Sozialhilferecht: Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft, Krankenversicherungsbeiträge
»1. Eine eheähnliche Gemeinschaft i.S. von § 122 Satz 1 BSHG ist gegeben, wenn zwei miteinander nicht verheiratete Personen, zwischen denen die Ehe jedoch rechtlich grundsätzlich möglich
ist, wie ein nicht getrennt lebendes Ehepaar in gemeinsamer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben, sie also in Übereinstimmung
einen gemeinsamen Haushalt so führen, wie es für zusammenlebende Ehegatten typisch ist (im Anschluß an BSG, 24.03.1988, FEVS
38, 334 [337] = SozR 4100 § 138 AFG Nr. 17).
2. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, beurteilt sich nach allen äußeren, objektiv erkennbaren Umständen. Entgegenstehende
Erklärungen der Partner kommt in der Regel keine durchgreifende Bedeutung zu.
3. Der auf finanzielle Unterstützung angewiesene Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft besitzt auch keinen Anspruch auf
Hilfe nach §§ 13 Abs. 2, 37 BSHG, selbst wenn im Fall der Ehe (kostenloser) Krankenversicherungsschutz im Rahmen der Familienversicherung bestünde (a.A. VGH
Baden-Württemberg, 11.09.1985, FEVS 35, 108 [113]; Beschluß 08.01.1987, ZfF 1987, 87). «
Gründe:
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Auch mit dem Beschwerdevorbringen werden die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht
(§
123 Abs.
1 und
3 VwGO, §
920 Abs.
2 ZPO). Zwar dürfte die Annahme eines Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt nicht mehr -- wie indes das Verwaltungsgericht gemeint
hat -- daran scheitern, daß der Antragstellerin ein vorrangig zu realisierender Unterhaltsanspruch nach §
1615 1 Abs.
2 BGB gegen den Vater ihres Kindes zusteht. Dieser Anspruch setzt nämlich voraus, daß das Kind ursächlich dafür ist, daß die Mutter
einer Erwerbstätigkeit nicht oder nur beschränkt nachgehen kann (BGH, Urt. v. 6.12.1984, BGHZ Bd. 93 S. 123, 128; OLG Hamm, Urt. v. 3.10.1988, FamRZ 1989 S. 619). Hieran fehlt es vorliegend, da die Antragstellerin ihr Kind offenbar jederzeit durch ihre Mutter betreuen lassen könnte
(vgl. die eidesstattliche Versicherung der Mutter). Die Antragstellerin wäre damit auch einverstanden. Sie geht -- wie sie
erklärt hat -- allein deshalb zur Zeit keiner Erwerbstätigkeit nach, weil sie während ihrer Umschulungsmaßnahme eine Art "schöpferische
Pause" einlegen möchte. -- Wie dieser Umstand im übrigen im Blick auf § 18 Abs. 1 BSHG zu werten wäre, läßt der Senat offen. --
Ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 11, 12 BSHG ist aber deshalb nicht ausreichend glaubhaft gemacht, weil vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft (§ 122 BSHG) zwischen der Antragstellerin und Herrn ... auszugehen ist. Da nicht substantiiert behauptet wird, daß das Einkommen von
Herrn ... nicht ausreichend sei, den sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf der Einsatzgemeinschaft nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG i.V.m. § 122 BSHG zu decken, fehlt es somit an der Hilfsbedürftigkeit der Antragstellerin.
Eine ähnliche Gemeinschaft nimmt der Senat aus folgenden Gründen an: In rechtlicher Hinsicht ist eine derartige Gemeinschaft
dann gegeben, wenn zwei miteinander nicht verheiratete Personen, zwischen denen die Ehe jedoch rechtlich grundsätzlich möglich
ist, wie ein nicht getrennt lebendes Ehepaar in gemeinsamer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben, sie also in Übereinstimmung
einen gemeinsamen Haushalt so führen, wie es für zusammenlebende Ehegatten typisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.1.1977, BVerwGE
Bd. 52 S. 11; BSG, Urt. v. 24.3.1988, FEVS Bd. 38 S. 334, 337 = SozR 4100 § 138 AFG Nr. 17; BVerfG, Beschluß v. 16.12.1958, BVerfGE Bd. 9 S. 20, 30). Diese Voraussetzungen dürften hier mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen.
