Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die vorläufige Genehmigung der vertragsärztlichen
Tätigkeit auf gynäkologischem Fachgebiet an einem weiteren Ort.
Die Antragstellerin ist als Medizinisches Versorgungszentrum mit Praxissitz in der A Straße, A-Stadt zu vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen und beschäftigte zunächst je einen Facharzt für Nuklearmedizin und für Radiologie. Die Antragstellerin
erwarb im Jahr 2006 die gynäkologische Praxis des Frauenarztes H. Mit Beschluss vom 30. Januar 2007 (Blatt 21 der Verwaltungsakte)
gab der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen dem Antrag der Antragstellerin auf Übernahme
des ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes des Frauenarztes H., C-Straße, C-Stadt gemäß §
103 Abs.
4a SGB V statt. Gleichzeitig stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die vertragsärztliche Tätigkeit durch die ab 1. Februar 2007
in Vollzeit bei der Antragstellerin mit einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 38 Stunden angestellte Frauenärztin W. weitergeführt
wird.
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 6. März 2007 die Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren
Ort mit den Fachgebieten Radiologie und Gynäkologie am Sitz der übernommenen gynäkologischen Praxis in A-Stadt (Blatt 23 der
Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 23. März 2007 erweiterte die Antragstellerin ihren Antrag dahingehend, dass das Leistungsangebot
am Standort A-Stadt auf gynäkologischem Fachgebiet auch ambulante Chemotherapie umfassen solle (Blatt 25 der Verwaltungsakte).
Nach schriftlicher Befragung der in A-Stadt und D-Stadt ansässigen Gynäkologen lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Genehmigung
einer Zweigpraxis für den Bereich Gynäkologie mit Bescheid vom 2. August 2007 ab, weil die Versorgung der Versicherten durch
die von der Antragstellerin angebotenen Leistungen nicht im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte,
Vertragszahnärzte, medizinische Versorgungszentren und Psychotherapeuten (Ärzte-ZV) verbessert werde (Blatt 39 der Verwaltungsakte).
Nach Anhörung der im X-kreis ansässigen Radiologen lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Genehmigung einer Zweigpraxis
auch für den Bereich Radiologie mit Bescheid vom 20. August 2007 mit identischer Begründung ab (Blatt 49 der Verwaltungsakte).
Die Antragstellerin legte gegen die Bescheide mit Schreiben vom 17. August 2007 (Blatt 53 der Verwaltungsakte) und vom 27.
August 2007 (Blatt 45 der Verwaltungsakte) jeweils Widerspruch ein und zeigte mit Schreiben vom 18. August 2007 (Blatt 46
der Verwaltungsakte) an, dass sie die gynäkologischen Leistungen ausschließlich in den "ausgelagerten Praxisräumen" in A-Stadt
(A-Straße) erbringen werde. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin erläuterte die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. November
2007 (Blatt 72 der Verwaltungsakte), dass die ambulanten Chemotherapien in C-Stadt durch Priv.-Doz. Dr. E. erbracht werden
sollten, der über eine entsprechende Ermächtigung verfüge. Die Antragsgegnerin wies die Widersprüche der Antragstellerin mit
Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2008 zurück.
Während des Widerspruchsverfahrens verpflichtete das Sozialgericht Marburg auf entsprechenden (ersten) Antrag der Antragstellerin
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 23. November 2007 (Az.: S 12 KA 465/07 ER), der Antragstellerin vorläufig die Tätigkeit in den Fachgebieten Radiologie und Gynäkologie an einem weiteren Ort in
A-Stadt (A-Straße), längstens bis einen Monat nach Zustellung einer Entscheidung der Antragsgegnerin über die Widersprüche
der Antragstellerin zu gestatten. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss zum Hessischen Landessozialgericht nahm die Antragsgegnerin
am 10. März 2008 zurück (Az.: L 4 KA 79/07 ER).
