Höhe des Jahresarbeitsverdienstes für die Berechnung einer Verletztenrente einer Tierärztin beim Wechsel zwischen einer Vollzeit-
und einer Halbtagstätigkeit aufgrund einer Promotion
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes als Berechnungsgrundlage der zu leistenden Verletztenrente
streitig (§§
81 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII).
Die 1972 geborene Klägerin ist von Beruf Tierärztin. Sie hatte am 15.02.1998 in einer tierärztlichen Klinik für Pferde in
A-Stadt eine Halbtagsbeschäftigung für 1.500,00 DM aufgenommen. Ab 01.08.1998 wurde diese Tätigkeit auf eine Ganztagsbeschäftigung
(3.000,00 DM) ausgeweitet. Ab 01.12.1998 reduzierte die Klägerin die Arbeitszeit um die Hälfte, arbeitete ab 01.02.2000 wieder
in Vollzeit und ab 01.03.2000 wechselte sie nochmals in eine Halbtagstätigkeit mit entsprechenden Änderungen des Gehalts.
Abgesehen von diesen Änderungen des Arbeitsvertrags bewilligte der Arbeitgeber ihr ab 01.09.1998, 01.10.1998, 01.02.1999,
01.08.1999 und 01.02.2000 Gehaltserhöhungen von jeweils 250,00 DM bzw. 500,00 DM. Ab 01.04.2001 arbeitete sie für die Klinik
in Vollzeit zu einem Monatsgehalt von 6.000,00 DM.
Bei der Behandlung eines Pferdes stürzte dieses am 14.04.2000 auf ihren linken Fuß. Hierbei zog sich die Klägerin eine Trümmerfraktur
des oberen linken Sprunggelenkes zu. Mit Bescheiden vom 13.06.2001 und 06.08.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
18.09.2002 bewilligte die Beklagte eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v.H
... Der Rentenberechnung wurde ein Jahresarbeitsverdienst in Höhe von 37.305,00 DM zugrunde gelegt.
In der dagegen am 16.10.2002 beim Sozialgericht München (SG) anhängig gemachten Klage (S 20 U 733/02) hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2004 erläutert, sie habe ihre Approbation Anfang 1998 erhalten.
Die Promotion, eine tierexperimentelle Studie über die Osseointegration von Prüfkörpern aus Titan bzw. -legierungen sei mit
ihrem Doktorvater Anfang 1998 abgesprochen worden. Anfang 1999 habe sie dann begonnen, die Promotionsarbeit intensiv zu führen.
Der Wechsel zwischen einer Vollzeit- und einer Halbtagstätigkeit sei von den Anforderungen und Versuchen der Promotion abhängig
gewesen.
Aufgrund eines Hinweises des SG auf die unzureichende Ermessensausübung der Beklagten bei der Bestimmung des Jahresarbeitsverdienstes haben sich die Beteiligten
vergleichsweise dahingehend geeinigt, dass die Beklagte über die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes bis spätestens 01.01.2005
neu entscheiden werde.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 06.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2005 sprach die Beklagte
aus, der nach der Regelberechnung festgestellte Jahresarbeitsverdienst in Höhe von 37.305,00 DM (= 19.073,76 EUR) entspräche
billigem Ermessen. Eine Neuberechnung des mit Bescheid vom 13.06.2001 festgestellten Jahresarbeitsverdienstes erfolge nicht.
Entsprechend der Regelberechnung sei das tatsächlich in den zwölf Kalendermonaten vor dem Unfallmonat bezogene Arbeitsentgelt
zu berücksichtigen. Der so festgestellte Verdienst sei nicht in erheblichem Maße unbillig. Insbesondere, wenn eine Versicherte
wie die Klägerin das Teilzeitarbeitsverhältnis freiwillig begründet habe, liege keine Unbilligkeit vor, da sie sich in ihrem
Lebensstandard hierauf eingerichtet habe.
