Erstattungspflicht aus einer Verpflichtungserklärung i.R.d. Bezugs von Leistungen für einen Ausländer während des Asylverfahrens;
Enden des Asylverfahrens mit Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hinsichtlich Erstattungspflicht
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme zur Erstattung von Sozialleistungen, die die Beklagte seiner marokkanischen
Schwägerin Frau B. gewährt hat.
Der Kläger verpflichtete sich im Juni 2008 schriftlich gegenüber der Beklagten, vom Beginn der voraussichtlichen Visumsgültigkeit
"bis zur Beendigung des Aufenthalts ... oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck"
nach § 68 AufenthG u.a. die Kosten für den Lebensunterhalt von Frau B. zu tragen. Daraufhin erhielt diese ein bis zum 29. August 2008 gültiges
Besuchervisum und reiste damit am 1. Juli 2008 in das Bundesgebiet ein.
Am 9. Oktober 2008 stellte sie einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid
vom 22. April 2009 ablehnte. Die Beklagte gewährte ihr ab Januar 2010 Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz. Mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2010 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Bundesrepublik Deutschland zur
Flüchtlingsanerkennung von Frau B. Daraufhin erkannte ihr das Bundesamt mit Bescheid vom 10. Januar 2011 die Flüchtlingseigenschaft
zu. Am 9. März 2011 erteilte ihr die Beklagte eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 1. September 2010 forderte die Beklagte den Kläger zur Erstattung der an Frau
B. für die zwischen März und August 2010 gewährten Leistungen (ohne Krankenhilfekosten) in Höhe von 1 273,31 EUR auf. Das
Verwaltungsgericht hat den Bescheid aufgehoben, da der Kläger für den o.g. Zeitraum des Leistungsbezugs von Frau B. nicht
hafte. Ihr Aufenthaltszweck habe sich, wie §
55 Abs.
3 AsylVfG bestätige, bereits mit der Stellung des später zur Flüchtlingsanerkennung führenden Asylantrags geändert.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 68 AufenthG lägen vor. Die mit der Asylantragstellung im Oktober 2008 einhergehende Aufenthaltsgestattung rechtfertige keine andere Beurteilung.
Nach §
8 Abs.
1 Satz 1
AsylbLG würden Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere aufgrund einer Erklärung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gedeckt werde. Diese Regelung setze zwingend voraus, dass die Haftung aufgrund einer Verpflichtungserklärung trotz der Asylantragstellung
fortbestehe. Die Erstattungspflicht entfalle auch nicht im Nachhinein, wenn der Asylantrag Erfolg habe. Der Betroffene erlange
durch die in §
55 Abs.
3 AsylVfG geregelte Anrechnung der Aufenthaltszeiten nicht rückwirkend einen Aufenthaltstitel und sei auch nicht bereits mit dem Asylantrag
"in eine Anspruchsposition hineingewachsen". Nach dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung sei für den Kläger das Risiko der
Erstattung evtl. Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz auch erkennbar gewesen. Seine Erstattungsverpflichtung verstoße nicht gegen die Richtlinie 2003/9/EG. Gemäß Art. 13 Abs. 3 und 4 der Richtlinie könnten die Mitgliedstaaten die Leistungsgewährung davon abhängig machen, dass die Asylbewerber nicht über
ausreichende Mittel verfügten und ggf. eine Erstattung verlangen. Von diesen Bestimmungen werde die vom Kläger eingegangene
Verpflichtung nach § 68 AufenthG nicht erfasst, da sie ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und den Asylbewerbern ausgestalteten.
