Kein Zusammenhang zwischen Lehre zum Industriekaufmann und Studium des Maschinenbaus
Tatbestand:
Das klagende Land (im folgenden: Kläger) gewährte dem am 19. August 1964 geborenen Sohn des Beklagten aus dessen 1973 geschiedener
Ehe Ausbildungsförderung - zum Teil - im Wege der Vorausleistung gemäß §
36 BAföG. Mit der Klage macht es einen gemäß §
37 BAföG übergegangenen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von monatlich 253, 22 DM für die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis
30. September 1989 (insgesamt 3038, 64 DM) nebst Zinsen geltend.
Der Sohn des Beklagten wuchs bei der Mutter auf. Zu dem Beklagten hatte er seit Ende seiner Schulzeit kaum mehr Kontakte.
Ende Mai 1984 bestand er das Abitur mit der Durchschnittsnote 1, 7. Er beabsichtigte, ein Studium der Volkswirtschafts- oder
Betriebswirtschaftslehre aufzunehmen. Ihm wurde von der Berufsberatung des Arbeitsamts R. empfohlen, als zusätzliche Qualifikation
im Interesse einer Verbesserung seiner späteren Berufschancen eine betriebliche Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf vorzuschalten.
Daher absolvierte er in der Zeit vom 10. September 1984 bis zum 12. Juni 1986 in der Z.-fabrik F. eine Lehre zum Industriekaufmann,
die er mit sehr guten Prüfungsnoten abschloß. Während der Lehrzeit gewann er bei der Zusammenarbeit mit Technikern des Betriebes
die Überzeugung, daß ein Studium in einer technischen Fachrichtung seinen Fähigkeiten am besten entsprechen würde. Nach Ableistung
des Wehrdienstes von Sommer 1986 bis Sommer 1987 führte er deshalb von August bis Oktober 1987 ein technisches Vorpraktikum
durch. Seit November 1987 studiert er an der Technischen Universität München Maschinenbau mit Schwerpunkt Konstruktion und
Entwicklung.
Der im Jahre 1936 geborene Beklagte ist Maschinenbaumeister. Er hatte 1988/1989 als Techniker bei der Firma M. in F. bereinigte
Nettoeinkünfte von monatlich rund 3.935 DM. Seit Juli 1988 ist er wieder verheiratet. Seine Ehefrau war in den Jahren 1988
und 1989 nicht erwerbstätig. Für seinen Sohn zahlte der Beklagte bis Oktober 1984 monatliche Unterhaltsbeiträge von je 350
DM, im November und Dezember 1984 monatlich 112, 34 DM, von Januar bis Juli 1985 monatlich 137, 34 DM und von August 1985
bis zum Ende der Lehrzeit im Juni 1986 monatlich 188, 34 DM (während der Lehre insgesamt also 3957, 80 DM).
Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte habe zu den Studienkosten seines Sohnes in der eingeklagten Höhe beizutragen.
Denn dieser habe nach dem Abitur von vornherein vorgehabt, auf jeden Fall zu studieren. Die betriebliche Ausbildung zum Industriekaufmann
habe von Anfang an nur eine Zusatzqualifikation darstellen sollen. Seine Absicht, nach Beendigung der Lehre ein Studium aufzunehmen,
habe der Sohn sowohl dem Beklagten als auch seiner Mutter mitgeteilt. Dem Beklagten seien daher die weiteren Ausbildungspläne
des Sohnes schon vor Antritt der Lehre bekannt gewesen. In Anbetracht des guten Abitur-Notendurchschnitts sei auch davon auszugehen
gewesen, daß die Absolvierung eines Lehrberufs die Begabung und Fähigkeiten des Sohnes nicht in hinreichendem Maße ausschöpfen
würde.
Der Beklagte ist demgegenüber der Meinung, bei dem Studium handele es sich um eine Zweitausbildung, die er nicht zu finanzieren
brauche. Nach seiner Behauptung hat er erst Ende September 1984 von den Plänen seines Sohnes erfahren, als der Ausbildungsvertrag
bereits unterzeichnet gewesen sei. Er habe seinen Sohn aufgefordert, er solle - ebenso wie seine Schwester - sofort studieren;
denn er, der Beklagte, sei nicht bereit, zwei Ausbildungen zu finanzieren.
