Rentenversicherung
Versicherungspflicht
Fortbestehen wegen fehlenden Befreiungsantrages
Keine Fiktion im Weg des Herstellungsanspruches
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger seit dem 1. Januar 1992 als selbstständiger Einzelunternehmer der Beitragspflicht
zur Rentenversicherung unterliegt.
Der 1968 geborene Kläger war laut Sozialversicherungsausweis bis 30. Juni 1991 als Forstarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 14. September 1991 meldete er mit Wirkung vom 1. Mai 1991 die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in der Garten- und
Landschaftspflege beim Landratsamt W. - Gewerbebehörde - an. Die Anschrift der Betriebsstätte lautete N. 1, 66. N ... Rentenversicherungsbeiträge
entrichtete er nicht.
Mit Schreiben vom 19. Juni 1997 teilte die Landesversicherungsanstalt (LVA) S. dem Kläger mit, die Handwerkskammer C. habe
ihr mitgeteilt, dass die Firma H. G. und H. R. GbR am 5. Mai 1997 in die Handwerksrolle eingetragen worden sei. Er erfülle
als Gesellschafter nicht die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle, weil er kein Meister sei. Damit sei
er nicht versicherungspflichtig nach §
2 Nr. 8 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) und müsse vorerst keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Versicherung zahlen. Eine entsprechende Mitteilung erfolgte mit
Schreiben vom 22. Juni 1998.
Am 4. Februar 1999 meldete der Kläger die Neuerrichtung eines Betriebes mit der Anschrift Waldsiedlung 18, 07987 M. mit Wirkung
zum 1. Januar 1999 beim Landratsamt G. mit den Tätigkeiten "Garten- und Landschaftspflege, Forstunternehmen - Holzrückung,
-einschlag, Anpflanzung" an. Am 7. September 1999 meldete er den Betrieb Forstservice ("Holzrückung; Holzeinschlag; Bestandspflege;
Holzhandel") mit Wirkung vom 1. Januar 1999 mit Betriebssitz N. 1, 08. W. an.
Am 7. September 1999 meldete er den Garten- und Landschaftspflegebetrieb in der Siedlung (N.) 1, 08412 W. - Ortsteil L. wegen
vollständiger Aufgabe des gesamten Betriebes sowie der Verlegung nach G. ab.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2002 die Versicherungspflicht nach
§
229a Abs.
1 SGB VI für die Zeit seit dem 1. Januar 1992 sowie die Verjährung der Beitragsansprüche bis 30. November 1996 fest. Die Beiträge
ab 1. Dezember 1996 seien noch nicht verjährt und zu zahlen. Mit weiterem Bescheid vom 15. März 2002 forderte die Beklagte
von dem Kläger Regelbeiträge für die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis 31. März 2002 in Höhe von 23.758,05 EUR sowie die laufende
Zahlung von Beiträgen. Seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb betrugen nach den Einkommenssteuerbescheiden für 1999 56.163 DM
bzw. für 2000 108.601 DM.
Im Widerspruchsverfahren machte er geltend, er sei nicht versicherungspflichtig und wies auf das Schreiben der LVA Sachsen
vom 19. Juni 1997 hin. Sein Arbeitseinkommen sei deutlich geringer gewesen als im Bescheid vom 15. Juni 2002 angegeben; über
die Befreiungsmöglichkeiten nach §
229a SGB VI sei er nicht informiert worden. Als ihm Mitte Juli 1991 der am 10. Juli 1991 ausgestellte Sozialversicherungsausweis zur
Versicherungsnummer 09 211068 G 025 übersandt wurde, habe er von der LVA S. die Auskunft erhalten, dass er den Versicherungsausweis
für Angestellte für den Fall der Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit aufbewahren solle. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.
Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Seinem Begehren der Befreiung von der Versicherungspflicht könne nicht
entsprochen werden. Nach § 10 des Gesetzes über die Sozialversicherung vom 28. Juni 1990 (GBl. DDR I Seite 486 (SVG)) hätten alle Personen, die im Beitrittsgebiet eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, grundsätzlich der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen. Diese umfassende Pflichtversicherung sei mit Einführung eines einheitlichen
Rentenrechts im gesamten Bundesgebiet durch das Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung
(Renten-Überleitungsgesetz - RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl. 1991 I S. 1606) geändert worden. Hiernach würden Selbstständige, die ihre Tätigkeit erst nach dem 31. Juli 1991 aufnehmen, grundsätzlich
nicht mehr kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterliegen. Selbstständige, die ihre Tätigkeit
vor dem 1. August 1991 aufgenommen hätten und im Beitrittsgebiet der Versicherungspflicht unterlagen, blieben weiter versicherungspflichtig.
Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht habe er bis zum 31. Dezember 1994 nicht gestellt. Somit unterliege
er seit 1. Januar 1992 bis laufend der Versicherungspflicht nach §
229a SGB VI. Nach §
165 SGB VI entrichteten Selbstständige grundsätzlich Pflichtbeiträge in Höhe des Regelbeitrags. Da er einen Antrag auf Entrichtung von
einkommensgerechten Beiträgen nicht gestellt und sein tatsächliches Einkommen nicht nachgewiesen habe, verbleibe es bei der
Forderung aus dem Bescheid vom 15. März 2002.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er hätte entsprechende Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt,
wenn ihm diese Möglichkeit bekannt gewesen wäre, weil er privat vorgesorgt habe.
Das Sozialgericht (SG) hat in der mündlichen Verhandlung I. G. als Zeugin vernommen. Bezüglich ihrer Aussage nimmt der Senat auf die Anlage 1 zur
Sitzungsniederschrift vom 12. Dezember 2006 Bezug. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet
nach § 10 SVG versicherungspflichtig. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht habe er bis 31. Dezember 1994 nicht beantragt. Er könne
auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er diese Frist eingehalten. Eine
Pflichtverletzung der Mitarbeiterin der LVA lasse sich schon deshalb nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststellen,
weil sich der genaue Gesprächsinhalt nicht mehr hinreichend sicher ermitteln lasse.
Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2012 hat ihm der Senat aufgegeben,
Belege dafür vorzulegen, dass sich seine Tätigkeit im Jahr 1999 geändert habe. Der Kläger hat daraufhin Tabellen über die
Umsatzerlöse der von ihm geführten Betriebe Garten- und Landschaftspflege in M. und Forstservice in W. eingereicht und vorgetragen,
die Buchführung des rückwirkend angemeldeten Forstbetriebes habe erst am 1. November 1999 begonnen; bis zu diesem Zeitpunkt
seien sowohl Rechnungslegung als auch Buchführung für die Forstarbeiten in der seit 1. Januar 1999 neu eingerichteten Betriebsstätte
der Garten- und Landschaftspflege erfolgt. Aus diesen Gründen seien rein buchhalterisch die Umsätze im Bereich des Gartenbaus
1999 höher ausgewiesen als die im Forstbetrieb, wobei eine erhebliche Anzahl der erbrachten Leistungen im Garten- und Landschaftspflegebetrieb
bereits ab 1. Januar 1999 dem Bereich der Forstwirtschaft zuzuordnen seien. Bescheinigungen eines Steuerberaters könne er
nicht vorlegen, weil die gesamte Buchhaltung und Buchführung sowie der Jahresabschluss im Betrieb selbst erstellt wurden und
hierfür insbesondere seine Ehefrau, die Zeugin I. G., verantwortlich sei. Die vorgelegten Entwicklungen des Anlagevermögens
im Forstbetrieb machten deutlich, dass gerade beginnend ab 1999 sehr hohe Investitionen getätigt wurden und sich dies entscheidend
auf die Arbeitstätigkeit im Forstbereich ausgewirkt habe. Durch die Beitragsnachforderung sei er in seiner wirtschaftlichen
Existenz bedroht. Noch im Jahr 1997 sei ihm durch die LVA S. mitgeteilt worden, dass er nicht versicherungspflichtig sei.