Alle äußeren, objektiv erkennbaren Umstände deuten darauf hin, daß das Zusammenleben der Antragstellerin mit Herrn ... ein
sozialtypisches Verhalten darstellt, wie es für zusammenlebende Ehegatten eigentümlich ist: Sie leben inzwischen seit drei
Jahren zusammen. Es ist nicht erkennbar, daß ihr Zusammenziehen nicht auf freier Entscheidung, sondern auf einer irgendwie
gearteten Zwangslage beruhen könnte. Auch ist nicht ersichtlich, daß ihr Zusammenleben von vornherein nur von vorübergehender
Natur sein sollte, um etwa eine Zeit der Wohnungslosigkeit bis zum Bezug einer eigenen Wohnung überbrücken zu können. Sie
verbringen teilweise gemeinsam ihre Freizeit und unterhalten geschlechtliche Beziehungen. Beide haben eine enge Beziehung
zu dem gemeinsamen Kind. Der Vater -- so die Antragstellerin -- sperrt sich gegen einen Auszug von Mutter und Kind, da er
das Kind nicht "hergeben" möchte. Andere enge Lebenspartner sind offenbar nicht vorhanden.
Alle diese Umstände sind gewichtige Anzeichen für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft (BVerwG, a.a.O.; BSG, a.a.O.;
Schwabe, ZfS 1988 S. 33, 44). Ihnen gegenüber kommt den Erklärungen der Antragstellerin und der eidesstattlichen Versicherung von Herrn ... keine durchgreifende
Bedeutung zu. Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie habe ein eigenes Zimmer, die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten seien
zwischen ihnen aufgeteilt und sie trage ihre Lebenshaltungskosten selbst, spricht dies nicht schon gegen das Vorliegen einer
eheähnlichen Gemeinschaft, denn auch in Ehen sind derartige Gestaltungsformen des Zusammenlebens anzutreffen (vgl. BSG, a.a.O.,
S. 341). Im übrigen erscheint dieses Vorbringen in Anbetracht der objektiven Gegebenheiten wenig glaubwürdig. Angesichts der
finanziellen Vorteile für beide Partner der Gemeinschaft liegt es nahe, das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft schlicht
zu bestreiten (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 15). Aus diesem Grund vermag auch die eidesstattliche Versicherung von Herrn ... den
objektiven Befund nicht zu erschüttern.
Der Antragstellerin steht auch nicht wenigstens ein Anspruch auf die bisher geleistete Hilfe nach § 13 Abs. 2 BSHG (Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge) zu. Zwar wird vereinzelt vertreten, daß ein Anspruch nach § 13 Abs. 2 BSHG (und auch nach § 37 BSHG) durch § 122 BSHG unberührt bleibe, wenn im Falle der Ehe in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Anspruch auf Leistungen im Rahmen der
Familienversicherung (§ 205
RVO, jetzt §
10 SGB V) bestehe, für den der versicherte Ehegatte nämlich keine weiteren Beiträge zahlen müßte (so VGH Mannheim, Urt. v. 11.9.1985,
FEVS Bd. 35 S. 108, 113; Beschluß v. 8.1.1987, ZfF 1987 S. 87; "Briefkasten-Auskunft" in ZfF 1985 S. 65; im Anschluß an VGH Mannheim: Mergler/Zink, BSHG, § 122 Rdnr. 7; LPK-BSHG, 2. Aufl., § 122 Rdnr. 14; Schwabe, a.a.O., S. 43). Dieser Ansicht folgt das Beschwerdegericht indes nicht. Ob -- wie der VGH Mannheim meint
-- im Falle der Ehe "kostenloser" Versicherungsschutz bestünde, ist für § 122 BSHG unerheblich. Nach dieser Vorschrift sollen die Partner in sozialhilferechtlicher Hinsicht nicht besser gestellt werden als
Ehegatten. Es ist mithin darauf abzustellen, ob und ggfs. in welcher Höhe die Partner als Eheleute Sozialhilfeansprüche hätten
(vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 24.2.1972, FEVS Bd. 21 S. 258, 262). Hätten Eheleute danach infolge ausreichenden Einkommens keinen
Anspruch auf Sozialhilfeleistungen, scheidet auch ein Anspruch für die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft aus, wobei
es unerheblich ist, daß sie als Eheleute familienversichert wären. § 122 BSHG soll eine sozialhilferechtliche Besserstellung eheähnlicher Partner verhindern, sie aber nicht davor bewahren -- wie indes
der VGH Mannheim meint -- "daß der andere Partner Leistungen erbringen muß, die ein Ehegatte (wegen der Familienversicherung)
nicht zu erbringen hat". Daß der Krankenversicherungsschutz für Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft u.U. teurer erkauft
werden muß, beruht auf deren Lebensentscheidung; die Sozialhilfe ist nicht dafür gedacht, derartige Belastungen auszugleichen.
Daher brauchte nicht ermittelt zu werden, ob Herr ... Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.