Im übrigen sei er auch nicht leistungsfähig. Er habe im April 1988 für 280000 DM eine Eigentumswohnung gekauft, deren Finanzierung
so geplant sei, daß er mit dem Beginn des Rentenalters die Hauptschuldenlast getilgt haben werde. Er müsse daher neben den
monatlich zu zahlenden Raten in Höhe von 1408 DM monatlich weitere 1000 DM ansparen, um 1993 und 1997 jeweils einen der aufgenommenen
Kredite zurückzahlen zu können.
Beide Vorinstanzen haben im Sinne der Klage entschieden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren
auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Voraussetzung für die Begründetheit der Klage ist, daß der Beklagte seinem Sohn in Höhe der eingeklagten Beträge Unterhalt
schuldet. Nach §
1610 Abs.
2 BGB umfaßt der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Darunter ist eine Berufsausbildung
zu verstehen, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten
entspricht und die sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Geschuldet wird also die den
Eltern wirtschaftlich zumutbare Finanzierung einer optimalen begabungsbezogenen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes
entsprechenden Berufsausbildung (BGHZ 69, 190, 192; 107, 376, 379 ff, jeweils m.w.N.). Haben Eltern ihrem Kind eine angemessene Berufsausbildung in dem dargelegten Sinn
zukommen lassen, so sind sie nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im allgemeinen nicht verpflichtet, die Kosten einer
weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen sind nur unter besonderen Umständen angenommen worden, etwa wenn sich nachträglich
herausstellte, daß die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte. Ferner ist
eine Unterhaltspflicht der Eltern in Betracht gezogen worden, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße Weiterbildung
anzusehen ist und die Weiterbildung von vornherein angestrebt war oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung
erfordernde Begabung des Kindes deutlich wurde (BGHZ 107 aaO 380 m.w.N.).
Für die Fälle, in denen das Kind nach Erlangung der Hochschulreife zunächst eine praktische Ausbildung durchlaufen hat und
es sodann darum geht, ob die Eltern ein sich hieran anschließendes Hochschulstudium zu finanzieren haben, hat der Senat in
dem Urteil vom 7. Juni 1989 (BGHZ 107, 376 ff) die - modifizierten - Grundsätze zu den Abitur-Lehre-Studium-Fällen aufgestellt. Danach umfaßt der Unterhalt in diesen
Fällen dann auch die Kosten des Hochschulstudiums, wenn dieses mit den vorangegangenen Ausbildungsabschnitten in einem engen
zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht und die Finanzierung des Ausbildungsgangs den Eltern wirtschaftlich zumutbar
ist.
2. Das Oberlandesgericht hat diese Voraussetzungen hier für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
Da der Sohn des Beklagen nach Beendigung der Lehre und Ableistung des Wehrdienstes mit dem Studium begonnen habe, sei der
erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten gewahrt. Darüber hinaus bestehe zwischen der Lehre
und dem Studium auch ein enger sachlicher Zusammenhang. Die Ausbildung zum Industriekaufmann stelle eine fachliche Ergänzung
für das Studium des Maschinenbaus dar. Das zeige sich etwa darin, daß die Technische Universität München den Studenten für
Maschinenbau Wahlfächer wie "Kostengünstig Konstruieren", "Management für Ingenieure" und "Einführung in die Betriebswirtschaftslehre"
anbiete. Der Senat wisse zudem aus eigener Kenntnis um die in der Industrie vorhandene enge Verzahnung zwischen Betriebswirtschaft
und Technik, die inzwischen bereits zur Einführung des Studienfachs Wirtschaftsingenieur geführt habe. Auch wenn in größeren
Firmen zwischen dem technischen und dem kaufmännischen Bereich stärker getrennt werden möge, könne es für einen Diplom-Ingenieur,
der in einer kleineren Firma tätig sei und diese zu leiten habe, oft sehr wichtig sein, wenn er sich im technischen und im
kaufmännischen Bereich auskenne. Gerade auf dem Gebiet des Maschinenbaus gebe es aber viele mittelständische Betriebe. Im
übrigen entspreche es der Eigenart des Bildungsweges mit vorausgehender praktischer Ausbildung, daß der Auszubildende zwar
häufig von Anfang an beabsichtige zu studieren, das genaue Studienziel aber nur in groben Umrissen kenne und erst am Ende
der praktischen Ausbildung wisse, welche Fachrichtung er als Studienfach wählen wolle. Würde man in derartigen Fällen zu strenge
Anforderungen an den sachlichen Zusammenhang stellen, würde dies der Besonderheit dieses Ausbildungsweges nicht gerecht werden.
