Unterhaltsansprüche des in der ehemaligen DDR zurückgebliebenen Ehegatten nach Übersiedlung des Unterhaltsverpflichteten in
die Bundesrepublik.
Tatbestand:
Die Ehe der Klägerin zu 1 (im folgenden Klägerin) mit dem Beklagten, aus der der am 19. September 1985 geborene Kläger zu
2 hervorging, wurde durch Urteil des Stadtbezirksgerichts Berlin-Prenzlauer Berg vom 22. August 1988 unter Anwendung von DDR-Recht
geschieden. Gleichzeitig wurde der Beklagte zu Unterhaltszahlungen für den Kläger zu 2 verurteilt.
Im August 1989 übersiedelte der Beklagte, im November desselben Jahres auch die Klägerin mit dem Kind in das Gebiet der damaligen
Bundesrepublik.
Mit der im Juni 1990 erhobenen Stufenklage wurde der Beklagte auf Auskunft über seine Einkünfte sowie auf Zahlung von nachehelichem
Unterhalt und von Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Nach Erlaß eines stattgebenden Teilurteils über den Auskunftsanspruch
verurteilte ihn das Amtsgericht - Familiengericht - zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von monatlich 330 DM und
von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 245 DM, jeweils ab 1. April 1990.
Auf die Berufung des Beklagten, die sich nur gegen die Verurteilung zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt richtete, wies
das Kammergericht die Klage insoweit ab (veröffentlicht NJ 1992, 413).
Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf nachehelichen Unterhalt weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Das Kammergericht hat die Frage, ob der Klägerin ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zusteht, zu Unrecht nach dem
Familiengesetzbuch der DDR (FGB) beurteilt.
a) Art. 234 § 5 Satz 1
EGBGB i.d.F. des Einigungsvertrages bestimmt unter Einschränkung des § 1 der Regelung, daß für den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten, dessen Ehe vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschieden worden
ist, das bisherige Recht maßgebend bleibt. Wie der Senat bereits im Urteil vom 23. September 1992 (XII ZR 157/91 - FamRZ 1993, 43, 44) dargelegt hat, ergibt sich aus dieser intertemporalen Übergangsvorschrift nicht, in welchen Fällen das Recht der DDR
"bisheriges Recht" war; vielmehr ist die Frage nach dem innerdeutschen Kollisionsrecht zu beantworten.
b) In den alten Bundesländern ist ein besonderes innerdeutsches Kollisionsrecht in Anlehnung an das internationale Privatrecht
des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch entwickelt worden, während die Rechtspraxis in der DDR insoweit unmittelbar
die Bestimmungen des im Verhältnis zum Ausland geltenden Rechtsanwendungsgesetzes (RAG) herangezogen hat. Käme hier der für den nachehelichen Unterhalt einschlägige § 20 Abs. 1
RAG zum Zuge, würde dies zur Anwendung des § 29 FGB führen, weil die Parteien zur Zeit der Erhebung der Scheidungsklage ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der damaligen DDR
hatten (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1992 aaO). Das kann hier jedoch nicht gelten. Dabei braucht nicht zu der umstrittenen
Frage Stellung genommen zu werden, inwieweit auch nach dem Beitritt aufgrund entsprechender Anwendung des Art. 236 § 1
EGBGB noch das Kollisionsrecht der DDR maßgebend bleibt (vgl. dazu Palandt/Heldrich 52. Aufl.