Die Antragsgegnerin hat am 8. Februar 2008 gegen die Bescheide vom 2. und 20. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30. Januar 2008 Klage bei dem Sozialgericht Marburg erhoben (Az.: S 12 KA 45/08) Während des Klageverfahrens lehnte das Sozialgericht Marburg einen zweiten Antrag auf vorläufige Gestattung der gynäkologischen
Tätigkeit in A-Stadt mit Beschluss vom 22. Februar 2008 mangels Anordnungsanspruch ab, da die Antragstellerin gynäkologische
Leistungen am Sitz des Medizinischen Versorgungszentrums überhaupt nicht erbringe und dies der Genehmigungsfähigkeit einer
Zweigpraxis widerspreche (Az.: S 12 KA 47/08 ER). Auf den dritten Antrag der Antragstellerin verpflichtete das Sozialgericht Marburg mit Beschluss vom 9. April 2008 die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin vorläufig die Tätigkeit im Fachgebiet Gynäkologie
an einem weiteren Ort in A-Stadt (A-Straße), längstens bis einen Monat nach Zustellung einer Entscheidung des Sozialgerichts
Marburg zum Az.: S 12 KA 45/08 in einem Umfang von 18 Wochenstunden zu gestatten. Daneben erteilte das Sozialgericht der Antragstellerin die Auflage, am
Vertragssitz in A-Stadt in einem Umfang von 20 Wochenstunden tätig zu werden sowie Tagebuch unter Angabe der jeweiligen Arbeitszeiten
über die Verteilung der gynäkologischen Tätigkeit zu führen und der Antragsgegnerin vorzulegen (Az.: S 12 KA 93/08 ER).
Das Sozialgericht hat sodann mit Urteil vom 16. Juli 2008 (im Verfahren S 12 KA 45/08) der Klage der Antragstellerin teilweise stattgegeben und die Antragsgegnerin - unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide
- verpflichtet, den Antrag der Antragstellerin auf Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren
Ort in A-Stadt (A-Straße) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. In den Entscheidungsgründen
führte das Sozialgericht aus, die Versorgung der Versicherten an dem Sitz der Zweigpraxis in A-Stadt werde verbessert, nachdem
die Antragstellerin vortragen ließ, ggf. am Vertragssitz in A-Stadt überwiegend gynäkologisch tätig zu werden und insofern
in A-Stadt die gynäkologische Tätigkeit nur untergeordnet ausüben zu wollen. Auch wenn in A-Stadt Fachärzte für Gynäkologie
tätig seien, sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin eine bestehende Praxis als Praxisnachfolgerin übernommen habe
und insoweit ein Versorgungsauftrag zu erfüllen sei. Für den radiologischen Bereich sei eine Verbesserung ohne weiteres anzunehmen,
da eine entsprechende Versorgung in A-Stadt nicht bestehe. Die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz
der Antragstellerin in A-Stadt werde nicht beeinträchtigt und sei im Übrigen durch Nebenbestimmungen sicherzustellen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 23. Juli 2008 zugestellte Urteil hat diese am 5. August 2008
Berufung eingelegt (Az.: L 4 KA 68/08); der Beklagte hat am 31. Oktober 2008 Anschlussberufung eingelegt (Az.: L 4 KA 93/08). Über die Berufungen ist bisher nicht entschieden.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 18. November 2008, der am 19. November 2008 bei dem Hessischen Landessozialgericht
eingegangen ist, den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie begehrt die Gestattung der Tätigkeit im Fachgebiet
Gynäkologie an einem weiteren Ort in A-Stadt (A-Straße), hilfsweise im Umfang von 18 Wochenstunden. Zur Begründung macht sie
geltend, sie sei weiterhin darauf angewiesen, den Standort A Stadt zu betreiben, um den vorhandenen Patientenstamm zu erhalten.