3. Dagegen erhebt die Revision zu Recht Bedenken.
Mit Rücksicht darauf, daß Eltern ihren Kindern gemäß §
1610 Abs.
2 BGB grundsätzlich nur eine - angemessene - Berufsausbildung (und nicht mehrere) zu gewähren haben (vgl. hierzu Senatsurteil vom
12. Juni 1991 - XII ZR 163/90 = FamRZ 1991, 1044), hat der Senat auch für den mehrstufigen Ausbildungsweg Abitur-Lehre-Studium neben dem zeitlichen Zusammenhang als Voraussetzung
für den gebotenen engen sachlichen Zusammenhang gefordert, praktische Ausbildung und Studium müßten derselben Berufssparte
angehören oder jedenfalls so zusammenhängen, daß das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung
bedeute, oder daß die praktische Ausbildung eine sinnvolle Vorbereitung auf das Studium darstelle (BGHZ 107 aaO 382).
Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hier nicht erfüllt. Denn die Ausbildung zum Industriekaufmann
hat eine wesentlich andersartige Wissensvermittlung zum Gegenstand als das Studium des Maschinenbaus.
Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Ausbildung zum Industriekaufmann stelle eine fachliche Ergänzung für das Studium
des Maschinenbaus dar, kann dem nicht beigetreten werden. Durch das technische Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelnde Studium
des Maschinenbaus werden das bei der kaufmännischen Lehre erworbene Wissen und in diesen Bereich fallende Fähigkeiten nicht
ergänzt, weitergeführt oder vertieft. Jedenfalls fehlt ein enger Zusammenhang, wie er nach der Senatsrechtsprechung erforderlich
ist. In dieser ist etwa eine Ausbildung zum Bankkaufmann wegen der vielfältigen Berührungspunkte mit dem Studium und der späteren
Berufsausübung eines Juristen als sinnvolle Vorbereitung auf das Studium der Rechtswissenschaft beurteilt worden (Senatsurteil
vom 23. Oktober 1991 - XII ZR 174/90 = BGHR
BGB §
1610 Abs.
2 Studium 5 = FamRZ 1992, 170), während ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Speditionskaufmann und dem Jurastudium verneint worden
ist (Senatsurteil vom 20. Mai 1992 - XII ZR 131/91 = BGHR aaO Studium 6 = FamRZ 1992, 1407). Dabei hat der Senat in der letztgenannten Entscheidung die Auffassung bestätigt, daß allein die im Rahmen des Jurastudiums
geforderte Beschäftigung mit der Volkswirtschaftslehre den gebotenen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungen
nicht zu begründen vermöge, da vielfältige Bereiche der modernen Industriegesellschaft einen irgendwie gearteten Zusammenhang
mit der Rechtswissenschaft hätten. Der Schwerpunkt des Berufs des Speditionskaufmannes liege aber nicht auf rechtlichem, sondern
auf kaufmännischem Gebiet.
Ähnlich liegen die Dinge hier. Der Schwerpunkt des Berufs des Industriekaufmanns liegt im kaufmännischen Bereich, der des
Maschinenbauingenieurs hingegen auf technischem Gebiet. Die Erwägung des Oberlandesgerichts, es könne für einen leitenden
Diplomingenieur in einer kleineren Firma "oft sehr wichtig sein", wenn er sich im technischen und im kaufmännischen Bereich
auskenne, vermag die Annahme eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den beiden Ausbildungen nicht zu rechtfertigen,
weil sie einen nur möglichen Einzelfall aufgreift und nicht in der gebotenen Weise typisiert. Es kann auch nicht genügen,
daß durch eine Lehre zusätzlich erworbene Kenntnisse im späteren Berufsleben nützlich sind; das wird fast immer der Fall sein.
