Zulässigkeit der Änderung der Kostenentscheidung des Sozialgerichts im Berufungsverfahren; Aufspaltung bei Kostenprivilegierung
nur eines Verfahrensbeteiligten
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die miteinander verbundenen Streitsachen S 32 KN 133/03 P und S 32 KN 135/03 P durch entsprechende Erklärungen des Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2005 beendet
worden sind.
Im Verfahren S 32 KN 133/03 P war der Bescheid vom 26.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2003 Streitgegenstand. Mit diesen Bescheiden
hatte die Beklagte der am 01.11.2002 verstorbenen Mutter der Klägerin zu 1) auf deren noch zu Lebzeiten gestellten Antrag
vom Juli 2002 Pflegegeld nach Stufe II ab 01.07.2002 gewährt. Bis zu ihrem Tode hatte die Versicherte im Haushalt der Klägerin
zu 1) gewohnt. Diese war laut Erbschein des Amtsgerichts P. vom 16.12.2002 neben dem Beigeladenen, ihrem Bruder, Erbin zu
1/2 geworden. Den Widerspruch, mit dem Leistungen nach Stufe III begehrt worden waren, wies die Beklagte mit an die Klägerin
zu 1) adressiertem Widerspruchsbescheid vom 23.06.2003 zurück. Mit am 23.06.2003 erhobener Klage begehrte die Klägerin zu
1) Leistungen nach Stufe III statt II. Der Kläger zu 2) hatte sich in der Klageschrift und der nachfolgenden Korrespondenz
zum einen als Bevollmächtigter der Klägerin zu 1) bezeichnet und zum anderen - auf Nachfrage des Sozialgerichts und rechtlichen
Hinweis - als weiterer Kläger, der eigene Ansprüche geltend mache. Während des Klageverfahrens, für das den Klägern zu 1)
und 2) Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B. beigeordnet worden war, erklärte sich die Beklagte zunächst bereit,
schon ab 01.10.2002 Pflegegeld nach Stufe III zu zahlen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.11.2005 erkannte sie solche
Leistungen bereits ab 01.09.2002 an. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 1) und 2), der für beide Kläger Vollmachten
vorgelegt hatte, nahm das Angebot im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.11.2005 an und erklärte den Rechtsstreit insoweit
für erledigt.
Im Verfahren S 32 KN 135/03 P war der Bescheid vom 02.01.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2003 Streitgegenstand. Die Beklagte
sagte der Klägerin zu 1) die Zahlung des ihr als Miterbin zu 1/2 zustehenden Betrags für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
aus der Versicherung ihrer Mutter zu. Mit ihrem Widerspruch forderte die Klägerin zu 1), an die der Bescheid gerichtet war,
einen höheren, nicht näher bezifferten Betrag. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Mit der hiergegen gerichteten Klage vom
23.06.2003 verfolgte die Klägerin zu 1) ihr Begehren weiter. Das Sozialgericht verband, zunächst stillschweigend, die Verfahren,
so dass sich Prozesskostenhilfe auch hierauf erstreckte und zwar auch für den Kläger zu 2) der ebenfalls eigene Rechte geltend
machte. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.11.2005 erklärte der Bevollmächtigte der Kläger zu 1) und 2) den Rechtsstreit
für erledigt, soweit sich dieser auf die Gewährung von wohnumfeldverbessernden Maßnahmen erstreckte.
Mit beim Sozialgericht am 19.12.2005 eingegangenem Fax beantragte der Kläger zu 2), zugleich als Bevollmächtigter der Klägerin
zu 1), das Verfahren fortzusetzen. Für einen Abschluss lägen die Voraussetzungen nicht vor, speziell im Punkt Umzugskosten/Material-
und Arbeitsaufwände für Wohnumfeldverbesserung. Aber auch im Streit um Pflegegeld sei nicht berücksichtigt worden, dass zwei
Pflegepersonen notwendig gewesen waren, nämlich die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2).
Mit Urteil vom 27.07.2006 stellte das Sozialgericht fest, dass der Rechtsstreit S 32 KN 133/03 verbunden mit S 32 KN 135/03 P beendet worden ist. Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten. Im Rubrum wurden die Klägerin zu 1) und der Kläger
zu 2) aufgeführt. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, soweit der Zuschuss für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen Streitgegenstand
gewesen sei, sei die Klage durch Rücknahme beendet worden und im Übrigen durch das vom Bevollmächtigten der Kläger angenommene
Anerkenntnis.
Dagegen legten sowohl die Klägerin zu 1) als auch der Kläger zu 2) Berufung ein. Die Klägerin zu 1) betonte, der Kläger zu
2) handele für sie als Generalbevollmächtigter. Soweit dem umfangreichen, kaum lesbaren Schreiben ein Vortrag zum Berufungsverfahren
zu entnehmen ist, kommt darin das Missfallen am Verfahrensabschluss zum Ausdruck.
Der Senat wies den Kläger zu 2) auf das mögliche Kostenrisiko hin, da er, anders als die Klägerin zu 1), nicht Sonderrechtsnachfolger
geworden war und erklärte, es beabsichtige, die Berufung, die der Senat einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich halte, im Beschlusswege zu entscheiden. Die Kläger äußerten sich hierzu nicht; die Beklagte stimmte
der Absicht des Senats zu.
