Pfändung und Einziehung einer Lebensversicherung zulässig
Tatbestand:
I.
Streitig ist, ob die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger zulässig ist.
Mit Steuerbescheid vom 17. Mai 2005 setzte das Hauptzollamt B gegen den Kläger Einfuhrabgaben i.H.v. insgesamt 861.891,64
EUR (47.220,71 EUR Zoll, 684.481,68 EUR Tabaksteuer und 130.189,25 EUR Einfuhrumsatzsteuer) fest, weil der Kläger nach den
Feststellungen des Hauptzollamts B am vorschriftswidrigen Verbringen von 5.465.360 Stück unversteuerter Zigaretten aus China
über A in das Zollgebiet der Gemeinschaft beteiligt war. Hinsichtlich der Tabaksteuer erging in demselben Bescheid eine Aufforderung
zur Zahlung bis zum 20. Mai 2005.
Eine Aussetzung der Vollziehung dieses Steuerbescheides lehnte das Hauptzollamt B mit Verfügung vom 6. Juli 2005 und Einspruchsentscheidung
vom 7. Januar 2008 ab.
Mit Pfändungsverfügung vom 11. Juli 2005 pfändete das Hauptzollamt C (HZA) die Ansprüche und Rechte des Klägers aus seinen
beiden Lebensversicherungsverträgen
Nr. ... und Nr. ... mit der D. Die Kapitalleistung aus diesen Lebensversicherungen war im Fall des Todes des Klägers oder
zum vereinbarten Ablauftermin insgesamt auszuzahlen. Als Schuldgrund gab das HZA in der Pfändungsverfügung Säumniszuschläge
i.H.v. 13.675,50 EUR und Tabaksteuer i.H.v. 683.136,68 EUR an. Die Pfändungsverfügung wurde der D laut Zustellungsurkunde
am 14. Juli 2005 zugestellt. Laut Absendevermerk des HZA auf dem Entwurf der Pfändungsverfügung wurde am 21. Juli 2005 ein
Abdruck der Pfändungsverfügung an den Kläger versandt.
Mit Einziehungsverfügung vom 25. November 2008 ordnete das HZA die Einziehung des Anspruchs auf Zahlung der Versicherungssumme
aus dem Lebensversicherungsvertrag
Nr. ... an, die dem Kläger zum vereinbarten Ablauftermin am 1. Januar 2022 als Kapitalbetrag ausgezahlt werden sollte. Weiterhin
umfasste die Einziehungsverfügung u. a. das Recht auf Kündigung der Versicherung. Die Einziehungsverfügung ist laut Zustellungsurkunde
der D am 25. November 2008 zugestellt worden. Laut Absendevermerk des HZA auf dem Entwurf der Einziehungsverfügung wurde am
5. Dezember 2008 ein entsprechender Abdruck an den Kläger versandt.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2009) erhob der Kläger Klage, die er im Wesentlichen
damit begründet, dass hinsichtlich der Pfändungsverfügung das Vorverfahren durchgeführt worden sei. Die ordnungsgemäße Zustellung
der Pfändungsverfügung an ihn werde mit Nichtwissen bestritten. Für eine Überweisung der Drittschuldnerin müsse das Original
des Versicherungsscheins vorliegen, was nicht der Fall sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Einziehungsverfügung vom 25. November 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2009 aufzuheben.
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bezüglich der Pfändungsverfügung sei kein Vorverfahren durchgeführt worden. Die Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung
hätten vorgelegen, insbesondere sei die Vollziehung des der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes nicht gehemmt
gewesen. Der Einziehungsverfügung sei auch eine entsprechende Pfändungsverfügung vorangegangen. Kapitallebensversicherungen
seien unbeschränkt pfändbar. Die Regelungen bezüglich Schonvermögen im Zusammenhang mit der Bemessung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe
seien auf die Pfändungsschutzvorschriften nicht übertragbar.
Der Kläger hat die Beziehung der Akten zu dem Verfahren ... beantragt, weil das Hauptzollamt E seine Unterlagen beschlagnahmt
habe und der Originalversicherungsschein Nr. ... in den ihm verbliebenen Unterlagen nicht enthalten sei.
Weiterhin beantragt er die Vernehmung der zuständigen Sachbearbeiterin der D bezüglich einer eventuellen Auszahlung der Versicherungssumme
an das HZA ohne das Original des Versicherungsscheins (vgl. Schriftsatz vom 28. Mai 2009) und bezüglich einer Auszahlung aus
dem Versicherungsvertrag Nr. ... (vgl. Schriftsatz vom 27. April 2009).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet
(§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO).
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akten und die im Verfahren eingereichten
Schriftsätze hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Das HZA hat zu Recht mit Einziehungsverfügung vom 25. November 2008 die Einziehung des Anspruchs auf Zahlung der Versicherungssumme
und des Kündigungsrechts aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. ... angeordnet.
Das HZA ist gem. §
249 Abs.
1 Satz 1,
3 der
Abgabenordnung 1977 (
AO) i.V.m. §
8 Abs.
2 Nr.
1 der Hauptzollamtszuständigkeitsverordnung für die Vollstreckung von Geldforderungen des Hauptzollamts B zuständig.
Auch die allgemeinen Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung sind erfüllt. Insbesondere liegt der Einziehungsverfügung
mit dem Steuerbescheid vom 17. Mai 2005 ein vollstreckbarer Verwaltungsakt i.S.d. §
251 Abs.
1 AO zugrunde, weil dessen Vollziehung weder ausgesetzt noch durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§
361 Abs.
1 Satz 1
AO). Die Verpflichtung zur Entrichtung der Einfuhrabgaben aufgrund von Art. 202 des Zollkodex (ZK) ist auch nicht gem. § 222 Abs. 2 ZK ausgesetzt worden.
Ferner ist die festgesetzte Tabaksteuer zur Zahlung fällig gewesen, der Kläger im Steuerbescheid zur Zahlung aufgefordert
worden und seit dieser Aufforderung eine Woche verstrichen (§
254 Abs.
1 Satz 1,
2 AO). Eines separaten Leistungsgebotes für die angefallenen Säumniszuschläge bedarf es gem. §
254 Abs.
2 Satz 1
AO nicht, weil diese zusammen mit der Tabaksteuer beigetrieben werden.
Auch die besonderen Voraussetzungen für den Erlass der Einziehungsverfügung haben vorgelegen. Diese ist gem. §
314 Abs.
1 i.V.m. §
309 Abs.
2 AO der D als Drittschuldnerin am 25. November 2008 zugestellt und damit bewirkt worden. Ein entsprechender Abdruck der Einziehungsverfügung
ist am 5. Dezember 2008 an den Kläger versandt worden.
Der streitgegenständlichen Einziehungsverfügung liegt ferner auch eine wirksame Pfändungsverfügung vom 11. Juli 2005 zugrunde,
in der entsprechend §
260 AO auch der Schuldgrund angegeben ist. Unabhängig davon, ob der Kläger diesbezüglich Einspruch eingelegt hat und damit das vorgeschriebene
Vorverfahren durchgeführt worden ist, hat die Pfändungsverfügung auch bei Erlass der Einziehungsverfügung noch Bestand gehabt,
weil das HZA die Pfändungsverfügung nicht aufgehoben hat und diese daher noch wirksam ist (vgl. §
124 Abs.
2 AO). Bezüglich der Pfändungsverfügung vom 11. Juli 2005 ist auch keine Sprungklage gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO anhängig, und diese ist insbesondere auch nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens, weil sich der Kläger in seiner Klagebegründung
gegen die Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2009 wendet, in der nur über die Einziehungsverfügung vom 25. November 2008
entschieden worden ist.
Etwaige Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Steuerbescheid sind nur außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit einem
hierfür zugelassenen Rechtsbehelf zu verfolgen
Das HZA hat die Pfändungsverfügung der D als Drittschuldnerin am 14. Juli 2005 zugestellt (§
309 Abs.
2 Satz 1
AO) und einen entsprechenden Abdruck am 21. Juli 2005 an den Kläger versandt. Dieser hat dagegen keine substantiierten Einwendungen
vorgebracht, sondern die Versendung des Abdrucks lediglich mit Nichtwissen bestritten.
Abgesehen davon stehen der Pfändung auch keine Pfändungsverbote gem. §
319 AO i.V.m. §§
850 ff.
ZPO entgegen. Insbesondere §
850 b Abs.
1 Nr.
4 und §
851 c ZPO sind nicht einschlägig, weil die Auszahlung der Lebensversicherung nicht nur im Todesfall bzw. nicht in Form einer Leistung
in regelmäßigen Zeitabständen, sondern in Form einer Einmalzahlung vereinbart worden ist.
Eine Unpfändbarkeit ergibt sich auch nicht aus anderen gesetzlichen Bestimmungen.
§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - SGB II beinhaltet eine Regelung für zu berücksichtigendes Vermögen
bei der Bemessung der Grundsicherung für Arbeitssuchende und ist auf das Vollstreckungsverfahren nicht übertragbar (vgl. BFH-Beschluss
vom 17. Juli 2003 VII B 49/03, BFH/NV 2003, 1538).
Die Einziehungsverfügung ist auch nicht insoweit zu beanstanden, als sich diese auf das Kündigungsrecht des Klägers bezieht,
weil auch ein solches Kündigungsrecht gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden darf (BFH-Urteil vom 31. Juli 2007 VII R 60/06, BFHE 218, 43).
Schließlich ist das Vorliegen des Versicherungsscheins beim HZA keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einziehung des Anspruchs
aus dem Versicherungsvertrag. Vielmehr ist der Kläger erst als Folge der Einziehungsverfügung gem. §
315 Abs.
2 Satz 1
AO zu dessen Herausgabe verpflichtet. Daher ist die vom Kläger beantragte Beiziehung der Akten zu dem Verfahren ... nicht erforderlich
gewesen.
Dafür, dass die D die Versicherungssumme bereits tatsächlich an das HZA ausgezahlt hat, ergeben sich keine Anhaltspunkte.
Vielmehr hat das HZA nur den Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme zum 1. Januar 2022 bzw. das Recht zur Kündigung des
Versicherungsvertrages eingezogen. Aufgrund dessen hat die Einholung weiterer Auskünfte von der D bzw. eine - vom Kläger beantragte
- Vernehmung der zuständigen Sachbearbeiterin der Versicherung bezüglich einer eventuellen Auszahlung der Versicherungssumme
an das HZA ohne das Original des Versicherungsscheins (vgl. Schriftsatz vom 28. Mai 2009) unterbleiben können. Die Auszahlung
bezüglich des Versicherungsvertrages Nr. ... ist hier nicht streitgegenständlich, weshalb auch insofern auf eine Vernehmung
der Sachbearbeiterin der D verzichtet werden konnte (vgl. Schriftsatz vom 27. April 2009).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.