In dem hier vorliegenden Regelfall habe es mangels atypischer Gegebenheiten keiner Ermessenserwägungen für die Inanspruchnahme
des Klägers bedurft.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Richtlinien 2011/95/EU und 2003/9/EG und beantragt eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Nach Unionsrecht habe die Flüchtlingsanerkennung nur
deklaratorischen Charakter, wirke daher auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück, und die Mitgliedstaaten dürften die Ausgaben
für die soziale Sicherung der Asylsuchenden nicht von deren Verwandten zwangsweise finanzieren lassen. Das Berufungsgericht
habe die faktischen Auswirkungen der drohenden Haftung des Klägers auf das Verhalten seiner Schwägerin übersehen, deren Wissen
um die Erstattungspflicht dazu geführt habe, dass sie während ihrer Schwangerschaft auf die Inanspruchnahme sozialer Leistungen
verzichtet habe. Zudem sei mit der vorformulierten Verpflichtungserklärung die Haftung für Umstände auf den Kläger verlagert
worden, die ausschließlich in der Sphäre des Staates lägen. Schließlich werde der Kläger willkürlich ungleich behandelt gegenüber
Garantiegebern in Fällen, in denen ein Ausländer auch ohne verwaltungsgerichtliches Verfahren vom Bundesamt anerkannt und
ihm alsbald ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klage gegen den auf § 68 AufenthG gestützten Heranziehungsbescheid ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO) abgewiesen. Die vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung ist wirksam und erfasst die an seine Schwägerin gewährten
Leistungen (1.). Seine Erstattungspflicht entfällt nicht dadurch, dass Frau B. einen Asylantrag gestellt hat und ihr daraufhin
die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (2.). Die Heranziehung des Klägers bedurfte keiner Ermessensentscheidung (3.).
Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hat, wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt
eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich
der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit
die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Nach Absatz 2 der Vorschrift bedarf die Verpflichtung
der Schriftform; sie ist nach Maßgabe des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Diese Regelung setzt die Befugnis der erstattungsberechtigten Stelle voraus, den Erstattungsanspruch durch
Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) geltend zu machen (Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 1 C 33.97 - BVerwGE 108, 1 <4 f.> zu § 84 AuslG 1990 = Buchholz 402.240 § 84 AuslG 1990 Nr. 2 S. 4 <S. 6 f.>).
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Leistungsbescheids bestimmt sich grundsätzlich nach der im Zeitpunkt seines Erlasses
maßgeblichen Sach- und Rechtslage (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2012 - BVerwG 10 C 6.12 - BVerwGE 144, 326 = Buchholz 402.242 § 66 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 12). Ob und in welcher Weise die Behörde aus Gründen des materiellen Rechts auf nachträgliche Änderungen
der Sachlage reagieren muss, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn die nach Bescheiderlass erfolgte Flüchtlingsanerkennung
von Frau B. steht der Inanspruchnahme des Klägers für die ihr während des Asylverfahrens gewährten Leistungen nicht entgegen
und begründet auch keinen atypischen Umstand, demzufolge die Beklagte den Kläger nur im Wege einer Ermessensentscheidung hätte
heranziehen dürfen.
1. Das Berufungsgericht hat die vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung vom 6. Juni 2008 als wirksam und hinreichend
bestimmt angesehen. Aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts, der Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz ausdrücklich erwähnt, hat es sie dahingehend ausgelegt, dass die übernommene Haftung auch diese Sozialleistung erfasst. Die
erstmals in der Revisionsverhandlung erhobene Rüge des Klägers, die Beklagte habe die handschriftliche datumsmäßige Befristung
seiner Erklärung nachträglich gestrichen, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Erklärung dahingehend
ausgelegt, dass sie vom Beginn der voraussichtlichen Gültigkeit des Visums ab 1. Juli 2008 "bis zur Beendigung des Aufenthalts
oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" gilt (BA S. 2, 9 f.). Revisionsrechtlich
gehören die Auslegung einer Willenserklärung, d.h. die Ermittlung des Erklärungsinhalts unter Würdigung der ihrer Abgabe zugrunde