Dagegen hat die Klägerin am 10.05.2005 beim SG wieder Klage erhoben (S 23 U 287/05). Es sei ein Jahresarbeitsverdienst von 64.624,30 DM (= 33.041,88 EUR) zugrunde zu legen. Sie habe unmittelbar nach ihrem
Studium eine Vollzeittätigkeit angestrebt, wegen mangelnder freier Kapazitäten in der Pferdeklinik jedoch zunächst halbtäglich
gearbeitet. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe sie ihre Promotion geplant und mit ihrem Doktorvater abgesprochen. Der Beginn
der Doktorarbeit habe aber noch nicht festgestanden, da er abhängig von Tierversuchsgenehmigungen gewesen sei. Da in der Pferdeklinik
weiterer Bedarf eingetreten sei, habe sie ihre Tätigkeit ab 01.08.1998 auf eine Vollzeittätigkeit ausgeweitet. Nach Vorliegen
der Tierversuchsgenehmigungen und Beginn der Doktorarbeit ab 01.12.1998 habe sie in eine halbtägliche Tätigkeit gewechselt.
Im Januar und Februar 2000 habe das Anwachsen von Implantaten an Versuchstieren abgewartet werden müssen, so dass sie wegen
freier Kapazitäten wiederum auf volle Erwerbstätigkeit umgestellt habe. Zu Unrecht habe die Beklagte diese besonderen Umstände
nicht berücksichtigt. Da sie während ihrer Teilzeitbeschäftigung nur jede zweite Woche gearbeitet habe, lägen auch "Zeiten
ohne Arbeitsentgelt" vor. Sie habe von vornherein eine Ganztagstätigkeit angestrebt. Sie habe sie auch ihren Lebensstandard
auf eine solche ausgerichtet.
Der im Erörterungstermin des SG am 22.10.2008 geschlossene widerrufliche Vergleich, die Rente nach einem Jahresarbeitsverdienst von 27.000,00 EUR zu berechnen,
ist von der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.11.2008 widerrufen worden.
Im Folgenden hat das SG mit Urteil vom 18.03.2009 für Recht erkannt: Der Bescheid vom 06.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2005
wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 13.06.2001 und 06.08.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 18.09.2002 verurteilt, der Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit ab 03.08.2000 (richtig: 31.08.2000) einen unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts gemäß §
87 SGB VII nach billigem Ermessen zu bestimmenden, höheren Jahresarbeitsverdienst zugrunde zu legen und hierüber einen neuen Bescheid
zu erteilen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der tatsächlich ermittelte Jahresarbeitsverdienst
in den Monaten April 1999 bis einschließlich März 2000 in Höhe von 37.305,00 DM (= 19.073,74 EUR) sei nach billigem Ermessen
zu erhöhen (deutlich höher als 26.057,81 EUR, aber auch deutlich niedriger als 33.041,88 EUR). Die Ermessensausübung obliege
jedoch der Beklagten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 07.05.2009. Es sei ein Jahresarbeitsverdienst von mindestens 64.624,30
DM (= 33.041,88 EUR) zugrunde zu legen.
Die Beklagte vertritt mit der am 08.05.2009 eingegangenen Anschlussberufung die Auffassung, der tatsächliche Jahresarbeitsverdienst
in den Monaten April 1999 bis einschließlich März 2000 in Höhe von 37.305,00 DM (= 19.073,74 EUR) sei nicht aus Billigkeitsgründen
zu erhöhen.
In der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2012 beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 06.12.2004, der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14.04.2005 und das Urteil des Sozialgerichts
München vom 18.03.2009 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin gewährte Rente rückwirkend ab 31.08.2000 nach einem Jahresarbeitsverdienst
(Ausgangswert) von mindestens 64.624,30 DM (= 33.041,88 Euro) neu zu berechnen und der Klägerin zu zahlen sowie für die zurückliegende
Zeit ab Rentenbeginn die sich ergebende Differenz nebst Zinsen an die Klägerin nachzuzahlen.
3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.03.2009 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 06.12.2004 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2005 abzuweisen. Ferner beantragt die Beklagte, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§
143,
144 und
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, ebenso die Anschlussberufung der Beklagten. Die Berufung der Klägerin erweist sich als begründet, die der Beklagten
als unbegründet.
