Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage
Erkennbarkeit eines Verfahrensfehlers
Umfang der Darlegungspflicht
Gründe:
I
Im Streit sind Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Zeit vom 1.2.2000 bis 31.1.2004 sowie die Übernahme von Kosten für zwei Umzüge.
Einen Antrag des Klägers (vom 5.5.2003) lehnte die Beklagte ab, weil Unterkunftskosten nicht angefallen seien und das Einkommen
des Klägers zur Deckung seiner übrigen Bedarfe, der seiner Ehefrau und seines 1994 geborenen Sohnes ausreiche (Bescheid vom
30.6.2003; Widerspruchsbescheid vom 13.3.2008). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts [SG] Darmstadt
vom 23.6.2010; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts [LSG] vom 19.2.2014).
Der Kläger rügt mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG zwei Verfahrensmängel. Das Gericht
habe die Klage betreffend den ersten Antrag wegen der Umzugskosten in Höhe von 2000 Euro zunächst als zulässig, dann aber
gleichwohl als unzulässig angesehen. Ein weiterer Verfahrensmangel liege vor, weil das Urteil trotz der Feststellung, dass
ein Anspruch nach dem BSHG für einige Monate bestehe, ihm keinen solchen Anspruch zubillige. Das Urteil enthalte keine zutreffenden Darlegungen, welches
Einkommen er im streitbefangenen Zeitraum gehabt habe. Er habe tatsächlich Einkommen erzielt, das jedoch teilweise von den
Feststellungen im Tatbestand des LSG abweiche. Das LSG hätte auf dieser Grundlage die Klage nicht mit dem Hinweis abweisen
dürfen, die Einkommenslage habe sich nicht konkretisieren lassen. Die Einkommenslage sei nämlich klar, und es habe sich deshalb
ein Anspruch ergeben.
Zudem macht er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es stelle sich die folgende Rechtsfrage:
"Auf welche Art und Weise und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt werden die Kosten der Unterkunft bei einer ungewissen
Höhe der Mietkosten aufgrund der Minderung der Mietzahlungen bei der Geltendmachung von Mängeln an dem Mietobjekt oder aufgrund
einer streitigen Miethöhe (z.B. wegen ungerechtfertigter Mietpreiserhöhung) bei der Berechnung von Sozialleistungen berücksichtigt?"
Wie das Verfahren zeige, seien die Beklagte und das SG der Auffassung, dass bei der Berechnung der Leistungen nach dem BSHG nur die tatsächlichen Kosten für die Unterkunft berücksichtigt werden müssten, während das LSG die Auffassung vertrete, dass
auch solche Kosten berücksichtigt werden müssten, die sich erst im Nachhinein herausstellten (wie vorliegend aufgrund des
zivilrechtlichen Vergleichs). In allen Bereichen des Sozialrechts, in denen es um die Berücksichtigung von Unterkunftskosten
gehe, stelle sich diese Frage. Werde ein Mieter zur Zahlung von weiteren Kosten verurteilt, müsse er diese auch in Ansatz
bringen dürfen. Derjenige, der seinem Vermieter gegenüber Mietmängel nicht geltend mache, würde ansonsten besser stehen, und
der Träger der Sozialhilfe würde für eine mangelbehaftete Wohnung mehr zahlen als die rechtskonforme Miete.
II
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensfehlers (§
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise bezeichnet bzw dargelegt sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen
Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Die Revision ist nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend
gemachte Verfahrensmangel kann (jedoch) nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist.
Einen Verfahrensfehler hat der Kläger vorliegend nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Mit den Ausführungen, ein Berufungsgericht
dürfe nicht einen Antrag für zulässig erklären, dann aber keine Ausführungen zu der Begründetheit machen, wird nicht erkennbar,
von welchem Verfahrensfehler der Kläger überhaupt ausgeht. Selbst wenn damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, das Berufungsgericht
habe zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen, fehlt es an irgendwelchen Darlegungen dazu, weshalb die
Klage (nicht die Berufung, deren Zulässigkeit nach dem Vortrag des Klägers nicht in Zweifel steht) tatsächlich zulässig gewesen
sein sollte und darüber hinaus in der Sache ein Anspruch auf Umzugskosten bestanden hat. Auch ein Verstoß gegen §
136 Abs
1 Nr
6 SGG (Fehlen der Entscheidungsgründe), der als absoluter Revisionsgrund ausgestaltet ist (vgl §
202 SGG iVm §
547 Nr 6
Zivilprozessordnung), ist nicht schlüssig vorgetragen. Insoweit hätte der Kläger zunächst einmal den Inhalt der Entscheidung im Einzelnen nachvollziehbar
aufzeigen müssen. Allein die Behauptung der Widersprüchlichkeit genügt nicht.
Auch mit dem Vortrag, das LSG sei verfahrensfehlerhaft zu der Annahme gelangt, dass der Kläger über ausreichendes Einkommen
verfüge, ist ein Verfahrensmangel nicht ausreichend bezeichnet. Insoweit legt der Kläger lediglich dar, die Entscheidung des
LSG sei falsch. Es hätte aber irgendwelcher Ausführungen bedurft, die erkennen lassen, welche Normen des Verfahrensrechts
das LSG auf seinem Weg zur Urteilsfindung verletzt haben soll. Weder wird insoweit eine Norm genannt, noch ergibt sich aus
dem Vortrag mit ausreichender Deutlichkeit, von der Verletzung welcher Norm des Prozessrechts der Kläger hier ausgeht. Soweit
das Vorbringen dahin auszulegen sein sollte, es liege ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz vor (mangelhafte oder
unterlassene Aufklärung, §
103 SGG), trägt er schon nicht vor, dass ein Beweisantrag gestellt worden sein soll, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht
gefolgt sei. Sollten mit dem Vortrag Fehler in der Beweiswürdigung des LSG geltend gemacht worden sein, ist nach der ausdrücklichen
gesetzlichen Regelung in §
160 Abs
2 Nr
3 SGG die Rüge der Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) ausgeschlossen.
Grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher
anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums
- angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus
Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine
Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer deshalb eine konkrete
Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit)
sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es kann dahinstehen, ob die Frage verständlich
formuliert und nicht derart allgemein gehalten ist, dass kommentarähnliche Ausführungen des Senats gefordert werden. Es fehlt
jedenfalls an einer ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage im Einzelfall. Klärungsfähig
ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Ausreichende Darlegungen fehlen auch insoweit; denn schon der zur Entscheidung stehende Sachverhalt ist nur bruchstückhaft
wiedergegeben. Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, Streitgegenstand und Sachverhalt selbst den Akten zu entnehmen und die
Klärungsfähigkeit ohne entsprechenden Vortrag zu prüfen. Der Kläger stellt zudem nicht dar, aus welchen Vorschriften sich
der behauptete Anspruch ergeben soll und inwieweit die Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt sein sollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.