EGBGB Art. 236 Rdn. 4 m.w.N.). Das ist jedenfalls zu verneinen für solche Fälle vor dem Beitritt in der damaligen DDR geschiedener Ehen,
in denen einem Ehegatten im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts aufgrund des nach innerdeutschem Kollisionsrecht der
alten Bundesländer anzuwendenden Rechts ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zustand. Nach dem Einigungsvertrag sollte in eine so entstandene Rechtsposition nicht eingegriffen werden. Dies geht aus den Erläuterungen zum Einigungsvertrag (BGBl. 1990 II 888) hervor, in denen ausgeführt ist, es bestehe kein Anlaß, bei in der DDR geschiedenen, aber schon vor dem
Beitritt im bisherigen Gebiet der Bundesrepublik lebenden Ehegatten von der Anwendung bundesdeutschen Rechts abzuweichen,
soweit dieses einmal auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung (angeführt werden die Senatsentscheidungen BGHZ
85, 16; 91, 186 zum innerdeutschen Kollisionsrecht) maßgeblich geworden sei (vgl. Abdruck des Nomos-Verlages S. 68 sowie auch Adlerstein/Wagenitz
FamRZ 1990, 1300, 1301; Pirrung in RabelsZ 1991, 211, 234, 238; Stoll in Festschrift für Lorenz S. 577, 589). Auch Gerichte der neuen Bundesländer haben dies zu beachten und
dürfen § 20 Abs. 1
RAG nicht anwenden, wenn sie mit einschlägigen unterhaltsrechtlichen Altfällen befaßt werden. Seit dem Wirksamwerden des Beitritts
können naturgemäß Rechtspositionen der hier erörterten Art nicht mehr neu begründet werden. Nach allgemeiner, auch vom Senat
geteilter Auffassung ist ein Bedürfnis für eine Wandelbarkeit des Unterhaltsstatuts aufgrund eines Aufenthaltswechsels von
den neuen in die alten Bundesländer am 3. Oktober 1990 entfallen (vgl. statt vieler Jayme/Stankewitsch IPRax 1993, 162, 163 m.w.N. Fußn. 7).
c) Die bereits erwähnte Senatsrechtsprechung zum innerdeutschen Kollisionsrecht stammt aus der Zeit vor dem Inkrafttreten
des IPR-Neuregelungsgesetzes am 1. September 1986 (BGBl. I 1142). Sie besagt im wesentlichen, daß sich der Anspruch auf nachehelichen
Unterhalt nach bundesdeutschem und nicht nach DDR-Recht richte, wenn die in der (früheren) DDR geschiedenen Ehegatten beide
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der (damaligen) Bundesrepublik verlegten. Nach dem IPR-Neuregelungsgesetz ist
im Verhältnis zum Ausland für den nachehelichen Unterhalt grundsätzlich das auf die Ehescheidung angewandte Recht maßgebend
(Art. 18 Abs. 4
EGBGB); jedoch ist immer dann deutsches Recht anzuwenden, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Deutsche sind
und der Verpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Art. 18 Abs. 5
EGBGB). Im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird verbreitet die Übernahme entsprechender Regelungen
in das innerdeutsche Kollisionsrecht befürwortet, wobei auch auf die inhaltlich gleichlaufenden Bestimmungen der Art. 8, 15
des am 1. April 1987 in Kraft getretenen Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (im folgenden
HÜbk) Bezug genommen wird. Teilweise wird hierbei jedoch der Vorbehalt zugunsten des deutschen Rechts. in Art. 18 Abs. 5
EGBGB bzw. Art.
15 HÜbk. unberücksichtigt gelassen, da dieser im deutsch-deutschen Verhältnis unergiebig sei (vgl. Kegel Internationales Privatrecht,
6. Aufl. S. 578; Henrich FamRZ 1991, 873, 875; s.a. Johannsen/Henrich Eherecht 2. Aufl.
EGBGB Art. 234 § 5. Rdn. 5 sowie Art. 236 Rdn. 10). Überwiegend wird jedoch vertreten, daß auch die entsprechende Heranziehung dieses Vorbehalts geboten ist (vgl.
OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 573; Urteile des OLG Frankfurt am Main vom 27. Mai 1992 - 2 UF 353/90 - und des OLG Hamm vom 30. April 1993 - 12 UF 364/92; MünchKomm/v. Mohrenfels 2. Aufl. Art.
17
EGBGB Rdn. 304; Palandt/Heldrich aaO Art.
17
EGBGB Rdn. 40; Erman/Hohloch
BGB 9. Aufl. Art.
