Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.
Im Hauptsacheverfahren wendet sich die 1986 geborene Klägerin gegen die Rückforderung von Halbwaisenrentenzahlungen.
Anfang Dezember 2005 übersandte die Klägerin dem beklagten Rentenversicherungsträger einen Schulungsvertrag, demzufolge sie
vom 4. Oktober 2005 bis zum 3. Juli 2006 an einer von einem Bildungswerk betreuten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilnehmen
sollte. Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 Halbwaisenrente in Höhe von monatlich
82,99 EUR befristet bis zum 31. Juli 2006. In dem Bescheid wurde die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Waisenrente
bei Beendigung der Berufsausbildung wegfalle. Die Klägerin wurde ferner über ihre gesetzliche Verpflichtung zur Mitteilung
einer Beendigung etwa in Form eines Abbruchs der Ausbildung unterrichtet.
Die Klägerin brach die Ausbildungsmaßnahme im März 2006 ab und nahm eine Teilzeitbeschäftigung als Arbeitnehmerin auf. Dieses
Arbeitsverhältnis wurde von Seiten der Arbeitgeberin zum 30. Juni 2006 gekündigt. Nachfolgend bezog die Klägerin Leistungen
nach dem SGB II und
SGB III.
Erst nachdem die Beklagte im Juni 2006 die Klägerin gebeten hatte, das Ausbildungsende nachzuweisen, offenbarte diese den
vorzeitigen Abbruch der Maßnahme. Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 3. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 22. November 2006 gestützt auf § 48 SGB X die Bewilligung der Halbwaisenrente für den Zeitraum April bis Juli 2006 auf und forderte die Klägerin zur Rückerstattung
des überzahlten Betrages von 331,96 EUR auf.
Mit der am 27. Dezember 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin u.a. ein Attest ihres Hausarztes vom 17. August 2006 vorgelegt,
wonach eine längerfristige Arbeitsunfähigkeit nicht (!) zu erwarten sei. Sie hat geltend gemacht, dass sie sich ab März 2006
auf der Suche nach einem anderen Ausbildungsplatz befunden habe; krankheitsbedingt diese Suche allerdings "nicht intensiv
genug" habe betreiben können.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2009 hat das Sozialgericht Hildesheim die Klage abgewiesen und zur Begründung im Einzelnen
dargelegt, dass die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Halbwaisenrente für die streitbetroffenen Monate gestützt auf §
48 Abs. 1 SGB X aufgehoben habe.
Gegen diese ihr am 1. Oktober 2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die - vom Sozialgericht nicht zugelassene - Berufung
der Klägerin vom 2. November 2009 (L 2 R 526/09).
Mit Beschluss vom 28. September 2009 hat das Sozialgericht ferner den bereits im Dezember 2006 gestellten Prozesskostenhilfeantrag
der Klägerin mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nach §
73a SGG in Verbindung mit §
114 ZPO abgelehnt. Dagegen richtet sich die vorliegende ebenfalls am 2. November 2009 eingelegte Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ist statthaft, jedoch unbegründet.
1. Die im Hauptsacheverfahren eingelegte Berufung der Klägerin ist, worauf sie der Senat bereits hingewiesen hat, unzulässig,
da sie nach §
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG einer Zulassung bedürfte.
Die Berufung bedarf nach §
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert
des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt
betrifft, 750 Euro (oder [Nr. 2] bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts
oder Behörden 10.000 Euro) nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für
mehr als ein Jahr betrifft.
Der vorliegende angefochtene Rückforderungsbescheid hat angesichts der bereits im vorausgegangenen Bewilligungsbescheid vom
21. Dezember 2005 vorgenommenen Befristung der Waisengeldbewilligung auf den Zeitraum bis einschließlich Juli 2006 lediglich
die Rückforderung von Leistungen in Höhe von 331,96 EUR für die Monate April bis Juli 2006 zum Gegenstand. Damit liegen die
vorstehend erläuterten Voraussetzungen für eine Zulassungsbedürftigkeit der Berufung augenscheinlich vor. Das Sozialgericht
hat eine Zulassung jedoch nicht ausgesprochen. Eine solche Zulassung bringt weder der Tenor noch die Begründung des Gerichtsbescheides
zum Ausdruck. Dafür genügt es insbesondere nicht, dass lediglich die rechtsirrtümlich erteilte Rechtsbehelfsbelehrung die
Berufung erwähnt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
144 Rn. 40 mwN).
2. Die Unzulässigkeit der Berufung berührt nach Auffassung des Senates jedoch nicht die Statthaftigkeit der vorliegenden PKH-Beschwerde.
