Versorgung nach dem OEG
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Genügen der Darlegungspflicht
Vorliegen einer Breitenwirkung
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. von §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus
Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt.
3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage,
(2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung.
Gründe:
I
Mit Urteil vom 26.5.2017 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versorgung nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz wegen angeblicher Schädigungshandlungen vor dem 16.5.1976 verneint, weil nicht erwiesen sei, dass die beim Kläger bestehenden
Erkrankungen wahrscheinlich wesentlich ursächlich im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung auf tätliche Angriffe iS
von §
1 Abs
1 S 1
OEG zurückzuführen seien. Soweit sich die Klage auf Schädigungshandlungen beziehe, die nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide
seien, sei sie unzulässig. Die gehörten Sachverständigen seien sich darin einig, dass eine Differenzierung zwischen den Folgen
solcher Schädigungshandlungen, die vom Tatbestand erfasst seien, von solchen, die nicht vom Tatbestand erfasst seien, wozu
insbesondere emotionale Vernachlässigung gehöre, im vorliegenden Fall nicht möglich sei. Auch eine Differenzierung zwischen
den Folgen von tatbestandlichen Schädigungshandlungen vor und nach dem Inkrafttreten des
OEG sei nicht möglich. Soweit Dr. F. in ihrer ergänzenden Stellungnahme einen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 wegen körperlicher
Übergriffe in der Familie und wegen frühem sexuellen Missbrauch für möglich halte, sei dies nicht ausreichend, da es sich
insoweit lediglich um eine Mutmaßung handele. Die Annahme einer bloßen Möglichkeit sei unter Berücksichtigung der Beweisanforderungen
nicht ausreichend. Da einem Leistungsanspruch hier nicht nur die fehlende Differenzierbarkeit zwischen den Folgen von Schädigungshandlungen
vor und nach 1976, sondern auch die fehlende Differenzierbarkeit zwischen Folgen von Gewalttaten iS des
OEG und anderweitigen Belastungen entgegenstehe, komme auch ein Härteausgleich nicht in Betracht. Der Umstand, dass der Anwendungsbereich
des
OEG über seinen eigentlichen zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich hinaus (nur) im Rahmen von §
10a OEG erweitert werde, begegne ebenfalls keinen Bedenken. Insgesamt könne nicht festgestellt werden, dass Folgen der in Streit
stehenden Schädigungshandlungen, die vor dem 16.5.1976 stattgefunden haben sollen, den erforderlichen GdS von 50 iS von §
10a Abs
1 S 1
OEG bedingten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und diese mit dem Bestehen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Keiner
der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Insbesondere ist die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
1. Grundsätzliche Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher
anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben,
welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder
Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht
zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
(3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten
Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält folgende Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:
"... ob dann, wenn für die Verursachung einer schweren Erkrankung neben Gewalthandlungen, die bereits alleine und für sich
geeignet sind, die in Rede stehende schwere Erkrankung herbeizuführen, auch weitere Ursachen hiervon abzugrenzen sind und
der Geschädigte dann sozusagen beweisfällig bleibt, wenn sich nicht aufklären lässt, ob und in welchem Umfang die tätlichen
Angriffe die Schädigung verursacht haben ...".
Ob der Kläger damit eine Rechtsfrage hinreichend bezeichnet hat, die auf die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals
abzielt (vgl Becker, SGb 2007, 261, 265 zu Fn 42 mwN), kann hier dahinstehen. Er hat bereits die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit dieser von ihm aufgestellten
Frage nicht dargetan. Weder setzt er sich mit den Vorschriften der §§
1 Abs
1 und 10a Abs
1 OEG auseinander noch benennt er die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG und wertet diese aus, um zu begründen, dass sich daraus nicht bereits hinreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung der
Frage ergeben (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2). So hat das BSG zB mit Urteil vom 18.11.2015 (B 9 V 1/14 R - BSGE 120, 89 = SozR 4-3800 § 1 Nr 22, RdNr 30 ff) ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal "allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt"
dann erfüllt ist, wenn sich die zu einer Schwerbeschädigung führende Schädigung im zeitlichen und räumlichen Erstreckungsbereich
des
OEG für sich betrachtet einen GdS von mindestens 50 und damit die "Schwerbeschädigteneigenschaft" erreichen. Mit dieser vom LSG
in der angefochtenen Entscheidung benannten Rechtsprechung setzt sich der Kläger ebenso wenig auseinander wie mit der weiteren
Rechtsprechung des BSG zur gesetzgeberischen Beschränkung der Opferentschädigung auf Folgen körperlicher Gewalt sowie zum Anwendungsbereich des
OEG im Rahmen von §
10a OEG (s S 6 und 7 der angefochtenen Entscheidung).
Unabhängig davon hat der Kläger auch die Entscheidungserheblichkeit seiner vermeintlichen Rechtsfrage nicht dargelegt, da
auch nach dem Gutachten von Dr. F. nebst ihrer ergänzenden Stellungnahme im Berufungsverfahren ein GdS von 50 iS von §
10a Abs
1 OEG nicht nachweisbar ist. Tatsächlich zielt der Kläger mit seiner Kritik an dem angefochtenen Urteil des LSG auf die Feststellung
und Würdigung von Tatsachen sowie ihre Subsumtion unter die Anspruchsvoraussetzungen der §§
1 und
10a OEG ab, wenn er die jeweiligen körperlichen Angriffe und Gewalterfahrungen schon für sich gesehen als Ursache der bei ihm bestehenden
Erkrankungen festgestellt wissen will. Eine solche Beweiswürdigung insbesondere bei der Beurteilung der Kausalität ist aber
grundsätzlich den Tatsachengerichten aufgegeben; diese eignet sich nicht für eine grundsätzliche revisionsgerichtliche Klärung.
In der Sache kritisiert der Kläger letztlich die Rechtsanwendung des LSG, die er für unzutreffend hält. Damit kann er allerdings
keine Revisionszulassung erreichen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
2. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.