Tatbestand:
Der Zeuge hielt sich in B. auf, als bei ihm starke Schmerzen auftraten und eine sofortige stationäre ärztliche Behandlung
erforderlich machten. Er suchte zunächst ein Krankenhaus in B. auf, wurde jedoch abgewiesen. Daraufhin fuhr der Zeuge nach
H., wo er im Krankenhaus des Klägers wegen einer Nebenhodenentzündung behandelt wurde. Die Kosten seiner Behandlung beliefen
sich auf 1.059,-- DM. Der Kläger beantragte beim Beklagten, in dessen Zuständigkeitsbereich das Krankenhaus des Klägers liegt,
die Übernahme der Behandlungskosten, weil es sich um einen Notfall gehandelt habe. Dies lehnte der Beklagte ab. Nach erfolglosem
Vorverfahren hat der Kläger Klage erhoben. Das VG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, nicht der Beklagte, sondern
die Stadt B. sei zuständiger Träger der Sozialhilfe, weil dort die Behandlungsbedürftigkeit des Zeugen entstanden sei. Die
Berufung hat Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Die Verpflichtungsklage des Klägers ist begründet (§
113 Abs.
4 VwGO). Der Beklagte ist nämlich gemäß § 121 BSHG verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die Behandlung des Zeugen in der Zeit vom 7. bis 11.11.1982 in Höhe von 1.059,--
DM zu erstatten. Hat jemand in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger
Kenntnis nach diesem Gesetz gewährt haben würde, sind ihm nach dieser Vorschrift auf Antrag die Aufwendungen in gebotenem
Umfange zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Dies gilt nur,
wenn er den Antrag innerhalb angemessener Frist gestellt hat.
Der Kläger hat seinen Antrag auf Ersatz seiner Aufwendungen gemäß § 121 Satz 2 BSHG innerhalb angemessener Frist gestellt. Nachdem der Zeuge am 11.11.1982 aus dem Krankenhaus entlassen worden war, ist mit
der Stellung des Antrages vom 13.12.1982 die angemessene Frist für die Geltendmachung des Ersatzanspruches gewahrt. (Vgl.
dazu BVerwG, Urteil vom 27.1.1971 -- V C 74.70 --, BVerwGE 37, 133 = FEVS 18, 121).
Auch die Voraussetzungen der Erstattungsvorschrift des § 121 Satz 1 BSHG liegen im einzelnen vor.
Der Kläger ist als "jemand" im Sinne der Vorschrift Anspruchsberechtigter. Unter "jemand" sind zwar in erster Linie natürliche
Personen zu verstehen. Aber auch das Eintreten einer juristischen Person ist denkbar, zum Beispiel einer privaten oder caritativen
Krankenanstalt, die wie im vorliegenden Falle einen plötzlich Erkrankten versorgt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, daß eine Anwendung der Vorschrift des § 121 BSHG deshalb ausscheidet, weil zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Kläger eine ausdrückliche oder stillschweigende Übereinkunft
bezüglich solcher Hilfeleistungen bestünde, aus der der Kläger einen Anspruch auf Aufwendungsersatz herleiten könnte. (Vgl.
dazu Knopp/Fichtner, BSHG, Kommentar, 6. Auflage, 1988, § 121 Randnote 2.).
Der Kläger hat dem Zeugen am 7.11.1982 auch in einem "Eilfall" Hilfe geleistet. Ein "Eilfall" im Sinne des § 121 BSHG ist gegeben, wenn die rechtzeitige Hilfeleistung des Trägers der Sozialhilfe von vornherein ausgeschlossen erscheint. Dabei
ist ausschlaggebend, ob der dem Nothelfer bekannte Sachverhalt bei objektiver Beurteilung so gelagert war, daß er berechtigterweise
davon ausgehen konnte, sofort Hilfe leisten zu müssen. (Vgl. VGH Bad-Württ, Urteil vom 3.9.1986 -- 6 S 1530/85 --, FEVS 36, 139 = ZfSH/SGB 1987, 154).
Infolge der bei dem Zeugen aufgetretenen Nebenhodenentzündung mit Begleiterguß und den damit vom Zeugen glaubhaft geschilderten
starken Schmerzen waren ein sofortiges ärztliches Eingreifen und die Aufnahme in ein Krankenhaus dringend erforderlich. Es
konnte nicht abgewartet werden, bis die Notlage dem Sozialhilfeträger bekannt war und dieser eine Entscheidung getroffen hatte.
Der Beklagte hätte auch die Hilfe in Form der Krankenhausbehandlung bei rechtzeitiger Kenntnis nach diesem Gesetz gewährt.