Die Tätigkeitszeiten in A-Stadt betrügen entsprechend dem Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 9. April 2008 (Az.: S 12 KA 93/08 ER) 20 h und in A-Stadt 18 Stunden. Die hierüber geführten Tagebücher habe die Antragstellerin der Antragsgegnerin fristgerecht
vorgelegt. Durch die zeitliche Beschränkung würden jedoch die Behandlungsfälle des Praxisvorgängers von 1000 nicht mehr erreicht;
die gynäkologischen Fallzahlen beliefen sich auf nur noch 500 Fälle pro Quartal. Außerdem habe die Antragsgegnerin die Antragstellerin
mit Schreiben vom 2. September 2008 aufgefordert, die Vergütung für die in A-Stadt erbrachten gynäkologischen Leistungen im
Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis zum 23. November 2007, d.h. bis zum Erlass des Beschlusses des Sozialgerichts Marburg (Az.:
S 12 KA 465/07 ER) zurückzuzahlen. Mit Schreiben vom 3. November 2008 habe die Antragsgegnerin eine Kürzung der in A-Stadt erbrachten gynäkologische
Leistungen für das Jahr 2008 vorgenommen mit der unzutreffenden Begründung, die Antragstellerin habe die Auflagen aus dem
Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 9. April 2008 (Az.: S 12 KA 93/08 ER) nicht erfüllt, weil sich aus der vorgelegten Aufstellung nur allgemein die Sprechstundenzeiten ergeben würden, nicht
aber eine Aufstellung der einzelnen Tage. Aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin im Rahmen der Anschlussberufung, aber auch
aus den Honorarrückforderungen ergebe sich, dass die Antragsgegnerin ihr offenbar jedwede Berechtigung abspreche, in A-Stadt
tätig zu werden.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die Tätigkeit im Fachgebiet Gynäkologie
an einem weiteren Ort in der A-Straße in A-Stadt zu gestatten,
hilfsweise
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die Tätigkeit in dem Fachgebiet
Gynäkologie an einem weiteren Ort in der A-Straße in A Stadt in einem Umfang von 18 Wochenstunden zu gestatten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, die Antragstellerin habe weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft
gemacht. Zunächst werde durch eine Tätigkeit der Antragstellerin auf gynäkologischem Fachgebiet die Versorgungssituation in
A-Stadt nicht verbessert. Im X-kreis bestehe eine Überversorgung auf gynäkologischem Gebiet. Es entspreche nicht der Intention
des Gesetzgebers, uneingeschränkt Zweigpraxen in überversorgten Gebieten zuzulassen. Auch aus der Erteilung eines Versorgungsauftrages
im Zusammenhang mit einer Praxisnachfolge könne man - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Marburg mit Urteil vom 16.
Juli 2008 (Az.: S 12 KA 45/08) - nicht schließen, dass ein Versorgungsbedarf bestehe. Zwar müsse für die Erteilung eines Versorgungsauftrages grundsätzlich
zunächst ein Versorgungsbedarf bestehen. Umgekehrt dürfe aus der bloßen Erteilung eines Versorgungsauftrages nicht auf einen
entsprechenden Bedarf geschlossen werden. Denn im Falle einer Praxisübernahme gemäß §
103 Abs.
4 SGB V gebiete es der Eigentumsschutz, einen Versorgungsauftrag für eine konkret bezeichnete Praxis zu erteilen, obwohl infolge
Überversorgung eine Zulassungsbeschränkung bestehe. Aus dem Beschluss des Zulassungsausschusses vom 30. Juli 2007 ergebe sich
nur ein Versorgungsauftrag für das Fachgebiet Gynäkologie im Planungsbereich, der jedoch am Vertragssitz der Antragstellerin
auszuüben sei. Auch werde die weitere Voraussetzung des § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV nicht eingehalten, denn die Versorgung
der Versicherten in A-Stadt werde beeinträchtigt, denn die Antragstellerin verfolge das Ziel, dauerhaft ausschließlich in
der Zweigpraxis in A Stadt gynäkologische Leistungen zu erbringen. Aus § 17 Abs. 1a BMV-Ä ergebe sich aber, dass die Antragstellerin
den Hauptanteil der gynäkologischen Leistungen am Vertragsarztsitz erbringen müsse. Eine vorläufige Fortführung der Zweigpraxis
in C-Stadt sei auch nicht zur Abwehr der ideellen Verflüchtigung des Praxiswertes zu gestatten; maßgeblich sei ausschließlich
eine Verbesserung der Versorgungssituation der Versicherten. Die von der Antragstellerin angeführten Honorarabsetzungen seien
nicht Gegenstand des Verfahrens.
Der Senat hat die Akte des Berufungs- und Anschlussberufungsverfahrens (Az.: L 4 KA 68/08 und L 4 KA 93/08) sowie die Akte des Sozialgerichts Marburg (Az.: S 12 93/08 ER) beigezogen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und
Verwaltungsakten sowie der beigezogenen Akten des Berufungs- und Anschlussberufungsverfahrens (Az.: L 4 KA 68/08 und L 4 KA 93/08) sowie des Sozialgerichts Marburg (Az.: S 12 93/08 ER) Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und statthaft. Rechtsgrundlage ist die Vorschrift des
§
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG); ein Fall des 86b Abs.
1 SGG, der die Möglichkeit betrifft, die aufschiebende Wirkung oder das Fehlen der aufschiebenden Wirkung durch gerichtliche Entscheidungen
zu korrigieren, liegt hier nicht vor. Das Hessische Landessozialgericht ist als Berufungsgericht gemäß §
86b Abs.