Bei Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit im Jahr 1991 habe er über kein signifikantes Einkommen verfügt. Nach dem Einkommenssteuerbescheid
für 1991 habe er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 11.259 DM erzielt. Sie seien überwiegend im Monat Dezember durch
den Verkauf von Weihnachtsbäumen erbracht worden. Die Beklagte könne sich nicht ausschließlich darauf berufen, dass er sein
Gewerbe zum 1. Juli 1991 angemeldet habe und damit seine selbständige gewerbliche Tätigkeit begonnen habe. Die im Jahr 1991
erzielten Umsätze hätten als Einkommen nicht ausgereicht; daher könne nur von einer Nebentätigkeit ausgegangen werden. Wegen
einer vermeintlichen vierwöchigen Selbstständigkeit vor dem 1. August 1991 werde er in unzulässiger Weise benachteiligt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Dezember 2006 und die Bescheide der Beklagten vom 15. März 2002 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren sowie auf die Gründe des erstinstanzlichen
Urteils. Bei der von dem Kläger seit dem 1. Januar 1999 ausgeübten selbstständigen Tätigkeit handele es sich um dieselbe unternehmerische
Tätigkeit wie zuvor.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide über die Feststellung der Versicherungspflicht und die Beitragsberechnung für
die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis 31. März 2002, beide vom 15. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.
Juni 2003. Sie sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach §
229a Abs.
1 SGB VI in der vom 1. Januar 2002 bis 31. Juli 2004 geltenden Fassung, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch Art. 1 Nr.
47 RÜG, bleiben Personen, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig waren und nicht ab dem 1. Januar
1992 nach den §§
1 bis
3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sind und nicht bis zum 31. Dezember 1994 beantragt haben, dass die Versicherungspflicht enden
soll, in der jeweiligen Tätigkeit oder für die Zeit des jeweiligen Leistungsbezugs versicherungspflichtig (Satz 1). Das Ende
der Versicherungspflicht tritt vom 1. Januar 1992 an ein, wenn der Antrag bis zum 30. Juni 1992 gestellt wird, sonst vom Eingang
des Antrags an (Satz 2).
Der Kläger war am 31. Dezember 1991 nach § 10 SVG im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig. Er gehört ab dem 1. Januar 1992 nicht zu dem in §§
1 bis
3 SGB VI genannten versicherungspflichtigen Personenkreis.
Das SVG vom 28. Juni 1990 (GBl. DDR I Nr. 38 S. 486) trat nach § 84 SVG am 1. Juli 1990 in Kraft. Die am 30. Juni 1990 geltenden Rechtsvorschriften zur Sozialversicherung waren unter Berücksichtigung
der Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden (§ 1 Satz 1 SVG). Nach § 10 Abs. 1 SVG unterliegen Personen, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen, das entsprechend den Rechtsvorschriften der Beitragspflicht
unterliegt, der Versicherungspflicht, soweit in Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Für den Versicherungszweig
der gesetzlichen Rentenversicherung galten die hier einschlägigen Regelungen der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung
der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 17. November 1977 (GBl. DDR I Nr. 35 S. 373), der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung
der Deutschen Demokratischen Republik (StaatlSVO) vom 9. Dezember 1977 (GBl. DDR 1978 I Nr. 1 Satz 1) und des SVG noch bis zum 31. Dezember 1991 weiter (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 2, 3 und 4 des Einigungsvertrages). Nach § 19 Abs. 1 StaatlSVO sind Inhaber von Gewerbebetrieben, freiberuflich Tätige und andere selbstständig Tätige (nachstehend selbstständig Tätige
genannt) bei der Sozialversicherung pflichtversichert, wenn ihre beitragspflichtigen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit
mindestens 900 Mark im Kalenderjahr betragen. Nach § 16 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Sozialversicherung
bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik (1. DB z. StaatlSVO) vom 9. Dezember 1977 (GBl. DDR 1978 I Nr. 1 Seite 23) liegt Versicherungspflicht vor, wenn zu erwarten ist, dass die Gewinne
bzw. die Einkünfte im Kalenderjahr mindestens 900 Mark betragen. Die von dem Kläger im Jahr 1991 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb
in Höhe von 11.259 DM liegen weit über diesem Betrag.
