Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren der Berufung; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Beklagte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen
des Widerspruchsverfahrens zu erstatten hat.
Wegen der Höhe der Regelleistungen legten die Klägerinnen Widerspruch gegen den die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
(Arbeitslosengeld II - Alg II -) für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.05.2010 bewilligenden Bescheid vom 25.11.2009 Widerspruch
mit dem Begehren nach höherem Alg II ein. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09, veröffentlicht in [...]) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2010 zurück. Im Widerspruchsverfahren
gegebenenfalls entstandene notwendige Aufwendungen würden nicht erstattet werden.
Wegen der Nichterstattung der notwendigen Aufwendungen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Es sei bei
der im Widerspruchsbescheid zu treffenden Kostenentscheidung zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit
der Regelleistung festgestellt habe. Im Einverständnis der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2012 abgewiesen. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien vorliegend die notwendigen Aufwendungen nicht zu erstatten. Das Begehren der Klägerinnen nach einer höheren Leistung
sei auch nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 nicht erfolgreich gewesen. Die vom Bundesverfassungsgericht
angesprochene angemessene Berücksichtigung seiner Entscheidung bei der Kostenentscheidung habe unter dem Vorbehalt der gesetzlichen
Möglichkeit gestanden, die vorliegend - anders als bei einer Kostenentscheidung nach §
193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), die die Berücksichtigung von Veranlassungsgesichtspunkten zulasse - nicht gegeben sei. Eine der in § 63 Abs 1 Satz 2 SGB X angesprochenen Ausnahmen greife nicht ein. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.
Dagegen haben die Klägerinnen Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Die Rechtsfrage habe weit
über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung. Ein Widerspruchsführer dürfe nicht schlechter gestellt werden als ein
Kläger.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
145 Abs
1 Satz 2
SGG zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß §
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht.
Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§
144 Abs
1 Satz 2
SGG).
Nach §
144 Abs
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des
Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgericht
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter
Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des
Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 10.Aufl, §
144 RdNr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur
nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten
ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4).
Dies ist vorliegend der Fall. Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen nur zu erstatten, soweit
der Widerspruch erfolgreich ist. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer
Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist (§ 63 Abs 1 Satz 2 SGB X). Die notwendigen Aufwendungen werden nur bei einem Erfolg des Widerspruches erstattet. Vorliegend war das Begehren der Klägerinnen
nach einer höheren Leistung - allein dies war Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit
der Höhe der Regelleistung diente lediglich als Begründungselement - nicht erfolgreich.
Eine der in § 63 Abs 1 Satz 2 genannten Ausnahmen greift auch nicht ein; eine erweiternde Auslegung dieser Regelung kommt
nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2012 - B 4 AS 142/11 R - veröffentlicht in [...] mwN). Eine Berücksichtigung des sog. Veranlassungsprinzips ist in § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X im Gegensatz zu §
193 SGG nicht vorgesehen (vgl. dazu BSG aaO sowie LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.08.2009 - L 10 AS 391/09 NZB - veröffentlicht in [...]).
Nach dem Wortlaut des § 63 SGB X kommt daher eine Berücksichtigung der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistung bei der Kostenentscheidung nicht in
Betracht. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat eine Berücksichtigung dieser festgestellten Verfassungswidrigkeit bei Kostenentscheidungen
nur dann aufgegeben, wenn dies die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteile vom 09.02.2010
aaO). In § 63 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X ist diese Möglichkeit jedoch nicht vorgesehen.
Eine Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X ist nicht zu erkennen, zumal sich die Situation eines Widerspruchsführers von der eines Klägers wesentlich unterscheidet,
denn im Stadium des Klageverfahrens ist nicht mehr nur die Exekutive mit dem Verfahren betraut. Daher sind auch unterschiedliche
gesetzliche Regelungen zur Kostentragung gerechtfertigt.
Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass der Gerichtsbescheid des SG rechtskräftig ist (§
145 Abs
4 Satz 4
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).