Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt eines Kindes bei Wiederverheiratung; Berücksichtigung des Kindesunterhalts bei der
Bemessung weiterer Unterhaltspflichten
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Unterhalt aus Anlaß der Geburt eines Kindes gemäß §
1615 l
BGB.
Der Beklagte ist Vater der am 4. September 2000 geborenen Tochter der Klägerin. Er hat seine Unterhaltspflicht für das Kind
für die Zeit ab dem 1. November 2001 mit Jugendamtsurkunde vom 18. Oktober 2001 in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages
abzüglich anzurechnenden hälftigen Kindergeldes, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages übersteigt,
anerkannt und für die vorangegangene Zeit rückständigen Kindesunterhalt gezahlt. Die Klägerin hat am 11. Januar 2002 ihren
jetzigen Ehemann geheiratet und am 28. Mai 2002 einen Sohn geboren.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu Unterhaltsleistungen an die Klägerin für die Zeit vom 24. Juli 2000 bis zum 4. September
2003 - also über den Zeitpunkt ihrer Heirat hinaus - in unterschiedlicher Höhe verurteilt. Dabei hat es von dem bereinigten
Einkommen des Beklagten nur den um das halbe Kindergeld geminderten Zahlbetrag auf Kindesunterhalt abgesetzt. Nach Abzug weiterer
Verbindlichkeiten hat es für den Beklagten den angemessenen Selbstbehalt, zeitlich gestaffelt, zuletzt in Höhe von 1.000 EUR
berücksichtigt. So ist es zu einer ebenfalls gestaffelten Leistungsfähigkeit des Beklagten, zuletzt in Höhe von 115 EUR, gelangt.
Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht für die Zeit nach dem 11. Januar
2002 und eine zusätzliche Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldes auch im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt für die Zeit ab dem 12. Januar 2002 zur Klagabweisung und, soweit im übrigen zum Nachteil
des Beklagten entschieden ist, zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
A. 1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 701 veröffentlicht ist, hat den Beklagten auch über den Zeitpunkt der Heirat der Klägerin hinaus zu Unterhaltszahlungen verurteilt.
Nach einhelliger Auffassung könne eine aus der Ehe folgende Unterhaltspflicht nach den §§
1361,
1569 ff.
BGB neben einer solchen aus §
1615 l
BGB bestehen, wenn letztere erst entstehe, nachdem der aus der Ehe hervorgegangene Unterhaltsanspruch schon bestanden habe. Das
müsse umgekehrt auch dann gelten, wenn die Ehe, die einen Anspruch auf Ehegattenunterhalt begründe, erst geschlossen werde,
nachdem schon ein Unterhaltsanspruch gemäß §
1615 l
BGB entstanden war. Diese Auffassung sei nicht verfassungswidrig, weil §
1586 Abs.
1 BGB nur einen nachehelichen Unterhaltsanspruch bei Wiederheirat entfallen lasse und die im Gesetz nicht vorgesehene Geltung für
den Unterhaltsanspruch nach §
1615 l
BGB nicht zu einer Diskriminierung des Instituts der Ehe führe. Der Anspruch einer Mutter auf den Schutz und die Fürsorge der
Gemeinschaft nach Art.
6 Abs.
4 GG sei nicht verletzt, weil ein Unterhaltsanspruch aus §
1570 BGB im Gegensatz zu demjenigen aus §
1615 l
BGB zusätzlich auf der grundsätzlich lebenslangen Bindung als Folge des Eheversprechens beruhe. Eine Verletzung des Art.
6 Abs.
5 GG scheide deswegen aus, weil der Schutz des §
1615 l
BGB dem betreuten Kind ohnehin nur mittelbar zugute komme und nicht das Kind, sondern der betreuende Ehegatte Inhaber des Anspruchs
sei. Dieses rechtfertige insoweit eine Ungleichbehandlung der Ansprüche aus §
1570 und §
1615 l
BGB. Im Gesetz finde sich eine Vielzahl von Vorschriften, die den Anspruch aus §
1570 BGB gegenüber demjenigen aus §
1615 l
BGB besser stellten. Bei einer Gesamtschau könne deshalb eine Besserstellung in einem einzelnen Punkt noch als Korrektiv einer
insgesamt gegebenen "Disprivilegierung" angesehen werden; eine gleichheitswidrige Privilegierung dieses Anspruchs liege darin
nicht.