Für den Kläger ergab sich eine Ausnahme von der Versicherungspflicht auf Grund seiner selbstständigen Tätigkeit nicht aus
dem maßgebenden Übergangsrecht, da er laut Gewerbeanmeldung am 1. Mai 1991, d.h. vor dem 1. August 1991, seine selbstständige
Erwerbstätigkeit aufgenommen hat. Der Gesetzgeber hat in Art. 35 Abs. 3 RÜG, in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. August 1991,
nur für den Zeitraum vom 1. August bis 31. Dezember 1991 (Art. 42 Abs. 8 des Gesetzes) festgelegt, dass § 10 SVG nicht mehr gilt, soweit er bestimmt, dass auch andere als die in §
2 oder §
229a Abs.
2 SGB VI genannten selbstständig Tätigen durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in der Rentenversicherung versicherungspflichtig
werden. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren vorträgt, er habe die selbstständige Tätigkeit erst nach dem 1. August 1991
aufgenommen, wertet der Senat dies aufgrund der vorhandenen Unterlagen - z.B. Gewerbeanmeldung zum 1. Mai 1991, Anlage zur
Sitzungsniederschrift vom 12. Dezember 2006 mit Aussage der Zeugin G. - als reine Schutzbehauptung des Klägers. In welchem
zeitlichen Umfang der Kläger seiner selbstständigen Tätigkeit nachgegangen ist, ist nach § 10 SVG im Übrigen nicht maßgebend.
Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
229a Abs.
1 Satz 2
SGB VI hat der Kläger bis zum 31. Dezember 1994 nicht gestellt. Er kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
so gestellt werden, als habe er einen Befreiungsantrag nach §
229a SGB VI gestellt. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut tritt im Sinne des öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs
ein, wenn ein Leistungsträger durch die Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht,
insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese
Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können. Zwischen der Pflichtverletzung und
dem Nachteil für den Betroffenen muss demnach ein ursächlicher Zusammenhang bestehen; auf ein Verschulden des Trägers kommt
es dagegen nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 5. April 2000 - Az.: B 5 RJ 50/98 R m.w.N., nach juris).
Der Kläger hat sich vor Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit nicht mit einem Beratungsbegehren an einen der Rechtsvorgänger
der Beklagten gewandt. Es liegt hier auch keine Fallkonstellation vor, in der der Versicherungsträger einen konkreten Anlass
hatte, ihn bzw. hier seine Ehefrau von sich aus "spontan" auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen,
deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Versi sie mutmaßlich nutzen würde. Es stellt sich an
dieser Stelle bereits die Frage, auf welche Gestaltungsmöglichkeit der Versicherungsträger bei einer Versicherungspflicht
kraft Gesetzes hinweisen sollte. Nach Aussage der Zeugin I. G. hat sie sich nach Übersendung des Sozialversicherungsausweises
mit der Versicherungsnummer 09 211060 G 025 zwischen Mitte und Ende Juli 1991 telefonisch an die LVA S. gewandt. Gegenstand
des Gesprächs war lediglich die Frage, ob der Versicherungsausweis aufgrund der selbständigen Tätigkeit des Klägers zurückgesandt
werden sollte oder nicht. Für einen selbstständig Tätigen war der Sozialversicherungsausweis, wie sich aus den beigefügten
Hinweisen auch ergibt und die Zeugin offensichtlich auch erkannt hat, nicht gedacht. Insoweit hat sie als Vertreterin des
Klägers aus der Sicht des Senats konsequent bei dem Versicherungsträger lediglich angefragt, was mit dem Sozialversicherungsausweis
geschehen solle. Anlass, sie anlässlich dieser telefonischen Nachfrage "spontan" auf die Versicherungspflicht eines selbstständig
Tätigen nach § 10 SVG hinzuweisen und gegebenenfalls auch über die Befreiungsmöglichkeit nach §
229a Abs.
1 SGB VI, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1992, zu beraten gab dieses Telefongespräch nicht. Sollte die telefonische Nachfrage
bereits Mitte Juli erfolgt sein (hierzu konnte die Zeugin keine genauen Angaben tätigen), bestand zu diesem Zeitpunkt noch
keine gesetzliche Regelung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger ist auch nicht nach §
231 Abs.
6 SGB VI, eingeführt durch Art. 2 Buchst. b des Ersten Gesetzes zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 3. April 2001 (BGBl. I 467) mit Wirkung vom 7. April 2001 (Art. 3 des Gesetzes), von der Versicherungspflicht befreit.