Der Gesetzgeber hat zwar die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache
die Berufung nicht zulässig wäre (vgl. §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG); er hat bislang aber nicht normiert, dass auch eine Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren ausgeschlossen ist, wenn im
Hauptsacheverfahren die Berufung unzulässig ist. Vielmehr hat er abweichend von dem in §
172 Abs.
1 SGG normierten Grundsatz der Statthaftigkeit einer Beschwerde bezogen auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine solche
- unabhängig von der Höhe des Streitwertes - lediglich für den Fall ausgeschlossen, dass das erstinstanzliche Gericht ausschließlich
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat (§
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG).
Ein Ausschluss der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ergibt sich nach Auffassung des Senates insbesondere
nicht daraus, dass nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG die Vorschriften der
Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren "entsprechend" gelten. Zu diesen Vorschriften zählt auch die
Regelung des §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO. Ihr zufolge findet gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe die sofortige Beschwerde statt; dies gilt jedoch nicht, wenn
der Streitwert der Hauptsache den in §
511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen
für die Prozesskostenhilfe verneint.
Die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung lebhaft umstrittene Frage, ob eine "entsprechende" Anwendung des §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO zur Folge hat, dass im sozialgerichtlichen Verfahren eine Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren ausgeschlossen ist, wenn
im Hauptsacheverfahren die Berufung unzulässig ist, ist aus der Sicht des Senates zu verneinen (vgl. - nur beispielsweise
- zu dem in Juris sehr umfangreich dokumentierten Meinungsstand bejahend: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, B.v.
4. November 2009 - L 9 B 50/09 AS PKH -; Bayerisches Landessozialgericht, U.v. 22. Oktober 2009 - L 7 AS 525/09 B PKH -; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 12. Senat, B.v. 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 AL -; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat, B.v. 13. September 2007 - L 13 B 7/07 SF; verneinend: Sächsisches Landessozialgericht, B.v. 1. Oktober 2009 - L 7 AS 294/09 B PKH -; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, B.v. 16. Juli 2009 - L 28 B 1379/08 AS PKH -; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, B.v. 9. Juli 2009 - L 1 AY 6/09 B -; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
9. Senat, B.v. 9. Juni 2008 - L 9 B 117/08 ALS ; vgl. ferner - ebenfalls verneinend - Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
73a Rn. 12b; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte,
SGG, §
73a Rn. 15).
Mit der Formulierung, dass die zivilprozessualen Prozesskostenhilfevorschriften nur "entsprechend" anzuwenden sind, hat der
Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass diese lediglich insoweit heranzuziehen sind, wie nicht gesetzlich normierte Besonderheiten
des sozialgerichtlichen Verfahren Abweichungen sachlich gebieten. Dementsprechend besteht, soweit ersichtlich, Einigkeit darüber,
dass abweichend vom Wortlaut des §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht die im Übrigen im sozialgerichtlichen Verfahren unbekannte sofortige Beschwerde,
sondern - bei Vorliegen der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen - die Beschwerde gemäß §
172 SGG statthaft ist. Auch wird keine unmittelbare Anwendung des §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO in dem Sinne gefordert, dass die Statthaftigkeit der Beschwerde davon abhängen soll, dass der Streitwert der Hauptsache "den
in § 511 [ZPO] genannten Betrag", d.h. 600 EUR, übersteigt.