2. Bei der Bemessung des Unterhalts hat das Berufungsgericht vom Einkommen des Beklagten den nach §
1615 l Abs.
3 Satz 3
BGB vorrangig zu berücksichtigenden Kindesunterhalt lediglich mit dem Zahlbetrag abgesetzt. Das habe - so das Berufungsgericht
- zwar zur Konsequenz, daß dem Beklagten das hälftige Kindergeld nicht zusätzlich zum angemessenen Selbstbehalt verbleibe,
sei aber aus Gründen der Billigkeit geboten. Kindergeld zähle nicht ausnahmslos zum "unterhaltsfesten" Einkommen und diene
in erster Linie einer Steuervergütung als Vorausleistung auf eine einkommensteuerliche Entlastung. Solche Steuervergütungen
seien zwar nicht bei der Bedarfsermittlung, jedoch bei der Leistungsfähigkeit dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen
hinzuzurechnen. Jedenfalls im Mangelfall, wenn also der Mindestbedarf der Unterhaltsberechtigten nicht anders gedeckt werden
könne, sei das Kindergeld zumindest gegenüber denjenigen Familienmitgliedern bedarfsdeckend einzusetzen, die vom Förderungszweck
mit umfaßt seien. Dazu gehöre neben dem Kind auch der nach §
1615 l
BGB anspruchsberechtigte Elternteil, hier also die klagende Mutter.
B. In beiden Punkten hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision nicht stand. Die Fortdauer einer Unterhaltspflicht
nach §
1615 l
BGB über die Wiederheirat der Berechtigten hinaus ist mit der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang zu bringen. Die Bemessung
des Unterhalts ohne Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldes widerspricht außerdem der Rechtsprechung des Senats.
I. Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin scheidet für die Zeit ab ihrer Heirat in analoger Anwendung des §
1586 Abs.
1 BGB aus.
1. Das Gesetz enthält für den Unterhaltsanspruch nach §
1615 l
BGB - im Gegensatz zum nachehelichen Unterhaltsanspruch, z.B. nach §
1570 BGB - keine ausdrückliche Regelung, wie zu verfahren ist, wenn die unterhaltsberechtigte Mutter einen anderen Mann als den Vater
ihres Kindes heiratet. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte dieser gesetzlichen Bestimmung und aus einem Vergleich mit anderen
gesetzlichen Unterhaltsansprüchen ergibt, handelt es sich dabei um eine unbewusste Regelungslücke.
a) Ansprüche der Mutter gegen den Vater aus Anlaß der Geburt sind in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr den Unterhaltsansprüchen
getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten angeglichen worden.
Ursprünglich sah das Gesetz in §
1715 BGB lediglich einen reinen Ersatzanspruch der nichtehelichen Mutter für Aufwendungen infolge der Schwangerschaft und Entbindung
vor. Erst mit dem Gesetz über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder vom 19. August 1969 (BGBl 1969 I 1243) ist mit
Wirkung zum 1. Juli 1970 in §
1615 l Abs.
1 BGB ein echter Unterhaltsanspruch der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt geschaffen worden
(vgl. Puls FamRZ 1998, 865, 866). Darüber hinaus war nach §
1615 l Abs.
2 BGB damaliger Fassung Unterhalt bis höchstens ein Jahr nach der Geburt nur geschuldet, wenn die Mutter wegen schwangerschaftsbedingter
Krankheit oder weil das Kind anderenfalls nicht versorgt werden konnte, nicht erwerbstätig war. Wie der Unterhaltsanspruch
der getrennt lebenden oder der geschiedenen Mutter war der Unterhaltsanspruch nach §
1615 l Abs.
2 BGB fortan von der Bedürftigkeit der Mutter und der Leistungsfähigkeit des Vaters abhängig (Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 753, 756; Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 1212).
Mit Wirkung zum 1. Oktober 1995 wurde die Unterhaltspflicht durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz vom 21.
