Fliegeraufwandsentschädigung als unterhaltsrelevantes Einkommen
Tatbestand:
Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. Die Klägerin begehrt für sich und den von ihr betreuten ehegemeinsamen Sohn, geboren
am 26. September 1986, Unterhalt. Sie ist nicht berufstätig und unterzieht sich vormittags einer Ausbildung als Kosmetikerin.
Der Beklagte ist Berufspilot bei der Bundeswehr im Majorsrang. Er fliegt strahlgetriebene Kampfflugzeuge und erhält zusätzlich
zu seinen Bezügen während der Dauer seiner fliegerischen Tätigkeit eine steuerfreie Fliegeraufwandsentschädigung in Höhe von
600 DM monatlich.
Der Beklagte hat für die Klägerin einen monatlichen Unterhalt von 1.523 DM und für das Kind von 367,50 DM monatlich anerkannt.
Das Amtsgericht hat seinem Einkommen zwei Drittel der Fliegeraufwandsentschädigung (= 400 DM) als nicht durch tatsächlichen
Mehraufwand verbraucht hinzugerechnet und ihn zu weiteren Zahlungen verurteilt.
Die Berufung des Beklagten blieb bis auf geringe Teilbeträge des Ehegattenunterhalts im wesentlichen erfolglos. Auch das Oberlandesgericht
hat die Aufwandsentschädigung seinem Einkommen zu zwei Drittel hinzugeschlagen.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Zwischen den Parteien steht dem Grunde nach außer Streit, daß der Beklagte seiner Ehefrau während der Trennungszeit gemäß
§
1361 BGB den nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt und dem von ihr betreuten ehegemeinsamen Sohn gemäß §
1601 ff
BGB Kindesunterhalt schuldet. Streitig ist in der Revision nur noch, ob die vom Beklagten als Pilot eines Kampfflugzeuges der
Bundeswehr bezogene Fliegeraufwandsentschädigung bei der Berechnung des Unterhalts als unterhaltspflichtiges Einkommen eingesetzt
werden kann.
2. Das Oberlandesgericht hat - ebenso wie das Amtsgericht - die Unterhaltsrelevanz der Fliegeraufwandsentschädigung (im folgenden:
Entschädigung) grundsätzlich bejaht und sie - abzüglich eines gemäß §
287 ZPO geschätzten Mehraufwandes von einem Drittel (= 200 DM monatlich) - in Höhe von 400 DM monatlich dem unterhaltspflichtigen
Nettoeinkommen des Beklagten hinzugerechnet. Es hat hierzu ausgeführt, nach den Richtlinien des Bundesministers der Verteidigung
für die Gewährung einer Aufwandsentschädigung für Soldaten und Beamte als fliegendes Personal vom 12. August 1988 (VMBL 1988
S. 209; im folgenden: Richtlinien) habe diese den Zweck, Mehraufwendungen auszugleichen, die wegen der mit dem Einsatz verbundenen
besonderen physischen und psychischen Belastungen zur Erhaltung der fliegerischen Leistungsfähigkeit erforderlich sind, etwa
Kosten für flugphysiologische Ernährung, Ausgleichssport, Risikozuschläge für Kranken- und Lebensversicherungen. Soweit ein
solcher Mehraufwand nicht entstehe, decke sie - vergleichbar anderen Aufwandsentschädigungen wie etwa denen von Abgeordneten
oder Auslandszuschlägen für Beamte gemäß § 55 BBesG - den tatsächlichen Lebensbedarf der Familie und sei ungeachtet ihrer Zweckbestimmung nach den Richtlinien dem unterhaltsrelevanten
Einkommen zuzurechnen. Da der Beklagte einen Teil seiner Mehraufwendungen in Einrichtungen der Bundeswehr umsonst decken könne
und sie im übrigen auch nur unpräzise dargelegt habe, sei eine Schätzung in Höhe von einem Drittel angemessen.
Demgegenüber meint die Revision, die Rechtsprechung zu anderen Aufwandsentschädigungen könne auf die Fliegeraufwandsentschädigung
nicht entsprechend angewendet werden. Anders als jene sei sie - ungeachtet ihrer einseitigen Beschreibung in den Richtlinien
- nicht nur pauschales Entgelt für erhöhte materielle Aufwendungen, sondern auch ein Schadensausgleich für die (immaterielle)
außergewöhnliche gesundheitliche Inanspruchnahme der Soldaten. Sie könne daher einem normalen Einkommensbestandteil nicht
gleichgesetzt werden und müsse insgesamt unbeachtlich bleiben, auch über die Kosten des Mehraufwands hinaus.