Eine dem Wortlaut gemäße "entsprechende" Anwendung des §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO in Verbindung mit der dort in Bezug genommenen Regelung des §
511 ZPO besagt aber zunächst nur, dass die Beschwerde im PKH-Verfahren ausgeschlossen ist, wenn und soweit im Hauptsacheverfahren
die Rechtsbehelfsmöglichkeiten in einer dem §
511 ZPO vergleichbaren Weise eingeschränkt sind. Eine dem §
511 ZPO sachlich vergleichbare Einschränkung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten kennt das sozialgerichtliche Verfahren jedoch nicht;
so dass im Ergebnis ein unmittelbarer Anwendungsbereich für eine entsprechende Heranziehung des §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO fehlt.
In den im Zivilprozess von §
511 ZPO erfassten Fallgestaltungen eines 600 EUR nicht überschreitenden Wertes des Beschwerdegegenstandes ist ein Rechtsmittel nur
dann ausnahmsweise statthaft, wenn das erstinstanzliche Gericht die Berufung nach Maßgabe des §
511 Abs.
4 ZPO zulässt. Ansonsten ist überhaupt kein Instanzenzug eröffnet. Demgegenüber kann im sozialgerichtlichen Verfahren auch in den
Fällen, in denen die Berufung einer Zulassung nach §
144 Abs.
1 SGG bedarf und eine solche Zulassung vom Sozialgericht nicht ausgesprochen wird, ausnahmslos gegen die Nichtzulassung der Berufung
noch die Nichtzulassungsbeschwerde nach §
145 SGG eingelegt werden. Da überdies im sozialgerichtlichen Verfahren - insoweit grundsätzlich abweichend von §
511 Abs.
4 ZPO - sich die Zulassungsbedürftigkeit einer Berufung auch aus einem erstinstanzlichen Verfahrensfehler ergeben kann (vgl. §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG), sind im Ergebnis auch bei Nichterreichung der Berufungssumme des §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG in erheblich weiterem Umfang Rechtsbehelfsmöglichkeiten als im Anwendungsbereich des §
511 Abs.
4 ZPO gegeben.
Angesichts dieser unterschiedlich ausgestalteten Rechtsbehelfsmöglichkeiten im Hauptsacheverfahren lässt sich bislang keine
Wertung des Gesetzgebers in dem Sinne objektivieren, dass auch im sozialgerichtlichen Verfahren eine Beschwerde gegen die
Versagung von Prozesskostenhilfe stets ausgeschlossen sein soll, wenn die Berufung im Hauptsacheverfahren zulassungsbedürftig
ist. Solange der Gesetzgeber für das sozialgerichtliche Verfahren keine Zulassungsbedürftigkeit der Beschwerde einführt (nachdem
eine solche im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen unzureichender Zweckmäßigkeit wieder abgeschafft worden ist, vgl.
Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
Verwaltungsgerichtsordnung, §
166, Rn. 77), wird es ohnehin bei jeder der in Betracht kommenden Lösungen Diskrepanzen zwischen dem Umfang des Rechtsschutzes
im Hauptsacheverfahren auf der einen und im PKH-Verfahren auf der anderen Seite geben. Nach der einen Auffassung werden die
Rechtsbehelfsmöglichkeiten im PKH-Verfahren im Vergleich zu denen im Hauptsacheverfahren (deutlich) verkürzt; nach der gegenteiligen
Ansicht bestehen im PKH-Verfahren die weitergehende Rechtsbehelfe in dem Sinne, dass unabhängig vom Vorliegen eines Zulassungsgrundes
eine Sachprüfung zu erfolgen hat.
Die bisherigen Entscheidungen des Gesetzgebers lassen sich nicht als Befürwortung eines einheitlichen Prinzips interpretieren;
der Gesetzgeber gewichtet vielmehr die jeweiligen Sachverhalte eigenständig. Bei zivilgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten mit
einem Beschwerdegegenstand von nicht mehr als 600 EUR hat der Gesetzgeber über §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO anknüpfend an den weitgehenden Ausschluss von Rechtsbehelfsmöglichkeiten im Hauptsacheverfahren eine PKH-Beschwerde des Beteiligten
gänzlich ausgeschlossen. Im Verwaltungsprozessrecht hat er hingegen gerade davon abgesehen, Einschränkungen der Rechtsschutzmöglichkeiten
im Hauptsacheverfahren durch das Erfordernis einer Zulassung der Berufung auch auf das PKH-Beschwerdeverfahren zu übertragen
(vgl. einerseits §
124 VwGO und §
146 VwGO andererseits und Olbertz aaO.). Der Gesetzgeber hatte auch schon vor Einführung der allgemeinen Zulassungsberufung im Verwaltungsprozess
ausdrücklich davon Abstand genommen, an die Zulassungsbedürftigkeit eines Rechtsmittels in der Hauptsache den Ausschluss von
Beschwerden insbesondere auch gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfeanträgen anzuknüpfen, obwohl dies ein Regierungsentwurf
zunächst so vorgesehen hatte (vgl. BT-Drs. III/55 S. 59 und III/1094, S. 13 sowie BVerfG, B.v. 17. März 1988 - 2 BvR 233/84 - E 78, 88, 97).