Andernfalls müßte beispielsweise eine Ausbildung an einer Fremdsprachenschule für eine Vielzahl nicht artverwandter Studiengänge
(etwa Rechtswissenschaft, Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, technische Studiengänge u.ä.) als fachlich sinnvolle
Vorbereitung auf das Studium angesehen werden. Damit würde der in §
1610 Abs.
2 BGB abgesteckte Rahmen der elterlichen Unterhaltspflicht gesprengt, weil das Merkmal "angemessen" auch eine gebührende Berücksichtigung
der Belange der Eltern erfordert. Zwar zeigt der verschiedentlich angebotene Studiengang "Wirtschaftsingenieur auf, daß es
im akademischen Bereich eine sinnvolle Verbindung zwischen Ökonomie und Technik gibt. Diesen Studiengang hat der Sohn des
Beklagten aber nicht eingeschlagen, weil er sich offenbar schwerpunktmäßig zur Technik hingezogen fühlt. Die kaufmännische
Lehre hat er seinerzeit nur begonnen, weil er später ein Studium der Volkswirtschafts- oder Betriebswirtschaftslehre aufzunehmen
beabsichtigte. Hätte er sogleich Maschinenbau studieren wollen, hätte er schwerlich die kaufmännische Lehre vorgeschaltet
- das wäre ihm auch nicht von der Berufsberatung empfohlen worden.
Da mithin ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der Lehre zum Industriekaufmann und dem Studium des Maschinenbaus zu
verneinen ist, wird das angefochtene Urteil von der gegebenen Begründung nicht getragen.
4. Das bedeutet indessen nicht, daß die Sache entscheidungsreif wäre. Denn der Beklagte kann unter einem anderen rechtlichen
Gesichtspunkt verpflichtet sein, das Studium seines Sohnes zu finanzieren.
a) Wie bereits ausgeführt, umfaßt der Unterhalt eines Kindes (u.a.) die Kosten einer "angemessenen" Vorbildung zu einem Beruf.
Demgemäß hat der Bundesgerichtshof schon in der grundlegenden Entscheidung BGHZ 69, 190 ff darauf abgehoben, daß nur Eltern, die ihrer Pflicht, dem Kind eine angemessene Berufsausbildung zu gewähren, bereits in
rechter Weise nachgekommen sind, in der Regel keine Kosten für eine weitere (zweite) Ausbildung zu tragen haben. Hingegen
ist eine Verpflichtung zur Finanzierung einer weiteren Ausbildung grundsätzlich nicht ausgeschlossen, wenn eine angemessene
Ausbildung noch nicht gewährt worden ist (BGHZ 69 aaO 194). In seinem Urteil zu den Abitur-Lehre-Studium-Fällen (BGHZ 107,
376 ff), durch das die Unterhaltspflicht der Eltern für diese Ausbildungsgänge unter den dort dargelegten Voraussetzungen modifiziert
und erweitert worden ist, hat der Senat vornehmlich die Fälle im Auge gehabt, in denen der Unterhaltsberechtigte mit der zunächst
durchlaufenen Lehre an sich eine für ihn angemessene Ausbildung erhalten hatte und deshalb nach der früheren Rechtsprechung
grundsätzlich keine Finanzierung des anschließenden Studiums hätte verlangen können.
b) Ob indessen die Ausbildung zum Industriekaufmann für den Sohn des Beklagten eine angemessene Berufsausbildung im Sinne
von §
1610 Abs.
2 BGB war, nämlich seiner Begabung, seinen Fähigkeiten, seinem Leistungswillen und seinen beachtenswerten Neigungen - als Berufsziel
- entsprach, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Diese tatrichterliche Beurteilung muß daher nachgeholt werden,
wobei den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben ist.