3. Dieser Einwand ist nicht begründet.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind sowohl bei der Bestimmung der für einen Unterhaltsanspruch maßgebenden
ehelichen Lebensverhältnisse als auch bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zur Feststellung
des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens grundsätzlich alle Einkünfte heranzuziehen, die dem Unterhaltsschuldner zufließen,
gleich welcher Art diese Einkünfte sind und aus welchem Anlaß sie im einzelnen erzielt werden (Senatsurteil vom 7. Mai 1986
- IVb ZR 55/85 - FamRZ 1986, 780, 781). Demgemäß hat der Bundesgerichtshof Aufwandsentschädigungen für auswärtige Tätigkeiten und Auslandszuschläge gemäß
§ 55 BBesG als Arbeitseinkommen angesehen, da sie im Hinblick auf das Arbeits- oder Dienstverhältnis gewährt werden. Auch die Bestimmung
einer Leistung zum Ausgleich besonderer Aufwendungen oder ähnlichen Verwendungszwecken führt nicht dazu, daß sie bei der Unterhaltsberechnung
von vornherein außer Ansatz bleiben. Vielmehr kommt es darauf an, ob und in welchem Umfang sie für tatsächliche Mehraufwendungen
des Empfängers aufgezehrt werden und ob sie daneben zur (teilweisen) Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehen (Senatsurteile
vom 16. Januar 1980 - IVb ZR 115/78 - FamRZ 1980, 342, 343; vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 351/81 - FamRZ 1983, 352, 353). Gleiches gilt für öffentlich-rechtliche Leistungen, die für Tätigkeiten im öffentlichen Interesse gewährt werden,
wie Sitzungsgelder kommunaler Bezirksvertretungen (Senatsurteil vom 12. Januar 1983 - IVb ZR 348/81 - FamRZ 1983, 670, 672) oder Aufwandsentschädigungen für Abgeordnete (Senatsurteil vom 7. Mai 1986 aaO.). Schließlich können auch zweckbestimmte
Sozialleistungen im privaten Unterhaltsrecht wie sonstiges Einkommen des Empfängers behandelt werden, soweit sie geeignet
sind, neben einem tatsächlichen Mehraufwand auch den allgemeinen Lebensbedarf des Leistungsempfängers und seiner Familie zu
decken (vgl. etwa Senatsurteile vom 21. Januar 1981 - IVb ZR 548/80 - FamRZ 1981, 338, 339 - Grundrente; vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 647/80 - FamRZ 1982, 252, 253 - gesetzliche Unfallrente; vom 21. Mai 1980 - IVb ZR 522/80 - FamRZ 1980, 771 - Wohngeld; vom 17. März 1982 - IVb ZR 646/80 - FamRZ 1982, 587 - Wohngeld).
b) Diese Grundsätze gelten in entsprechender Weise auch für die hier gewährte Entschädigung gemäß § 17 BBesG i.V. mit den Richtlinien des Bundesministers für Verteidigung (ebenso OLG Hamm FamRZ 1991, 576).
Sie wird nach Nr. 1 der Richtlinien "... zum Ausgleich von Mehraufwendungen gezahlt, die wegen der mit dem dienstlich angeordneten
fliegerischen Einsatz verbundenen besonderen physischen und psychischen Belastungen zur Erhaltung der fliegerischen Leistungsfähigkeit
erforderlich sind. " Ob diese Beschreibung nur auf den Ausgleich materieller Mehraufwendungen abstellt oder die Entschädigung
auch die Funktion eines Ausgleichs für die immateriellen, über das normale Maß hinausgehenden gesundheitlichen Belastungen
haben soll, kann dahinstehen. Denn selbst wenn man, was nach den Besonderheiten des Führens von Kampfflugzeugen naheliegt,
mit der Revision von einer materiellen und immateriellen Ausgleichsfunktion ausgeht, ändert dies nichts daran, daß die Entschädigung
zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs heranzuziehen ist, soweit sie nicht durch tatsächlich entstehende, finanziell faßbare
Mehraufwendungen aufgezehrt wird. Auch die Grundrente nach § 31 BVersG hat eine ideelle und eine materielle Funktion und soll
dem Betroffenen wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schädigung, die er in Ausübung des militärischen
Dienstes erlitten hat, einen Ausgleich verschaffen (Senatsurteil vom 21. Januar 1981 aaO. S. 339 m.w.N.). Ungeachtet dieser
sozialrechtlichen Sicht ist sie auch für Zwecke des privaten Unterhaltsrechts einzusetzen.
Zwar hat die Entschädigung keine sozialrechtliche Komponente, sondern wird aus Anlaß des besonderen Dienstes gewährt. Sie
ist hierin aber dem Auslandszuschlag nach § 55 BBesG unmittelbar vergleichbar. Auch dieser dient gemäß § 55 Abs. 6 und Abs. 7 BBesG dem Ausgleich der besonderen materiellen und immateriellen Belastungen in der Lebensführung, die aus den Besonderheiten des
Dienstes und den Lebensbedingungen im Ausland folgen, so etwa klimatisch bedingte Gesundheitsgefährdungen, mangelnde Hygiene,
Ungeziefer, psychische Belastungen durch Beschränkung der Bewegungsfreiheit oder Dauerbewachung, Gefahr für Leib und Leben
bei politischen Unruhen und Ähnlichem (s. Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 4. Aufl. Rdn. 632).