In diesem Zusammenhang hilft auch der Ansatz (vgl. etwa den o.g. Beschluss des 13. Senates des Landessozialgerichts) wenig
weiter, dass sich widersprechende Entscheidungen im Hauptsache- und im PKH-Verfahren zu vermeiden seien. Zunächst einmal erfolgt
die Beurteilung in beiden Verfahren nach unterschiedlichen Kriterien. Das Gericht ist nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung
beispielsweise gehalten, dem Kläger auch dann PKH zu bewilligen, wenn es die Klage für unbegründet erachtet, dabei aber schwierige
Rechtsfragen zu Lasten des Klägers zu entscheiden hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
73a Rn 7b mwN). Darüber hinaus wäre im Ergebnis ein solcher "Widerspruch" gerade dann zu konstatieren, wenn der Kläger in zweiter
Instanz - nach Zulassung der Berufung - obsiegen würde, eine erstinstanzlich erfolgte Ablehnung seines Prozesskostenhilfegesuchs
aber mangels Anfechtbarkeit in Bestandskraft erwachsen würde.
Letztlich stellt es eine dem Gesetzgeber (und nicht den Gerichten) obliegende rechtspolitische Entscheidung dar, ob unter
Abwägung der Rechtsschutzinteressen des um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten auf der einen und dem Aufwand und
den Kosten für die Bearbeitung entsprechender Beschwerden auf der anderen Seite eine Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten
in Fällen der vorliegenden Art geboten ist (vgl. BVerfG, B.v. 17. März 1988, aaO. S. 100). Für das Hauptsacheverfahren hat
der Gesetzgeber durch die Einführung weitergehender Rechtsschutzmöglichkeiten in §§
144,
145 SGG zum Ausdruck gebracht, dass er bei sozialgerichtlichen Verfahren mit geringen Streitwerten (von nicht mehr als 750 EUR; weitere
Einschränkungen ergeben sich §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG) den Rechtsschutzinteressen des Bürgers größeres Gewicht als im zivilgerichtlichen Verfahren (mit Streitwerten von dort nicht
mehr als 600 EUR, vgl. §
511 ZPO) beimisst. Ob er hieran anknüpfend bei entsprechend geringen Streitwerten auch im sozialgerichtlichen Prozesskostenhilfeverfahren
weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnen oder er gleichwohl die restriktive zivilprozessuale Regelung des §
127 Abs.
2 Satz 2 in Verbindung mit §
511 ZPO angewandt wissen will, hat er bislang nicht ausdrücklich entschieden. Es lässt sich bislang auch keine anderweitig zum Ausdruck
gebrachte Wertung des Gesetzgebers für eine entsprechende Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten objektivieren.
Solange der Gesetzgeber aber nicht mit der gebotenen Klarheit eine Einschränkung der grundsätzlich durch §
172 Abs.
1 SGG eröffneten Beschwerdemöglichkeit anordnet, ist auf Seiten der Gerichte dem Gebot der Rechtsmittelklarheit Rechnung zu tragen.
Dieser Grundsatz der Rechtsmittelklarheit erfordert insbesondere bei der Heranziehung von Ausnahmevorschriften - wie im vorliegenden
Zusammenhang des §
73a SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
2 ZPO - eine restriktive Auslegung (vgl. BSG, U.v. 6. März 1991 - 13/5 RJ 52/90 - SozR 3-1500 § 146
SGG Nr. 1 und U.v. 28. Juni 1991 - 11 RAr 117/90 - SozR 3-4100 § 145 AFG Nr. 2).