Insbesondere wäre der Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis für die Hilfegewährung -- entgegen der Auffassung des VG -- örtlich
zuständig gewesen. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich
aufhält. Der Zeuge hielt sich am 7.11.1982 als Hilfesuchender tatsächlich im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in H. auf,
als er in seiner krankheitsbedingten Notlage um Aufnahme in das Krankenhaus nachsuchte. Der Zeuge ging dabei davon aus, daß
seine Notlage sachgerecht und wirksam durch eine Behandlung im Krankenhaus des Klägers behoben werden könnte. (Vgl. BVerwG,
Urteil vom 11.2.1982 -- 5 C 119.79 --, BVerwGE 65, 45 = FEVS 31, 309 = ZfSH 1982, 248 = NDV 1982, 237; Urteil vom 13.1.1983 -- 5 C 98.81 --, BVerwGE 66, 335 = FEVS 32, 221 = ZfSH 1983, 179 = NDV 1984, 41.)
Daß der Beklagte von der Hilfebedürftigkeit des Zeugen vor und während der Behandlung tatsächlich keine Kenntnis im Sinne
des § 5 BSHG erhalten hat, ist bei der Anwendung des § 121 BSHG unerheblich. Es ist zwar anerkannt, daß sich die örtliche Zuständigkeit des Trägers nach dem tatsächlichen Aufenthalt des
Hilfesuchenden im Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Notlage richtet. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.2.1988 -- 5 C 89.85 --, BVerwGE 79, 46 = FEVS 37, 177 = DÖV 1988, 736 = NVwZ 1989, 259 = NDV 1988, 282; OVG NW, Urteil vom 29.4.1986 -- 8 A 1934/84 --, OVGE 38, 250 = FEVS 36, 205.)
Das gilt aber nur für die Hilfegewährung durch den Träger der Sozialhilfe an den Hilfesuchenden selbst. Soweit es dagegen
um die Bestimmung der Zuständigkeit im Rahmen des § 121 BSHG geht, ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Dies folgt daraus, daß § 121 BSHG eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des § 5 BSHG insofern darstellt, als unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen die Gewährung der Hilfe schon zu einem Zeitpunkt
einsetzt, in dem der Träger der Sozialhilfe von der Notlage noch keine Kenntnis hat. Der Mangel der Kenntnis des Trägers der
Sozialhilfe von der -- unter Umständen im einzelnen erst noch festzustellenden -- Notlage ist gerade Tatbestandsmerkmal des
§ 121 Satz 1 BSHG ("... bei rechtzeitiger Kenntnis ..."). Im Zusammenhang damit steht das Wort "erstatten", mit dem ausgedrückt ist, daß es
sich um in der Vergangenheit entstandene Aufwendungen handelt, nicht aber um solche, die gegenwärtig entstehen oder erst noch
entstehen werden. Dabei werden "Gegenwart" und "Zukunft" durch den Zeitpunkt des Bekanntwerdens des möglichen Hilfefalles
bei dem Träger der Sozialhilfe bestimmt. Hieraus folgt zwingend, daß Ansprüche des Nothelfers nach § 121 BSHG ausgeschlossen sind, sobald der Träger der Sozialhilfe Kenntnis von der andauernden Bedürftigkeit des Hilfesuchenden erhält.
(Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.4.1987 -- 5 C 67.84 --, BVerwGE 77, 181 = FEVS 36, 361 = NVwZ 1988, 153 = NDV 1987, 363.)
Damit wäre es unvereinbar, würde man die Beurteilung der Frage, ob der nach § 121 BSHG angegangene Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis auch für die Hilfegewährung zuständig gewesen wäre, gerade
von seiner rechtzeitigen Kenntnis abhängig machen. Mit der gesetzlichen Formulierung "bei rechtzeitiger Kenntnis" wird gleichsam
eine Kenntnis, die tatsächlich nicht vorgelegen hat und auch nicht vorgelegen haben darf, als tatsächlich gegeben unterstellt.
Insofern gilt im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis Sozialhilfe gewährt
haben würde, hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit nichts anderes als für den Zeitpunkt des Einsatzes der Hilfe. Maßgebend
für die örtliche Zuständigkeit im Rahmen der Frage, ob der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis Sozialhilfe gewährt
haben würde, kann daher nur sein, wo der Hilfebedürftige im Zeitpunkt der Hilfegewährung durch den Nothelfer seinen tatsächlichen
Aufenthalt hatte. Das war, wie bereits dargelegt, im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
Der Beklagte wäre als zuständiger Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis auch in Ansehung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen
verpflichtet gewesen, die Kosten für den Zeugen bis zu dem Betrag von 1.059,-- DM im Rahmen der Krankenhilfe (§ 37 BSHG) zu übernehmen...