August 1995 (SFHÄndG, BGBl. I S. 1050) auf drei Jahre ab der Entbindung verlängert. Zugleich wurde der Wortlaut des §
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB demjenigen des §
1570 BGB angeglichen. Seitdem richtet sich die Pflicht zur Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit deswegen - wie bei dem Anspruch
auf nachehelichen Unterhalt - nur nach der Zumutbarkeit für die Mutter. Inzwischen ist §
1615 l Abs.
2 Satz 3
BGB durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (KindRG, BGBl. I S. 2942) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 dahin abgeändert worden, daß sich die Unterhaltspflicht über die dreijährige
Frist hinaus verlängert, sofern es grob unbillig wäre, den Unterhaltsanspruch nach Ablauf dieser Frist zu versagen (zur Gesetzesgeschichte
vgl. Wendl/Pauling aaO. § 6 Rdn. 750; Göppinger/Wax/Maurer aaO. Rdn. 1210; Büdenbender FamRZ 1998, 129, 130). Auch dafür waren im Hinblick auf den Schutzzweck, nämlich dem Kind die Sorge und Erziehung durch die Mutter zu ermöglichen,
verfassungsrechtliche Erwägungen ausschlaggebend.
Auch sonst ist der Anspruch der Mutter aus Anlaß der Geburt nach §
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB dem Unterhaltsanspruch nach §
1570 BGB inhaltlich immer weiter angeglichen worden. Nach der ursprünglichen Fassung des §
1615 l Abs.
2 BGB mußte die Nichterwerbstätigkeit der Mutter darauf beruhen, daß ihr Kind anderenfalls nicht versorgt werden konnte. Es stand
deswegen nicht im Belieben der Mutter, das Kind selbst zu versorgen, sondern sie hatte den Nachweis zu führen, daß eine anderweitige
Möglichkeit der Kindesbetreuung, z.B. in einer Kindertagesstätte, nicht bestand (vgl. Senatsurteil BGHZ 93, 123, 128). Seit der Neuregelung durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz vom 21. August 1995 sieht §
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB dagegen einen Anspruch bereits dann vor, wenn von der Mutter wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit
nicht erwartet werden kann. Zwar ist die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes auch hier Voraussetzung. Mit der weitgehenden
Angleichung der Anspruchsvoraussetzungen an den für die Betreuung ehelicher Kinder geltenden §
1570 BGB sollte aber die soziale und wirtschaftliche Ausgangslage des nichtehelichen Kindes mittelbar dadurch verbessert werden, daß
die Mutter nicht mehr nachweisen muß, daß sie mangels anderweitiger Versorgungsmöglichkeit des Kindes nicht erwerbstätig sein
kann (Wever/Schilling FamRZ 2002, 581 f.; Büttner FamRZ 2000, 781, 782; Reinecke ZAP Fach 11 S. 527). Die Erweiterung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt sollte den Vater mehr in die Verantwortung
dafür einbeziehen, daß ein nichteheliches Kind während der ersten drei Lebensjahre in den Genuß der persönlichen Betreuung
durch die Mutter kommt, was durch den Unterhaltsanspruch sichergestellt wird (BT-Drucks. 13/1850 S. 24). Darauf, ob ohne die
Kindesbetreuung eine Erwerbstätigkeit ausgeübt würde, ob also die Kindesbetreuung die alleinige Ursache für die Nichterwerbstätigkeit
ist, kommt es nicht mehr an (Senatsurteil vom 21. Januar 1998 - XII ZR 85/96 - FamRZ 1998, 541, 543).
Diese bürgerlich-rechtliche Wertung korrespondiert mit weiteren sozial- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, in
denen die Vollendung des dritten Lebensjahres durch das Kind Bedeutung erlangt. Nach § 24 Abs. 1 SGB VIII steht dem Kind von der Vollendung seines dritten Lebensjahres an ein gesetzlich garantierter Kindergartenplatz zu. Ebenso
sind der Anspruch seiner Mutter auf Elternzeit und die rentenversicherungsrechtlich anrechenbaren Erziehungszeiten auf drei
Jahre seit der Geburt begrenzt (§§ 15 Abs. 2 BErzGG,
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VI). Nach § 18 Abs. 3 Satz 3 BSHG ist eine geordnete Erziehung des Kindes nach Vollendung des dritten Lebensjahres in der Regel nicht gefährdet, wenn seine
Betreuung in einer Tageseinrichtung möglich ist (vgl. Göppinger/Wax/Maurer aaO. Rdn. 1210).
