Abgrenzung ehebedingter Zuwendungen von einer Schenkung
Tatbestand:
Die Parteien heirateten 1939 und lebten seit 1958 getrennt. Zur Absicherung der Beklagten schenkte ihr der Kläger mit notariellem
Vertrag vom 10. Januar 1962 ein Wohn- und Geschäftshaus mit Gaststätte, die die Beklagte anfänglich selbst betrieb und später
verpachtete. Als infolge Überschuldung der Beklagten 1984 die Zwangsversteigerung drohte, kaufte ihr der Kläger durch notariellen
Vertrag vom 22. Mai 1984 das Haus wieder ab. Als Gegenleistung verpflichtete er sich zur Übernahme ihrer Schulden, die sich
nach den Angaben der Parteien im notariellen Vertrag auf 340.000 bis 350.000 DM beliefen, zur Einräumung eines lebenslänglichen
unentgeltlichen Wohnrechts an einer im Hause gelegenen Wohnung und zur Zahlung einer lebenslänglichen monatlichen Rente von
1.000 DM, für deren Sicherung eine Reallast in das Grundbuch eingetragen wurde. Für die monatliche Rente war eine Wertsicherungsabrede
in Form einer sog. Spannungsklausel vorgesehen. Im übrigen blieb die Anwendung des §
323
ZPO vorbehalten. Als Grundstückswert hatten die Parteien im Vertrag 500.000 DM angegeben. Dem Sohn der Parteien war ein späteres
Ankaufsrecht unter Übernahme der Verpflichtungen des Klägers gegenüber der Beklagten aus dem Vertrag eingeräumt worden.
Mit Urteil vom 25. Mai 1988, rechtskräftig seit 19. Oktober 1988, wurde die Ehe der Parteien auf Antrag der Beklagten geschieden.
Im Versorgungsausgleich wurden ihr ehezeitbezogen 1.212,05 DM gesetzliche Rentenanwartschaften übertragen. Eine Herabsetzung
nach § 1587c
BGB hat das Familiengericht abgelehnt, weil der Kläger wegen seiner übrigen Einkünfte auch nach Abzug der an die Beklagte gezahlten
Rente von 1.000 DM und des Versorgungsausgleichsanteils immer noch ein höheres Einkommen habe als sie.
Unter Hinweis auf die durch den Versorgungsausgleich veränderte beiderseitige Einkommenssituation hat der Kläger eine Abänderung
des notariellen Vertrages dahin erstrebt, daß die Rentenzahlungsverpflichtung entfallen möge. Denn die Beklagte sei nunmehr
ausreichend abgesichert, während er von den verbleibenden Einkünften nicht mehr leben könne.
Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, entgegen dem Vorbringen des Klägers enthalte der notarielle Vertrag vom 22. Mai 1984
keine Unterhaltsvereinbarung, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bei wesentlich veränderten
wirtschaftlichen Verhältnissen eine Abänderung der Zahlungspflicht erlaube. Vielmehr sei aus dem Wortlaut, dem gesamten zur
Beurkundung führenden Geschehensablauf, dem mit dem Vertrag verfolgten Zweck und der beiderseitigen Interessenlage der Parteien
zu schließen, daß der Wille beider auf den Abschluß eines Kaufvertrages gerichtet und die betreffende Zahlungsverpflichtung
Teil des Kaufpreises als Gegenleistung für die Rückübereignung des Hauses an den Kläger gewesen sei. Das ergebe sich aus der
Aussage des Notars S., dessen Mitarbeiter auf Wunsch der Beklagten einen Kaufvertrag auf Rentenbasis mit dem dafür üblichen
Vertragstext und -aufbau vorbereitet habe. Dieser sei dann eingehend besprochen und - ergänzt um die Wertsicherungsklausel
und das Ankaufsrecht des Sohnes - unterzeichnet worden. Die Unterlagen des Notars hätten keinen Hinweis auf Unterhalt enthalten.