2 Satz 3
SGG sachlich zuständig. Nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vom 16. Juli 2008 (im Verfahren S 12 KA 45/08) ist der Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 9. April 2008 (Az.: S 12 KA 93/08 ER) in seiner Wirkung ausgelaufen, so dass dem erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht die Rechtskraft
des Beschlusses des Sozialgerichts Marburg vom 9. April 2008 (Az.: S 12 KA 93/08 ER) entgegensteht.
Der Antrag ist im tenorierten Umfang begründet. Der Hauptantrag ist unbegründet, dem als "Hilfsantrag" bezeichneten Antrag
war unter Auflagen stattzugeben. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form der Regelungsanordnung gemäß §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG setzt voraus, dass eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, d.h. dass dem Antragsteller
ohne eine entsprechende Regelung schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung
in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann (Anordnungsgrund) und ihm aufgrund der glaubhaft gemachten Tatsachen bei Prüfung
der Rechtslage ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die begehrte Handlung bzw. Unterlassung zusteht (Anordnungsanspruch).
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung
zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden
Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund
ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Hessisches Landessozialgericht (HLSG), Beschluss vom 29.06.2005 -
L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Aufl., §
86b Rn. 27 und 29 m.w.N.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf
einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht
vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an
den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem
Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz
nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der
Hauptsache eher zuzumuten ist.
Der Hauptantrag der Klägerin scheitert, weil es insoweit bereits an einem Anordnungsanspruch fehlt. Die Antragstellerin verfolgt
mit dem Hauptantrag das Ziel, gynäkologische Leistungen "an einem weiteren Ort" in A-Stadt (A-Straße) zeitlich unbeschränkt
erbringen zu können. Da es sich bei der angestrebten Tätigkeit in den Praxisräumen in A-Stadt mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen
nicht um eine Tätigkeit in "ausgelagerten Praxisräumen" im Sinne des § 24 Abs. 5 der Zulassungsverordnung für Vertragärzte
(Ärzte-ZV) handelt, bedarf die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an einem weiteren Ort der Genehmigung durch die Antragsgegnerin;
dies ergibt sich aus § 24 Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV.
Nach summarischer Prüfung bedarf es nach Auffassung des Senats jedoch im Rahmen des Genehmigungsverfahrens keiner gesonderten
Prüfung, ob die in § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Ärzte-ZV in der Fassung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) normierte
Voraussetzung erfüllt ist, denn die "Übertragung der Zulassung" erfolgt gemäß §
103 Abs.
4a SGB V grundsätzlich "bedarfsneutral". §
24 Abs.
3 Satz 1 Ärzte-ZV eröffnet mit Wirkung vom 1. Januar 2007 jedem zugelassenen Vertragsarzt die Möglichkeit, vertragsärztliche
Tätigkeiten außerhalb seines Vertragsarztsitzes an weiteren Orten auszuüben, wenn und soweit
1. die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und
2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird.
Ob die Zweigpraxis der Antragstellerin durch die Erbringung gynäkologischer Leistungen die Versorgung der Versicherten verbessert,
obwohl im X-kreis eine Überversorgung mit Ärzten der Fachgruppe Gynäkologie besteht, kann nach Auffassung des Senats dahinstehen.
Denn durch die in §
103 Abs.
4a SGB V normierten Übertragungsmöglichkeiten wollte der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Neugründung von Medizinischen Versorgungszentren
verbessern, da auch bei Sperrung wegen Überversorgung neue Zentren gegründet werden können. Da die Übertragung aber "bedarfsplanungsneutral"
erfolgt, wird gleichzeitig vermieden, dass es zur Steigerung der Zahl der vertragsärztlichen Leistungserbringer kommt [vgl.
BT-Drs. 15/1525, S. 112 (zu Nr. 80c / § 103)]. Eine gesonderte Prüfung, ob eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten
"an einem weiteren Ort" im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Ärzte-ZV besteht, würde dieses Ziel des Gesetzgebers aushebeln. Zudem
liefe eine zusätzliche Prüfung der Versorgungsverbesserung über den §
103 Abs.
4a Satz 2
SGB V hinaus den Interessen des Praxisabgebers zuwider. Aus Gründen des Eigentumsschutzes (Art.
