Tatbestand:
Die Beklagte gewährte dem Kläger vom 13. Februar 1984 an (bis zum 30. April 1984) Hilfe zum Lebensunterhalt sowie eine Entschädigung
für Mehraufwendungen, abhängig davon, daß der Kläger gemeinnützige und zusätzliche Arbeit bei der Vervielfältigungsstelle
des Hauptamtes leiste. In der Zuweisungsentscheidung war die wöchentliche Arbeitszeit mit 40 Stunden angegeben. Nachdem der
Kläger die Arbeit gewissenhaft ausgeübt hatte, schlossen er und die Beklagte am 17. April 1984 einen bis 15. Oktober 1984
befristeten Arbeitsvertrag mit einem Arbeitsentgelt von 1 757,62 DM zuzüglich einer Zulage von 40 DM. Am 12. Oktober 1984
schlossen sie einen gleichen Vertrag für die Zeit vom 16. Oktober 1984 bis 30. April 1985.
Den Antrag des Klägers vom 17. November 1984, bei der Berechnung des Weihnachtsgeldes auch seine Beschäftigung in der Zeit
vom 13. Februar bis 30. April 1984 zu berücksichtigen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 1985 ab; denn der zwischen
den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag sei als bürgerlich-rechtliches Arbeitsverhältnis grundsätzlich gestaltungsfrei und
sehe ein Weihnachtsgeld nicht vor. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. März 1985 zurück. Nunmehr bezeichnete
sie den Vertrag als sozialhilferechtlichen Arbeitsvertrag.
Die Klage mit dem Antrag, die Bescheide der Beklagten vom 18. Januar 1985 und 29. März 1985 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, an den Kläger 374,50 DM brutto mit 4 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1984 zu zahlen, hat das Verwaltungsgericht
auf den Antrag des Klägers hin mit Urteil vom 18. Dezember 1985 an das Arbeitsgericht Lübeck verwiesen. Der Verwaltungsrechtsweg
sei nicht gegeben; denn es handele sich um eine arbeitsrechtliche Frage im Sinne der §§ 2, 3 Arbeitsgerichtsgesetz. In der Rechtsmittelbelehrung war angegeben, daß gegen das Urteil die Berufung an das Oberverwaltungsgericht statthaft sei.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache
zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Beteiligten
seien nach Inhalt und Gestaltung der streitigen Verträge zu Recht davon ausgegangen, daß sie Verträge gemäß § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG geschlossen hätten. Solche Verträge seien nach dem Gesamtcharakter der geregelten Beziehungen öffentlich-rechtlich. Denn
beide Alternativen des § 19 BSHG seien Hilfe zur Arbeit und damit öffentlich-rechtliche Sozialhilfe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er beantragt, das Berufungsurteil vom 25. Juni 1986 aufzuheben.
Das Berufungsgericht ordne den eine Beschäftigung nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG regelnden Vertrag zu Unrecht nicht als arbeits-, sondern als öffentlich-rechtlichen Vertrag ein. Dem stehe bereits der Umkehrschluß
aus § 19 Abs. 3 Satz 1 BSHG entgegen. Da der Kläger nicht mit zusätzlichen Arbeiten betraut worden sei, sei er rechtswidrig nach § 19 Abs. 2 BSHG herangezogen worden. Deshalb sei rückwirkend ein bürgerlich-rechtlich geordnetes Rechtsverhältnis arbeitsrechtlicher Natur
entstanden. Das Bundesarbeitsgericht habe in solchen Fällen den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bejaht.
Die Beklagte hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht tritt der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei, daß Arbeitsverträge zwischen
dem Sozialhilfeträger und dem Hilfesuchenden nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG nicht dem öffentlichen, sondern dem privaten Recht zuzuordnen seien. Dafür sprächen System und Zweck der §§ 18 bis 20 BSHG. Danach sei es Aufgabe des Sozialhilfeträgers, Arbeitsgelegenheiten zu finden oder zu schaffen, nicht aber selbst Arbeit
zu geben und für sie eine Gegenleistung zu erbringen. Sei eine Arbeitsgelegenheit entweder im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 BSHG vorhanden oder gemäß § 19 BSHG geschaffen, so regelten sich die Leistungen des Trägers der Sozialhilfe nach § 19 Abs. 2 BSHG, die rechtlichen Beziehungen im übrigen nach dem Rechtsverhältnis der Arbeitsgelegenheit. Die Verwendung des Wortes "Arbeitsentgelt"
in der ersten Alternative des § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 BSHG, eines arbeitsrechtlichen Begriffs, spreche für diese Auffassung. Das Ergebnis werde durch § 19 Abs. 3 Satz 1 BSHG gestützt. Im übrigen entspräche eine Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheit nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG als eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nicht der derzeitigen allgemeinen Praxis; denn Arbeitsgelegenheiten nach der "Entgeltvariante"
des § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG würden überwiegend von nicht öffentlich-rechtlichen Trägern bereitgestellt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist aufzuheben; die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts ist zu verwerfen (§
144 Abs.
3 Nr.
1, §
125 Abs.
2 Satz 2
VwGO).
Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts verwerfen müssen.
Mit Rücksicht darauf, daß entsprechend dem Klagebegehren der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 DM nicht überstieg, bedurfte
die Berufung, um statthaft zu sein, nach Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs-
und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl. I S. 446), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 1985 (BGBl. I S. 1274) der Zulassung. Hieran fehlt es. Die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Verwaltungsgerichts, daß die Berufung statthaft
sei, stellt keine Berufungszulassung dar (vgl. BVerwG, Beschluß vom 1. Dezember 1987 - BVerwG 8 B 58.87 -, Buchholz 310 § 131
VwGO Nr. 6; BVerwGE 71, 73, 76). Der Mangel der fehlenden Zulassung ist von Amts wegen zu beachten (s. BVerwGE 71, 73, 74 f.).
Im übrigen hätte der Ansicht des Berufungsgerichts, Verträge nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG seien nicht dem Arbeitsrecht, sondern dem öffentlichen Recht zuzuordnen, aus folgenden Gründen nicht beigetreten werden können.
Für den Rechtsweg kommt es auf die wahre Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses an. Das Berufungsgericht hat - von den
Beteiligten nicht bestritten und damit bindend - festgestellt, daß die Verträge vom 17. April 1984 und 12. Oktober 1984 Verträge
zum üblichen Arbeitsentgelt nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG waren. Zur Rechtswegfrage bei Streit über Inhalt und Rechtmäßigkeit dieser Verträge oder über die Folgen einer nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG geregelten Rechtsbeziehung kann auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 7. Dezember 1988 - 5 AZR 661/86 - (vgl. bereits dessen Urteil vom 14. Januar 1987 - 5 AZR 166/85 -, NVwZ 1988, 966 = NDV 1989, 27) nicht zurückgegriffen werden. Diese Rechtsprechung betrifft allein Fälle, in denen Hilfeempfänger nach der z w e i t e n
Alternative des § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 BSHG gemeinnützige und zusätzliche Arbeit geleistet hatten, und unter dem Aspekt "faktisches Arbeitsverhältnis" Streit entstanden
war.
Während im Gesetz selbst bestimmt ist, daß bei gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit bei Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt
zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen (§ 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 2 BSHG) und bei einer Arbeit nach § 20 BSHG kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründet wird (§ 19 Abs. 3 Satz 1, § 20 Abs. 2 Satz 2 BSHG), ist für die nach § 18 BSHG aufgezeigte oder nachgewiesene Arbeit und die nach § 19 Abs. 1 BSHG geschaffene - nicht gemeinnützige und zusätzliche - Arbeit unbestritten, daß sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im
Sinne des Arbeitsrechts erbracht wird. Strittig ist allein die Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses bei gemeinnütziger und
zusätzlicher Arbeit, wenn nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG das übliche Arbeitsentgelt gewährt wird (Arbeitsrechtlicher Arbeitsvertrag: Oestreicher/Schelter/Kunz, Bundessozialhilfegesetz, Losebl.-Komm., Stand März 1989, § 19 Rdnr. 11; Krahmer in Bundessozialhilfegesetz Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl. 1989, § 19 Rdnr. 6; Schellhorn/Jirasek/ Seipp, Bundessozialhilfegesetz, 13. Aufl. 1988, § 19 Rdnrn. 14 und 15; Schmitt, Bundessozialhilfegesetz, Losebl.- Komm., Stand April 1989, § 19 Rdnr. 13; Mergler/Zink, Bundessozialhilfegesetz, Losebl.-Komm., Stand Juli 1987, § 19 Rdnr. 10; Schulte/Trenk-Hinterberger, Sozialhilfe, 2. Aufl. 1986, S. 202 ff.; Meier, Die Mitwirkungspflichten des Sozialhilfeempfängers,
Diss. 1976, S. 97 f.; Burdenski, Die "Hilfe zur Arbeit" nach den §§ 18 bis 20, 25 Abs. 1 BSHG, Diss. 1987 S. 79; - öffentlich-rechtlicher Vertrag: Gottschick/Giese, Bundessozialhilfegesetz, Komm., 9. Aufl. 1985, § 19 Rdnr. 5 im Anschluß an das Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge in NDV 1985, 89; - sozialhilferechtlicher Arbeitsvertrag: Fichtner in Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, Komm., 6. Aufl. 1988, § 19 Rdnrn. 5, 6 und 9, der sich für die Einordnung als "besonderes sozialhilferechtliches ... Arbeitsverhältnis" zu Unrecht auf
Trenk- Hinterberger, NDV 1984, 405 beruft).
