen Herstellungsmaßnahme rechtlich zulässig war. Vielmehr
schloss der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 ThürAGPflegeVG maßgebliche Zeitpunkt des Beginnes einer Maßnahme (3. Oktober 1990 bis 31.
Mai 1994) - bereits unter Zugrundelegung dem Kläger abzuverlangender einfachster Überlegungen - eine Kapitaldienstförderung
offensichtlich aus. Ein etwaiges Vertrauen des Klägers darauf, dass sich die Behörde über eindeutige rechtliche Vorgaben hinwegsetzen
würde, ist nicht schutzwürdig.
Wegen des vom Verwaltungsgericht verkannten Ausgangspunktes der rechtlichen Prüfung kommt es auf die Jahresfrist (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) und die Frage, ab welchem konkreten Zeitpunkt diese zu laufen begonnen hätte, nicht an. Ebenso wenig wie auf eine vorbehalten
gewesene endgültige Entscheidung, wie sie hier durch die Ablehnung der Kapitaldienstförderung getroffen worden ist, ist die
entsprechende Regelung zur Jahresfrist in § 48 Abs. 4 Satz 1 ThürVwVfG auf die Rückforderung der vorläufig bewilligten Leistung
(direkt oder analog) anwendbar (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. April 1983 - 3 C 8.82 - a. a. O.). Besondere Umstände, aufgrund derer eine Verwirkung des Rechts auf Erlass des endgültigen Ablehnungsbescheids
oder der Rückforderung zu erwägen wären, sind hier nicht ersichtlich.
Auch die vom Zulassungsantrag geltend gemachte Verletzung richterlicher Sachaufklärung (§§
86 Abs.
1,
124 Abs.
2 Nr.
5 VwGO) in Bezug auf die Rückforderung (vgl. Antragsbegründungsschrift S. 10 Absätze 3 und 4) rechtfertigt nicht die Zulassung des
Rechtsmittels. Unabhängig davon, ob die Antragsbegründung insoweit den formellen Darlegungsanforderungen (§
124a Abs.
4 Satz 4
VwGO) genügt, ist - bei zutreffender rechtlicher Beurteilung - jedenfalls mit Sicherheit auszuschließen, dass die vom Kläger vermisste
Sachaufklärung darüber, wann die Behörde vom Zeitpunkt des Beginnes der Herstellungsmaßnahme (erstmalig) Kenntnis erlangt
hat, sich auf das endgültige Entscheidungsergebnis auswirken kann. Denn wie bereits zu den Zulassungsgründen ernstlicher Zweifel
(§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) und besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§
124 Abs.
2 Nr.
2 VwGO) ausgeführt worden ist, begegnet das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zuletzt deshalb keinen Richtigkeitsbedenken, weil
weder die (endgültige) Ablehnung der beantragten Förderung noch die Rückforderung des gewährten Abschlages (30.000,- DM) an
die Einhaltung einer Jahresfrist anknüpft, so dass es auf deren Beginn und eine dafür maßgebliche Kenntnis der Behörde von
vornherein nicht ankommt. In diesem Falle besteht nach dem auch im Berufungszulassungsverfahren anwendbaren Rechtsgedanken
des §
144 Abs.
4 VwGO kein Bedürfnis dafür, das Verfahren fortzuführen, um die Unerheblichkeit des Verfahrensmangels erst im Rahmen eines zugelassenen
Berufungsverfahrens festzustellen (vgl. zum Beschwerdeverfahren nur BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 - 4 CB 73.79 - Buchholz 310 §
144 VwGO Nr. 34 m. w. N. und Beschluss vom 15. April 1998 - 1 B 6.98 - zitiert nach Juris).
Bleibt mithin der Antrag erfolglos, so hat der Kläger als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten des Zulassungsverfahrens
zu tragen (§
154 Abs.
2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 52 Abs. 1 und 3, 47 des Gerichtskostengesetzes (GKG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718).