Neben dieser materiell-rechtlichen Ausgestaltung sind die Unterhaltsansprüche aus Anlaß der Geburt nach §
1615 l
BGB auch prozeßrechtlich solchen auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nach §
1570 BGB angeglichen worden. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz hat mit Wirkung vom 1. Juli 1998 durch Einführung des §
23 b Abs.
1 Nr.
13 GVG und des § 621 Abs. 1 Nr. 11
ZPO für den Rechtsweg die Zuständigkeit der Familiengerichte eröffnet.
Diese weitgehende Angleichung des Anspruchs nach §
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB mit dem Anspruch der getrennt lebenden oder geschiedenen Mutter aus den §§
1361 und
1570 BGB hat den Senat veranlaßt, Ansprüche anteilig zuzusprechen, wenn die Mutter, die schon wegen der Betreuung ehelicher Kinder
an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, später durch die Geburt eines weiteren Kindes auch einen Unterhaltsanspruch nach
§
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB erlangt (Senatsurteil vom 21. Januar 1998 aaO.). Trotz der allgemeinen Verweisung in §
1615 l Abs.
3 Satz 1
BGB auf die Unterhaltsvorschriften zwischen Verwandten würde eine vorrangige Haftung des - getrennt lebenden oder geschiedenen
- Ehemannes vor dem nach §
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB unterhaltspflichtigen Vater eines weiteren Kindes in Anwendung des §
1608 BGB nicht zu interessengerechten Ergebnissen führen. Denn nach der ausdrücklichen Regelung in §
1615 l Abs.
3 Satz 2
BGB haftet der nicht mit der Mutter verheiratete Vater gerade nicht gleichrangig mit den sonstigen Verwandten der Mutter, sondern
geht ihnen vor. Auch dieses qualifiziert den Unterhaltsanspruch der Mutter aus Anlaß der Geburt nicht als typischen Anspruch
auf Verwandtenunterhalt, sondern eher als einen dem Unterhaltsanspruch nach §
1570 BGB vergleichbaren Anspruch. Dafür spricht auch der Schutzzweck dieser Vorschrift, nämlich die Kindesmutter jedenfalls während
der ersten drei Lebensjahre des Kindes von ihrer Erwerbspflicht zu befreien, um sich in vollem Umfang der Pflege und Erziehung
des Kindes widmen zu können. Die fortschreitende Angleichung der Unterhaltsansprüche einer nicht verheirateten Mutter aus
Anlaß der Geburt an solche einer geschiedenen Ehefrau nach §
1570 BGB war insoweit auch gemäß Art.
6 Abs.
5 GG von Verfassung wegen geboten (vgl. Begr. zum Kindschaftsrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 13/4899, S. 89; Wagner NJW 1998, 3097). Dieser Umstand, aber auch der allgemeine Schutz der Ehe und Familie aus Art.
6 Abs.
1 GG ist deswegen im Rahmen der Auslegung der Vorschrift des §
1615 l
BGB zu berücksichtigen.
Soweit §
1615 l Abs.
3 Satz 1
BGB andererseits nach wie vor ergänzend auf die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten verweist, trägt die
Regelung der Entwicklung des Anspruchs auf Unterhalt aus Anlaß der Geburt nicht hinreichend Rechnung. Zwar steht der Vater
des außerhalb einer Ehe geborenen Kindes nicht einem getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten gleich; ebenso wenig ist
er aber mit der Mutter verwandt. Der Zweck des Unterhaltsanspruchs aus §
1615 l Abs.