Während der Erörterung sei nach Aussage des dabei anwesenden Sohnes der Parteien auch kein einziges Mal das Wort Unterhalt
gefallen. Hätte man eine Unterhaltsvereinbarung gewollt, wären ein anderer Vertragsaufbau gewählt und die Grundlagen hierfür,
insbesondere die beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, in den Vertrag einbezogen worden. Daß mit dem Vertrag
die finanzielle Absicherung der Beklagten im Alter erreicht werden sollte, stehe dem nicht entgegen, da dieser Zweck bei Grundstücksverkäufen
auf Rentenbasis üblicherweise gegeben sei. Auch die Absicherung durch Eintragung einer Reallast sei ein typisches Sicherungsmittel
für wiederkehrende Leistungen bei einem Grundstückskauf auf Rentenbasis. Der Umstand, daß die Gegenleistung des Klägers in
Form der Schuldenübernahme, der Einräumung des Wohnrechts und der Rentenzahlung in Wirklichkeit erheblich über dem tatsächlichen
Wert des Grundstücks gelegen habe, den die Parteien mit 500.000 DM im Vertrag zu hoch angegeben hatten, spreche nicht gegen
die rechtliche Einordnung des Vertrages als Kaufvertrag, da es dem Kläger im Rahmen der Privatautonomie freistehe, einen wirtschaftlich
ungünstigen Vertrag zu schließen. Auch könne aus dem ausdrücklichen Vorbehalt des §
323
ZPO nicht auf eine Unterhaltsvereinbarung geschlossen werden, da dieser - wiederum nach Aussage des Notars - allein aus steuerlichen
Gründen eingefügt worden sei, um dem Kläger die Steuervorteile durch Anerkennung als "dauernde Last" zu ermöglichen. Der Kläger
könne auch nicht verlangen, daß dieser Kaufvertrag nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage an die infolge
der Scheidung eingetretenen veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt werde. Denn es sei nicht ersichtlich, daß der
Fortbestand der - seit 25 Jahren gescheiterten - Ehe Grundlage des gemeinsamen Geschäftswillens der Parteien gewesen sei.
2. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen der Abänderungsklage nicht geprüft, ist nicht begründet.
Es ist vielmehr von der Zulässigkeit der Abänderungsklage nach §
323 Abs.
4 i.V.m. §
794 I Nr.
5
ZPO ausgegangen, da es sich bei dem Rentenzahlungsversprechen des Klägers um eine wiederkehrende Leistung I.S. des §
323 Abs.
1
ZPO handelt. Es hat sodann zutreffend nach den Regeln des materiellen Rechts geprüft, wie der von den Parteien geschlossene Vertrag
zu qualifizieren ist und ob er nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach Treu und Glauben eine Änderung
erfordert (vgl. BGHZ GSZ 85, 64, 73; Senatsurteil vom 28.11.1990 - XII ZR 26/90 - FamRZ 1991, 542).
3. Die Revision wendet sich nicht mehr dagegen, daß das Berufungsgericht die vom Kläger im notariellen Vertrag vom 22. Mai
1984 eingegangene Rentenverpflichtung nicht als Unterhaltsleistung eingestuft hat. Ein Verstoß des Tatrichters gegen anerkannte
Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze läßt sich insoweit auch nicht erkennen (vgl. BGHZ 20, 109, 110; 21, 319, 328, BGH, Urteil vom 8.12.1989 - V ZR 53/88 - WM 1990, 423, 424).
Die Revision macht indessen geltend, wegen des festgestellten Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sei es rechtsfehlerhaft,
den Vertrag als normalen Kaufvertrag anzusehen. Vielmehr habe es sich bei dem Rentenversprechen um eine unbenannte (ehebedingte)
Zuwendung gehandelt, da der Versorgungsgedanke Anlaß für den Vertragsabschluß gewesen sei. Der Kläger habe die überhöhten
Gegenleistungen in der Erwartung erbracht, daß sich die Beklagte nach über 25jähriger Trennung nicht mehr scheiden lassen
werde. Dies sei Geschäftsgrundlage des Vertrages gewesen. Nachdem im Zusammenhang mit der Scheidung der Versorgungsausgleich
durchgeführt und die Versorgung der Beklagten dadurch sichergestellt worden sei, sei es ihm nach Treu und Glauben nicht mehr
zuzumuten, an der notariellen Rentenzahlungspflicht unverändert festzuhalten. Das rechtfertige einen Fortfall seiner Zahlungsverpflichtung.
Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Nach den vom Bundesgerichtshof zur Abgrenzung der ehebedingten Zuwendung von der Schenkung i.S. der §§
516 ff
BGB entwickelten Abgrenzungskriterien liegt eine ehebedingte Zuwendung dann vor, wenn ihr die Vorstellung oder Erwartung der
Ehegatten zugrunde liegt, daß ihre eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben werde oder wenn sie sonst um der Ehe willen und
als Beitrag zur Verwirklichung, Erhaltung, Ausgestaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht wird und
darin ihre Geschäftsgrundlage hat (Senatsurteil vom 17.1.1990 - XII ZR 1/89 - FamRZ 1990, 600, 601 m.w.N.). Rechtsgrund einer solchen Zuwendung ist ein ehebezogenes Rechtsgeschäft eigener Art, das darauf ausgerichtet
ist, die eheliche Lebensgemeinschaft individuell auszugestalten und zu sichern (vgl. BGHZ 84, 361, 364, BGH, Urteil vom 4.4.1990 - IV ZR 42/89 - FamRZ 1990, 855; Jaeger DNotZ 1991, 431, 444, 445). In der Regel wird dieses Rechtsgeschäft zu einzelnen Zwecken abgeschlossen, wie beispielsweise der Schaffung
eines Familienheims, dem Ausbau der beruflichen Existenz eines Ehepartners oder der Verlagerung von Vermögensteilen des in
vollem Umfang haftenden Ehegatten auf den nicht haftenden Ehegatten zum Zwecke der Erhaltung des Familienvermögens (Johannsen/Henrich/Jaeger
Eherecht 2. Aufl. §
1372
BGB Rdn. 5a bis 5c). Immer aber muß es der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen. Daran fehlt es aber, wenn,
wie hier, die eheliche Lebensgemeinschaft zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr besteht und nicht erwartet werden
kann, daß die Parteien sie wiederherstellen (§§
1565 Abs.
1,
1567 Abs.
1
BGB). Der Kläger hat weder vorgetragen, daß der Vertrag dazu dienen sollte, die Beklagte zur Rückkehr in die eheliche Lebensgemeinschaft
zu bewegen, noch daß er selbst dazu die Absicht hatte. Der bloße Umstand, daß die Ehe nach seinen Vorstellungen zumindest
dem Bande nach aufrechterhalten bleibe reicht für die Annahme einer ehebedingten Zuwendung nicht aus.
Zwar kann es sich, soweit die Leistungen des Klägers wertmäßig den Verkehrswert des ihm übereigneten Grundstücks übersteigen,
um eine gemischte Schenkung gehandelt haben. Auch in diesem Rahmen können die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
Anwendung finden, soweit nicht die Sondervorschriften der §§ 527, 528, 530 eingreifen, welche hier aber ersichtlich nicht
erfüllt sind (vgl. Senatsurteil vom 17.1.1990 aaO.). Voraussetzung einer gemischten Schenkung ist, daß sich die Parteien über
die teilweise Unentgeltlichkeit einig waren (Senatsurteil vom 17.6.1992 - XII ZR 145/91 - FamRZ 1992, 1160, 1161; Palandt/Putzo
BGB 52. Aufl. §
1516 Rdn. 13). Ob den Parteien bei Vertragsschluß überhaupt bewußt war, daß der von ihnen angegebene Grundstückswert von 500.000
DM weit übersetzt war und die vom Kläger versprochenen Gegenleistungen - hochgerechnet auf die Lebenserwartung der Beklagten
- deshalb teilweise den Charakter der Unentgeltlichkeit trugen, ist nicht festgestellt.