17
EGBGB Rdn. 85; Göppinger Unterhaltsrecht 5. Aufl. Rdn. 1858). Nach der letzteren Auffassung kommt es in Fällen der vorliegenden
Art nur dann nicht zur Anwendung der §§
1569 ff
BGB, wenn allein der unterhaltsberechtigte Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der früheren Bundesrepublik
verlegt hat, der unterhaltsverpflichtete aber in der DDR verblieben ist. Vereinzelt wird allerdings daran festgehalten, daß
entsprechend der angeführten Senatsrechtsprechung nicht nur der unterhaltsverpflichtete Ehegatte, sondern beide Ehegatten
in das Gebiet der früheren Bundesrepublik übergesiedelt sein müssen, um die Anwendung der §§
1569 ff
BGB zu rechtfertigen (vgl. KG DtZ 1992, 396, 397; ohne eindeutige Stellungnahme zu diesem Punkt Bosch FamRZ 1991, 1370, 1381 f, 1385; Heiß/Heiß Unterhaltsrecht 1.87; Adlerstein/Wagenitz aaO; Kalthoener/Büttner NJW 1991, 398, 399; zweifelnd Eschenbruch Unterhaltsprozeß Rdn. 1127).
d) Der Senat schließt sich der überwiegenden Auffassung zum Einfluß des IPR-Neuregelungsgesetzes 1986 auf das innerdeutsche
Kollisionsrecht an. Unter der Geltung des alten Rechts hat er seine Ansicht zur interlokalen Anwendbarkeit der §§
1569 ff
BGB wie folgt begründet: Die in der Bundesrepublik ansässige Partei solle grundsätzlich alle Rechte genießen, die ihr aus dem
in Frage stehenden familienrechtlichen Verhältnis nach der hier geltenden Rechtsordnung zustünden, sofern im Hinblick auf
bestehende oder nachwirkende Beziehungen zum Rechtsbereich der DDR aus Gründen der kollisionsrechtlichen Sachgerechtigkeit
nicht anderes geboten sei. Solche Beziehungen bestünden nicht mehr, wenn jeder der geschiedenen Ehegatten seinen gewöhnlichen
Aufenthalt aus der DDR in die Bundesrepublik verlegt habe. Beim nachehelichen Unterhalt handele es sich nicht um eine mit
der Ehescheidung abgeschlossene Entwicklung, da der Anspruch in jedem Zeitpunkt, in dem seine Voraussetzungen vorlägen, neu
entstehe. Die vorherige Beziehung zur DDR wirke nach der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehegatten nicht in
einer für den Unterhalt erheblichen Weise fort, da die Lebensumstände der Beteiligten, auf die das Unterhaltsrecht abstelle,
sich regelmäßig nach den im Aufenthaltsland gegebenen sozialen Verhältnissen bestimmten (BGHZ 85 aaO S. 25).
Es liegt nahe, diese auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Internationalen Privatrechts entwickelten Grundsätze an die
Wertungen anzupassen, die das IPR-Neuregelungsgesetz 1986 eingeführt hat. Aufgrund des Art. 18 Abs. 5
EGBGB n.F. tritt dadurch im Ergebnis nur insoweit eine Änderung ein, als für die Anwendbarkeit bundesdeutschen Rechts nicht mehr
zu fordern ist, daß beide geschiedenen Ehegatten vor dem 3. Oktober 1990 in die damalige Bundesrepublik übergesiedelt sind,
sondern daß es genügt, wenn der unterhaltsverpflichtete Ehegatte dies getan hat. Diese Änderung ist geboten, da im innerdeutschen
Verhältnis schwerlich strengere Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der §§
1569 ff
BGB aufgestellt werden können als dies im Verhältnis zum Ausland der Fall ist.
Der Meinung, daß im Rahmen des innerdeutschen Kollisionsrechts nur Art. 18 Abs. 4.