Der Jahresarbeitsverdienst als Bemessungsgrundlage der Rente ist gemäß §
82 Abs.1 Satz 1
Sozialgesetzbuch VII (
SGB VII) der Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte (§
14 Sozialgesetzbuch IV -
SGB IV) und Arbeitseinkommen (§
15 SGB IV) des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Insoweit hat
die Beklagte das tatsächliche Einkommen der Klägerin in den Monaten April 1999 bis einschließlich März 2000 in Höhe von 37.305,00
DM (= 19.073,74 EUR) ermittelt und als Ausgangsbasis herangezogen. Denn der Gesetzgeber hat bereits, wie schon im früheren
Recht, nach § 577
Reichsversicherungsordnung (
RVO) grundlegend geregelt, dass neben der Erwerbstätigkeit zur Zeit des Arbeitsunfalles die Fähigkeiten, die Ausbildung und die
Lebensstellung des Versicherten zu berücksichtigen sind. Damit soll erreicht werden, dass der Verletzte (und gegebenenfalls
seine Hinterbliebenen) durch den Unfall nicht in dem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt werden (Bundessozialgericht
(BSG), Urteil vom 29.10.1981 - 8/8a RU 68/80 in SozR 2200 § 577
RVO Nr.9). Auch in §
82 Abs.1 Satz 1
SGB VII hat der Gesetzgeber mit dem Jahresarbeitsverdienst (JAV) das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des letzten Jahres vor
dem Arbeitsunfall unter Ausschluss von Bezugslücken als die den Lebensstandard des Verletzten bestimmende Größe zu erfassen
versucht. Dies hat das BSG mit Urteil vom 15.09.2011 nochmals grundlegend bestätigt (SGb 2011, 637-638).
Entgegen der klägerischen Rechtsauffassung liegen keine Zeiten ohne Arbeitsentgelt oder -einkommen im Sinne von §
82 Abs.2 Satz 1
SGB VII vor. Zeiten ohne Arbeitsentgelt oder -einkommen sind nach der Rechtsprechung zum bisherigen Recht, z.B. Zeiten der Krankheit,
der Arbeitslosigkeit oder eines unbezahlten Urlaubs (BSG SozR 2200 § 571 Nr.20 = BSGE 51, S.178 ff.), aber auch Zeiten der
Kurzarbeit (BSG SozR 2200 § 571 Nr.15). Unerheblich ist, ob der Verdienstausfall zufälliger Natur war (BSG SozR 2200 § 571
Nr.20 = BSGE 51, S.178 ff., 180; vgl. BSG SozR 2200 § 571 Nr.21; Keller in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, §
82 Rz.19).
Die Klägerin hat vorliegend eine "flexible Teilzeit" gewählt, um einerseits ihrer Promotion nachgehen zu können, andererseits
den besonderen Erfordernissen in der tierärztlichen Klinik im Zusammenhang mit ihrer Promotion gerecht zu werden.
Dieses Modell einer "flexiblen Teilzeitarbeit" kann Zeiten einer Krankheit, einer Arbeitslosigkeit oder eines unbezahlten
Urlaubs nicht gleichgestellt werden. Vielmehr wird auch in der entsprechenden Kommentar-Literatur nicht nur das einvernehmlich
vereinbarte Teilzeitarbeitsverhältnis unter §
82 Abs.1
SGB VII subsumiert, sondern auch eine flexible Arbeitszeitregelung im Rahmen von Altersteilzeit beim sogenannten "Blockmodell", bei
welchem regelmäßig die Gegenseitigkeit von Arbeitsleistung und Entgeltbezug auseinanderfällt (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens,
Gesetzliche Unfallversicherung, Rdnr.5 zu §
82 SGB VII).
Ziel und Zweck der Auffüllungsvorschrift des §
82 Abs.2 Satz 1
SGB VII ist es, Zeiten ohne Bezüge oder ohne typische Einkommenssituationen, oft mehr oder minder zufällig bedingt, nicht auf die
unter Umständen lang dauernde Entschädigungsleistung durchschlagen zu lassen (Ricke in Kasseler Kommentar, Rdnr.8 zu §