Nach den bisher festgestellten Umständen bestehen zumindest Bedenken dagegen, die Lehre zum Industriekaufmann als eine für
den Sohn des Beklagten angemessene Vorbildung zu einem Beruf anzusehen. Seine Leistungen im Abitur - mit einem im oberen Leistungsbereich
liegenden Notendurchschnitt - ließen auf eine Eignung und Begabung für eine weiterführende wissenschaftliche Ausbildung schließen.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Absolvierung einer Lehre habe die Begabungen und Fertigkeiten des Sohnes des Beklagten
nicht in hinreichendem Maße ausschöpfen können. Dieser selbst beabsichtigte von Anfang an die Aufnahme eines Studiums. Der
Beklagte war mit diesem Vorhaben ersichtlich einverstanden, wie sich daraus entnehmen läßt, daß er seinen Sohn im Herbst 1984
aufforderte, er solle, ebenso wie seine Schwester, sofort studieren und nicht zwei Ausbildungen absolvieren (vgl. hierzu auch
Senatsurteil vom 10. Dezember 1980 - IVb ZR 546/80 = FamRZ 1981, 344, 346, 2. Abs.).
c) War die Lehre zum Industriekaufmann für den Sohn des Beklagten keine angemessene Vorbildung zu einem Beruf, so folgt daraus
die grundsätzliche Verpflichtung des Beklagten, im Rahmen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit das Studium des Sohnes
zu finanzieren (BGHZ 107 aaO 382 f m.w.N.). Bedenken könnten sich allerdings daraus ergeben, daß dieser das Studium nicht
mit der gebotenen Zielstrebigkeit aufgenommen hat, weil er zuvor eine Lehre absolviert und die eigene Neigung und Begabung
nicht sogleich richtig eingeschätzt hat (vgl. dazu Senatsurteile vom 23. Mai 1984 - IVb ZR 39/83 = FamRZ 1984, 777, 778; vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 23/86 = BGHR
BGB §
1610 Abs.
2 Studium 1 = FamRZ 1987, 470).
Bei der Prüfung, ob dem Sohn des Beklagten insoweit eine Obliegenheitsverletzung anzulasten ist, wird das Oberlandesgericht
zu berücksichtigen haben, daß auf ein leichteres, nur vorübergehendes Versagen zurückzuführende Verzögerungen der Ausbildungszeit
nicht immer die schwerwiegende Folge eines Verlustes des Unterhaltsanspruchs haben müssen (vgl. Senatsurteil vom 27. September
1989 - IVb ZR 83/88 = BGHR
BGB §
1610 Abs.
2 Studium 3 = FamRZ 1990, 149, 150). Die Vorschaltung einer Lehre war hier wesentlich beeinflußt durch den Rat einer Behörde, auf deren Fachkunde der Sohn
des Beklagten ersichtlich vertraute. Soweit er schon vor Abschluß der Lehre erkannte, daß seine Neigungen auf technischem
Gebiet lagen, diese aber dennoch nicht sogleich abbrach und zunächst - ersichtlich mit gutem Erfolg - sich der Abschlußprüfung
unterzog, ist zu berücksichtigen, daß ein solches Verhalten vernünftiger, auch im Interesse der Eltern liegender Daseinsvorsorge
entsprach. Da die zunächst beabsichtigten Stufen - kaufmännische Lehre und anschließendes Wirtschaftsstudium - als einheitlicher
Ausbildungsgang im Sinne der Senatsrechtsprechung (BGHZ 107, 376, 381 f) anzuerkennen gewesen wären, wird das Verhalten des Sohnes des Beklagten ähnlich wie bei einem Ausbildungswechsel
zu beurteilen sein.
d) Soweit das Oberlandesgericht ausgeführt hat, die Finanzierung eines Studiums sei dem Beklagten nach seinen wirtschaftlichen
Verhältnissen zumutbar, hält dies den Angriffen der Revision stand. Der Beklagte konnte im Frühjahr 1988 finanzielle Dispositionen
nicht ohne Rücksicht darauf treffen, ob die Ausbildung seines Sohnes bereits beendet war. Wenn der persönliche Kontakt seit
1984 unterbrochen war, wie die Revision geltend macht, hätte er sich zuvor auf andere Weise darüber vergewissern müssen.
Die Zurückverweisung gibt dem Beklagten im übrigen Gelegenheit, Vorbringen, auf das vorstehend nicht eingegangen worden ist,
etwa zum Haftungsanteil der Mutter gemäß §
1606 Abs.
3 BGB, dem Berufungsgericht zu unterbreiten.