14 Grundgesetz (
GG)) sieht das Gesetz in §
103 Abs. 4 bis 6
SGB V vor, dass der wirtschaftliche Wert einer Arztpraxis (einschl. Patientenstamm, Praxisräume- und Ausstattung) trotz Zulassungsbeschränkungen
für den Fall einer beabsichtigten Praxisnachfolge dadurch erhalten bleiben kann, dass für den Praxisnachfolger die Zulassungsbeschränkungen
durchbrochen werden können. Die Ratio der gesetzlichen Regelungen ist die Werterhaltung der freiberuflichen Praxis durch öffentlich-rechtlich
regulierte Nachfolge in den Zulassungsstatus. Würde man die Errichtung einer Zweigpraxis durch ein Medizinisches Versorgungszentrum
am Sitz der übernommen Praxis zusätzlich vom Kriterium der Verbesserung der Versorgung in einem überversorgten Gebiet abhängig
machen, wäre durch den abgebenden Arzt nicht mehr der Verkehrswert der Praxis zu erzielen.
Auch wird nach vorläufiger Prüfung die ordnungsgemäße Versorgung am Vertragsarztsitz in A-Stadt nicht beeinträchtigt. Die
Antragstellerin ließ im Klageverfahren insoweit vortragen, am Sitz der Zweigpraxis in A-Stadt nur untergeordnet gynäkologisch
tätig sein zu wollen. Es wird insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts Marburg im Urteil vom 16. Juli 2008 (Az.: S 12 KA 45/08) und in dem Beschluss vom 9. April 2008 (Az.: S 12 KA 93/08 ER) verwiesen, denen sich der Senat nach summarischer Prüfung anschließt. Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob
vorliegend überhaupt eine Beeinträchtigung der Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes auf gynäkologischem Fachgebiet entstehen
kann, wenn die Antragstellerin bis zur Errichtung der Zweigpraxis dort keine gynäkologischen Leistungen angeboten hat.
Allerdings war der Hauptantrag abzuweisen und (nur) dem "Hilfsantrag" - unter Auflagen - stattzugeben, weil der Betrieb einer
Zweigpraxis zur ausschließlichen oder überwiegenden Erbringung von Leistungen aus einem Leistungsbereich (hier: gynäkologische
Leistungen) nicht genehmigungsfähig ist. Denn am Vertragsarztsitz eines Medizinischen Versorgungszentrums müssen nach summarischer
Prüfung alle Leistungen angeboten werden, um fachübergreifend tätig zu sein. Einzelheiten zur Sicherung der Erfüllung der
Versorgungspflicht sind durch die Vertragspartner der Bundesmantelverträge- Ärzte, die gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 Ärzte-ZV ermächtigt
sind, geregelt. § 17 Abs. 1a Satz 1 BMV-Ärzte sieht dabei vor, dass der Vertragsarzt an seinem Vertragsarztsitz persönlich
mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung stehen muss. Die Delegation der Leistung an andere
Ärzte ist im Rahmen der Anstellung zulässig. Auch ist die Beschäftigung eines Assistenten (angestellter Arzt) allein zur Durchführung
der Behandlung an dieser Nebenbetriebsstätte gestattet, wenn dies von der Genehmigung der Tätigkeit an diesem Ort umfasst
ist (§ 15a Abs. 6 Satz 2 BMV-Ä/EKV-Ä). Für Medizinische Versorgungszentren gelten die Regelungen entsprechend (§ 1 Abs. 3
Nr. 2 Ärzte-ZV). Die Bundesmantelverträge sehen deshalb ebenfalls die Geltung der Ausführungsbestimmungen vor (§ 1 Abs. 8,
§ 15a Abs. 3 Satz 1 BMV-Ä/EKV-Ä). Für die Präsenzpflicht am Vertragsarztsitz gilt die Maßgabe, dass die angegebenen Mindestzeiten
für den Versorgungsauftrag des Medizinischen Versorgungszentrums insgesamt unabhängig von der Zahl der beschäftigten Ärzte
anzuwenden sind (§ 17 Abs. 1a Satz 4 BMV-Ä/EKV-Ä). Damit genügt es, dass ein Arzt des Medizinischen Versorgungszentrums die
Mindestpräsenz von 20 Wochensprechstunden gewährleistet. § 17 Abs. 1a Satz 5 BMV-Ä/EKV-Ä ordnet nochmals ausdrücklich die
entsprechende Geltung des Satzes 3 in § 17 Abs. 1a BMV-Ä/EKV-Ä an. So muss auch in einem Medizinischen Versorgungszentrum
die Gesamttätigkeitszeit am Vertragsarztsitz, also die Summe der Tätigkeitszeiten aller am Vertragsarztsitz tätigen Ärzte,
alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen (vgl. Pawlita, juris-PK
