Rückforderung eines zum Schonvermögen des Schenkers gehörigen Geschenks durch den Träger der Sozialhilfe
Tatbestand:
Der Beklagte ist der Sohn und Alleinerbe der am 25. März 1998 verstorbenen L. S. (im folgenden: Erblasserin). Der Kläger verlangt
als Träger der Sozialhilfe aus übergeleitetem Recht vom Beklagten die Zahlung von 7.365,67 EURO (14.406,-- DM).
Mit notariellem Vertrag vom 31. März 1992 übertrug die Erblasserin dem Beklagten "im Wege vorweggenommer Erbfolge" das Eigentum
an der 1.389 qm großen Hof- und Gebäudefläche B. ... straße in Z.. Auf diesem Grundstück war im Jahre 1960 ein Einfamilienhaus
mit einer Wohnfläche von 85 qm errichtet worden, das die Erblasserin und der Beklagte gemeinsam bewohnten.
Für die Zeit vom 14. Juli 1993 bis 31. März 1995 gewährte der Kläger der Erblasserin Hilfe zur häuslichen Pflege in Höhe von
insgesamt 14.406,-- DM. Der Kläger leitete mit Bescheid vom 14. September 1998 Rückgewähransprüche der Erblasserin gegen den
Beklagten aus §
528 BGB gem. § 90 BSHG auf sich über. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage des Beklagten beim Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg.
Der Beklagte macht gegenüber der Klageforderung im wesentlichen geltend, das ihm übertragene Grundstück habe zum Schonvermögen
nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG seiner Mutter gehört. Nach dieser Vorschrift sei der Erblasserin eine entgeltliche Veräußerung nicht zumutbar gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet gehalten und ausgeführt, die Erblasserin habe dem Beklagten das Eigentum
an dem Grundstück geschenkt. Die Erblasserin sei nach Vollziehung der Schenkung, nämlich in der Zeit vom 14. Juli 1993 bis
zum 31. März 1995, unstreitig außer Stande gewesen, ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten, und habe deswegen vom Kläger
Sozialhilfe erhalten. Der Rückforderungsanspruch der Erblasserin gegen den Beklagten sei auf Zahlung regelmäßig wiederkehrender
Unterhaltsbeiträge gerichtet gewesen, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft gewesen sei. Den Rückforderungsanspruch
der Erblasserin habe der Kläger wirksam auf sich übergeleitet. Der Zahlungsanspruch des Klägers könne nicht mit dem Argument
verneint werden, daß die Sozialhilfeleistung an den Schenker nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG nicht von der Verwertung des geschenkten Gegenstandes hätte abhängig gemacht werden dürfen. Diese Vorschrift betreffe nicht
das Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem, sondern allein das Verhältnis zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem
Schenker. Die Vorschrift betreffe daher die Frage, ob der Träger der Sozialhilfe einen Anspruch des Schenkers auf Rückübertragung
eines Grundstückes auf sich überleiten könne. Die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Überleitung sei aber nicht von den Gerichten
der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu prüfen, die insoweit an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gebunden seien.
II. Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß
dem Kläger Ansprüche aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG zustehen.
1. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, daß die Erblasserin dem Beklagten das Grundstück im Wege der Schenkung
zugewendet hat, läßt dies einen Rechtsfehler nicht erkennen; davon geht auch die Revision aus.
2. Es entspricht weiter ständiger Rechtsprechung, daß der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gem. §§
528 Abs.
1 Satz 1,
812 BGB in dem Umfang besteht, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Schenkers erforderlich
ist, so daß er bei einem nicht teilbaren Geschenk wie ein Grundstück von vornherein auf die wiederkehrende Zahlung eines der
jeweiligen Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertanteils gerichtet ist, bis der Wert des Geschenks erschöpft ist
(BGHZ 94, 141, 144; BGHZ 96, 380, 382; BGHZ 125, 283, 284; BGHZ 155, 57). Auch hiervon geht die Revision aus.
3. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, daß die Erblasserin nicht außer Stande gewesen sei, ihren angemessenen Unterhalt
zu bestreiten, weil ihr Unterhalt aufgrund der ihr gewährten Sozialhilfe sichergestellt gewesen sei. Die Frage, ob ein Schenker
nach Vollziehung der Schenkung außer Stande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, ist nach den Vorgaben des Unterhaltsrechts
zu entscheiden, auf deren Begrifflichkeit §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB Bezug nimmt (Senat, Urt. v. 05.11.2002 - X ZR 140/01, NJW 2003, 1384, 1386). Der Unterhaltsberechtigte ist danach außer Stande, sich selbst zu unterhalten, wenn er seinen Bedarf weder aus Einkommen
noch aus der Verwertung von Vermögen decken kann (Senat aaO. m.w.N.). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die
Erblasserin in der Zeit, für die ihr der Kläger Sozialhilfe gewährt hat, hierzu außer Stande und damit unterhaltsbedürftig
nach den Vorgaben des Unterhaltsrechts.
4. Die Frage, ob die Erblasserin in demselben Maße hilfsbedürftig gewesen wäre, wenn sie das Hausgrundstück nicht auf den
Beklagten übertragen hätte, ist nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Bedürftigkeit des Schenkers kommt es allein auf
dessen Einkommens- und Vermögenslage im Zeitpunkt der Bewilligung der Sozialhilfe an, wenn ein Sozialhilfeträger aus übergeleitetem
Recht den Anspruch des Schenkers aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB gegen den Beschenkten geltend macht. Deshalb kann sich der Beschenkte in diesen Fällen gegenüber der Inanspruchnahme aus
dem übergeleiteten Anspruch auch nicht damit verteidigen, daß der Schenker nach Beantragung und Gewährung von Sozialhilfe
wieder über Einkommen oder Vermögen verfügt hat (Senat, BGHZ 155, 57,59).
5. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß es für die Überleitung eines Rückforderungsanspruchs wegen Notbedarfs
des Schenkers nach §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB unbeachtlich ist, ob das geschenkte Grundstück im Eigentum des Schenkers Schonvermögen gewesen wäre (BGHZ 125, 283, 287). Die Überleitungsanzeige nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG bewirkt, daß der Sozialhilfeträger hinsichtlich der übergeleiteten Ansprüche in die Gläubigerposition des Schenkers eintritt.
Der Rückgewähranspruch aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB ist aber nicht durch Regelungen beschränkt, die denjenigen des Bundessozialhilfegesetzes vergleichbar wären (vgl. BVerwGE
90, 245, 249; MünchKomm./Kollhosser, 3. Aufl. 1995, §
528 BGB Rdn. 18; Brähler-Boyan/Mann, NJW 1995, 1866, 1869).
6. Der Revision kann auch nicht darin gefolgt werden, daß ein Rückforderungsanspruch aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB nur dann zu bejahen sei, wenn die Bedürftigkeit des Schenkers Folge der Schenkung sei. "Nach" im Sinne von §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB beinhaltet eine zeitliche Abgrenzung zur Erfüllungsverweigerungseinrede des §
519 Abs.
1 BGB. Sie bedeutet nicht, daß die Bedürftigkeit Folge der Schenkung sein muß. Eine Beschränkung des Rückforderungsrechtes dergestalt,
daß die Bedürftigkeit gerade durch die Schenkung verursacht worden sein muß, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen (Staudinger/Cremer
1995, §
528 BGB Rdn. 2, 3; RGRK/Mezger, 12. Aufl., §
528 BGB Rdn. 3). Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 1996 (IV ZR 184/94, NJW 1996, 287 f.). Nach dieser Entscheidung steht die Anwendbarkeit des §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB nicht dadurch in Frage, daß die Schenkerin schon vor Übertragung des Schenkungsgegenstandes Sozialhilfeleistungen erhalten
hat, die Bedürftigkeit mithin schon vor dem Vollzug der Schenkung vorlag. Diese Entscheidung verdeutlicht damit im Gegenteil,
daß es auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Schenkung und dem Eintritt der Bedürftigkeit nicht ankommt.
7. Das Ergebnis ist nach dem vom Senat zu beurteilenden Sachverhalt auch nicht unbillig. Es beruht darauf, daß das Schenkungsrecht
einerseits und das Sozialhilferecht andererseits in sich geschlossene Rechtssysteme mit unterschiedlich ausgestalteten und
an unterschiedlichen Maßstäben ausgerichteten Billigkeitsregelungen bilden. Das Schenkungsrecht bietet in §
529 Abs.
2 BGB eine solche Regelung. Danach ist der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks ausgeschlossen, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung
seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne daß sein standesgemäßer Unterhalt oder
die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflicht gefährdet wird. Hierfür sind jedoch im vorliegenden Fall
Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 ZPO.