2 BGB, nämlich für eine gewisse Zeit die Sorge und Erziehung des Kindes zu sichern, ist - wie ausgeführt - dem Anspruch des §
1570 BGB grundsätzlich vergleichbar. Wenn der Gesetzgeber trotz dieser großen Nähe beider Ansprüche gleichwohl von einer dem §
1586 Abs.
1 BGB entsprechenden Regelung abgesehen, dessen Anwendung aber auch nicht ausgeschlossen hat, kann das nur auf einer unbeabsichtigten
Regelungslücke beruhen.
b) Allerdings hat der Gesetzgeber trotz der weitgehenden Angleichung der Ansprüche der Mutter aus Anlaß der Geburt an die
Unterhaltsansprüche der getrennt lebenden oder der geschiedenen Ehefrau im übrigen an einer unterschiedlichen Ausgestaltung
der Ansprüche festgehalten. Dem abweichenden Vorschlag des Bundesrats, der die dreijährige Unterhaltspflicht nach §
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB durch eine entsprechende Geltung der §§
1570,
1577 BGB mit Versagungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen ergänzen wollte, ist der Gesetzgeber nämlich nicht gefolgt (vgl. BT-Drucks.
13/4899 S. 149 f. und den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags BT-Drucks. 13/8511 S. 79; Göppinger/Wax/Maurer aaO.
Rdn. 1211 Fn. 11). Soweit er in § 1615 l Abs. 2 Satz 3
ZPO die dreijährige Befristung des Anspruchs beibehalten und lediglich eine Verlängerungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen vorgesehen
hat, hat er §
1615 l
BGB von §
1570 BGB abgegrenzt, da letzterer außerdem von der vorangegangenen Ehe und damit dem Grundsatz der nachwirkenden ehelichen Solidarität
mitbestimmt wird (vgl. Wever/Schilling FamRZ 2002, 581, 583; Büttner FamRZ 2000, 781, 786; Wellenhofer-Klein FuR 1999, 448, 452; Müller DAVorm 2000, 829, 834 ff.). Indessen beschränkt sich dieser Gesichtspunkt auf die ausdrücklich abweichend geregelten Umstände und steht der
oben dargestellten grundsätzlichen Gleichstellung nicht entgegen, insbesondere soweit beide Unterhaltstatbestände einer gemeinsamen
Zweckbestimmung unterliegen.
2. Die für den Unterhaltsanspruch nach §
1615 l Abs.
2 BGB somit ungeregelte Frage, ob der Anspruch mit einer Heirat der Unterhaltsberechtigten unabhängig von der Leistungsfähigkeit
des neuen Ehemannes entfällt, ist im Wege der von Verfassungs wegen gebotenen analogen Anwendung des §
1586 Abs.
1 BGB zu lösen (a.A. neben dem Berufungsurteil OLG Schleswig FamRZ 2000, 637 f. und OLG München OLGR 2002, 144 sowie dem folgend Wendl/Pauling aaO. § 6 Rdn. 769 und Eschenbruch, Der Unterhaltsprozeß
3. Aufl. Rdn. 4039).
Nach §
1615 l Abs.
3 Satz 1
BGB sind auf den Unterhaltsanspruch aus Anlaß der Geburt grundsätzlich zwar nicht die Vorschriften über den Unterhalt des geschiedenen
Ehegatten, zu denen nach der systematischen Stellung im Gesetz auch §
1586 BGB zählt, sondern die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten entsprechend anwendbar. Wie sich allerdings
schon aus der besonderen Vorschrift zur Rangfolge in §
1615 l Abs.
3 Satz 2
BGB und der Regelung zur Fortdauer der Unterhaltspflicht beim Tod des Unterhaltspflichtigen nach §
1615 l Abs.
3 Satz 5
BGB ergibt, kann auf die allgemeinen Vorschriften zur Unterhaltspflicht zwischen Verwandten nur dann zurückgegriffen werden,
wenn es den Besonderheiten des Unterhaltsanspruchs aus §
1615 l
BGB nicht widerspricht. Der fehlende Hinweis auf die Anwendbarkeit des §
1586 BGB schließt deswegen eine analoge Anwendung wegen der gleichen Interessenlage jedenfalls nicht aus. Der Unterhaltsanspruch des
geschiedenen Ehegatten, der im Falle einer Wiederheirat nach §
1586 Abs.
1 BGB entfällt, ist sogar stärker ausgeprägt und beruht neben dem Zweck einer Sicherung der Pflege und Erziehung des Kindes auch
auf einer fortgeltenden nachehelichen Solidarität der geschiedenen Ehegatten. Wenn bei Wiederheirat der Unterhaltsberechtigten
selbst dieser Unterhaltsanspruch nach §
1586 Abs.
1 BGB entfällt, muß das aus Sicht des Unterhaltspflichtigen erst recht für den Anspruch aus §
1615 l Abs.