SGB V, Online-Ausgabe, Stand: 01.08.2007, §
95 SGB V Rdnr. 295 m.w.N.)
Entgegen der von der Antragstellerin in der Berufungsbegründung vom 25. August 2008 (Az.: L 4 KA 68/08) vertretenen Auffassung sind die einschlägigen Bestimmungen des Bundesmantelvertrages-Ärzte anzuwenden, auch wenn diese erst
mit Wirkung vom 1. Juli 2007 in Kraft getreten sind. Der Antrag der Antragstellerin auf Genehmigung vom 6. März 2007 wurde
mit Bescheiden vom 2. und 20. August 2007 und damit nach Inkrafttreten der maßgeblichen Bestimmungen des BMV-Ärzte abgelehnt.
Im Verwaltungsverfahren ist jedoch jede Änderung der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen. Es kommt daher nicht darauf
an, ob zum Zeitpunkt der Antragstellerin vor Ergänzung der BMV-Ä eine für sie günstigere Rechtslage bestand. Zudem ist nicht
ersichtlich, dass vor Ergänzung der Bundesmantelverträge eine bessere Rechtsposition der Antragstellerin bestanden hätte.
Nach summarischer Prüfung teilt der Senat die von der Antragstellerin in der Berufungsbegründung vom 25. August 2008 (Az.:
L 4 KA 68/08) vertretenen Auffassung nicht, die hier einschlägigen Regelungen des BMV-Ä (§§ 15a, 17 BMV-Ä) seien durch die Ermächtigung
des § 24 Abs. 4 Satz 2 Ärzte-ZV nicht erfasst und die Vertragsparteien daher nicht normsetzungsbefugt. Für den Senat ist ein
Eingriff in die Bedarfsplanungshoheit der Antragsgegnerin und der Krankenkassen auf Landesebene nicht ersichtlich, denn die
Festlegung von Mindestsprechstundenzeiten am Vertragsarztsitz berücksichtigt gerade den von den Kassenärztlichen Vereinigungen
und den Krankenkassen im Sinne des §
99 SGB V ermittelten Versorgungsbedarf.
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher im "Hilfsantrag" weitgehend stattzugeben. Zur Einhaltung der
gesetzlichen Anforderungen war er aufgrund der tenorierten Auflagen einzuschränken. Nach dem Hilfsantrag begehrt die Antragstellerin
eine überwiegende gynäkologische Tätigkeit am Vertragsarztsitz in A-Stadt; insofern ist die gynäkologische Tätigkeit in A
Stadt untergeordnet. Ein Anordnungsanspruch ist nach der zuvor dargestellten Rechtslage wahrscheinlich, so dass an die besondere
Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) geringe Anforderungen zu stellen sind. Der Senat sieht es insoweit als ausreichend an,
dass die Fortsetzung der Behandlung der Versicherten durch die Antragstellerin gewährleistet ist. Der Senat konnte aber nach
§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
938 Zivilprozessordnung (
ZPO), wonach das Gericht nach freiem Ermessen bestimmen kann, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind,
den Anordnungsanspruch einschränken. Das Sozialgericht Marburg hat im Urteil vom 16. Juli 2008 (Az.: S 12 KA 45/08) festgestellt, dass die Antragstellerin die hauptsächliche gynäkologische Tätigkeit auch in A-Stadt erbringen will. Im Hinblick
darauf, dass sie aber weiterhin nachdrücklich versucht, eine ausschließlich gynäkologische Tätigkeit in A-Stadt durchzusetzen,
besteht hinreichend Veranlassung, dass der Antragsgegnerin ermöglicht wird, die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen
zu überprüfen. Zu diesem Zweck hat der Senat die unter Nr. 2 und 3 tenorierten Auflagen erlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG in Verbindung mit §
155 Abs.
1 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Die Quotelung ergab sich daraus, dass der Antrag im Hauptantrag vollständig abzuweisen war und dem Hilfsantrag nur unter
Auflagen stattgegeben werden konnte.
Der Streitwert beträgt 5.000,00 EUR und folgt aus §
197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat folgt insoweit den Vorschlägen im Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (Stand: 1. April 2007, unter
16.10 m.w.N.; www.rlp.de), wonach insoweit von dem dreifachen Regelstreitwert auszugehen ist, der im Hinblick auf den Charakter
eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zu dritteln ist.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht angefochten werden (§
177 SGG).