3. In der Sache dringt die Klägerin mit ihrer Beschwerde hingegen nicht durch. Zutreffend hat die Beklagte gestützt auf §
48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X die zuvor ausgesprochene Bewilligung von Halbwaisenrente für die Monate April bis Juli 2006 aufgehoben und die Klägerin nach
§ 50 Abs. 1 SGB X zur Rückerstattung der überzahlten Leistungen aufgefordert. Die Klägerin hat in diesem Zeitraum keinen der in §
48 Abs.
4 Nr.
2 SGB VI aufgeführten Tatbestände für eine Weitergewährung der (Halb-)Waisenrente auch über das 18. Lebensjahr hinaus erfüllt. Insbesondere
befand sie sich seinerzeit nicht in einer Berufsausbildung, vielmehr stand sie zunächst in einem allgemeinen Arbeitsverhältnis
und war nachfolgend arbeitslos.
Eine Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten im Sinne des §
48 Abs.
4 Nr.
2b SGB VI hat nicht vorgelegen. Einen weiteren Ausbildungsabschnitt im Sinne dieser Vorschrift hat die Klägerin gar nicht begonnen.
Die vorausgegangene Berufsausbildungsmaßnahme hat sie überdies aus eigenem Entschluss abgebrochen, ohne dass sich dafür verständige
Gründe objektivieren lassen.
Der Maßnahmeträger hat der Beklagten auf Nachfrage bestätigt, dass die Klägerin ihrerseits die Maßnahme zum 31. März 2006
gekündigt habe (vgl. Bl. 78 Verwaltungsvorgänge). Soweit die Klägerin demgegenüber im Schriftsatz vom 19. April vorgetragen
hat, dass die Maßnahme Ende Februar 2006 "ausgelaufen" sei (womit bis zum Beginn einer etwaigen neuen Ausbildung zum 1. August
2006 ohnehin eine mehr als viermonatige Zwischenzeit zu überbrücken gewesen wäre), ist dies schon damit nicht in Einklang
zu bringen, dass sie selbst einen schriftlichen Vertrag über die Ableistung eines Orientierungspraktikums im Rahmen der Berufsbildungsmaßnahme
für die Zeit bis einschließlich März 2006 vorgelegt hat (vgl. Bl. 90 der Verwaltungsvorgänge).
Eine Relevanz gesundheitlicher Gründe für die demnach anzunehmende Kündigung der Ausbildungsmaßnahme durch die Klägerin ist
schon in tatsächlicher Hinsicht umso weniger erkennbar, als diese das nachfolgende Arbeitsverhältnis gerade in dem Betrieb
begründet hat, in dem sie zuvor im Rahmen der Berufsausbildungsmaßnahme ein Praktikum absolviert hatte. Dementsprechend ist
auch in keiner Weise erkennbar, dass es sich bei dem o.g. Zeitraum um eine "unvermeidbare" Zwischenzeit im Sinne der Rechtsprechung
des BSG (vgl. Urteil v. 17. April 2008 - B 13/4 R 49/06 R - E 100, 210) gehandelt haben könnte.
Allein ein subjektives - im vorliegenden Zusammenhang hinsichtlich seiner Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit nach Aktenlage
ohnehin nicht objektivierendes - Bemühen zur Erlangung eines Ausbildungsplatzes begründet nach den gesetzlichen Vorgaben keinen
Anspruch auf Gewährung von Waisenrente.
Die Klägerin hat unter Missachtung ihrer Mitteilungspflicht nach §
60 Abs.
1 Nr.
2 SGB I, über die sie wenige Monate zuvor noch einmal ausdrücklich belehrt worden war, jedenfalls grob fahrlässig versäumt, der Beklagten
die Beendigung der Ausbildungsmaßnahme anzuzeigen. In Fällen der vorliegenden Art ist auch von vornherein kein Raum für die
Annahme eines sog. atypischen Falls (vgl. BSG U.v. 3. Juli 1991 - 9b RAr 2/90 - SozR 3-1300 § 48 SGB X Nr. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
73a SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).