2 BGB gelten.
Eine abweichende Beurteilung ist auch aus der Sicht der unterhaltsberechtigten Mutter nicht geboten. Mit der Heirat erwirbt
sie einen Anspruch auf Familienunterhalt nach §
1360 BGB, der zum Erlöschen früherer Unterhaltsansprüche führt, ohne nach einzelnen Unterhaltstatbeständen zu differenzieren (Senatsurteil
vom 30. September 1987 - IVb ZR 71/86 - FamRZ 1988, 46). Darin unterscheidet sich der Fall von der Konstellation in dem Senatsurteil vom 21. Januar 1998. Dort war der Unterhaltsanspruch
aus Anlaß der Geburt erst entstanden, als die noch verheiratete Mutter von ihrem Ehemann bereits getrennt lebte und ihr ein
Unterhaltsanspruch gemäß §
1361 BGB zustand. Die anteilige Haftung des Ehemanns einerseits und des Vaters des Kindes andererseits in entsprechender Anwendung
des §
1606 Abs.
3 Satz 1
BGB bezog sich somit auf konkurrierende Unterhaltsansprüche aus gescheiterter Ehe einerseits mit einem neu hinzugekommenen Anspruch
aus §
1615 l
BGB andererseits. Im vorliegenden Fall ist dagegen während der laufenden Unterhaltspflicht gemäß §
1615 l Abs.
2 Satz 2
BGB durch die Heirat der Klägerin ein neuer Anspruch auf Familienunterhalt nach §§
1360,
1360 a BGB entstanden (zum Umfang des Anspruchs auf Familienunterhalt vgl. Wendl/Scholz aaO. § 3 Rdn. 22 ff.). Dieser Anspruch auf Familienunterhalt geht nach der ausdrücklichen gesetzlichen Wertung in §
1586 Abs.
1 BGB sogar einem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gemäß §
1570 BGB vor. Der stärkere Anspruch auf Familienunterhalt verdrängt deswegen auch den nach Wortlaut und inhaltlicher Ausgestaltung
mit §
1570 BGB weitgehend vergleichbaren, nach dem Schutzzweck aber sogar noch schwächer ausgestalteten Unterhaltsanspruch gemäß §
1615 l
BGB. Im Zeitpunkt der Heirat sind auch hier die zu dem früheren Unterhaltsanspruch nach §
1615 l Abs.
2 BGB führenden Umstände bekannt und werden von den neuen Ehegatten bewusst in den Schutz ihrer neuen Ehe einbezogen.
Auch die noch bestehenden Unterschiede der Ansprüche aus §
1615 l Abs.
2 und §
1570 BGB können eine unterschiedliche Behandlung bei (Wieder-) Heirat der unterhaltsberechtigten Mutter nicht rechtfertigen. Zwar
findet der Anspruch aus §
1570 BGB seinen Grund zum einen - wie der Anspruch aus §
1615 l
BGB - darin, daß der Mutter während der ersten drei Lebensjahre des Kindes die Pflege und Erziehung des Kindes ermöglicht werden
soll, ohne hieran durch eine Erwerbstätigkeit gehindert zu sein. Zum anderen beruht der Unterhaltsanspruch nach §
1570 BGB - wie ausgeführt - auf einer fortgeltenden nachehelichen Solidarität der geschiedenen Ehegatten. Der betreuende Elternteil
soll sich zusätzlich in dem Umfang um die Pflege und Erziehung des Kindes kümmern können, wie es die Ehegatten in ihrem ursprünglichen
Lebensplan vereinbart hatten. Deswegen ist der Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt, worauf auch das Berufungsgericht
abstellt, gegenüber dem Anspruch nach §
1615 l
BGB teilweise privilegiert. Diese - durch den zusätzlichen Schutzzweck gebotene - Privilegierung des Unterhaltsanspruchs nach
§
1570 BGB kann es nicht rechtfertigen, umgekehrt den Unterhaltsanspruch aus Anlaß der Geburt gemäß §
1615 l
BGB bei den Voraussetzungen für einen Wegfall des Anspruchs stärker auszugestalten. Denn dann könnte der vom Gesetzgeber schwächer
ausgestaltete Anspruch den grundsätzlich weiter gehenden Anspruch nach §
1570 BGB im Falle einer schnellen (Wieder-) Heirat der Mutter überdauern, was nicht nur systemwidrig wäre, sondern auch dem von Verfassungs
wegen garantierten Schutz der Ehe und Familie widersprechen würde. Um eine Schlechterstellung des unterhaltsberechtigten Ehegatten
zu vermeiden, ist es somit geboten, die Vorschrift des §
1586 Abs.
1 BGB analog auch auf den Unterhaltsanspruch der Mutter aus Anlaß der Geburt nach §
1615 l Abs.