82 SGB VII).
Entgegen der Beklagten ist hier der ermittelte JAV in Höhe von 37.305,00 DM (= 19.073,74 EUR) gemäß §
87 SGB VII nach billigem Ermessen zu erhöhen. Ist ein nach der Regelberechnung, nach den Vorschriften bei Berufskrankheiten, den Vorschriften
für Kinder oder nach der Regelung über den Mindestjahresarbeitsverdienst festgesetzter JAV in erheblichem Maße unbillig, wird
er nach billigem Ermessen im Rahmen von Mindest- und Höchstjahresarbeitsverdienst festgesetzt. Hierbei werden insbesondere
die Fähigkeiten, die Ausbildung, die Lebensstellung und die Tätigkeit der Versicherten im Zeitpunkt des Versicherungsfalls
berücksichtigt. Mit Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 24/10 R hat das BSG (aaO.). ausgeführt, dass eine erhebliche Unbilligkeit im Sinne von §
87 SGB VII mithin vorliegen kann, wenn innerhalb des maßgeblichen Jahres bei dem Versicherten eine wesentliche und dauerhafte Änderung
in den Fähigkeiten, dem Ausbildungsstand, der Lebensstellung, der ausgeübten Tätigkeit oder den Erwerbseinkünften eingetreten
ist.
Die Wertung, ob der berechnete JVA "in erheblichem Maße unbillig" ist, hat das Gericht in vollem Umfang selbst vorzunehmen.
Unbilligkeit im Sinne des §
87 Satz 1
SGB VII ist ein unbestimmter Rechtsbegriff; erst bei Vorliegen seiner Voraussetzungen hat der Versicherungsträger Ermessenserwägungen
anzustellen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.09.2010 - L 17 U 26/09 mit Hinweis auf BSG SozR 2200 § 577 Nr.9; BSG mit Urteil vom 28.01.1993 - 2 RU 15/92; BSG mit Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 24/10 R, aaO., BSG vom 18.03.2003 SozR 4-2700 § 87 Nr.1). Über das Vorliegen einer erheblichen Unbilligkeit in diesem Sinne kann
nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden. Ziel der Regelung ist es, den JAV als Grundlage
der Rente so zu bemessen, dass der Lebensstandard gesichert wird, den der Versicherte zeitnah vor dem Versicherungsfall erreicht
und auf den er sich eingerichtet hat (vgl. BSG vom 15.09.2011 - B 2 U 24/10 R). Dabei sind die in §
87 Satz 2
SGB VII genannten Bewertungsgesichtspunkte (Fähigkeiten, Ausbildung, Lebensstellung und Tätigkeit der Versicherten im Zeitpunkt des
Versicherungsfalls) zu berücksichtigen (vgl. BSG vom 03.12.2002 SozR 3-2200 § 577 Nr.2, BSG Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 24/10 R aaO.).
In Berücksichtigung dieser vom Gesetzgeber aufgeführten Bewertungsgesichtspunkte ist der von der Beklagten festgesetzte Jahresarbeitsverdienst
in Höhe von 37.305,00 DM (= 19.073,74 EUR) in erheblichem Maße unbillig. Die Klägerin hatte bereits vor dem Unfall einen höheren
Lebensstandard erarbeitet als ihn der JAV des letzten Jahres widerspiegelt, zumal sie stetig Einkommenserhöhungen erhalten
hat. Sie hat hier ihre Vollzeittätigkeit als approbierte Tierärztin nur vorübergehend im Rahmen eines "flexiblen Teilzeitmodells"
in geringerem Umfang ausgeübt. Grund hierfür war die besondere Situation der Promotion, also eine berufliche Veranlassung
mit dem Ziel eines später höheren Einkommens und höheren Lebensstandards. Damit hat sie in dem hier maßgeblichen Zeitraum
von April 1999 bis einschließlich März 2000 nur vorübergehend eine Senkung ihres Lebensstandards akzeptiert und nicht auf
Dauer. Wenn sie ihre Doktorarbeit nicht erstellt hätte, hätte sie in dem maßgeblichen Zeitraum unter Berücksichtigung ihrer
konkreten Beschäftigung, ihrer Fähigkeiten, ihrer Ausbildung und ihrer Lebensstellung in Vollzeit als Assistentin an der tierärztlichen
Klinik arbeiten und hierbei nahezu das doppelte Einkommen erzielen können. Darüber hinaus hat sie ausweislich der aktenkundigen
Nachträge und Änderungen ihres ursprünglichen Arbeitsvertrages nach Abschluss ihrer Promotion auf Dauer wieder eine Ganztagstätigkeit
aufgenommen und vor allem ab dem 01.04.2011 eine Verdoppelung ihres Gehalts von 3.000,00 DM auf 6.000,00 DM erzielen können.
