BGH, Urteil vom 16.01.1985 - IVb ZR 61/83
Verfassungsmäßigkeit des Vorrangs des geschiedenen vor dem neuen Ehegatten nach Abs. 1 Satz 2 auch für den Fall, daß der Vorrang auf der langen Dauer der geschiedenen Ehe beruht und beide keinen Anspruch auf Betreuungsunterhalt haben.
Fundstellen: DRsp I(166)140e, FamRZ 1985, 362 , NJW 1985, 1029 , ZblJR 1985, 170
Normenkette:
BGB § 1582 Abs.1 S.2
"... Die Regelung des § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB ist mit dem Grundgesetz auch für den Fall vereinbar, daß der Vorrang des gesch. Ehegatten auf der langen Dauer der gesch. Ehe beruht und weder er noch der neue Ehegatte nach § 1570 BGB unterhaltsberechtigt ist oder wäre. Das folgt aus den vom BVerfG in [BVerfGE 66, 84, hier: I (166) 130 b] genannten Gründen. Zunächst gilt auch hier, daß durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur die bestehende Ehe geschützt wird, sondern auch die Folgewirkung einer gesch. Ehe, zu denen die Unterhaltsregelung gehört. Deshalb muß unter Heranziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) geprüft werden, ob es hinreichende Gründe dafür gibt, daß der Gesetzgeber die unterhaltsrechtliche Position der gesch. und der neuen Ehefrau unterschiedlich behandelt. Für den unterhaltsrechtlichen Vorrang der gesch. Ehefrau ist in erster Linie bestimmend, daß ihr Anspruch schon besteht und demgemäß das wirtschaftliche Leistungsvermögen des Unterhaltsverpflichteten von vornherein belastet, wenn die neue Ehe geschlossen wird. Hierauf muß sich ein neuer Ehegatte des Unterhaltsverpflichteten ebenso einstellen wie auf dessen möglicherweise aus anderen Rechtsgründen bestehende Verbindlichkeiten. Als weiteren Sachgrund durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, daß sich ein unterhaltsbedürftiger Ehegatte nach dem Scheidungsrecht des 1 EheRG auf Dauer nicht dem Scheidungsbegehren des anderen mit Erfolg widersetzen und damit verhindern kann, daß der andere Ehegatte eine neue Ehe eingeht. Demgegenüber wird die Verfassungsmäßigkeit der gesetzl. Regelung nicht in Frage gestellt, wenn der Vorrang der gesch. Ehefrau bewirkt, daß die dem unterhaltspflichtigen Ehegatten verbleibenden Mittel nicht ausreichen, seine neue Familie gemäß § 1360 BGB angemessen zu unterhalten.
Der Senat sieht danach keinen Anlaß, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und zur Verfassungsmäßigkeit des § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB eine - weitere - Entscheidung des BVerfG auf der Grundlage des hier gegebenen Sachverhalts einzuholen."