2 BGB anzuwenden.
II. Auch soweit das Berufungsgericht bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs nach §
1615 l Abs.
2 BGB lediglich den Zahlbetrag des nach §
1615 l Abs.
3 Satz 3
BGB vorrangigen Anspruchs auf Kindesunterhalt abgesetzt und dem Ehemann seinen hälftigen Anteil am Kindergeld nicht belassen
hat, hält seine Entscheidung den Angriffen der Revision nicht stand.
Der Senat hatte schon mit Urteil vom 16. April 1997 (- XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 809) die frühere Rechtsprechung aufgegeben und nicht mehr daran festgehalten, das Kindergeld zum unterhaltsrelevanten Einkommen
des Unterhaltspflichtigen zu zählen und daraus den eheangemessenen Unterhaltsbedarf des berechtigten Ehegatten zu ermitteln.
Dem folgend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der dem Unterhaltsschuldner verbleibende Anteil des Kindergelds nicht
der Verteilungsmasse für die Berechnung des Unterhaltsbedarfs der Mutter hinzuzurechnen ist.
Davon ist auch für die Leistungsfähigkeit des Beklagten keine Ausnahme geboten. Das staatliche Kindergeld nach den Vorschriften
des
BKGG und den §§
62 ff.
EStG dient dem allgemeinen Familienlastenausgleich. Es ist eine öffentliche Sozialleistung, die den Eltern gewährt wird, um ihre
Unterhaltslast gegenüber den Kindern zu erleichtern. Nach dem Grundgedanken der gleichen Teilhabe beider Eltern an der Unterhaltspflicht
(§
1606 Abs.
3 Satz 2
BGB) steht auch das Kindergeld beiden Eltern zu gleichen Teilen zu. Lediglich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird das
Kindergeld gemäß §
64 Abs.
1 EStG nur an einen Berechtigten ausbezahlt. Den internen Ausgleich unter den Eltern hat die Praxis stets über den Anspruch auf
Kindesunterhalt oder, sofern ein solcher nicht geschuldet ist, mittels eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs durchgeführt.
Diese Praxis hat die zum 1. Juli 1998 neu geschaffene Vorschrift des §
1612 b BGB übernommen. Bezieht also der unterhaltspflichtige Elternteil das Kindergeld, ist der von ihm geschuldete Unterhaltsbetrag
(Tabellenbetrag) um das halbe Kindergeld zu erhöhen. Erhält hingegen der Elternteil das Kindergeld, der das Kind in seinen
Haushalt aufgenommen hat, wie es dem Regelfall des §
64 Abs.
2 Satz 1
EStG entspricht, ist vom Tabellenbetrag des barunterhaltspflichtigen Elternteils das halbe Kindergeld abzusetzen. So wird erreicht,
daß dem Kind der geschuldete Unterhaltsbetrag zufließt und zugleich das Kindergeld hälftig zwischen den Eltern aufgeteilt
wird (vgl. Wendl/Dose aaO. §
1 Rdn. 460 f.). Mit der Neufassung des §
1612 b Abs.