Aus der Sicht ex ante ist absehbar gewesen, dass sie nach Abschluss der Promotion wieder in Vollzeit arbeiten und sich die
Promotion günstig auf ihren Verdienst auswirken wird. Denn in dem Bereich der medizinisch-naturwissenschaftlichen Berufe ist
eine Promotion regelmäßig Voraussetzung für eine spürbare höhere Vergütung.
Zwar ist das Gericht grundsätzlich nicht befugt, das der Beklagten obliegende Ermessen für diese auszuüben. Jedoch sah sich
der Senat aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls veranlasst, hier bereits im Tenor eine konkrete Untergrenze für
die Ermessensausübung der Beklagten zu bestimmen, zumal eine Ermessenseinschätzung nahe Null vorliegt.
Die Klägerin hatte sich bereits zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls am 14.04.2000 durch ihre Erwerbsfähigkeit einen monatlichen
Verdienst bei Vollzeittätigkeit von 5.500,00 DM erarbeitet, denn sie erhielt im Februar bei Vollzeittätigkeit 5.500,00 DM
und ab März bei Teilzeittätigkeit 2.750,00 DM monatlich. Erwartungsgemäß hat sie nach Abschluss ihrer Promotion eine weitere
deutliche Steigerung ihres Einkommens auf 6.000,00 DM monatlich erreicht und ihre Tätigkeit wieder - wie von vornherein beabsichtigt
- auf eine Vollzeittätigkeit ausgeweitet. Vor diesem Hintergrund hatte sie bereits zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls durch
die gewonnenen Arbeitserfahrungen als berufspraktische Fähigkeiten und die weit fortgeschrittene Promotion als Weiterqualifikation
eine Lebensstellung erreicht, die weit über dem festgestellten JAV lag. Bereits zum Unfallzeitpunkt war davon auszugehen,
dass sie nach Abschluss der schon weit vorangetriebenen Promotion ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in einer Vollzeitstelle
mit mindestens dem bereits erzielten Gehalt einsetzen wird, also in Höhe von mindestens 5.500,00 DM monatlich (entspricht
bei 12 Kalendermonaten 66.000,00 DM). Vor diesem Hintergrund hält der Senat den vom Kläger geforderten JAV von mindestens
64.624,30 DM als Untergrenze gemäß §
87 SGB VII für angemessen.
Bei der Entscheidung, diese Untergrenze für die Ausübung billigen Ermessens ausnahmsweise bereits im Tenor verbindlich festzulegen,
hat der Senat berücksichtigt, dass von Seiten der Gerichte (SG und LSG) bereits mehrmalige Versuche einer billigem Ermessen entsprechenden Erhöhung gemäß §
87 SGB VII gescheitert sind, insbesondere aufgrund der mangelnden Bereitschaft der Beklagten, und dass wegen Art. 6 EMRK eine Beschleunigung des Verfahrens geboten ist, zumal das Verwaltungsverfahren seinen Ausgang im Jahr 2000 hat.
Der von der Klägerin geforderte JAV (Ausgangswert) von mindestens 64.624,30 DM stellt die Untergrenze dar, die aus Billigkeitsgründen
zugrunde zu legen ist (§
87 SGB VII).
Vorsorglich weist der Senat noch darauf hin, dass das Urteil des SG vom 18.03.2009 in Ziffer II einen offensichtlichen Schreibfehler enthält, als der Zeitpunkt der Rentengewährung auf unbestimmte
Zeit ab 03.08.2000 genannt worden ist. Zutreffend ist als Zeitpunkt des Rentenbeginns der 31.08.2000. Dieser Schreibfehler
ist jederzeit von Amts wegen zu berichtigen (§
138 Satz 1
SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§
183,
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.2 Nrn.1 und 2
SGG).