Dessen ungeachtet wird er, soweit nicht durch tatsächlichen Mehraufwand des Empfängers verbraucht, zur Erfüllung privater
Unterhaltsverpflichtungen herangezogen. Für die Entschädigung kann damit nichts anderes gelten.
c) Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit §
1610a BGB, der durch das Gesetz zur unterhaltsrechtlichen Berechnung von Aufwendungen für Körper- und Gesundheitsschäden vom 15. Januar
1991 (BGBl. I S. 46) eingeführt wurde. Der Gesetzgeber hat hier für bestimmte Einkommensarten, nämlich für Sozialleistungen
wegen eines Körper- oder Gesundheitsschadens, eine Änderung der Darlegungs- und Beweislast geschaffen. Danach wird zugunsten
des Leistungsempfängers (widerlegbar) vermutet, daß die Sozialleistungen durch die schadensbedingten Mehraufwendungen aufgezehrt
werden. Dagegen hat er den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz, daß zum unterhaltsrelevanten Einkommen auch öffentlich-rechtliche
Leistungen ohne Rücksicht auf ihre Zweckbindung gehören, nicht angetastet. Außerdem hat er die Regelung auf Sozialleistungen
wegen Körper- und Gesundheitsschäden beschränkt, so daß andere Einkommensarten unberührt bleiben (BR-Drucks. 386/89 S. 3,
7, 9, 14; Johannsen/Henrich/Graba Eherecht 2. Aufl. §
1610a BGB Rdn. 1 und 4; .MünchKomm/Köhler
BGB 3. Aufl. §
1610a Rdn. 2). Wenn er danach bewußt davon abgesehen hat, im materiellen Unterhaltsrecht eine generelle Nichtanrechenbarkeit von
schadensbedingten Leistungen anzuordnen, sondern nur im prozessualen Bereich die Beweislast ändert, und diese Rechung obendrein
auf bestimmte Sozialleistungen beschränkt, muß daraus umgekehrt geschlossen werden, daß es bei der grundsätzlichen unterhaltsrechtlichen
Anrechenbarkeit anderer Leistungen wie hier der Fliegeraufwandsentschädigung verbleibt, und daß der Empfänger seinen Mehraufwand
ohne die Hilfe einer gesetzlichen Vermutung darzulegen und zu beweisen hat.
d) Die Rüge der Revision, das Oberlandesgericht sei auf das vom Beklagten vorgelegte ärztliche Gutachten zu den besonderen
gesundheitlichen Belastungen nicht eingegangen, greift nicht durch. Dabei handelt es sich nicht um einen speziellen Untersuchungsbefund
des Beklagten, aus dem seine über das berufstypische Maß noch hinausgehende Belastung erkennbar wäre, und der es im besonderen
Fall rechtfertigen könnte, die ihm zumutbare unterhaltsrechtliche Opfergrenze nach Billigkeit heraufzusetzen (vgl. Senatsurteil
vom 2. November 1988 - IVb ZR 7/88 - NJW 1989, 524, 526 - Schmerzensgeld). Es ist vielmehr eine allgemeine Zustandsbeschreibung der physischen und mentalen Belastungen eines
Tornadokampffliegers und der möglichen Entlastungs- und Entspannungsmaßnahmen, die einen Mehraufwand erfordern. Daß solche
Belastungen bestehen, hat das Oberlandesgericht aber bei seinen Ausführungen über die Schätzung des dafür anfallenden Mehraufwandes
berücksichtigt. Die Schätzung mag zwar knapp bemessen sein, weist aber keinen Rechtsfehler auf, zumal konkretere Angaben des
Beklagten zu einem über das berücksichtigte Maß hinausgehenden Mehraufwand fehlen.
e) Schließlich kann auch dem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Einwand der Revision, die Entschädigung könne jederzeit
entfallen, nicht gefolgt werden. Denn wie das Oberlandesgericht aus § 8 Abs. 1 der Richtlinien zutreffend folgert, kommt ein
Wegfall erst nach längerer, über einen Monat hinaus fortdauernder Unterbrechung der fliegerischen Tätigkeit in Betracht, so
daß sich der Unterhaltsverpflichtete prozessual darauf einstellen kann.
4. Auch sonst läßt das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten erkennen. Insbesondere wirkt sich auch der Abzug
von 5% pauschalierter weiterer berufsbedingter Aufwendungen beim Kindesunterhalt und der Kosten für den Pkw und Versicherungen
beim Ehegattenunterhalt nur zu seinem Vorteil aus und ist aus seiner Sicht nicht zu beanstanden.