EGBGB n.F. und nicht auch Abs. 5 entsprechend anzuwenden sei, kann nicht gefolgt werden. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum IPR-Neuregelungsgesetz
1986 heißt es, das deutsch-deutsche Kollisionsrecht sei nicht Regelungsgegenstand des Entwurfs. Der Praxis solle nicht der
Weg verbaut werden, die bisher entwickelten Lösungswege fortzuführen, wenn auch im Wege von Analogieschlüssen der Entwurf
auf diesen Bereich ausstrahlen könne (vgl. BT-Drucks. 10/504 S. 30). Die Grundsätze der früheren Senatsrechtsprechung beruhen
im Kern auf dem Gesichtspunkt des überwiegenden Inlandsbezuges; dies ist auch der Grundgedanke des Art. 18 Abs. 5
EGBGB (vgl. BT-Drucks. aaO S. 64: "bei so weitgehendem Inlandsbezug"). Es wäre überzogen, geschiedene Ehegatten, die vor dem Beitritt
möglicherweise unter schwierigen Umständen ihre Brücken zur DDR abgebrochen haben und sich an ein westdeutsches Gericht wenden,
an einem Recht festzuhalten, das nicht mehr ihren neuen sozialen Verhältnissen entspricht; dies würde sich aber bei alleiniger
Heranziehung des Art. 18 Abs. 4
EGBGB n.F. (Maßgeblichkeit des auf die Scheidung angewandten Rechts) ergeben. Auf die Frage eines gemeinsamen Personalstatuts (vgl.
Henrich aaO) kann es demgegenüber in derartigen deutsch-deutschen Fällen nicht entscheidend ankommen.
Nicht stichhaltig ist auch die Begründung des Berufungsgerichts, der von der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochene Vorbehalt
gemäß Art. 15 HÜbk (BGBl. 1987 II 825) beziehe sich nur auf das in Art. 4 HÜbk geregelte allgemeine Unterhaltsstatut des Aufenthaltsorts
des - Berechtigten, nicht auch auf das in Art. 8 HÜbk geregelte eigenständige Statut des nachehelichen Unterhalts (so wohl
auch MünchKomm/Siehr aaO Art. 18
EGBGB Anh. I Rdn. 366, s. aber Rdn. 168). Die Möglichkeit, einen Vorbehalt nur bezüglich bestimmter Arten von Unterhaltsbeziehungen
zu erklären, bieten Art. 13 und 14 HÜbk. Der "gemäß Art. 15" erklärte Vorbehalt soll hingegen einem Staat gestatten, die lex
fori weiter auf Fälle anzuwenden, die nicht genügend ausländische Elemente aufweisen, wenn also die streitige Unterhaltsfrage
eng mit dem Staat des angerufenen Gerichts verbunden ist (so Bericht Verwilghen BT-Drucks. 10/258 S. 27). In der Begründung
des Regierungsentwurfs zu Art. 18 Abs. 5
EGBGB (aaO) heißt es demgemäß, daß der Vorbehalt unter diesem Gesichtspunkt, nämlich des überwiegenden Inlandsbezugs, erklärt werde,
und daß Art. 18 Abs. 5
EGBGB den Gedanken des Art.
15 HÜbk übernehme. Daher teilt der Senat die Auffassung, daß Art. 15 HÜbk auch in Beziehung zu Art. 8 HÜbk zu setzen ist, soweit
es interlokal überhaupt darauf ankommt (vgl. MünchKomm/v. Mohrenfels aaO). Im Verhältnis zum Ausland ist der Senat bereits
davon ausgegangen, daß der Vorbehalt des Art. 15 HÜbk auch gegenüber dem aus Art. 8 folgenden Unterhaltsstatut durchgreifen
kann (Urteil vom 27. März 1991 - XII ZR 113/90 - FamRZ 1991, 925, 926).
Nach allem richtet sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach den §§
1569 ff
BGB, weil der Beklagte als Unterhaltsverpflichteter im August 1989 in das Gebiet der damaligen Bundesrepublik übergesiedelt ist.
2. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Senat ist zu einer abschließenden Entscheidung nicht in der
Lage, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen
des in Frage kommenden Unterhaltsanspruchs der Klägerin nach §
1570
BGB getroffen und auch offengelassen hat, ob diese etwa durch eine schriftliche Erklärung vom 13. März 1989 wirksam auf nachehelichen
Unterhalt verzichtet hat. Der Rechtsstreit muß daher an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.