Die Fassungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BSHG und des § 19 Abs. 3 BSHG sprechen im Fall einer Regelung nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG für ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts. Denn entstünde auch bei § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts, so hätte es der Differenzierung in § 18 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BSHG nicht bedurft, sondern nur der einfachen Fassung: "§ 19 Abs. 2 bleibt unberührt"; auch entbehrte die Eingrenzung der Regelung des § 19 Abs. 3 BSHG auf die Fälle nur der zweiten Alternative des § 19 Abs. 2 BSHG jeden Sinnes.
Der Oberbundesanwalt hat zu Recht darauf hingewiesen, daß bei den §§ 18 ff. BSHG zu unterscheiden ist zwischen der sozialhilferechtlichen Hilfe zur Arbeit (§ 18 Abs. 2 BSHG: darauf hinwirken, daß der Hilfesuchende sich um Arbeit bemüht und Gelegenheit zur Arbeit erhält; § 19 Abs. 1 BSHG: nach Möglichkeit Arbeitsgelegenheiten schaffen; § 19 Abs. 2 BSHG: nach Möglichkeit Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit schaffen) einerseits und einem mit Hilfe der Sozialhilfe
begründeten Arbeitsverhältnis andererseits. Wird nach der Vermittlung (§ 18 Abs. 2 BSHG) oder Schaffung (§ 19 Abs. 1 und 2 BSHG) einer Arbeitsgelegenheit ein Arbeitsvertrag geschlossen, so gehört dieser Vertrag nicht zum Sozialhilferecht, sondern zum
Arbeitsrecht (während Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung nach den §§ 91 ff. AFG öffentliches Recht sind, richtet sich ein so gefördertes Arbeitsverhältnis nach Arbeitsrecht, § 93 Abs. 2 AFG).
Ein Arbeitsvertrag enthält die gleichgeordnete Regelung abhängiger Arbeit. In diesem Verhältnis treten sich die Beteiligten
nicht als Sozialhilfeträger (auch Dritte kommen als Arbeitgeber in Betracht) und Hilfeempfänger, sondern als Arbeitgeber und
Arbeitnehmer gegenüber. Der Vertrag regelt keine sozialhilferechtlichen Tatbestände, sondern legt die Einzelheiten der gegenseitigen
Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis fest. So ist die im Arbeitsvertrag festgelegte Arbeitspflicht nicht die sozialhilferechtliche
Arbeitspflicht. Die sozialhilferechtliche Arbeitspflicht, die in § 18 Abs. 1 BSHG als Konkretisierung des Selbsthilfegebots nach § 2 Abs. 1 BSHG geregelt ist, ist eine Obliegenheit, deren Verletzung für den Hilfesuchenden negative Folgen hat (§ 25 Abs. 1 BSHG). Die im Falle einer vertraglichen Regelung nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG dagegen bestehende Arbeitspflicht ist eine im Gegenseitigkeitsverhältnis zu den Pflichten des Arbeitgebers, z.B. auf Entgelt,
stehende, volle Leistungspflicht, zu der der säumige Arbeitnehmer verurteilt werden kann.
Sozialhilfe- und Arbeitsrecht schließen sich nicht gegenseitig aus. Wird, wie im Fall des § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 2 BSHG, kein Arbeitsvertrag geschlossen, können arbeitsvertraglich begründete Leistungs- und damit Entgeltansprüche nicht entstehen.
Insoweit wird Hilfe zum Lebensunterhalt nicht entbehrlich, so daß der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt fortbesteht (§
19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 2 BSHG). Aber auch dort, wo ein Arbeitsvertrag besteht, kann Sozialhilfe weiterhin erforderlich sein. Reicht z.B. das Arbeitsentgelt
nicht, um den gesamten notwendigen Bedarf zu decken, kommt ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht. Auch die Hilfe
zur Arbeit kann fortdauern, so wenn sich der Sozialhilfeträger bemüht, für den Hilfesuchenden statt einer vorübergehenden
Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit eine Dauerstellung zu finden. Auch wenn also die Sozialhilfebedürftigkeit
in Teilbereichen fortbesteht, hat der Hilfeempfänger, der nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG vertraglich gegen Entgelt arbeitet, einen arbeitsrechtlichen Entgeltanspruch.