Die Beklagte hat den Widerspruch des Klägers vom 2. April 2002 gegen die Bescheide vom 15. März 2002 zugleich als Antrag auf
Befreiung von der Versicherungspflicht ausgelegt. Eine Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
231 Abs.
6 SGB VI kann in dem Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2003, auch wenn dort die Regelung nicht erwähnt wird, insofern gesehen werden,
als die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht verneint hat.
Nach §
231 Abs.
6 SGB VI werden Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach §
2 Satz 1 Nr.
1 bis
3 SGB VI oder §
229a Abs.
1 SGB VI versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie (1) glaubhaft
machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten, und (2) vor dem 2. Januar 1949
geboren sind oder (3) vor dem 10. Dezember 1998 eine anderweitige Vorsorge im Sinne des Absatzes 5 Satz 1, 2 oder 3 oder Satz
2 für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene
getroffen haben; Absatz 5 Satz 1, 2 und 3 und Satz 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass an Stelle des Datums 30. Juni 2000
jeweils das Datum 30. September 2001 tritt. Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt
der Versicherungspflicht an.
Der Kläger hat bis zum 30. September 2001 keinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
231 Abs.
6 SGB VI gestellt. Ihm wäre auch hinsichtlich der Versäumung dieser Frist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu gewähren. Danach ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. Eine
Wiedereinsetzung ist grundsätzlich auch bei Versäumen einer materiell-rechtlichen Frist, wie der des §
231 Abs.
6 SGB VI, möglich (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1993 - Az.: B 12 RK 36/90, nach juris). Sie kommt allerdings bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Frist nicht ohne Verschulden versäumt wurde.
Das BSG hat in einem dem vorliegenden ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass in der Unkenntnis der Gesetzeslage kein Grund für
eine unverschuldete Säumnis i.S.v. § 27 SGB X gesehen werden kann (vgl. hierzu Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Oktober 2008 - Az.: L 33 R 1203/08, nach juris).
Aus dem Bescheid der LVA S. vom 19. Juni 1997 kann der Kläger bezüglich seiner Versicherungspflicht als selbstständig Tätiger
nach §
229a Abs.
1 SGB VI keine Rechte herleiten. Diese Mitteilung betraf offensichtlich seine selbstständige Tätigkeit in der H. G. und H. Rei. GbR,
die am 5. Mai 1997 in die Handwerksrolle eingetragen wurde, nicht aber die selbstständige Tätigkeit als Inhaber der beim Landratsamt
W.- Gewerbebehörde - angemeldeten Tätigkeit "Garten- und Landschaftspflege Inhaber H. G.".
Die Versicherungspflicht nach der Übergangsvorschrift des §
229a Abs.
1 SGB VI besteht, solange die jeweilige Tätigkeit ausgeübt wird. Danach ist darauf abzustellen, ob die Tätigkeit, die die Versicherungspflicht
am 31. Dezember 1991 begründet hat, fortgeführt wird. §
229a Abs.
1 SGB VI ist als Ausnahmeregelung neben den §§
2 und
3 SGB VI eine Vorschrift, die dem Umstand Rechnung tragen sollte, dass im Beitrittsgebiet die Versicherungspflicht weiter reichte
als in den alten Bundesländern. Im Hinblick darauf sollte den im Beitrittsgebiet pflichtversicherten Selbstständigen die Möglichkeit
erhalten bleiben, die bisher zugewiesene Formen der Alterssicherung als Pflichtversicherung weiterführen zu können (vgl. Bundestagsdrucksache
12/405, Seite 122). Der Gesetzgeber hat mit §
229a SGB VI eine Regelung gewählt, nach der der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne weiteres Zutun der Selbstständigen
weiterbestand, und dies mit einer zeitlich befristeten Befreiungsmöglichkeit gekoppelt. Der Fortbestand der Versicherungspflicht
gilt jedoch nur für die weitere Dauer der am 31. Dezember 1991 ausgeübten Tätigkeit. Als Ausnahmeregelung ist §
229a SGB VI eng auszulegen. Bestand am 31. Dezember 1991 aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit Versicherungspflicht und wird diese
Tätigkeit aufgegeben und unmittelbar daran eine neue selbstständige Tätigkeit ausgeübt, ist für diese neue Tätigkeit eine
etwaige Versicherungspflicht ausschließlich nach den Vorschriften der §§
1 bis
3 SGB VI zu prüfen, ohne dass es auf die Fortführung eines Versicherungsschutzes nach §
229a Abs.