liegenden Umstände zur Tatsachenfeststellung (Kraft, in: Eyermann,
VwGO, 13. Aufl. 2010, §
137 Rn. 51 m.w.N.), an die das Revisionsgericht mangels erhobener Verfahrensrügen gemäß §
137 Abs.
2 VwGO gebunden ist. Diese Bindung tritt nur dann nicht ein, wenn die Auslegung des Tatrichters auf einem Rechtsirrtum oder einem
Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln beruht (vgl. u.a. Urteil vom 19. Februar 1982
- BVerwG 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <69> = Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 45 S. 35 <S. 42>). Derartige revisible Verstöße gegen §§
133,
157 BGB lässt die Auslegung der Vorinstanz nicht erkennen. Es liegt nicht fern, dass die aus der Urkunde ersichtliche und überstempelte
Streichung des handschriftlich eingetragenen Enddatums von einem Mitarbeiter der Beklagten in Anwesenheit des Klägers oder
zumindest mit dessen Zustimmung erfolgt ist. Dafür, dass der Kläger die Streichung der datumsmäßigen Befristung seiner Verpflichtungserklärung
letztlich in seinem Erklärungswillen aufgenommen hat, spricht seine Einlassung, die Beklagte hätte andernfalls der Erteilung
eines Besuchsvisums an seine Schwägerin nicht zugestimmt.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass weder die Asylantragstellung als solche noch die Flüchtlingsanerkennung
von Frau B. der Erstattungspflicht des Klägers für die von ihr während des Asylverfahrens bezogenen Leistungen entgegenstehen.
2.1 Der Senat folgt der Auffassung des Berufungsgerichts, die Asylantragstellung durch den in der Verpflichtungserklärung
genannten Ausländer hindere nicht die Inanspruchnahme des Garantiegebers (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 21. März 2013 -
12 S 1188/12 -, VBlBW 2013, 348; BayLSG, Beschluss vom 12. November 2008 - L 11 B 845/08 AY -, FEVS 60, 427; a.A. BayVGH, Urteil vom 3. März 1998 - 12 B 96.3002 - <[...]>). Zum einen ist die gesetzliche Aufenthaltsgestattung
gemäß §
55 Abs.
1 Satz 1
AsylVfG kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Zum anderen ergibt sich der Fortbestand der Haftung aus der Regelung des §
8 AsylbLG: Nach Absatz
1 Satz 1 der Vorschrift werden Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere aufgrund einer Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes gedeckt wird. Als Ausdruck nur subsidiärer Leistungsgewährung setzt die Vorschrift notwendigerweise voraus, dass die vom
Gesetzgeber ausdrücklich genannte Haftung aufgrund einer Verpflichtungserklärung nicht mit der Asylantragstellung des Ausländers
endet. Das wird übersehen, wenn der Sinnzusammenhang einer Verpflichtungserklärung mit der Regelerteilungsvoraussetzung der
Lebensunterhaltssicherung in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu einem dem § 68 AufenthG immanenten haftungsbegrenzenden Tatbestandsmerkmal verstärkt wird. Die Auffassung, eine Verpflichtung aus § 68 AufenthG ende, wenn der weitere Aufenthalt des Ausländers nicht mehr von der Lebensunterhaltssicherung abhänge (so Funke-Kaiser, in:
GK-AufenthG, II-§ 68 Rn. 22 <Stand: März 2012>; Hailbronner, AuslR, § 68 AufenthG Rn. 14; Stiegeler, in: Hoffmann/Hofmann, HK-AuslR, § 68 AufenthG Rn. 9; offen: Bauer, in: Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 68 AufenthG Rn. 10), erweist sich mit der gesetzlichen Regelung des §
8 AsylbLG als unvereinbar.
Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Annahme der Revision - aus der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten
(ABl EU Nr. 1 31 S. 18). Deren Vorschriften gelten gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie für alle Drittstaatsangehörigen und
Staatenlosen, die an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Asyl beantragen, solange sie als Asylbewerber im
Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, sowie für ihre Familienangehörigen, wenn sie nach nationalem Recht von diesem Asylantrag
erfasst sind. Nach Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Asylbewerbern ab Antragstellung
materielle Aufnahmebedingungen gewährt werden, die einem Lebensstandard entsprechen, der die Gesundheit und den Lebensunterhalt
der Asylbewerber gewährleistet. Gemäß Absatz 3 der Vorschrift können die Mitgliedstaaten die Gewährung der materiellen Aufnahmebedingungen
und der Gesundheitsversorgung davon abhängig machen, dass die Asylbewerber nicht über ausreichende Mittel für einen derartigen
Lebensstandard verfügen. Nach Absatz 4 können sie von den Asylbewerbern verlangen, dass diese für die Kosten der in dieser
Richtlinie vorgesehenen materiellen Aufnahmebedingungen und der Gesundheitsversorgung gemäß Absatz 3 ganz oder teilweise aufkommen
und ggf. eine Erstattung verlangen. Diese Regelungen sowie insbesondere die Erwägungsgründe Nr. 5 und 7, die die Gewährleistung
eines menschenwürdigen Lebens für Asylbewerber betonen, machen deutlich, dass die Richtlinie allein auf die soziale Sicherung
von Asylbewerbern zielt. Der Schutz dieser Personengruppe ist ihr Anliegen und nicht die Verschonung Dritter, die sich aufgrund
einer autonomen Entscheidung verpflichtet haben, im Falle der Visumerteilung für den Unterhalt eines Ausländers aufzukommen.