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.07.2006 aufzuheben, die verbundenen Streitsachen S 32 KN 133/03 P und S 32 KN 135/03 P fortzusetzen und die Beklagte unter Aufhebung bzw. Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, die Differenz
zwischen Pflegegeld nach Stufe II und Stufe III in Höhe von 255,00 EUR pro Monat für die Monate Juli und August 2002, insgesamt
510,00 EUR sowie einen Zuschuss für Umzugs- und Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen in Höhe von 4.800,00 EUR an sie zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.07.2006 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß §
136 Abs.2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Kläger zu 1) und 2) sind zulässig (§§
153,
151 SGG). Für die Klägerin zu 1) konnte der Kläger zu 2) als deren Ehemann Berufung einlegen, ohne dass eine Vollmacht zu den Akten
einzureichen war. Denn für die am 04.10.2006 eingelegte Berufung galt §
73 Abs.2 Satz 2
SGG in der bis zum 01.07.2008 geltenden Fassung. Danach konnte bei Ehegatten die Bevollmächtigung unterstellt werden.
Die Beklagte, die Knappschaft, ist im Wege der Funktionsnachfolge zuständige Versicherungsträgerin gem. § 71 der Satzung der
Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See i.d.F. vom 30.10.2009 und Beklagte im Berufungsverfahren (BSG, Urteil vom
18.07.2007 - B 12 P 4/06 R Rdnr.12).
Die zulässige Berufung erweist sich jedoch als unbegründet. Zutreffend entschied das Sozialgericht, dass die miteinander verbundenen
Klageverfahren durch die in der mündlichen Verhandlung am 24.11.2005 vom Prozessbevollmächtigten der beiden Kläger abgegebenen
Erklärungen erledigt wurden, nämlich durch angenommenes Anerkenntnis bezüglich der streitigen Leistungen von Pflegegeld und
durch Klagerücknahme bezüglich des geltend gemachten Zuschusses zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen.
Der Senat hält die Berufung einstimmig für nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Er wies
die Beteiligten auf diese Auffassung hin, so dass er gemäß §
153 Abs.4
SGG durch Beschluss entscheiden kann.
Zutreffend stellte das Sozialgericht fest, dass die Streitsachen durch die vom Bevollmächtigten der Kläger im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 24.11.2005 abgegebenen Prozesserklärungen beendet worden sind. Auf die vom Sozialgericht dargestellte Sach-
und Rechtslage nimmt der Senat gemäß §
153 Abs.2
SGG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen
Entscheidung für unbegründet erachtet. Auch im Berufungsverfahren brachten die Kläger nichts vor, was zu einer anderen Beurteilung
führen könnte. Im Wesentlichen konzentriert sich der Vortrag der Kläger darauf, die Beklagte solle sich mit einem Vergleich
einverstanden erklären, in dem ihnen höhere Leistungen zugestanden würden. Dass und aus welchen Gründen die von ihrem Bevollmächtigten
abgegebenen prozessbeendenden Erklärungen nicht rechtswirksam sein sollen, führen die Kläger nicht aus. Derartige Gründe sind
auch nicht zu erkennen. Damit kommt der Senat, wie zuvor das Sozialgericht, zum Ergebnis, dass die Verfahren im Termin zur
mündlichen Verhandlung am 24.11.2005 rechtswirksam beendet worden sind.
Dem Sozialgericht ist lediglich hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht zuzustimmen, soweit der Kläger zu 2) betroffen ist.
Der Kläger zu 2) ist der Schwiegersohn der verstorbenen Versicherten und gehört daher nicht zum Personenkreis der Sonderrechtsnachfolger
gemäß §
56 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB I). Infolgedessen ist er nicht dem gemäß §
183 SGG privilegierten Personenkreis zuzurechnen, für den das sozialgerichtliche Verfahren kostenfrei ist. Die Kostenentscheidung
ist aufzuspalten. Während die Klägerin zu 1) die Kostenprivilegierung des §
183 SGG genießt, gehört der Kläger zu 2) nicht hierzu; für ihn ist das Verfahren gemäß §
197a SGG kostenpflichtig. Die Kostenpflicht gilt auch für das Verfahren in erster Instanz, weil beide Klagen erst am 22.06.2003 und
damit nach in Kraft treten des §
197a SGG mit Wirkung zum 02.01.2002 erhoben worden sind. Für den Kläger zu 2) findet § 197a in Verbindung mit §
154 Abs.1 und 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung Anwendung. Nach letzterer Vorschrift trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens und derjenige die Kosten, der
ohne Erfolg ein Rechtsmittel eingelegt hat. Der Senat konnte die Kostenentscheidung des Sozialgerichts abändern, weil insoweit
der Grundsatz der Reformatio in peius (Verböserungsverbot) nicht gilt (Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Auflage, §
193 Rdnr.17). Dem Kläger zu 2) waren daher die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen. Die Klägerin zu 1) hat gemäß §
193 SGG als unterliegende Prozessbeteiligte keinen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren.
Im Übrigen waren die Berufungen der Kläger zu 1) und 2) als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).
Den Streitwert setzt der Senat gemäß §
197a Abs.1 Satz 1
SGG in Verbindung mit § 63 Abs.2 Satz 1, § 52 Abs.1 Gerichtskostengesetz, nach der sich aus dem Antrag des Klägers zu 2) für ihn ergebenden Bedeutung der Sache auf 5.310,00 EUR fest. Der Betrag
setzt sich zusammen aus der Differenz zwischen Pflegegeld nach Stufe III und nach Stufe II für die Monate Juli und August
2002 in Höhe von insgesamt 510,00 EUR sowie aus dem Betrag, den der Kläger zu 2) in seinem Schriftsatz vom 16.12.2005, eingegangen
beim Sozialgericht am 19.12.2005, nannte, nämlich 4.800,00 EUR für die von ihm aufgebrachten Kosten anlässlich des Umzugs
und der Wohnungsauflösung seiner Schwiegermutter. Der Streitwert beläuft sich demnach auf 5.310,00 EUR insgesamt.