1 SGB VI ankommen kann. Liegt jedoch keine Unterbrechung der Tätigkeit vor, sondern ab 1. Januar 1992 oder später nur eine andere
Bezeichnung derselben Tätigkeit, verbleibt es bei der Versicherungspflicht nach §
229a SGB VI, weil die Betriebstätigkeit unter Umständen unter einem anderen Namen weitergeführt wird (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil
vom 25. Februar 2009 - L 21 R 767/06 m.w.N., nach juris).
Abzustellen ist daher auf die unternehmerische Tätigkeit, die nach § 10 SVG zur Versicherungspflicht geführt hat. Dies war hier die Tätigkeit laut Gewerbeanmeldung vom 14. September 1991 im Bereich
Garten- und Landschaftspflege. Diese hat der Kläger auch im Januar 1999 noch ausgeübt. Daran vermag die am 7. September 1999
beim Landratsamt W. mit Wirkung zum 1. Januar 1999 erfolgte Abmeldung der Einzelfirma wegen "Verlegung nach G." nichts zu
ändern, auch wenn es sich gewerberechtlich um eine Betriebsaufgabe nach § 14 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 der Gewerbeordnung (GewO) handelte (vgl. Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 19. Mai 2004 - Az.: Au 4 K 03.2250 m.w.N., nach juris). Bei einer
unternehmerischen Tätigkeit stellt die Verkehrsauffassung entscheidend auf den Unternehmensgegenstand ab, nicht darauf, ob
sich die konkreten Verrichtungen des Unternehmers im Zuge einer Geschäftsausweitung auf weitere Tätigkeitsfelder erstrecken.
Zwischen der Einzelfirma Garten- und Landschaftspflege in W. und der Einzelfirma Garten- und Landschaftspflege in M. bestand
praktisch Identität. Es erfolgte lediglich aufgrund des Wohnortwechsels des Klägers ein Wechsel des Betriebssitzes. Der der
1991 angemeldeten Einzelfirma zu Grunde liegende Geschäftszweck der Garten- und Landschaftspflege lag auch der in W. angemeldeten
Einzelfirma zu Grunde. Der Gegenstand der Betriebstätigkeit wird dort lediglich dahingehend erweitert, dass nunmehr auch forstwirtschaftliche
Tätigkeiten - Holzrückung, -einschlag, Anpflanzung - genannt werden. Eine faktische Aufgabe der seit 1991 ausgeübten selbstständigen
Tätigkeit lässt sich hieraus nicht entnehmen. Da die Einzelfirma Garten- und Landschaftsbau in W. zum 1. Januar 1999 abgemeldet
und die Einzelfirma Garten- und Landschaftsbau in M. zum 1. Januar 1999 angemeldet wurde, liegt auch kein Zwischenraum vor,
in dem keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wurde.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger nachgereichten Unterlagen. Vielmehr ist hieraus ersichtlich, dass
die Umsatzerlöse in der Einzelfirma Garten- und Landschaftspflege im Geschäftsbereich Garten- und Landschaftspflege regelmäßig
weitaus höher waren als die Umsätze im forstwirtschaftlichen Bereich.
Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des §
229a SGB VI in der jeweiligen Fassung bestehen nicht.
Der Kläger hat danach für den Zeitraum ab 1. Dezember 1996 Beiträge in Höhe des monatlichen Regelbeitrages entsprechend der
Berechnung mit Bescheid vom 15. März 2002 zu zahlen. Einwände gegen deren Höhe hat er nicht erhoben. Fehler bezüglich der
Beitragsberechnung sind nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Verpflichtung zur Beitragszahlung verwirkt sein könnte,
liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.