Hinsichtlich des ggf. aus sittlichen Erwägungen entstehenden inneren Drucks, auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen
mit Blick auf eine zukünftige Inanspruchnahme des Garantiegebers zu verzichten, erscheint ein Asylbewerber nicht schutzbedürftig.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Schutzzweck der Richtlinie, Asylbewerbern ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen,
durch faktische Rücksichtnahme auf einen Garantiegeber konterkariert würde oder gar leerliefe. Die Richtlinie 2003/9/EG steht daher offenkundig der Inanspruchnahme eines Dritten aus einer von ihm übernommenen Verpflichtungserklärung nicht entgegen;
eine unionsrechtliche Zweifelsfrage stellt sich insoweit nicht (acte clair).
2.2 Zutreffend erweist sich ferner die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Erstattungspflicht des Klägers nicht
rückwirkend durch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an Frau B. weggefallen ist. Zwar wird einem Ausländer gemäß §
55 Abs.
3 AsylVfG, soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet
abhängig ist, die Zeit eines Aufenthalts nach Absatz 1 - d.h. das Bestehen einer gesetzlichen Aufenthaltsgestattung - angerechnet,
wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt oder ihm unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt
worden ist (§
55 Abs.
3 AsylVfG in der hier maßgeblichen Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007, BGBl. I S. 1970). Dem Betreffenden wird jedoch nicht rückwirkend ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 bzw. 2 AufenthG erteilt. Die Regelung ordnet auch sonst nicht umfassend an, dass bei Erfolg des Asylantrages der Antragsteller in allen rechtlichen
oder tatsächlichen Belangen rückwirkend so zu stellen wäre, als seien An- bzw. Zuerkennung des Status bereits am Tage der
Antragstellung erfolgt, und kann auch nicht als Ausformung eines entsprechenden (ungeschriebenen) Rechtsgrundsatzes gewertet
werden. Zudem wirkt diese Regelung, die die Ableitung von Aufenthaltsrechten aus der Dauer aussichtsloser Asylverfahren verhindern
(BTDrucks 9/875 S. 21 zu §
17 Abs.
3 AsylVfG 1982) und die Eingliederung von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche
Leben der Bundesrepublik Deutschland erleichtern soll (Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 28.10 - BVerwGE 141, 94 = Buchholz 130 §
4 StAG Nr. 14, jeweils Rn. 16), nach Sinn und Zweck nur zugunsten des Asylberechtigten bzw. anerkannten Flüchtlings und äußert keine
Wirkungen zugunsten eines Garantiegebers als Drittem.
Völker- und unionsrechtliche Regelungen stehen dem nicht entgegen. Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, dass die
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowohl nach der Konzeption des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom
28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - BGBl. 1953 II S. 560) als auch der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung
von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen
Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes
(Neufassung - ABl EU Nr. 1 337 S. 9) nur ein deklaratorischer Akt ist (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur
Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Nr. 28 und Erwägungsgrund Nr. 21 der Richtlinie 2011/95/EU). Das führt jedoch
nicht zum Erfolg der Revision. Denn die Genfer Flüchtlingskonvention selbst gewährt dem Flüchtling unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, sondern nur Abschiebungsschutz gemäß Art. 33 GFK; im Übrigen stehen ihre Gewährungen unter dem Vorbehalt des rechtmäßigen Aufenthalts (vgl. zu Art. 26 und Art. 31 GFK:
Urteil vom 15. Januar 2008 - BVerwG 1 C 17.07 - BVerwGE 130, 148 = Buchholz 402.22 Art. 26 GK Nr. 3, jeweils Rn. 16 ff.). Aus Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU, demzufolge die Mitgliedstaaten
so bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist,
einen Aufenthaltstitel ausstellen, ergibt sich, dass das Aufenthaltsrecht für den anerkannten Flüchtling unionsrechtlich an
die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes anknüpft, die sich ungeachtet der deklatorischen Natur der Anerkennung gerade keine
umfassende Rückwirkung beimisst. Im Übrigen wirken sich weder die Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention noch der Richtlinie 2011/95/EU auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als Garantiegeber und der Beklagten aus. Auch
insoweit besteht offenkundig keine Notwendigkeit, den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV anzurufen.