Dessen bedarf es aber auch nicht. Denn jedenfalls rechtfertigt die Erwartung des Klägers, die Beklagte werde nach 25jähriger
Trennung keine Scheidung mehr beantragen, nicht die Annahme, daß dies gemeinsame Geschäftsgrundlage des notariellen Vertrages
war. Nach ständiger Rechtsprechung sind Geschäftsgrundlage eines Vertrages die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen,
bei Vertragsschluß aber bestehenden gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner
erkennbarer und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt
gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille beider Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BGHZ 89, 226, 231; Senatsurteil vom 17.1.1990 aaO. S. 602). Lediglich einseitige Erwartungen einer Partei, auch wenn sie dem anderen Partner
mitgeteilt worden sind, bleiben grundsätzlich außer Betracht, es sei denn, der andere Teil hätte diese Erwartung akzeptiert
und auch in seinen Geschäftswillen aufgenommen (Palandt/Heinrichs aaO. § 242 Rdn. 117). Daran fehlt es hier. Das Berufungsgericht
(S. 14) hat zutreffend darauf abgehoben, daß sich weder aus den Geschäftsumständen noch aus dem Verhalten bei Vertragsschluß
ein Hinweis darauf ergäbe, daß die Beklagte diese Vorstellung des Klägers auch zur Grundlage ihres Geschäftswillens gemacht
hat. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich nur, daß er selbst von der einseitigen Erwartung ausgegangen ist, die Beklagte
werde sich nicht scheiden lassen. Das reicht nicht aus. Erst recht ist nicht festgestellt, daß die Beklagte sich auch im Falle
des Fortbestandes der Ehe mit den vertraglich versprochenen Leistungen anstelle eines ihr zustehenden Trennungsunterhalts
begnügen und darüber hinaus keine weiteren Ansprüche stellen wollte. Ein darin liegender Verzicht wäre ohnehin unwirksam gewesen
(§§ 1360a Abs.
3,
1361 Abs.
4 S. 4, 1614 Abs.
1
BGB). Der Kläger wäre daher auch bei fortbestehender Ehe einer weiteren Inanspruchnahme entsprechend den wirtschaftlichen Verhältnissen
der Parteien ausgesetzt gewesen.
c) Der notarielle Vertrag ist auch nicht aus Gründen der Äquivalenzstörung abzuändern. Zwar gehört bei gegenseitigen Verträgen
der Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zur objektiven Geschäftsgrundlage. Wird dieses Gleichgewicht
nach Vertragsschluß durch unvorhergesehene Veränderungen so schwer gestört, daß damit das von einer Partei normalerweise zu
tragende Risiko in unzumutbarer Weise überschritten wird, ist der Vertrag an die veränderten Umstände anzupassen (MünchKomm/Roth
BGB 2. Aufl. §
242 Rdn. 465, 466, Palandt/Heinrichs aaO. §
242 Rdn. 135 bis 138 m.w.N.). Das kann auch bei langfristigen Dauerschuldverhältnissen wie beim Erbbauzins oder bei Grundstücksverkäufen
auf Rentenbasis auftreten. Indessen muß die Veränderung in dem Verhältnis zwischen Leistung und der dafür versprochenen Gegenleistung
auftreten, hier also zwischen dem Wert des übertragenen Grundstücks und der versprochenen Gegenleistungen (vgl. MünchKomm/Roth
aaO. Rdn. 486). Hieran hat sich aber nichts verändert. Daß der Vertrag insoweit für den Kläger von vornherein ungünstig gewesen
sein mag, bleibt außer Betracht. Der Kläger stützt sein Verlangen vielmehr darauf, daß die Beklagte infolge des Versorgungsausgleichs
nunmehr höhere Einkünfte hat. Das aber beruht auf einem anderen, von dem Grundstücksgeschäft unabhängigen Rechtsgrund und
ist daher nicht als Äquivalenzstörung dieses Rechtsgeschäfts anzusehen.
4. Ob die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage schließlich auch daran scheitert, daß bereits im Rahmen
des Versorgungsausgleichsverfahrens eine Billigkeitsprüfung zugunsten der Beklagten vorgenommen wurde, bedurfte danach keiner
Entscheidung mehr.