5 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 21. November
2000 (BGBl I 1479) hat der Gesetzgeber zusätzlich auch die Verwendung des dem barunterhaltspflichtigen Elternteils zustehenden
Kindergeldanteils geregelt. Er muß seinen hälftigen Kindergeldanteil nutzen, um den geschuldeten Kindesunterhalt bei mangelnder
Leistungsfähigkeit auf bis zu 135 % des Regelbetrages der jeweils gültigen Regelbetragsverordnung aufzustocken. Eine Anrechnung
des Kindergeldes unterbleibt also bereits dann, wenn der Unterhaltspflichtige außer Stande ist, Unterhalt in Höhe von 135
% des Regelbetrages nach der Regelbetragsverordnung zu leisten. Damit hat der Gesetzgeber das Barexistenzminimum der unterhaltsberechtigten
Kinder sichern wollen (Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/3781, S. 8; vgl. auch Senatsurteil vom 6. Februar 2002
- XII ZR 20/00 - FamRZ 2002, 536, 540 f.). Verbleiben dem Barunterhaltspflichtigen hingegen Teile des Kindergeldes, weil er auch ohne dieses in Höhe von 135
% des Regelbetrages leistungsfähig ist, handelt es sich dabei um die vom Gesetzgeber bezweckte Entlastung, die dem Elternteil
zu belassen ist. Sie findet ihren Grund in den zusätzlichen Kosten, die ihm beim persönlichen Umgang mit dem Kind und durch
weitere freiwillige Leistungen (Geschenke etc.) entstehen. Der Senat hat deswegen an der Rechtsprechung festgehalten, daß
Kindergeld nicht dem unterhaltsrelevanten Einkommen hinzuzurechnen ist (Senatsurteile vom 16. April 1997 aaO. und vom 19.
Juli 2000 - XII ZR 161/98 - FamRZ 2000, 1492, 1494; zur Verfassungsmäßigkeit des §
1612 b Abs.
5 BGB vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2003 - XII ZR 289/01 - FamRZ 2003, 445 und BVerfG FamRZ 2003, 1370).
Nach der Rechtsprechung des Senats scheidet auch ein Einsatz des dem Unterhaltsschuldner verbleibenden Kindergeldanteils für
die gleichrangigen Unterhaltsansprüche des anderen Ehegatten aus (Senatsurteil vom 16. April 1997 aaO., S. 810 f.). Nach §
1603 Abs.
2 Satz 1
BGB hat der unterhaltspflichtige Elternteil alle verfügbaren Mittel zu seinem und der minderjährigen Kinder Unterhalt zu verwenden.
Verbleibt ihm trotz dieser verschärften Haftung und der zur Sicherung des Existenzminimums der Kinder in §
1612 b Abs.
5 BGB vorgeschriebenen Verwendung des Kindergeldes noch ein Restbetrag, ist ihm dieser ungekürzt zu belassen, zumal der andere
Ehegatte ohnehin den hälftigen Anteil des Kindergeldes erhält. Das gilt erst recht für den Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten
Mutter aus Anlaß der Geburt, weil er gegenüber dem Anspruch minderjähriger Kinder nachrangig ist (§
1615 l Abs.
3 Satz 3
BGB).
Der dem Unterhaltspflichtigen verbleibende Anteil des Kindergeldes bleibt somit auch bei der Leistungsfähigkeit im absoluten
Mangelfall außer Betracht. Entsprechend gehen auch die Leitlinien der Oberlandesgerichte davon aus, daß Kindergeld nicht dem
unterhaltsrelevanten Einkommen hinzuzurechnen ist, §
1612 b Abs.
5 BGB eine abschließende Regelung für die Anrechnung des Kindergelds im Mangelfall getroffen und danach eine weitere Kindergeldanrechnung
zu unterbleiben hat (jeweils Nr. 3 und 14; so auch Wendl/Scholz aaO. § 2 Rdn. 159 und 163; Wendl/Gutdeutsch aaO. § 5 Rdn.
85, 87; a.A. Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 38; vgl. auch Eschenbruch/Wohlgemuth
Der Unterhaltsprozess 3. Aufl. Rdn. 3123 ff.).
III. Die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht gibt ihm Gelegenheit, den für die Zeit bis zum 11. Januar
2002 vom Beklagten geschuldeten Unterhalt auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats zum Ausgleich des Kindergelds und
zur Höhe des ihm zu belassenden Selbstbehalts neu zu ermitteln. Abschließend ist das im Rahmen der Mangelverteilung gewonnene
Ergebnis im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens darauf zu überprüfen, ob im konkreten Einzelfall die Aufteilung des verfügbaren
Einkommens auf das minderjährige Kind und die unterhaltsberechtigte Klägerin insgesamt billig und angemessen ist (§
1603 BGB).