3. Schließlich ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass hier ein Regelfall vorliegt und die Beklagte über die Heranziehung
des Klägers nicht im Wege einer Ermessensentscheidung befinden musste. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
dass der aus einer Erklärung nach § 68 AufenthG Verpflichtete im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen ist, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedürfte. Ein
Regelfall liegt vor, wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des
Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft worden sind und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren
Belastung führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens
zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten
ggf. eingeräumt werden. Wann in diesem Sinne ein Ausnahmefall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände
des Einzelfalls zu entscheiden und unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung (Urteile vom 24. November 1998 - BVerwG 1 C 33.97 - BVerwGE 108,1 <18> = Buchholz 402.240 § 84 AuslG 1990 Nr. 2 S. 4 <S. 17> und vom 18. April 2013 - BVerwG 10 C 10.12 - BVerwGE 146, 198 Rn. 31).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Verpflichtungserklärung im Hinblick auf einen familiär begründeten zweimonatigen Besuchsaufenthalt
seiner Schwägerin abgegeben. Anders als in der dem Urteil vom 24. November 1998 zugrunde liegenden Fallkonstellation, die
die Aufnahme von bosnischen Bürgerkriegsflüchtlingen im Jahr 1992 betraf, war der im Visumverfahren geltend gemachte Aufenthaltszweck
von Frau B. rein privater Natur und keine durch eine politische Leitentscheidung oberster Landes- und Bundesbehörden begründete
öffentliche Angelegenheit (Urteil vom 24. November 1998 a.a.O. S. 19 f. bzw. S. 18 f.). Deutsche Stellen tragen - anders als
in der damaligen Fallgruppe der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen - auch keine Mitverantwortung durch eine von der Behördenspitze
angeordnete "großzügige" Prüfung der Visumvoraussetzungen. Mit seiner Verpflichtungserklärung hat der Kläger vielmehr vollumfänglich
das Risiko übernommen, dass seine Schwägerin das Bundesgebiet nicht rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer des Besuchsvisums
verlässt, sondern den Aufenthaltszweck durch die Asylantragstellung ändert und während des Asylverfahrens öffentliche Leistungen
in Anspruch nimmt. Schließlich begründet auch die Flüchtlingsanerkennung von Frau B. keinen Umstand, der eine Ermessensentscheidung
als notwendig erscheinen ließe, um rückwirkend für die Zeit des Asylverfahrens eine gerechte Lastenverteilung zwischen Kläger
und öffentlicher Hand ermöglichen zu können. Denn hinsichtlich des vergleichsweise geringen Betrags in Höhe von 1 273,31 EUR
ist auch mit Blick auf die Wertung des Gesetzgebers, die in der in §
8 Abs.
2 AsylbLG getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt, kein atypischer Fall gegeben. Danach kann Personen, die sechs Monate oder länger
eine Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gegenüber einer in §
1 Abs.
1 AsylbLG genannten Person erfüllt haben, ein monatlicher Zuschuss gewährt werden, wenn außergewöhnliche Umstände in der Person des
Verpflichteten den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Diese Zuschussregelung betrifft zwar nur Fälle, in denen der
Verpflichtungsgeber tatsächlich Leistungen erbringt. Die ihr zugrunde liegende gesetzliche Wertung ist aber auch bei der Frage
zu berücksichtigen, ob von der Erstattungspflicht aus einer Verpflichtungserklärung im Ermessenswege abgesehen werden kann.
Im Übrigen bleibt die Möglichkeit einer Reduzierung der Kostenschuld aus Verhältnismäßigkeitsgründen - wofür hier nichts ersichtlich
ist - dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2012 - BVerwG 10 C 6.12 - BVerwGE 144, 326 = Buchholz 402.242 § 66 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 36 f.).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
154 Abs.
2 VwGO.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 273,31 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG).